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Veröffentlicht am 03.05.2022

Dies ist kein Buch, sondern ein Lebensgefühl!

New York und der Rest der Welt
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Fran Lebowitz, US-amerikanische Schriftstellerin, Stilikone und Kultfigur, schrieb für unterschiedliche Zeitschriften und ist besonders für ihre geistreichen, humorvollen Essays über das New Yorker Leben ...

Fran Lebowitz, US-amerikanische Schriftstellerin, Stilikone und Kultfigur, schrieb für unterschiedliche Zeitschriften und ist besonders für ihre geistreichen, humorvollen Essays über das New Yorker Leben bekannt. Zunächst in zwei Büchern – „Metropolitan Life“ (1978) und „Social Studies“ (1981) – erschienen, wurden sie 1994 zum „The Fran Lebowitz Reader“ zusammengefasst, der uns nun endlich auch in deutscher Sprache vorliegt und zwar unter dem Titel „New York und der Rest der Welt“.

Unterteilt in „Manieren“, „Wissenschaft“, „Kunst“, „Literatur“, „Leute“, „Dinge“, „Orte“ und „Ideen“ bieten uns Fran Lebowitz’ Essays in beisendem Humor und messerscharfem Sprachwitz eine überaus aufschlussreiche wie vergnügliche Lektüre über das New Yorker Leben und die New Yorker Gesellschaft – mit einem eingeschobenen kurzen Ausflug nach Los Angeles – in all ihren Facetten. Es ist ein Lebensratgeber für das Leben in der bekanntesten Großstadt der Welt, wie man ihn sich besser nicht ausmalen könnte.

Hier einige Kostproben:

„Originelles Denken ist so originell wie die Erbsünde: Beides ist vor Ihrer Geburt passiert, und zwar Leuten, die Sie unmöglich kennen können.“

„Erlauben Sie Ihrem Kind nie, Sie beim Vornamen zu nennen. Dafür kennt es Sie nicht lange genug.“

„Bist du als Teenager mit ungewöhnlich gutem Aussehen gesegnet, dann dokumentiere diesen Zustand mit Fotografien. Nur sie gewährleisten, dass dir das jemand später noch glaubt.“

„Nur weil man in der Highschool keine Freunde hatte, ist das noch kein Grund, ein Buch zu schreiben.“

„Dass man in der Highschool viele Freunde hatte, sollte einem genügen. Das muss die lesende Öffentlichkeit nicht erfahren.“

„Ein Hund, der glaubt, er sei der beste Freund des Menschen, ist ein Hund, der offensichtlich noch keinem Steueranwalt begegnet ist.“

„Frühstücksflocken in den Farben von Freizeitanzügen in Polyester machen Verschlafen zu einer Tugend.“

Na, überzeugt? Ich sage ja: „New York und der Rest der Welt“ ist eine äußerst vergnügliche Lektüre! Man sollte sie meines Erachtens allerdings nicht in einem Rutsch, sondern eher wie einen sehr guten Whisky schlückchenweise genießen.

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Von Abschied und Neuanfang

Für diesen Sommer
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„Vielleicht fliegen ja selbst die Leuchtkäfer noch, vielleicht sind die nie ganz fort gewesen, sondern schweben auch jetzt durch die Büsche, und sie hat nur verlernt, sie zu sehen. Oder sie fleigen noch, ...

„Vielleicht fliegen ja selbst die Leuchtkäfer noch, vielleicht sind die nie ganz fort gewesen, sondern schweben auch jetzt durch die Büsche, und sie hat nur verlernt, sie zu sehen. Oder sie fleigen noch, aber leuchten nicht mehr.“

Franziska kehrt im Alter von 50 Jahren in ihr Elternhaus zurück, das sie mit siebzehn verließ. Ihre Mutter ist vor einiger Zeit an Krebs gestorben, die ältere Schwester hat einen Nervenzusammenbruch erlitten. Zissy soll sich nun um den schwachen, pflegebedürftigen Vater kümmern und dafür sorgen, dass die Renovierungsarbeiten im Haus durchgeführt werden. Ihr Vater, der einst als Geodät arbeitete und Zissy, die für den Klimaschutz kämpfte, haben sich im Streit getrennt und nie darüber ausgesprochen. Nun ist endlich die Chance für eine Aussöhnung gekommen. Werden Vater und Tochter den Streit nach so vielen Jahren beilegen können und werden sie über das Familiengeheimnis sprechen, das ihrer aller Leben auch während der schönen und idyllischen Zeit beschattet hat?

Gisa Klönne ist mit ihrem Roman „Für diesen Sommer“ ein wunderschönes und bewegendes Stück Literatur gelungen. Abwechselnd tauchen wir in die Perspektive der Tochter und des Vaters ein und lernen dabei zwei komplexe Persönlichkeiten und bewegte Leben kennen. Wir begleiten die beiden Figuren in der Gegenwart und reisen mit ihnen gedanklich in die Vergangenheit zurück. Die Kindheit des Vaters während des zweiten Weltkrieges und sein späteres Leben als Ehemann und Vater sind ebenso überzeugend gezeichnet wie die behütete Kindheit Franziskas, ihre rebellische Jugend und ihr späterer Versuch, eine glückliche, im Einklang mit der Umwelt stehende Existenz aufzubauen. Sehr deutlich ist zu spüren, dass die Autorin viel mit ihrer weiblichen Protagonistin gemeinsam hat. Wie sie selbst in einem Interview erzählt, steht Franziska – „die Freie“ – ihr sehr nah. „Ihre Liebe zur Natur – und die Verzweiflung darüber, diese dennoch nicht vor Zerstörung bewahren zu können. Diese Sehnsucht, die Welt zu retten, die kenne ich selbst, auch das Gefühl des Scheiterns.“

Viele wichtige – schmerzhafte, aber auch lebensbejahende – Themen greift die Autorin in ihrem Roman auf und beschäftigt sich eingehend mit ihnen. „Und so handelt dieser Roman zwar von Abschied, Tod und verpassten Chancen, von Scheitern und Reue. Doch zugleich trägt er etwas Heiteres in sich, erzählt von Liebe, Versöhnung und Hoffnung.“ Die „Balance zwischen Tiefe und Leichtigkeit“ stimmt in diesem Roman. Gisa Klönne verwebt Zeit- und Familiengeschichte zu einem bewegenden Roman, der nachdenklich stimmt und lange nachhallt. Ich kann „Für diesen Sommer“ jedem Leser und jeder Leserin nur wärmstens empfehlen!

„Und so ist das Glück am Ende vielleicht nicht nur, nicht zu wissen, was kommt, ja nicht einmal daran zu denken.“

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Veröffentlicht am 08.03.2022

Drei Frauen und ein Theaterstück

Die Feuer
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„Erzähl deine Geschichte. Aber welche? Wir müssen unsere Geschichte wählen, und wir müssen sie verstehen, bevor wir sie anderen erzählen können.“

Während draußen nicht zu bezwingende Buschfeuer wüten, ...

„Erzähl deine Geschichte. Aber welche? Wir müssen unsere Geschichte wählen, und wir müssen sie verstehen, bevor wir sie anderen erzählen können.“

Während draußen nicht zu bezwingende Buschfeuer wüten, wird das Drama „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett in einem von Melbournes Theatern gespielt. Drei Frauen sitzen im Zuschauerraum: Die Literaturprofessorin Margot, Ivy, die ehemals Studentin bei Margot gewesen und nun eine bedeutende Kunstmäzenin ist, sowie Summer, die Schauspiel studiert und sich als Platzanweiserin in dem Theater dazuverdient. Während sie sich das Stück ansehen, hängen sie ihren eigenen Gedanken nach. Und während sie über ihre Leben, ihre Probleme, ihre Erinnerungen sinnieren, findet sich jede der drei Frauen ein Stück weit in der Hauptdarstellerin des Stücks wieder. Abwechselnd tauchen wir in die Innensichten der drei Figuren ein. Unterbrochen wird diese Vorgehensweise lediglich in der Pause zwischen den zwei Akten von „Glückliche Tage“, als die drei Figuren im Foyer aufeinander treffen. Hier hat sich die Autorin dafür entschieden, das Aufeinandertreffen in Form eines Theaterstücks zu schildern. Ich halte das für eine unglückliche Entscheidung, da zum Einen das Geschehen und die geführten Dialoge nicht in die Tiefe gehen, zum Anderen diesem Genrebruch im Innern des Romans aus meiner Sicht keine textimmanente Bedeutung innewohnt. „Eine Begegnung, die ihre Sicht auf sich selbst und auf ihre Umwelt für immer verändern wird“, heißt es dramatisch im Klappentext. Diese Dramatik vermisst man in dieser Passage vollkommen, da die geführten Dialoge nur oberflächlich sind und sich die jeweiligen Auswirkungen auf die drei Figuren erst später, im Laufe des zweiten Akts offenbaren, wenn wir wieder in die Innenperspektiven der drei Frauen zurückkehren. Da Margot, Ivy und Summer die jeweils für sie wichtigen Momente aus dem Aufeinandertreffen Revue passieren lassen und reflektieren, scheint mir dieser Einschub sinnfrei und störend. Die aus der Innenperspektive geschilderten Monologe der drei Figuren sind dagegen äußerst dicht und inhaltsvoll.

Margot ist 75 Jahre alt und steht kurz vor ihrer Pensionierung. Just an diesem Tag wurde ihr nahegelegt, sich zur Ruhe zu setzen. Doch für Margot ist ihre Arbeit an der Universität das Wichtigste. „Zu Beginn jedes neuen Semesters, wenn sie vor ihren Studierenden steht, spürt sie, wie eine Art leichtes Fieber sie befällt, eine Mischung aus Adrenalin, Wohlwollen und reinster Hoffnung. Ein neuer Raum voller junger Leute, die über Bücher sprechen wollen. Die über Bücher nachdenken wollen. Oh, wie Margot sie liebt. Sie liebt ihr Nicken, ihr schiefes Lächeln, ihre unbeholfene Coolness.“ Doch auch in ihrem privaten Leben läuft nichts mehr so, wie es sollte. Da ist das Problem mit John, ihrem Ehemann, der Margot gegenüber in letzter Zeit gewalttätig wird, was seiner fortschreitenden Krankheit geschuldet sein soll. Und dann ist da diese angespannte Atmosphäre zwischen Margot und ihrem Sohn Adam. Ständig ist er enttäuscht von ihr oder weist sie zurecht. Liegt es vielleicht daran, wie sie ihre Schwiegertochter behandelt? Hat sich ihr gegenüber in letzter Zeit, seit sie ein Kind haben, nicht abweisend und kritisch benommen?

Summer ist 21 Jahre alt. Sie ist mit April zusammen, die etwas Stabilität und Sicherheit in Summers Leben bringt. Denn Summer leidet zunehmend an Panikattacken. Der Klimawandel mit seinen beängstigenden Auswirkungen macht ihr zu schaffen. Was sie als Einzelne unternehmen kann, um die Klimakrise zu stoppen, scheint nie genug zu sein. Und gerade heute wollte sich April in die gefährliche Feuerzone begeben, um ihre Eltern zu holen, die ein Holzhaus in den Bergen haben. Summer macht sich große Sorgen um April. Es macht ihr auch immer noch zu schaffen, dass sie nichts über ihren Vater weiß. Seit sie denken kann, gibt es nur sie beide: ihre Mutter und sie selbst. Jeglichen Fragen über den Vater geht sie stets aus dem Weg. Doch Summer hat nicht vor, sich geschlagen zu geben. „Ich wünschte, ich könnte mir selbst ein Drehbuch schreiben, bevor ich mit Mum spreche. [...] Vielleicht werde ich morgen – falls es ein Morgen gibt – das Drehbuch schreiben und auswendig lernen, bis die Worte in meinem Kopf und die Worte auf dem Papier mir nicht in der Kehle stecken bleiben und ersticken, bevor sie als Klang in die Welt herausfinden.“

Ivy ist Anfang vierzig. Daran, dass sie viel Geld besitzt, hat sie sich immer noch nicht gewöhnt. Bevor sie die völlig unerwartete Erbschaft bekam, gehörte sie zu den finanziell Minderbemittelsten. Da ihr das Lernen aber immer leicht fiel, bekam sie stets Stipendien, die ihr die erträumte akademische Laufbahn ermöglichten. Samuel Beckett liebt sie schon seit langem, sie war sogar schon vor seinem Haus in Frankreich. Und diese Inszenierung hat sie als Kunstmäzenin mitfinanziert. Ihr ganzer Lebensinhalt ist allerdings ihr kleiner Sohn. Fasziniert beobachtet sie jeden seiner ersten Schritte, ist aber gleichzeitig bei jedem kleinsten Vorfall wie gelähmt. Zu groß ist die Angst vor einem erneuten Verlust. „Aber dann passierten Dinge, und Ivy passierte den Dingen, und der riesige, graue Strudel der vielschichtigen Erfahrungen vernebelte ihre klare Weltsicht und machte sie demütig.“

Vor dem Hintergrund von „Glückliche Tage“, das fast ausschließlich von einer einzigen Darstellerin getragen wird, wird mit Hilfe der drei Figuren Margot, Ivy und Summer, die sich in unterschiedlichen Lebensphasen befinden, die jeweilige Rolle beleuchtet, die diese Frauen in ihrem Leben spielen. Auf diese Weise entsteht ein äußerst komplexes Konglomerat aus Themen und Diskursen unserer Zeit. „Die Feuer“ ist ein moderner, dichter Roman, der viele Aspekte und Probleme unserer Gegenwart aufgreift und thematisiert. Gleichzeitig ist es eine Hommage an den Schriftsteller Samuel Beckett, der mit „Glückliche Tage“ ein zeitloses Theaterstück geschaffen hat, das heute ebenso aktuell ist wie bei seiner Uraufführung 1960.

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Veröffentlicht am 07.03.2022

Ein brillantes Debüt

Unser wirkliches Leben
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Die 24-jährige Anna ist Stipendiatin am Londoner Konservatorium für Operngesang. Ihr großer Lebenstraum ist es, einst eine angesehene Opernsängerin zu werden. Dafür ist sie auch bereit alle Herausforderungen ...

Die 24-jährige Anna ist Stipendiatin am Londoner Konservatorium für Operngesang. Ihr großer Lebenstraum ist es, einst eine angesehene Opernsängerin zu werden. Dafür ist sie auch bereit alle Herausforderungen und Hürden zu nehmen, auch wenn es manchmal äußerst demotivierend und entmütigend sein kann. Da sie von ihren Eltern keine finanzielle Unterstützung erwarten kann, muss sich Anna Jazzgesang in einer Bar Geld dazuverdienen, das kaum für die Miete eines kleinen Zimmers reicht, welches sie sich mit ihrer vier Jahre älteren Freundin Laurie teilt. Eines Abends lernt Anna in dem Lokal den vierzehn Jahre älteren Max kennen, der Banker ist. Seine unnahbare Art und die geheimnisvolle Aura, die ihn umgibt, ziehen Anna in ihren Bann und schon bald entwickelt sich eine obsessive Beziehung zwischen den beiden. Immer mehr entfernt sie sich von ihrem Karrieretraum, entfremdet sich von ihrem Umfeld und droht den Bezug zu sich selbst und ihren innersten Wünschen zu verlieren, während ihre Abhängigkeit von Max immer mehr zunimmt. Die Natur ihrer Beziehung bleibt für Anna dabei stets im Dunkeln, denn Max entzieht sich jeglicher Vertrautheit. Und so droht sie an ihrer inneren Zerissenheit zwischen Karriere und Liebe zu zerbrechen.

„Unser wirkliches Leben“, im Original „A Very Nice Girl“, ist kein Liebesroman im herkömmlichen Sinne. Es ist ein psychologischer Roman, ein Psychogramm, ja, auch ein Künstler- und Bildungsroman. Er ist durch einen analytischen und selbstreflexiven Schreibstil geprägt, der zugleich äußerst emotional ist und den Leser fast distanzlos am Erleben der Ich-Erzählerin teilnehmen lässt. Es ist ein modernes Literaturdebüt voller Virtuosität und Dynamik, das viele Fragen und Themen unserer Zeit aufgreift. In den Künstlerkreisen, in denen sich die Protagonistin bewegt, wird heftig über feministische Theorien diskutiert und was es bedeutet, heute eine Frau und Künstlerin zu sein. Dass die Autorin selbst Operngesang studiert hat, merkt man sofort – eine derartig tiefe Sachkenntnis tritt uns in den Textstellen entgegen, die sich mit dem Gesang im Allgemeinen und der Opernwelt im Speziellen auseinandersetzen. So interpretiert Imogen Crimp alte Opernstücke wie „Manon“ und „La Bohème“ neu für uns und übersetzt sie in die heutige Zeit. Sie lässt uns ganz nah an den Höhen und Tiefen eines Künstlerlebens teilhaben – die Ängste und Erniedrigungen, aber auch die Hochgefühle und die Anerkennung, die so nur in einer kreativen Tätigkeit, einem schöpferischem Beruf erfahren werden können „– und plötzlich fühlte ich mich glücklicher als jemals zuvor, denn ich wusste, dass dies die einzige Art war, wie ich leben wollte. Genau das, diese Art von Leben, bei der jeder Nerv in meinem Körper lebendig war. Die ständig anders und unvorhersehbar war. Und in dem Moment sagen zu können, das war ich.“ Und natürlich auch die Selbstüberschätzung, die Selbstüberhöhung, die mit einer solchen Tätigkeit einhergeht. Einer Tätigkeit, die von einem verlangt, dass man sein Inneres nach außen stülpt. Auf der anderen Seite haben wir das mit beiden Beinen fest im Boden Verankerte, „Realistische“, nichts Überhöhende und Beschönigende, das durch den nüchternen Max verkörpert wird, der als Banker die finanzielle Sicherheit darstellt. Der aber auch seine persönlichen Kämpfe durchlebt, mitunter Zweifel an seiner Tätigkeit hegt und persönliche Krisen duchlebt. Diese beiden Welten prallen aufeinander, die von der Autorin genauestens durchleuchtet werden. Zusammen mit ihr versucht die Leserin Max und seiner Undurchschaubarkeit auf den Grund zu gehen, unternimmt die Anstrengung, sich seiner Manipulation und Verführung zu entziehen. Die Leserin leidet zusammen mit Anna und kann ihre Gefühle und Beweggründe doch bis aufs Tiefste nachvollziehen. Imogen Crimp hat mit „Unser wirkliches Leben“ ein ebenso intensives wie aufwühlendes Leseerlebnis erschaffen. Ich habe das Buch regelrecht verschlungen. Ich hoffe, es wird noch viele weitere Bücher von ihr geben!

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Veröffentlicht am 23.02.2022

Ein dilettantisches Werk

Das verschlossene Zimmer
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Wir schreiben das Jahr 1939. Marie wohnt, seit sie denken kann, alleine mit ihrem Vater – einem angesehenen Arzt – in Krakau. An ihre Mutter erinnert sie sich kaum noch. Angeblich ging sie fort, als Marie ...

Wir schreiben das Jahr 1939. Marie wohnt, seit sie denken kann, alleine mit ihrem Vater – einem angesehenen Arzt – in Krakau. An ihre Mutter erinnert sie sich kaum noch. Angeblich ging sie fort, als Marie zwei Jahre alt war. Allen Fragen geht der Vater stets aus dem Weg, nicht einmal den Namen ihrer Mutter kennt Marie. Doch nun mit siebzehn Jahren will sie sich nicht mehr unterordnen. Marie möchte um jeden Preis ihre Mutter wiederfinden. Sie ahnt nicht, welches große Geheimnis ihres Vaters, es ihr gelingen wird aufzudecken.

Als ich das geheimnisvolle Cover von „Das verschlossene Zimmer“ gesehen und nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, habe ich eine geheimnis- und spannungsvolle Geschichte von der Art her wie Daphne du Mauriers „Rebecca“ erwartet – eine meisterhaft geschriebene Geschichte, die man bis zum Ende mit angehaltenem Atem verfolgt. Leider wurde ich bitterlich enttäuscht. Bereits nach ein paar Seiten war mir klar, dass ich ein dilettantisches Werk vor mir hatte – und dabei sollte ich mich noch durch über 500 Seiten quälen. Ich hatte das Gefühl ein Buch für Kinder zu lesen, denen das nötige Gefühl für Logik und Plausibilität noch fehlt und die den Roman in Folge dessen vielleicht noch mit Interesse verfolgt hätten. „Das verschlossene Zimmer“ ist voller Plattitüden, pseudo-symbolischer Momente, unlogischer oder unglaubwürdiger Situationen. Die Figuren sind überzeichnet und karikaturhaft. Sie reagieren seltsam und führen unzusammenhängende Gespräche. Ihre Aussagen und Stimmungen stehen oftmals im Widerspruch. Auch die beschreibenden Sätze sind oftmals zusammenhanglos miteinander verwoben und ergeben im Rahmen der Geschichte keinen Sinn. Die Autorin bemüht sich zudem gerade zwanghaft darum, den polnischen Geist in ihrem Roman einzufangen. Leider gelingt ihr auch das mehr schlecht als recht. Das Tüpfelchen auf dem i ist hier die Einführung der Figur Karol Wojtyłas. Dabei hat der zukünftige Papst Johannes Paul II. in dieser Geschichte nun wirklich nichts verloren! Auch das Ende ist extrem unglaubwürdig und unbefriedigend. Mein Fazit? „Das verschlossene Zimmer“ ist ein pathetischer und rührseliger Roman. Lasst besser die Finger davon. Es ist schade um eure Zeit.

Einen Punkt vergebe ich dennoch für das schöne Cover und einen weiteren für die redlichen Bemühungen der Autorin.

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