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Veröffentlicht am 08.07.2020

Basics vom Küchenprofi

Hausgemacht & eingekocht
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Konservierungsmittel, Farbstoffe, künstliche Aromen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, und das ist nur die Speerspitze der Inhaltsstoffe, ohne die mittlerweile kaum noch ein Nahrungsmittel aus ...

Konservierungsmittel, Farbstoffe, künstliche Aromen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, und das ist nur die Speerspitze der Inhaltsstoffe, ohne die mittlerweile kaum noch ein Nahrungsmittel aus der Lebensmittelindustrie auskommt. Als Folge davon kämpfen viele Menschen mit Unverträglichkeiten und Allergien. Aber Abhilfe ist mit dem neuen Kochbuch von Alfons Schuhbeck „Hausgemacht & Eingekocht“ in Sicht. Und die Ausrede, dass man keine Zeit zum Kochen hat, greift hier nur bedingt, denn kaum ein Rezept liegt in der Zubereitungszeit bei über 30 Minuten.

In erster Linie werden hier Basics vermittelt, Das beginnt mit einem Crash-Kurs zum Einkochen und detaillierten Informationen zur alternativen Methoden des Haltbarmachens. Es folgen die „Klassiker fürs ganze Jahr“: Soßen und Dressings, aber auch Rezepte für Granola und Ketchup und – meine Favoriten – Gemüsebrühpulver und Salzzitronen. Die nachfolgende Gliederung orientiert sich an den Jahreszeiten, wobei hier von Limonaden, Likören, Kräutern, Rillette, Pickles, Kuchen und Gebäck so ziemlich alles dabei ist, was man sich vorstellen kann. Am informativsten sind meiner Meinung nach die Rezepte für Herbst/Winter, bei denen Schuhbeck auch die Technik des Fermentierens im Detail beschreibt. Hinweise zur Resteverwertung sowie ein Saisonkalender runden den positiven Eindruck dieses auch optisch sehr ansprechenden Kochbuchs ab, das sich gleichermaßen für erfahrene Hobbyköche als auch für blutige Anfänger eignet.

Die benötigten Zutaten sind nicht exotisch sondern überall erhältlich und werden im Idealfall dann verarbeitet, wenn sie Saison haben. Und natürlich sollte man Wert auf regionale Produkte legen, die man im Idealfall direkt beim Erzeuger z.B. im Hofladen einkauft.

Eine Anmerkung habe ich aber noch für das Lektorat: Das Remouladenrezept ist mit „Remoulade ohne Ei“ überschrieben. Und was findet man in der Zutatenliste? Richtig, ein hart gekochtes Ei.

Veröffentlicht am 06.07.2020

Da sage noch einer, die Briten könnten nicht kochen

Greenfeast: Frühling / Sommer
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Dass täglicher Fleischverzehr zum einen der Ökobilanz schadet und zum anderen der Gesundheit auf Dauer nicht zuträglich ist, wissen wir mittlerweile alle und haben (hoffentlich) daraus Konsequenzen gezogen. ...

Dass täglicher Fleischverzehr zum einen der Ökobilanz schadet und zum anderen der Gesundheit auf Dauer nicht zuträglich ist, wissen wir mittlerweile alle und haben (hoffentlich) daraus Konsequenzen gezogen. Salat, Gemüse und Obst gehören täglich auf den Tisch, und zwar nicht nur als dekorative Beilage.

Diesem geänderten Essverhalten trägt der Frühling/Sommer-Band „Greenfeast. Das kleine Buch der grünen Küche“ Rechnung. Der britische Food-Journalist Nigel Slater hat darin über 110 vegetarische Rezepte gesammelt, die für Abwechslung auf dem Teller sorgen, schnell zubereitet sind – ein nicht zu unterschätzender Faktor - und keine Konzessionen hinsichtlich Optik und Geschmack machen. Manche Kombinationen mögen auf den ersten Blick gewagt erscheinen z.B. überbackener Feta mit Honig, aber genau das macht den Reiz für die Geschmacksnerven aus. Und es funktioniert!

Die Zutaten sind, auch wenn sie manchmal auf den ersten Blick exotisch erscheinen, den Jahreszeiten angemessen und überall erhältlich, auch wenn man nicht in der Großstadt lebt. Falls nicht, können sie problemlos ausgetauscht bzw. ersetzt werden. Anstelle von Freekeh habe ich polierten Dinkel genommen, Za'atar habe ich mir selbst gemischt, helle Misopaste durch kräftig gewürzte Gemüsebrühe ersetzt – und es hat funktioniert. Die Rezepte sind unkompliziert, der zeitliche Aufwand überschaubar, ebenso das benötigte Equipment. Vieles lässt sich in einem Topf, einer Pfanne, einer Auflaufform zubereiten, sodass man nach dem Kochen nicht stundenlang die Spuren beseitigen muss.

Ich tue mich schwer damit, Nigel Slaters Publikationen auf den Begriff Kochbuch zu reduzieren. Für mich sind sie in erster Linie Inspiration, da ich üblicherweise kein Rezeptkocher bin, sondern eher nach Anregungen suche und mich hier gerne verleiten lasse, Neues auszuprobieren. Und ich schätze seine klugen Gedanken und die kleinen Essays, die die Rezepte begleiten und den einen oder anderen Denkanstoß geben.

Veröffentlicht am 02.07.2020

Huldas letzter Fall

DUNKEL
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Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Kriminalpolizei von Reykjavik, hat nur noch wenige Wochen bis zum Erreichen des Rentenalters. Eigentlich ein Grund zur Freude, nicht aber für Hulda. Ihr ganzes ...

Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Kriminalpolizei von Reykjavik, hat nur noch wenige Wochen bis zum Erreichen des Rentenalters. Eigentlich ein Grund zur Freude, nicht aber für Hulda. Ihr ganzes Leben hat sie dem Beruf untergeordnet und dafür ihr Privatleben und ihre Familie vernachlässigt. Deshalb trifft es sie umso härter, dass man sie vorzeitig aus dem Dienst entfernen möchte, in den Vorruhestand schickt. Das einzige Zugeständnis ist die Erlaubnis, letztmals einen ungelösten Fall aufzurollen. Zwei Wochen für die Aufklärung, mehr Zeit bleibt ihr nicht. Huldas Wahl ist schnell getroffen, denn der angeblich zufällige Tod der russischen Asylbewerberin Elena hat bereits während der nach ihrem Eindruck schlampigen Ermittlung ihr Misstrauen erregt.

Der Ansatz “ältere Frau in einem von Männern dominierten Berufsfeld“ bietet eine interessante, wenn auch nicht klischeefreie Ausgangslage. Die/der engagierte Kommissarin/Kommissar, die/der zugunsten ihres/seines Jobs das Privatleben gegen die Wand fährt und am Ende der Tage ohne jede Beziehung dasteht und deshalb auf sich selbst zurückgeworfen wird - nun ja, geschenkt. Das kennen wir bereits aus zahlreichen Kriminalromanen. ABER...Jónassons Herangehensweise ist interessant und eher ungewöhnlich. Als Trilogie konzipiert, wird die “Hulda-Story” vom Ende zum Anfang hin erzählt (Band 2 erscheint in Kürze, Band 3 im Herbst) und entwickelt sich sehr behutsam. Die atmosphärischen Schilderungen passen, der Stil fesselt. Kein blutiger Mord zu Beginn, sondern drei zeitlich getrennte Erzählstränge, die auf den ersten Blick keine Verbindung aufweisen. Das weckt das Interesse des Lesers und hält ihn bei der Stange, zumal man davon ausgehen kann, dass der Autor, gerade was seine Protagonistin und deren Leben angeht, bestimmt noch den einen oder anderen Pfeil im Köcher hat. Gerade zu Beginn fragt man sich immer wieder, ob und wie die unterschiedlichen Schilderungen zusammenhängen. Betreffen sie Huldas Vergangenheit oder Elenas Geschichte?

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob man die nachfolgenden bzw. vorhergehenden Bände noch lesen sollte/muss, wenn man den Ausgang der Geschichte bereits kennt. Diese Frage beantworte ich für mich mit einem deutlichen JA, denn da sind noch so viele offene Fäden, die es zu verweben gilt. So viele Ungereimtheiten, so viele Andeutungen, so viele Fragen, auf die ich gerne eine Antwort hätte. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung und hoffe, dass ich damit des Rätsels Lösung einen Schritt näher komme.

Veröffentlicht am 18.06.2020

Dupin auf Abwegen

Bretonische Spezialitäten
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Kommissar Dupin ist aushäusig. In Saint-Malo, der stolzen Hafenstadt an der Nordküste. Dort findet ein Seminar statt, das die Zusammenarbeit der vier bretonischen Departements auf ein neues Level heben ...

Kommissar Dupin ist aushäusig. In Saint-Malo, der stolzen Hafenstadt an der Nordküste. Dort findet ein Seminar statt, das die Zusammenarbeit der vier bretonischen Departements auf ein neues Level heben soll. Verbesserung der Arbeitsbeziehungen und Teambuilding, eine grauenhafte Vorstellung für Dupin, für den solche Veranstaltungen ein Graus sind. Einzig das Rahmenprogramm versöhnt ihn, hat die Gegend nicht nur landschaftlich sondern auch kulinarisch eine Menge zu bieten. Regionale Produkte in Top-Qualität und innovative Köche, der Himmel für jeden Gourmet.

Aber es soll anders als erwartet kommen, denn auf dem Wochenmarkt wird vor Dupins Augen die „Chef(in)“eines erfolgreichen Sterne-Restaurants von ihrer Schwester erstochen. Und das soll nicht der einzige Mord im Umfeld der beiden Schwestern bleiben, weshalb auf Geheiß der zuständigen Präfektin ein Dreierteam zusammengestellt wird, das den Fall aufklären soll: Huppert, die Einheimische und Nedellec aus den Cotes-d’Armor. Und selbstverständlich Georges Dupin, bei Bedarf unterstützt von Nolwenn und Riwal, seinen Mitarbeitern aus Concarneau. Entgegen Dupins Vermutungen klappt die Teamarbeit der drei Kommissare ohne Probleme, wenn auch die Motive für die Morde lange im Verborgenen bleiben. Doch Stück für Stück lichtet sich das Dunkel und schlussendlich gelingt es dem „Brit-Team“, wie es von der einheimischen Presse bezeichnet wird, den Fall erfolgreich abzuschließen.

Wie bereits in den Vorgängern beschränkt sich der Autor im vorliegenden Band auf eine bretonische Region, in der Dupin ein Verbrechen aufzuklären hat. En passant wird der Leser mit interessanten Fakten zu Land und Leuten versorgt, wobei wie immer auch die Historie nicht zu kurz kommt. Atmosphärische Landschaftsbeschreibungen wechseln sich mit dem Blick in die Töpfe ab und vermitteln Urlaubsfeeling bzw. machen Lust auf Urlaub in der nordfranzösischen Provinz.

Offenbar haben das auch die für den bretonischen Fremdenverkehr Verantwortlichen gemerkt, und Jörg Bong aka Jean-Luc Bannalec 2016 den Titel „Mécène de Bretagne“ verliehen und ihn 2018 als Ehrenmitglied in die Académie littéraire de Bretagne aufgenommen.

Veröffentlicht am 17.06.2020

Authentisch und spannend

Das schwarze Band
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Der „Große Krieg“ ist seit drei Jahren vorbei, aber die Folgen sind noch immer zu spüren. Nahrungsmittel sind knapp, bezahlbarer Wohnraum kaum zu finden. Die Inflation treibt die Preise in ungeahnte Höhen, ...

Der „Große Krieg“ ist seit drei Jahren vorbei, aber die Folgen sind noch immer zu spüren. Nahrungsmittel sind knapp, bezahlbarer Wohnraum kaum zu finden. Die Inflation treibt die Preise in ungeahnte Höhen, die Bevölkerung hungert, kämpft tagtäglich ums Überleben. Selbst diejenigen, die Arbeit haben, leben am Rande des Existenzminimums.

Lediglich den Kriegsgewinnlern und den Adeligen fehlt es an nichts. Obwohl letztere ihre Privilegien verloren haben, leben sie noch immer in Saus und Braus. Nutzen ihre Verbindungen, instrumentalisieren Sympathisanten, gehen über Leichen und tun alles, um die Uhr zurück zu drehen und den Fortschritt der Republik zu verhindern. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige.

Es ist ein besonderes Kennzeichen dieser Reihe, dass die Autorin reale historische Ereignisse mit einer spannenden Handlung verknüpft. Wie auch in „Das schwarze Band“ sind es vor allem die ewig Gestrigen, die mit kriminellen Machenschaften den Weg der Alpenrepublik hin zur Demokratie torpedieren wollen. Als Aufhänger dienen hier die Streitigkeiten um das Burgenland, aber eigentlich scheint dies nur der Vorwand zu sein, um Kaiser Karl I. und somit auch die Monarchie wieder in Amt und Würden zu bringen.

Soweit die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die Kriminalinspektor August Emmerich und seinem Assistenten Ferdinand Winter von der Abteilung Leib und Leben auch in ihrem vierten Fall das Leben schwer machen. Dazu kommt, dass Winter diesmal auf sich allein gestellt ist, da sein Vorgesetzter wegen einer flapsigen Bemerkung bei dem Empfang zu Ehren des neuen Bundeskanzlers Schober, ehemals Polizeichef, von den Ermittlungen abgezogen und in einen „Benimmkurs“ verfrachtet wird. Doch Emmerich wäre nicht der, den wir kennen, wenn er deshalb klein beigäbe.

Eine gut recherchierte Reihe, die nicht nur spannende Unterhaltung und authentisches Zeitkolorit bietet, sondern nebenbei auch Fakten vermittelt, die zur weiterführenden Lektüre animieren. Für Fans des historischen Kriminalromans ein absolutes Muss.