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Veröffentlicht am 03.11.2021

Alles Käse, oder was?

Say Cheese!
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„Say Cheese“ ist der ideale Ideengeber für all diejenigen, die eine Vorliebe für dieses herzhafte und vielfältige Nahrungsmittel jenseits des langweiligen Käsebrots haben.

In 65 Rezepten nehmen uns die ...

„Say Cheese“ ist der ideale Ideengeber für all diejenigen, die eine Vorliebe für dieses herzhafte und vielfältige Nahrungsmittel jenseits des langweiligen Käsebrots haben.

In 65 Rezepten nehmen uns die britischen Autoren mit auf eine Reise um die Welt, servieren altbekannten Klassiker wie Käsefondue, Raclette oder Pizza Quattro Formaggi servieren, aber auch leckere internationale Rezepte, die mit Sicherheit ihren Platz auf dem Teller finden werden.

Los geht es mit einer detaillierten Einleitung zum Thema „Geschmolzener Käse“, in der die Frage beantwortet wird, zu welchen Sorten man wann greifen sollte. Es folgt das mit „Brot“ überschriebene Kapitel, in dem wir sowohl den simplen Drei-Käse-Toast als auch das raffinierte Philly Cheesesteak Sandwich finden, absolut für ein schnelles Essen geeignet. Der Abschnitt schließt mit einer amerikanischen Fleischbällchen-Pizza.

Die nachfolgenden Nudelrezepte sind typisches Soulfood auf Pasta-Basis, aufgepeppt mit diversen zusätzlichen Zutaten wie Gemüse, Fleisch oder Fisch. Hier halten sich aber glücklicherweise die üblichen al forno Zubereitungen mit Tomatensoße und Ragù im Rahmen.

Das Gemüsekapitel bietet wenig Überraschung. Mit Ausnahme des Englischen Brotpuddings, der griechischen Zucchinibratlinge und der Tartiflette aus Savoyen sind es im Wesentlichen die bekannten Gemüsesorten, die mit Käse gratiniert werden.

Den Abschluss bilden die Ofenkäse, Suppen und Fondues, alles einfach und ohne großen Aufwand zu realisieren.

Die Rezepte sind durch die Bank weg relativ einfach gehalten und somit auch für Anfänger absolut geeignet, die dazugehörigen Fotos vermitteln einen guten Eindruck des zu erwartenden Resultats. Die Zubereitung ist so klar und im Detail beschrieben, dass auch hier keine Fallstricke lauern. Aber die Zutatenliste verrät ganz klar die britische Herkunft des Kochbuchs. Mit den Gewürzen habe ich kein Problem, auch nicht mit den italienischen bzw. französischen Käsesorten, die kann ich in den jeweiligen Feinkostläden besorgen. Aber wo, bitteschön, bekommt man Monterey Jack oder Lincolnshire Poacher her? Hier hätte ich mir eine alternative Empfehlung gewünscht.

Mit kleinen Abstrichen alles in allem ein alltagstaugliches Kochbuch für Kochanfänger und Käseliebhaber.

Veröffentlicht am 02.11.2021

Eine liebevolle Hommage

Der Nachtwächter
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Louise Erdrich, Autorin mit Chippewa-Wurzeln, 2021 mit dem Pulitzer 2021 für diesen Roman ausgezeichnet, zeigt in „Der Nachtwächter“ das dunkle Kapitel der „Termination Bill“ auf, die ihren Anfang zu Beginn ...

Louise Erdrich, Autorin mit Chippewa-Wurzeln, 2021 mit dem Pulitzer 2021 für diesen Roman ausgezeichnet, zeigt in „Der Nachtwächter“ das dunkle Kapitel der „Termination Bill“ auf, die ihren Anfang zu Beginn der fünfziger Jahre hat. Verträge, die seit langem Bestand haben, werden gebrochen mit dem Ziel, die Stämme zu zerschlagen, die Ureinwohner von ihrem Land zu vertreiben und in Städte umzusiedeln. Schlussendlich Landraub mit legitimen Mitteln. Druck wird im Wesentlichen über die finanzielle Schiene aufgebaut. Den Stämmen wird der autonome Status aberkannt, die Entschädigungszahlungen für die Besiedlung von Stammesland eingestellt. Die Auswirkungen, die dies hat, sind bis heute deutlich zu sehen: Armut, Alkoholismus, Arbeitslosigkeit, fehlende Perspektiven und nicht zuletzt der Identitätsverlust der Vertriebenen.

Erdrichs Großvater wurde im Turtle Mountain Reservat in North Dakota geboren, und seine Geschichte ist Inspiration und Grundlage für diesen Roman, in dessen Zentrum Thomas Wazhushk steht. Nachts bewacht er eine Fabrik, in der tagsüber die Frauen des Turtle-Mountain-Clans arbeiten, unter anderem auch seine Nichte Pixie. Thomas ist ein guter, ein mitfühlender Mensch und will die anstehende Vertreibung mit allen Mitteln verhindern, weshalb er einerseits innerhalb des Reservats versucht, zu informieren und einen Marsch nach Washington zu organisieren, andererseits aber auch viele Nächte damit verbringt, lange Briefe an die Verantwortlichen in Washington zu schreiben, um seinen Stamm vor der Auslöschung, aber auch den Erfahrungen zu bewahren, die Pixie machen muss, als sie in Minneapolis nach ihrer Schwester sucht, die das Reservat verlassen hat und spurlos verschwunden ist.

Es ist ein buntes Kaleidoskop, zusammengesetzt aus unzähligen Einzelschicksalen, Drama und leisem Humor, übernatürlichen Erscheinungen, Mystik und Spiritualität. Eine liebe- und respektvolle Hommage an die Menschen, die trotz aller Widrigkeiten ihre Würde behalten und mit aller Entschlossenheit für ihre Traditionen und ihre Existenz kämpfen. Lesen!

Veröffentlicht am 30.10.2021

Viele Fragen, keine Antworten

Inmitten der Nacht
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„Inmitten der Nacht“ habe ich ausgewählt, weil er auf der Leseliste des ehemaligen US-Präsidenten Obama zu finden ist. Und alle Bücher, die ich in der Vergangenheit aufgrund seiner Empfehlungen gelesen ...

„Inmitten der Nacht“ habe ich ausgewählt, weil er auf der Leseliste des ehemaligen US-Präsidenten Obama zu finden ist. Und alle Bücher, die ich in der Vergangenheit aufgrund seiner Empfehlungen gelesen habe, konnten überzeugen. So auch dieses.

Amanda, Clay und die beiden Kinder, eine weiße Mittelklasse-Familie aus Brooklyn, mieten für den Familienurlaub eine Luxus-Villa auf Long Island. Das großzügige Anwesen liegt abgelegen im Wald, es gibt keine Nachbarn und zum Einkaufen muss man einige Zeit fahren. Das Anwesen lässt keine Wünsche offen, Pool, Jakuzzi, hochwertige Ausstattung, alles vorhanden. Entspannung pur, die allerdings nur kurz währt, denn schon am Abend des ersten Urlaubstages steht ein älteres Paar, Ruth und GH, unangemeldet vor der Tür, schwarz, völlig verstört. Wenn man ihren Aussagen Glauben schenken kann, sind sie die Besitzer des Hauses und suchen Zuflucht, weil ein großflächiger Stromausfall New York lahmgelegt hat und sie nicht in ihre Wohnung in der Park Avenue gelangen können. Verifizieren lässt sich diese Aussage nicht, denn weder TV, noch Internet oder Telefon funktionieren. Sämtliche Verbindungen zur Außenwelt sind gekappt.

Aus dieser Ausgangssituation entwickelt sich ein Szenario, das zu Beginn nur mysteriös erscheint, aber im Verlauf der Handlung zunehmend bedrohliche Züge annimmt. Was geht da draußen vor sich? Soll man das vermeintlich sichere Refugium verlassen und in die Stadt zurückkehren? Ist das wirklich nur ein Stromausfall? Ist das Land im Krieg? Wurden Atomwaffen eingesetzt? Was hat es mit der Herde Rehe auf sich oder den Flamingos, die urplötzlich auf dem Grundstück auftauchen? Woher kommt der ohrenbetäubende Knall, der Risse in den Glasscheiben verursacht?

Es gibt keine Antworten, nur Unsicherheit, eine verwirrende neue „Normalität“, mit der die beiden Familien zurechtkommen, sich trotz aller Vorurteile und Zweifel zusammenraufen, unterstützen müssen, damit sie eine Überlebenschance haben.

„Leave the world behind“, so der Originaltitel, ist ein Roman, der perfekt in unsere Zeit passt. Beeindruckender und beunruhigend. Packend und atmosphärisch. Der die Hilflosigkeit, die Verunsicherung, den Kontrollverlust und die Ängste thematisiert. Der auch die Themen Vorurteile und Rassismus nicht ausklammert. Ein Roman über eine beängstigende Zukunft, am ehesten vergleichbar mit Cormac McCarthys „Die Straße“. Ein Roman über unsere Gegenwart, der viele Fragen aufwirft, aber keine einfachen Antworten parat hat. Lesen!

Veröffentlicht am 27.10.2021

Dunkelblum ist überall

Dunkelblum
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Dorfromane fluten bereits seit einiger Zeit den Büchermarkt, und spätestens seit Juli Zeehs „Unterleuten“ zeigen sie auch jenseits der Heimeligkeit die Untiefen, die in diesem geschlossenen Mikrokosmos ...

Dorfromane fluten bereits seit einiger Zeit den Büchermarkt, und spätestens seit Juli Zeehs „Unterleuten“ zeigen sie auch jenseits der Heimeligkeit die Untiefen, die in diesem geschlossenen Mikrokosmos lauern. Seit Generationen schwelende Streitigkeiten, aber auch gravierende Ereignisse, deren Einfluss auf das Miteinander im Endeffekt für das Zusammengehörigkeitsgefühl gegenüber allem Fremden verantwortlich ist.

Eva Menasses neuer Roman hat einen realen Hintergrund, auch wenn Dunkelblum ein fiktiver Ort ist (steht stellvertretend für Rechnitz). Aber die Ereignisse in dieser Gemeinde im Burgenland, unweit der ungarischen Grenze, fungieren als Beispiel für eine geografischen Region, die sich als das letzte westliche Bollwerk versteht und in der in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs unzählige Massaker an Zwangsarbeitern verübt wurden. Verscharrt in eilig ausgehobenen Massengräbern. Totgeschwiegen. Aus der kollektiven Erinnerung gestrichen. Verleugnet, verschwiegen und vergessen. Und dennoch eingegraben in die Biografie jedes Einzelnen.

Aber die Zeiten ändern sich, 1989 fällt der eiserne Vorhang fällt, die Grenzen nach Osten sind offen, die Vergangenheit hält Einzug in das Leben der Dörfler. Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR drängen in die Freiheit, werden mit Tritten und nicht mit offenen Armen empfangen. Eine Studentengruppe aus Wien kümmert sich um den verwahrlosten jüdischen Friedhof, stellt unangenehme Fragen, wie der Besucher aus Übersee. Und plötzlich ist die Vergangenheit wieder präsent.

Eine Unzahl von Personen, Stimmen und Meinungen sowie wechselnde Erzählperspektiven stellen hohe Anforderungen an die Leser*in, machen die Lektüre zu Beginn sperrig und verwirrend. Aber je tiefer man in diesen dörflichen Kosmos eintaucht, desto klarer wird die Dynamik innerhalb der Gruppe, der Umgang jedes Einzelnen mit der Schuld, die dieses Dorf in dunklen Zeiten auf sich geladen hat und die bis in die heutige Zeit hineinreicht. Vergangenheitsbewältigung? Fehlanzeige.

Dunkelblum ist überall, nicht nur im österreichischen Burgenland.

Veröffentlicht am 24.10.2021

Bleibt leider hinter den Erwartungen zurück

Die Früchte, die man erntet
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Es sind zwei Handlungsstränge, die den siebten Band der schwedischen Krimireihe um Sebastian Bergman und das Team der Reichsmordkommission „Die Früchte, die man erntet“ bestimmen. Zum einen ist da der ...

Es sind zwei Handlungsstränge, die den siebten Band der schwedischen Krimireihe um Sebastian Bergman und das Team der Reichsmordkommission „Die Früchte, die man erntet“ bestimmen. Zum einen ist da der Heckenschütze, der wahllos aus dem Hinterhalt Menschen erschießt. Offenbar ohne Verbindung. Zum anderen stellt das Auffinden einer Leiche sämtliche Ermittlungsergebnisse in einem längst ad acta gelegten Mordfall in Frage und zwingt das Team, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Kollege involviert, vielleicht sogar der Mörder sein könnte.

Wie bereits in den Vorgängern der Reihe (mit dem Untertitel „Ein Fall für Sebastian Bergman“) liegt der Schwerpunkt weniger auf der Krimihandlung als auf der Dynamik, die sich aus den zwischenmenschlichen Beziehungen entwickelt. Und auch wenn Bergmans Tätigkeit als freiberuflicher Profiler bei der Reichsmordkommission nicht mehr gefragt ist, nimmt seine Person über weite Strecken eine wichtige Rolle ein. Er praktiziert mittlerweile wieder als Psychotherapeut und kümmert sich rührend um seine Enkeltochter. Aber dennoch ist es noch immer der tragische Verlust seiner Familie, der ihn nicht zur Ruhe kommen lässt. Verstärkt wird dies noch durch einen Klienten, der ihm offenbart, dass auch er seine Tochter durch den Tsunami verloren hat und Hilfe braucht. Ein thematischer Schwerpunkt, der wohl auch in künftigen Bänden Raum einnehmen wird.

Funktioniert dieses Buch als Kriminalroman? Nur bedingt. Die Handlung ist dürftig, kaum spannend, zieht sich in der ersten Hälfte in die Länge. Verweise auf die Vorgängerbände sind zwar vorhanden, für Neueinsteiger aber bei weitem nicht ausreichend, um die Bedeutung des Cold Case zu erfassen. Und die Schlusssequenz plus doppeltem Cliffhanger wirkt um der Dramatik willen dermaßen wild konstruiert, dass man nur noch den Kopf schütteln kann. Ein absurder Showdown, der jedem Actionfim zur Ehre gereicht, aber hier völlig fehl am Platz ist.