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Veröffentlicht am 06.02.2022

Vienesse Weed

Das giftige Glück
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Seit Januar 2022 ist in Österreich ein Gesetz für die Beihilfe zum Suizid in Kraft getreten, das schwer bzw. unheilbar Kranken den Zugang zu Medikamenten garantiert, mit denen sie ihrem Leiden ein Ende ...

Seit Januar 2022 ist in Österreich ein Gesetz für die Beihilfe zum Suizid in Kraft getreten, das schwer bzw. unheilbar Kranken den Zugang zu Medikamenten garantiert, mit denen sie ihrem Leiden ein Ende setzen können. Das muss aber immer legal und von Medizinern abgesegnet sein. Aber was wäre, wenn plötzlich eine für alle Sterbewilligen offene Möglichkeit bestünde, diesen Weg durch die Instanzen umgehen zu können? Passender hätte der neue Roman „Das giftige Glück“ von Gudrun Lerchbaum nicht erscheinen können, ein Roman, der sich nicht nur mit dieser Thematik auseinandersetzt.

Wien im Frühjahr, die Pandemie ist endlich abgehakt, überall grünt es und über den Wäldern und Parks der Metropole liegt der Duft von Bärlauch. Nach Monaten des Eingesperrtseins ein Neuanfang. Die Menschen strömen in die Natur, sammeln die lanzettförmigen Blätter, nicht wissend, dass die Pflanzen von einem Pilz befallen sind, der bei Genuss tödlich wirkt.

Zuerst sterben die Menschen versehentlich, aber nicht, wie so oft bei giftigen Substanzen, unter unbeschreiblichen Qualen. Nein, die letzten Minuten ihres Lebens sind sie entspannt und voller Freude, denn beschert einen schmerzfreien Tod, der mit offenen Armen empfangen wird. Diese Information macht schnell die Runde und eröffnet Möglichkeiten, nicht nur für kranke Menschen sondern auch für solche, die nichts Gutes mit Vienesse Weed, wie es mittlerweile genannt wird, im Sinn haben. Natürlich ruft das die staatlichen Organe auf den Plan. Der Zutritt zu den Wäldern und Parks wird verboten, das Sammeln unter Strafe gestellt und die städtischen Gärtner mobilisiert, damit sie die Pflanzen vernichten.

Es sind viele Themen, die dieser Roman behandelt. Es geht um selbstbestimmtes Leben und Sterben, um Freundschaft und Liebe, um Sterbehilfe, um Verantwortung gegenüber den Mitmenschen, um Einschränkungen der persönlichen Freiheit, um unseriöse Medienberichte und Verschwörungstheorien, um die Kontrolle der Natur durch den Menschen. Viele moralphilosophische Fragen, deren Beantwortung allerdings nicht auf einem Tablett serviert wird, die man aber durchaus auch im Kontext der aktuellen Pandemie stellen darf, wobei die Autorin die gesellschaftspolitischen Gegebenheiten im Blick behält, uns nebenbei mit naturwissenschaftlichen Fakten versorgt und zum Nachdenken anregt.

Das mag sich jetzt trockener anhören, als es tatsächlich ist. Im Gegenteil, denn da gibt es auch noch diesen Handlungsstrang, der all diese Aspekte auf eine persönliche Ebene herunterbricht. Olga, die an Multipler Sklerose leidet und sterben möchte, ihre Freundin Kiki, die sie pflegt und ihr dabei helfen soll, und Jasse, die Jugendliche mit Problemen, die eher zufällig mit den beiden Frauen in Kontakt kommt. Nicht zu vergessen der ungewöhnliche Mordfall. Es sind diese ständigen Perspektivwechsel und die humorvollen, teils bissigen Dialoge, die Abwechslung bieten und die Handlung lebendig und spannend gestalten.

Von mir gibt es dafür eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.02.2022

Neue Fälle für den Club

Der Mann, der zweimal starb (Die Mordclub-Serie 2)
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Der erste Band der Donnerstagsmordclub-Reihe von Richard Osman konnte mich nicht vollständig überzeugen. Zu langatmig, zu betulich, zu viel Drumherum-Gerede. Aber jeder verdient eine zweite Chance, auch ...

Der erste Band der Donnerstagsmordclub-Reihe von Richard Osman konnte mich nicht vollständig überzeugen. Zu langatmig, zu betulich, zu viel Drumherum-Gerede. Aber jeder verdient eine zweite Chance, auch das Rentnerquartett Elizabeth, Joyce, Ibrahim und Ron aus Coopers Chase, der Seniorenresidenz im schönen Kent, in die man sich nur einkaufen kann, wenn man ein dickes Sparkonto oder solvente Kinder mit Schuldgefühlen hat. Und es mag ja sogar Menschen dieser Altersgruppe geben, die sowohl körperlich als auch geistig noch auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit sind, wobei auch in diesem Punkt durchaus leichte Zweifel angebracht scheinen. Dass die Realität für die meisten Betagten anders aussieht, sei mal dahingestellt. Allerdings ist „Der Mann, der zweimal starb“ Fiktion, da kann man über die eine oder andere Unglaubwürdigkeit schon einmal hinwegsehen.

Worum geht es nun in diesem Krimi? Douglas, der Ex-Mann der ehemaligen MI6-Agentin Elizabeth steckt in Schwierigkeiten. Bei der Durchsuchung eines Anwesens hat er Diamanten im Wert von 20 Millionen Pfund in die eigene Tasche gesteckt, und nun sind sowohl seine Kollegen vom Service als auch der Bestohlenen sowie ein Mafioso hinter ihm her. Er muss untertauchen, und Elizabeth soll ihm dabei helfen. Zeitgleich wird Ibrahim bei einem Ausflug nach Fairhaven von einer Gruppe Teenager überfallen und schwer am Kopf verletzt. Seine Freunde kümmern sich rührend um ihn, setzen aber alles daran, mit Unterstützung von Bogdan, dem polnischen Handwerker, und Chris und Donna, den Vertretern der hiesigen Polizei, die Täter dingfest zu machen, wobei die beiden Polizisten parallel damit beschäftigt sind, einer Drogendealerin das Handwerk zu legen. Doch dann wird Douglas erschossen aufgefunden, aber er hat Elizabeth eine verschlüsselte Botschaft hinterlassen, die sie zum Versteck der Diamanten führen soll. Jetzt gilt es nur noch, diese zu entschlüsseln und die bösen Buben und Mädchen aus dem Verkehr zu ziehen.

Alles ist mit allem verbunden, und auf den ersten Blick scheint das eine Menge Stoff für einen einzigen Krimi zu sein, in dessen Dickicht man sich verirren könnte, aber keine Sorge, der Autor hat seine Story jederzeit im Griff. Da gibt es keine Ungereimtheiten, keine Handlungsstränge, die im Nirwana verschwinden. Es macht Spaß und ist höchst unterhaltsam, die Ermittlungsarbeit der liebenswerten Oldies zu begleiten, die Finten zu bestaunen, an denen Richard Osman uns teilhaben lässt. Das alles mit jeder Menge englischem Augenzwinkern in kurzen Kapiteln beschrieben, die keine Längen aufkommen lassen und das Tempo bis zum Schluss hoch halten.

Veröffentlicht am 02.02.2022

Keep it simple

Weil's einfach gesünder ist
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Ausgewogen und gesund sollten wir uns ernähren, das ist klar, aber leider fehlt oft das Wissen über das, was unsere Lebensmittel an Nährstoffen zu bieten haben. Hier setzt Alexander Herrmann mit seinem ...

Ausgewogen und gesund sollten wir uns ernähren, das ist klar, aber leider fehlt oft das Wissen über das, was unsere Lebensmittel an Nährstoffen zu bieten haben. Hier setzt Alexander Herrmann mit seinem Kochbuch „Weil’s einfach gesünder ist“ an und vermittelt auf anschauliche und verständliche Weise Basiswissen anhand von diversen Top Ten Listen: Fette und Öle / Gewürze und Co. / Getreide und Hülsenfrüchte / Gemüse / Kräuter / Nüsse und Co. / Obst.

Aber keine Sorge, auch der Genuss wird nicht vernachlässigt. In über 70 Rezepten deckt er sämtliche Mahlzeiten von Frühstück bis Abendessen ab, die allesamt auf Zutaten basieren, die uns und unserem Körper Gutes tun: Start in den Tag, Hauptmahlzeiten, Kleine Gerichte…so die Einteilung. Und das bringt uns zu seinem nächsten Anliegen. Er plädiert nämlich für intermittierendes Fasten, heißt, man solle gewisse Zeitfenster bei der Nahrungsaufnahme einhalten, im Idealfall nach dem 16:8 Schlüssel. Ein unkompliziertes, flexibles System, das sich perfekt ins tägliche Leben integrieren lässt und Gesundheit und Wohlbefinden garantieren kann.

Die Rezepte sind unkompliziert zu realisieren, basieren im Wesentlichen auf Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse, letztere im Idealfall natürlich saisonal, ergänzt mit hoch- und vollwertigen Kohlenhydraten. Fleisch ist selbst bei den Hauptmahlzeiten selten zu finden, und wenn doch, so nimmt es eher eine Nebenrolle ein. Die Zutaten sind penibel aufgelistet und sollten überall erhältlich sein, die Zubereitungen bis ins Detail beschrieben, und selbst zum appetitlichen Anrichten gibt es hilfreiche Tipps inklusive einer professionellen Bebilderung. Ein ausführliches Register rundet dieses informative Kochbuch ab.

Einen Wermutstropfen gibt es dennoch. Vermisst habe ich die Nährwertangaben bei den jeweiligen Gerichten, im Speziellen die Werte für Kohlenhydrate und Kalorien. Diese Informationen wären bestimmt hilfreich für Nutzer, die sich nach dem Low Carb Prinzip ernähren bzw. auf die tägliche Kalorienzufuhr achten.

Veröffentlicht am 27.01.2022

Da muss doch noch Leben ins Leben...

Ende in Sicht
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Ronja von Rönne ist eine Autorin die polarisiert, was man auch in den Besprechungen zu ihrem neuen Roman „Ende in Sicht“ feststellen kann, in dem sie sich mit dem Thema Depression und Suizid beschäftigt. ...

Ronja von Rönne ist eine Autorin die polarisiert, was man auch in den Besprechungen zu ihrem neuen Roman „Ende in Sicht“ feststellen kann, in dem sie sich mit dem Thema Depression und Suizid beschäftigt. Für die einen ist der Roman die einfühlsame und gelungene Beschreibung der Innenwelt zweier Frauen, die an dieser Krankheit leiden, für die anderen eine oberflächliche, auf Knalleffekte ausgelegte Geschichte, die lediglich an der Oberfläche kratzt.

Das Leben ist doch schön, oder? Diese Frage würde sowohl Hella, die Schlagersängerin, die ihre besten Jahre längst hinter sich hat und in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist, als auch die fünfzehnjährige Juli, aufgewachsen mit ihrem alleinerziehenden Vater, die sich all die Jahre nach ihrer abwesenden Mutter gesehnt hat, wohl mit Nein beantworten. Beide sind an dem Punkt, an dem ein Weiterleben kaum mehr möglich scheint, sie des Lebens überdrüssig sind. Die eine ist auf dem Weg in die Schweiz, wo sie mit Hilfe einer gefakten Bescheinigung ihrem Leben ein Ende setzen will, die andere macht es kurz und schmerzlos und springt von einer Grünbrücke auf die Autobahn. Es ist Hellas Auto, vor dem Juli landet, die bei dem Sprung nicht gestorben sondern nur leicht verletzt ist. Nach einem kurzen Stopp im Krankenhaus setzen sie ihren Weg gemeinsam fort, und so entsteht aus diesem unerwarteten Zusammentreffen eine Allianz auf Zeit, in der sich die beiden scheibchenweise öffnen. Und obwohl ihr Umgang weniger von Verständnis und Mitgefühl als von Ruppigkeit geprägt ist, blitzt ab und an doch so etwas wie Einfühlungsvermögen und Interesse in den Dialogen auf.

Einfühlsam oder oberflächlich? Ganz so eindeutig kann ich die Frage für mich nicht beantworten, denn es ist beides. Einerseits tappt die Autorin nicht in die Sentimentalitätsfalle sondern konzentriert sich im Wesentlichen auf die Beschreibung der unterschiedlichen Lebens- und Gefühlswelten der Protagonistinnen, und das gelingt ihr gut. Andererseits arbeitet sie sich aber auch an den abgedroschenen Klischees der gestörten Mutterbeziehung und ab. Bei Hella ist es das Leiden an der Bevorzugung der Schwester, bei Juli das Sehnen nach der abwesenden Mutter. Gemeinsam ist ihnen die lähmende Gewöhnung, das Gefühl, fehl am Platz zu sein und von ihrem Umfeld nicht wahrgenommen zu werden. Depression und Suizid sind ernste Themen, aber hier bleibt mir von Rönne zu sehr an der Oberfläche, kratzt nur zaghaft, bevor es richtig wehtun kann. Aber das passt auch zum Ende der Geschichte.

Veröffentlicht am 26.01.2022

Charmanter Krimi mit einer liebenswerten Hauptfigur

The Maid
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Lust auf einen Cozy-Krimi, der zwar Ähnlichkeiten mit den englischen Klassikern aufweist, aber durch eine liebenswerte und sympathische Protagonistin seinen individuellen Touch erhält?

Molly „The Maid“ ...

Lust auf einen Cozy-Krimi, der zwar Ähnlichkeiten mit den englischen Klassikern aufweist, aber durch eine liebenswerte und sympathische Protagonistin seinen individuellen Touch erhält?

Molly „The Maid“ arbeitet als Zimmermädchen in einem Nobelhotel. Sie ist überkorrekt, liebt ihre Arbeit und erledigt alle ihr aufgetragenen Aufgaben mit wahrer Hingabe. Und sie ist ein guter Mensch, arglos wie Forrest Gump, hat immer den moralischen Kompass im Kopf, den ihr die kürzlich verstorbene Großmutter vermittelt hat. Richtig und falsch kann sie zwar unterscheiden, aber Mimik, Körpersprache und auch das Verhalten ihrer Mitmenschen zu interpretieren ist nicht wirklich ihre Kernkompetenz.

Das bringt sie in große Schwierigkeiten, als sie die Leiche eines Hotelgasts bei ihrer täglichen Putzroutine entdeckt. Die Untersuchungen der Polizei ergeben, dass dieser offenbar einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist und alle Indizien deuten auf Molly als Täterin hin.

Dafür, dass dieser Krimi ein Debüt ist, ist er ausgesprochen routiniert geschrieben und schlüssig aufgebaut. Kein Wunder, ist Nita Porse doch Cheflektorin bei Simon & Schuster. Die Atmosphäre wirkt „very british“, aber die Autorin lebt und arbeitet in Toronto, der kanadischen Metropole mit britischer Vergangenheit, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Die Lösung des Mordfalls samt der Zusammenhänge ist allerdings ziemlich offensichtlich, beeinträchtigt aber das Lesevergnügen zu keinem Zeitpunkt, was ohne Zweifel der Hauptfigur geschuldet ist.

„The Maid“ ist eine unterhaltsame Lektüre voller Charme, die man am besten mit einer Tasse Tee und Shortbread genießt. Enjoy!