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Veröffentlicht am 17.07.2023

Subtiler Horror der Realität

Sekunden der Gnade
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Mit "Sekunden der Gnade" beweist Dennis Lehane wieder, dass er ein Meister des Subtilen ist. Sein Roman bietet keine großen Actionszenen oder den großen, übernatürlichen Horror. Lehane nimmt das reale ...

Mit "Sekunden der Gnade" beweist Dennis Lehane wieder, dass er ein Meister des Subtilen ist. Sein Roman bietet keine großen Actionszenen oder den großen, übernatürlichen Horror. Lehane nimmt das reale Leben, zeigt die schlechten Seiten auf und webt daraus eine Geschichte, die die Leser:innen fest in der Hand hält und immer fester zudrückt, bis es richtig unangenehm wird.
Wir verfolgen Mary Pat, eine Frau der Arbeiterklasse, die nicht gerade im besten Viertel der Stadt lebt, deren Tochter in der Nacht, in der ein Schwarzer auf mysteriöse Weise stirbt, verschwindet. Da sie der Polizei nicht vertraut, nimmt sie die Sache selbst in die Hand - und Mary Pat hat nichts zu verlieren.
Lehane zeigt nicht nur den Rassismus der 70er Jahre auf, sondern auch was die Lebensumstände aus einem Menschen machen können und wozu eine Mutter fähig ist. Die Handlung entwickelt sich wie ein dunkler Strudel des Unheils, in den die Leser:innen hineingezogen werden und gegen den man sich nicht wehren kann.
Der Roman beeindruckt durch seine klare Sprache, der Realitätsnähe und der Aktualität des Stoffes, obwohl die Handlung vor 50 Jahren spielt.

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Veröffentlicht am 17.06.2023

Nur historisch interessant

Die Reisenden der Nacht
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"Die Reisenden der Nacht" baut auf eine sehr interessante Idee auf. Ein deutsches Mädchen, dessen Vater Schwarz war, weshalb sie von den Nazis als nicht-lebenswert eingestuft wird. Jedoch ist sie überdurchschnittlich ...

"Die Reisenden der Nacht" baut auf eine sehr interessante Idee auf. Ein deutsches Mädchen, dessen Vater Schwarz war, weshalb sie von den Nazis als nicht-lebenswert eingestuft wird. Jedoch ist sie überdurchschnittlich intelligent und die arische Mutter möchte ihr Leben unbedingt schützen, weshalb sie Lilith mit einem jüdischen Ehepaar nach Kuba schickt.
Neben der Geschichte von Lilith mit ihrer Mutter, verfolgt der Roman noch weitere Generationen. Bis zu denen musst du aber erst mal kommen, denn das dauert. Sehr lange und ausführlich wird die Lebensgeschichte Liliths erzählt, wobei manche Episoden kaum bedeutend für den Fortgang der Geschichte scheinen und im Detail erzählt werden, während wichtige Lebensereignisse nur kurz erwähnt werden. Nicht nur, dass das Pacing komisch gewählt ist, auch die Charaktere konnten meine Sympathie nicht gewinnen, wodurch es schwierig war, mich für Liliths Geschichte zu begeistern.
Ich habe mich wirklich auf dieses Buch gefret, da es mal eine andere "2-Weltkriegsgeschichte" erzählt und die Fakten rund um die Rassenhygienegesetze waren gut recherchier, aber das ist leider das Einzige, womit der Roman punkten kann.

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Veröffentlicht am 11.06.2023

Wichtiges Thema ergreifend erzählt

Komplizin
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Winnie M Li nimmt die #metoo-Debatte zum Anlass, ein Buch über die dunklen Seiten der Filmproduktion zu schreiben. Die wenigsten von uns wissen wohl wirklich, wie ein Film entsteht, denn meistens sehen ...

Winnie M Li nimmt die #metoo-Debatte zum Anlass, ein Buch über die dunklen Seiten der Filmproduktion zu schreiben. Die wenigsten von uns wissen wohl wirklich, wie ein Film entsteht, denn meistens sehen wir nur das Endprodukt oder ein Making-Off, das uns natürlich auch nur die schönen Seiten zeigen soll. Doch Winnie M Li zeigt, womit Frauen in diesem Business zu kämpfen haben und dass sie bei der Bezahlung, den Preisverleihungen und der Anerkennung übergangen werden, ist leider noch der harmlosere Teil.
Eindrucksstark berichtet die Protagonisten Sarah Lei von ihrer Arbeit mit dem reichen Hollywoodproduzenten Hugo North, der unter Verdacht steht, die berühmte Schauspielerin Holly Randolph während ihrer gemeinsamen Arbeit an ihrem ersten Film vergewaltigt zu haben. Der Film, bei dem Sarah die Oberhand über die gesamte Produktion hatte, wo sie verantwortlich war, dass alles glatt läuft. Zehn Jahre später erzählt sie ihre Geschichte dem Journalisten Thom Gallager und es ist eine Geschichte des Wegschauens, des Akzeptierens, wie sie noch viel zu oft gefunden wird.
Die Autorin bringt nicht nur die Arbeit an einem Filmset näher, sondern auch, wie sich Frauen in diesen Situationen fühlen, Situationen, in denen sie das Gefühl haben, dass sie nicht "Nein" sagen können, weil zu viel davon abhängt. Der Roman ist zwar sprachlich an eine Reportage angelehnt, wodurch der Grundton nüchterner als notwendig ist, trotzdem schockiert er und rüttelt die Leser:innen innerlich wach. Das Buch entwickelt einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann und irgendwann merkt man, wie man mit Vollgas und kaputten Bremsen auf das Unglück zurast. Ein Roman, der erschüttert und genau in den wichtigen Narben herumstochert.

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Veröffentlicht am 09.06.2023

Die Schattenseiten der Idolkultur

Idol in Flammen
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Rin Usamis "Idol in Flammen" entführt europäische Leser:innen in eine Welt, die wir so nicht kennen, die japanische Idolkultur. Wir haben zwar Boybands und beliebte Stars, in Japan jedoch werden diese ...

Rin Usamis "Idol in Flammen" entführt europäische Leser:innen in eine Welt, die wir so nicht kennen, die japanische Idolkultur. Wir haben zwar Boybands und beliebte Stars, in Japan jedoch werden diese Idole auch als solche bezeichnet und viel stärker medialisiert als hier in Europa. Akari ist Fan eines solchen Idols, sie arbeitet neben der Schule, um sich CDs in dreifacher Ausführung zu kaufen und auf alle Konzerte zu gehen. Sie nimmt alle öffentlichen Fernsehauftritte Masakis auf, schreibt Transkripte und führt einen Blog über das Mitglied der Band. Ihr Verhältnis zu ihrem Idol ist obsessiv und als herauskommt, dass er einen Fan geschlagen haben soll, bekommt ihre, für sie perfekte Welt, Risse. Ihr Idol ist plötzlich statt auf dem ersten auf dem letzten Platz beim jährlichen Beliebtheitsranking und muss in seinem allabendlichen Livestream Hasskommentare über sich ergehen lassen.
Usami zeichnet den fragilen Charakter Akaris sehr eindrucksvoll und nachvollziehbar. Die Sprache ist poetisch, jedoch nicht anstrengend zu lesen. Es finden sich schöne Metaphern und tiefgehende Beschreibungen, die Sätze müssen jedoch nicht in Kleinstarbeit analysiert werden, um überhaupt erst mal zu verstehen, was im Roman passiert. Die Obsession, ausgelöst durch psychische Probleme Akaris, die dazu führt, dass sie ihr eigenes Leben vernachlässigt, wird verständlich geschildert und als Leser:in befürchtet man, durch die drückende Gesamtstimmung des Romans, ein schlimmes Ende.
Der Roman zeigt auf, was die Obsession mit einer fremden Person im Leben einer Jugendlichen anrichten kann. Mir fehlte jedoch etwas der Fokus auf eben diesen Skandal des Promis, er scheint nach den ersten zwanzig Seiten beinahe vergessen und taucht nur manchmal als kleines Spotlight wieder auf.

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Veröffentlicht am 05.06.2023

Powerfrauen auf Side Quests

Die Prinzessinnen: Fünf gegen die Finsternis
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Mit "Die Prinessinnen" liefert Christian Endres ein neues Fantasy-Werk, bei dem nicht nur eine starke Frau vorhanden ist, nein, es stehen gleich fünf von ihnen im Mittelpunkt. Und da sind wir auch schon ...

Mit "Die Prinessinnen" liefert Christian Endres ein neues Fantasy-Werk, bei dem nicht nur eine starke Frau vorhanden ist, nein, es stehen gleich fünf von ihnen im Mittelpunkt. Und da sind wir auch schon bei dem Punkt, der mich überhaupt erst auf das Buch aufmerksam gemacht hat. Der Titel und das Cover lassen die Leser:innen genau solche Figuren erwarten und sie werden keineswegs enttäuscht. Die Prinzessinnen in diesem Roman können kämpfen, besser als so ziemlich jeder Mann und alle anderen Wesen, nehmen kein Blatt vor den Mund und leben ihre Sexualität so aus, wie sie es möchten. Sie sind also in keiner Hinsicht die typische Frau aus einem Fantasyroman und das ist gut so!
Bestimmt ist der Roman kein poetisches Meisterwerk, das die Leser:innen mit Tiefgang und großen Gedanken in eine tiefe Nachdenklichkeit versetzt, dafür nimmt er sie mit auf ein Abenteuer voller Gefahren und großer Emotionen. Manchmal scheint es zwar so, als ob die Prinzessinnen auf einer großen, unbekannten Quest ständig von Nebenquests abgelenkt werden, aber am Ende fügt sich alles zusammen. Dadurch ist es am Anfang schwierig in den Roman hineinzufinden, aber bald wachsen einem die Prinzessinnen ans Herz und die Handlung nimmt auch schnell Fahrt (oder Ritt?) an.
Ein weiteres Manko für mich, und das ist Meckern auf sehr hohem Niveau: Der Roman wurde von einem Mann geschrieben.

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