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Veröffentlicht am 10.02.2022

Ein Held wider Willen

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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„Warum lasen die Menschen Bücher? Warum gingen sie ins Kino oder ins Theater? Doch nicht, weil sie die Wahrheit wollten. Sie wollten träumen, sich in den Geschichten der anderen wiedererkennen. Und er, ...

„Warum lasen die Menschen Bücher? Warum gingen sie ins Kino oder ins Theater? Doch nicht, weil sie die Wahrheit wollten. Sie wollten träumen, sich in den Geschichten der anderen wiedererkennen. Und er, Hartung, half ihnen dabei.“

Wir befinden uns in Berlin 2019, nur wenige Wochen vor dem 30. Jahrestag des Mauerfalls. Michael Hartung, ein ehemaliger Schranken- und Weichenwärter bei der Deutschen Reichsbahn, betreibt eine Videothek. In Zeiten von unzähligen Streamingdiensten eine denkbar schlechte Idee, doch Hartung und der technologische Fortschritt stehen seit jeher auf Kriegsfuß: Jede Tätigkeit, der er im Laufe seines Lebens nachgeht, wird über kurz oder lang von der Technik überholt. Die Mietschulden werden immer größer, denn bis auf einige Leute aus der Nachbarschaft und einige Typen aus dem Viertel, die es schick finden, weiterhin die alte Kulturtechnik der DVD zu nutzen, kommt niemand in seinen Laden. Doch sein Leben soll eine jähe Wende erfahren, als eines Tages ein Journalist des Nachrichtenmagazins »Fakt« auftaucht, der bei seinen Recherchen auf Hartungs Stasiakte gestoßen ist und eine große Story hinter der legendären Flucht am Bahnhof Friedrichstraße am 12. Juli 1983 wittert. Obwohl Hartung damals nur durch ein Missgeschick 127 DDR-Bürgern zur Flucht in den Westen verhalf, ist er für gutes Geld bereit, die Wahrheit um der Geschichte willen etwas auszuschmücken. Nicht ahnen kann er, welche Wellen der publizierte Artikel schlägt und welch schwerwiegende Konsequenzen seine unbedachte Entscheidung nach sich ziehen wird.

Maxim Leo ist mit „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ein äußerst charmanter, geistreicher und unterhaltsamer Roman gelungen. Michael Hartung, ein einfacher Mann und Held wider Willen ist eine charismatische Figur, mit der sich jeder Leser identifizieren kann – auch wenn er zuweilen etwas zu eloquent in Anbetracht seiner Vita und seiner zu Anfang skizzierten Persönlichkeit daherkommt. Aber auch die anderen Figuren, in deren Innensicht wir eintauchen dürfen, sind durch und durch menschlich und authentisch. Da haben wir den Reporter Alexander Landmann, der Anfang der 70er Jahre als Kind mit seinen Eltern und Geschwistern von Kasachstan nach Deutschland kam, und der immer härter als seine Landsleute für Anerkennung kämpfen musste. Als er über Nacht mit seiner Geschichte über Michael Hartung berühmt wird, setzt er alles daran, um vom Sockel der Ehre nicht wieder runtergestoßen zu werden. Des weiteren lernen wir Harald Wischnewsky kennen, ebenfalls ehemaliger DDR-Bürger, dabei aber auch verdienter Bürgerrechtler und ehemaliger Revolutionär, der für das Verteilen von Flugblättern eine dreijährige Gefängnisstrafe absitzen musste. Er soll die Gedenkrede zum 30. Jahrestag des Mauerfalls halten, doch als mit Hartung plötzlich ein neuer Held – ein neues Gesicht mit einer originellen, unverbrauchten Geschichte! – auf der Bildfläche erscheint und an seiner Statt für diese Aufgabe ausgewählt wird, beschließt Wischnewsky diese Demütigung nicht auf sich sitzen zu lassen und Genaueres über diesen äußerst ominösen Hartung herauszufinden. „Ihn nervte die Art, wie mit diesem Typen umgegangen wurde. Wie unwichtig die komplette Geschichte dieses komplett verschwundenen Landes war. Eigentlich waren sie doch beide nur Statisten, Argumentationsfutter der anderen. Und obwohl er das alles schon immer irgendwie gewusst hatte, so war doch die Rolle, die man ihm diesmal zudachte, so erniedrigend, dass er einfach nicht weiter mitmachen konnte.“ Behilflich soll Wischnewsky dabei der gebürtige Thüringer Holger Röslein sein, Leiter des »Dokumentationszentrum Unrechtstaat DDR«, dessen Eltern mit ihm in den Westen geflohen sind als er drei Jahre alt war. Röslein gilt als der große Stasi-Jäger und trifft beim Fall Hartung schnell auf eine vielversprechende Fährte. „Als gelernter Historiker wusste Röslein, dass es die Geschichtsvermittlung leichter machte, wenn man einen guten Helden hatte. Aber so ein Held, der musste lange reifen, der brauchte eine ordentliche Portion Charisma und vor allem eine wirklich gute Story. […] Die Ostdeutschen, das war Röslein mit den Jahren klar geworden, hatten kein Helden-Talent. Sie waren zu bescheiden, zu naiv, zu ehrlich. Ihnen fehlte schlicht der Ehrgeiz, der Narzissmus, die ikonische Lässigkeit.“

Unterdessen gibt Michael Hartung Interviews und rührt als Hauptgast in einer live übertragenen Talkshow ein Millionenpublikum mit seiner (erfundenen) Geschichte zu Tränen. Nach den Beweggründen für sein waghalsiges Handeln am 12. Juli 1983 befragt, erzählt Hartung von seiner ersten großen Liebe, einer Balletttänzerin, die von einer großen Karriere am Broadway träumte, und der er zur Flucht in den Westen verhalf, damit sie ihren Traum verwirklichen konnte. [An dieser Stelle erklärt sich auch das Buchcover von „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“, auf dem eine filigrane Ballerina in einem Zugabteil zu sehen ist.] Hartung ahnt nicht, dass sich eine Frau die Sendung ansieht, die damals im Alter von vierzehn Jahren mit ihren Eltern in dem Zug nach Westen saß. Paula ist Prozessanwältin und leidet unter einem Fluchttrauma, das sie mit Hilfe von Hartung zu bewältigen hofft. Als die beiden sich näher kommen und eine Liebesbeziehung miteinander eingehen, muss Hartung sich entscheiden: Wählt er die Liebe und die Wahrheit oder den Ruhm und die Lüge?

„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ist trotz seiner Leichtigkeit und Eleganz ein äußerst komplexer Roman. Er rüttelt gekonnt an den festgefahrenen Denkmustern und Klischees von Ost und West, sodass der Leser am Ende der Lektüre idealerweise seine eigenen Ansichten mit einem Fragezeichen versieht. Auch Fragestellungen philosophischer Natur kommen nicht zu kurz: »Wir legen uns selbst die Vergangenheit zurecht […] Denken Sie doch nur daran, wie wir mit unserer persönlichen Geschichte umgehen. Was wir vergessen und woran wir uns erinnern. Gibt es einen einzigen Menschen, der seine Vergangenheit schonungslos ehrlich betrachtet? Ganz ähnlich ist es mit der großen Geschichte, auch da geht es darum, woran sie Mehrheit einer Gesellschaft sich erinnern will. Sie kennen doch sicher den berühmten Satz ›Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat.‹ […] Letztlich, Herr Hartung, wird die Geschichte immer von den Siegern geschrieben.“

„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ist eine tragi-komische Geschichte mit einem zufriedenstellenden Ende – was in Anbetracht der angelegten Geschichte keine leichte Aufgabe war. Denn schließlich soll der äußerst charismatische Held nicht scheitern, gleichzeitig soll aber auch die Wahrheit über die Lüge siegen.

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Veröffentlicht am 01.02.2022

Ein vielschichtiges Stück moderner Literatur

Das Vorkommnis
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„Das ist nicht die Geschichte meiner Familie. Die Geschichte meiner Familie gibt es nicht. Da ist nur die Geschichte einer Verwirrung.“

Eine Schriftstellerin wird nach einer Lesung von einer Fremden angesprochen, ...

„Das ist nicht die Geschichte meiner Familie. Die Geschichte meiner Familie gibt es nicht. Da ist nur die Geschichte einer Verwirrung.“

Eine Schriftstellerin wird nach einer Lesung von einer Fremden angesprochen, die behauptet, sie hätten denselben Vater. Die Begegnung bleibt flüchtig, löst bei der Erzählerin aber eine Welle von Emotionen aus. Zunächst scheint der Vorfall keinen größeren Eindruck auf sie auszuüben: Sie geht ihren alltäglichen Tätigkeiten nach und fliegt kurz darauf zu einer Reihe von Gastvorträgen nach Ohio. Erst dort fängt das Erlebte an, in ihr zu arbeiten, sie setzt sich mit ihren familiären Beziehungen – und der Struktur der Familie im Allgemeinen – auseinander, beleuchtet die einzelnen Verknüpfungen und analysiert diese: Ihre Beziehung zu ihrer Schwester, zu der Mutter, dem Vater, dem Ehemann und den Kindern, aber auch der Eltern zueinander, der Halbschwester zu dem Vater und der Mutter. „Jahrelang habe ich über das Vorkommnis nachgedacht. Hin und wieder unternahm ich den Versuch, darüber zu schreiben. Ich ermahnte mich, dass ich nicht noch mehr Zeit verlieren dürfe, wenn ich darüber schreiben wollte. Dass mir die Erinnerungen daran sonst abhandenkämen. […] Erst jetzt kann ich mich zurückfallen lassen in jene Zeit, den Winter in Ohio, der der Anfang einer langen Phase war, in der ich unfähig wurde, etwas zu empfinden, zu denken und auf unbeschwerte Art zu leben, ja mir sogar die Sprache wegblieb, sodass ich mein Leiden einem Neurologen gegenüber nur mit den Worten beschreiben konnte, ich säße in einem „schwarzen Loch“, dem gewöhnlichsten aller Bilder, wenn man versucht zu erklären, dass man in einen ausweglosen Zustand geraten ist.“

Was die Erzählerin in den vorgehenden Sätzen beschreibt, ist eine Sinn- und Sprachkrise, in die sie nach der Begegnung mit ihrer Halbschwester fiel. Während des Lesens musste ich immer wieder an den fiktiven Chandos-Brief aus der Feder des österreichischen Schriftstellers Hugo von Hofmannsthal denken – gleichsam wie der fiktive Lord Chandos in seinem Brief an Francis Bacon von einem Sprachverlust klagt – „Es ist mir völlig die Fähigkeit abhanden gekommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen“ – schreibt hier eine Schriftstellerin über ihren Verlust der Sprache. Die Entwicklung der beiden Figuren ist dabei in drei Phasen einzuteilen: Die erste, vorkritische Phase, die als Schaffensphase bezeichnet werden kann; die zweite, krisenhaften Phase, die einen Bruch, eine Pause im Schreiben darstellt; und die dritte, quasi nachkritische Phase, in der das Erlebte und die eigene Reflexion wieder in Worte gefasst werden kann. Um die zweite Phase, die sinnsuchende Phase kreisen die Gedanken der Erzählerin in „Das Vorkommnis“.

So sucht sie in der Literatur nach Antworten – „Was meine jetzige Suche betraf, so schien das Thema Halbgeschwister vornehmlich in den Bereich der Groschenromane zu fallen. Deutete das Schweigen der Literatur an, dass ich es übertrieb? Suchte ich nach etwas so Gewöhnlichem, dass es gar nicht der Rede wert war?“ – in ihrer eigenen Vergangenheit, sowie in der Reflexion über ihre eigene Familie und die familiären Strukturen im Allgemeinen. „Damals schien mir das, was ich tat oder dachte, nicht Ausdruck einer Verwirrung zu sein. Im Gegenteil. In meinen Ausbrüchen und Grübeleien und geheimen Plänen sah ich eine größtmögliche Logik.“ Sie empfindet eine Art Unbehagen, je mehr sie über die Vorstellungen von Verwandtschaft und Herkunft nachdenkt. Auch muss sie feststellen, dass sie ihre eigene Geschichte revidieren muss, was sich als ein schmerzhafter Prozess herausstellt. Dabei geht es nicht nur um ihr eigenes Leben, sondern auch die deutsch-deutsche Geschichte – bezeichnenderweise ist die deutsch-deutsche Trennung auch das Thema ihrer Gastvorträge in Ohio – und die damit verbundenenen Generationenkonflikte.

Obwohl ich mir viele Sätze aus diesem äußert dichten Roman herausgeschrieben habe, hat mir der folgende Satz wohl am besten gefallen: „Der Konjunktiv brach in mein Leben ein. Ich fing an, in einer Welt der Möglichkeiten zu leben, der Welt der Verdächtigungen und des Misstrauens.“ Die Erzählerin verlässt quasi ihren vorkrisenhaften Zustand, der von Harmonie und Akzeptanz geprägt war, um durch Leid und Erkenntnis in einen neuen desillusionierten und doch erfüllteren Zustand überzugehen. „Das Vorkommnis“ ist ein vielschichtiger und komplexer Roman, der zu eigenen Reflexionen animiert. Er ist zudem der erste Band einer Trilogie – ich freue mich schon auf die Folgebände!

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Veröffentlicht am 17.12.2021

„Was, wenn…?“

Stell dir vor ...
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„Der israelische Historiker Yuval Noah Harari vertritt die These, dass der Mensch deshalb zum mächtigsten Geschöpf auf Erden geworden ist, weil er über Vorstellungsvermögen und die Fähigkeit, Geschichten ...

„Der israelische Historiker Yuval Noah Harari vertritt die These, dass der Mensch deshalb zum mächtigsten Geschöpf auf Erden geworden ist, weil er über Vorstellungsvermögen und die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, verfügt und weil er sich fragen kann: „Was, wenn?“ Und genau das hat Rob Hopkins, der Autor des Sachbuches „Stell dir vor…“ und Mitbegründer der Transition-Towns-Bewegung getan. Er hat sich gefragt, was es braucht, um die negativen Zukunftsvorhersagen abzukehren und an ihrer Statt ein lebenswertes Gesellschaftskonzept zu begründen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es jedoch vieler Schritte. Und diese legt uns Rob Hopkins in seinem Buch vor. In acht Kapiteln zeigt und erläutert er dem Leser die elementaren Komponenten für das Gelingen einer positiven Bewegung hin zu einer besseren Welt.

So zeigt er uns, dass das freie Spielen in der Kindheit die Basis dafür bietet, dass man als Erwachsener über Fantasie und Vorstellungsvermögen verfügt. Die Fantasie ist wiederum, wie Rob Hopkins uns verdeutlicht, unser wichtigster Verbündete gegen die Angst und somit von elementarer Wichtigkeit für unsere mentale und physische Gesundheit. Weiterhin ist die Natur der Grundstein und Nährboden für unsere Vorstellungskraft – je mehr wir in der Natur verweilen, desto glücklicher und schöpferischer sind wir. Verbringen wir jedoch wenig Zeit in der Natur, verkümmert unser Geist. Denn was tut der heutige Mensch oftmals stattdessen? Genau, er sitzt vor dem Handy, Laptop oder Computer. Die Social Media rauben unsere Aufmerksamkeit und damit eines unserer wichtigsten Güter – unsere Lebenszeit. Rob Hopkins ruft dazu auf, dass wir unsere Aufmerksamkeit zurückgewinnen. Auch das Schulsystem gehört reformiert, so der Autor von „Stell dir vor…“, denn nur wenn die Vorstellungskraft junger Menschen gefördert wird, können Menschen heranwachsen, die Problemlösungsansätze entwickeln können. Deswegen braucht unsere Gesellschaft auch so genannte Geschichtenerzähler, die uns mit ihrer Kunst beflügeln. Nicht zuletzt braucht es auch fantasievolle Politiker, bei deren Entscheidungsfindung die Einbildungskraft eine ausschlaggebende Rolle spielt. Das sind die Grundpfeiler für eine glückliche Gesellschaft und eine bessere Welt. Ich habe die wichtigsten Thesen des Autors hier grob zusammengefasst, doch wer sich eingehender mit dem Thema beschäftigen möchte, der sollte unbedingt zu „Stell dir vor…“ greifen. Es ist ein Buch, das gute Denkanstöße liefert und von positiven Entwicklungen von überall auf der Welt berichtet. Es hat zuweilen seine Längen und Repetitionen, nichtsdestotrotz ist es ein lesenswertes Sachbuch. Und wer weiß, vielleicht verliebst du dich auch in diese beiden kleinen Wörter: „Was, wenn…?“

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Veröffentlicht am 30.11.2021

Ein informativer und schön illustrierter Bildband

Was uns schmeckt
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Mit „Was uns schmeckt. Ein Atlas der Köstlichkeiten“ liegt uns ein informatives Buch aus der Feder Laura Gladwins vor, das uns in die kategorisierte Welt der Essbarkeiten entführt. Illustriert wurde es ...

Mit „Was uns schmeckt. Ein Atlas der Köstlichkeiten“ liegt uns ein informatives Buch aus der Feder Laura Gladwins vor, das uns in die kategorisierte Welt der Essbarkeiten entführt. Illustriert wurde es von Zoë Barker und übersetzt von Ursula Heinzelmann. Unterteilt ist es in die Oberkategorien „Obst“, „Gemüse“, „Fleisch, Fisch & anderes Protein“, „Mehl, Nudeln, Reis & andere Stärke“ und „Der Vorratsschrank“. „Obst“ ist beispielsweise weiter in „Zitrusfrüchte“, „Äpfel & Birnen“, „Beeren“, „Trauben, Feigen & Melonen“, „Steinobst“ und „Tropische Früchte“ unterteilt. Jeder Kategorie wird eine große Doppelseite gewidmet mit einer Einführung und einer Auflistung der entsprechenden Objekte – also einer Zeichnung und einem kurzen Text dazu. Diese Vorgehensweise ist perfekt, um einen guten Überblick und eine Vorstellung zu erhalten, die sich im Gedächtnis festsetzt. „Was uns schmeckt“ ist quasi ein kleines Lexikon zum Essen.

Die Illustrationen sind wirklich sehr schön, die Informationstexte enthalten das Wesentliche, ohne überladen zu sein und die Gliederung ist einleuchtend. Was mir besonders gut gefallen hat, sind die zehn Rezepte bzw Ideen für jede der im Buch vorgestellten Kategorien, die neben den bereits genannten Obstkategorien folgende sind: „Erbsen & Bohnen“, „Zwiebel & Lauch“, „Kürbisse“, „Wurzelgemüse & Knollen“, „Blattgemüse & Algen“, „Triebe, Stiele & Sprossen“, „Tomaten, Paprika & Auberginen“, „Blattsalate & Gemüse“, „Pilze & Trüffel“, „Eier & Eierspeisen“, „Vegetarische Nahrungsmittel“, „Milch, Joghurt, Sahne & Butter“, „Käse“, „Fisch & Meeresfrüchte“, „Geflügel“, „Rotes Fleisch“, „Schweinefleisch, Schinken, Speck & Würstchen“, „Frühstücksflocken & Gebäck“, „Mehl & Maisgrieß“, „Nudeln“, „Reis, Körner & Couscous“, „Getrocknete Bohnen, Erbsen & Linsen“, „Brot“, „Pfannkuchen, Waffeln & Crumpets“, „Kuchen“, „Nachspeisen“, „Kekse“, „Saures & Würziges“, „Öl, Essig, Würzsaucen & Pasten“, „Würzmittel, Gewürze & Kräuter“, „Nüsse, Samen & getrocknete Früchte“, „Backzutaten“.

Empfehlen würde ich das Buch Kindern ab ca. zwölf Jahren, die bereits selbst ein wenig in der Küche experimentieren können, denn es ist nicht nur schön, die Bilder und Texte zu studieren; das Buch macht auch große Lust, selbst in der Küche tätig zu werden. Auch für Erwachsene, die neue Inspiration brauchen, ist es ideal. Ich habe jedenfalls in fast jeder Kategorie Nahrungsmittel entdeckt, die ich noch nicht kannte. Es gab nur ein paar kleinere sprachliche Ungenauigkeiten, weshalb ich nicht die volle Punktzahl vergebe.

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Veröffentlicht am 25.11.2021

Achtung vor dem Handwerk

Die Pizza-Bibel
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Achtung vor dem Handwerk. So lautet Tony Gemignanis Leitspruch. Er ist ihm heilig. So sehr, dass er ihn sich in die Hände hat tätowieren lassen. Und das möchte er auch uns, den Lesern seines Buches „Die ...

Achtung vor dem Handwerk. So lautet Tony Gemignanis Leitspruch. Er ist ihm heilig. So sehr, dass er ihn sich in die Hände hat tätowieren lassen. Und das möchte er auch uns, den Lesern seines Buches „Die Pizza-Bibel“ unbedingt an die Hand geben. Sein Anliegen ist es, uns so gut in das Handwerk des Pizzamachens einzuweisen, dass wir ebenfalls – wie er – in der Lage sind, eine perfekte Pizza zuzubereiten. Wie das geht, stellt uns Tony Gemignani in einem 35-seitigen Meisterkurs dar. Er beginnt beim Handwerkszeug, geht über zur Warenkunde und endet bei der Teigherstellung und Zubereitung. Am Ende des Kurses weiß man tatsächlich alles, was es über Pizzateig zu wissen gibt.

Nun möchte man aber nicht jeden Tag eine einfache Margherita backen. Um die unterschiedlichsten Pizzatypen und -varianten kennenzulernen, lohnt es sich demnach weiterzublättern. Wir landen zunächst im Pizzaland Amerika. Dort lernen wir die allseits beliebte Pizza mit weder zu dünnem noch zu dickem Boden kennen. Wir belegen sie im beliebten New-Yorker-Style, das heißt zuerst kommt der Käse und dann die Tomatensauce. Auch die Detroit Red Top, Pizza New Jersey und Pizza St. Louis sind mit von der Partie.

Der Pizza im Chicago-Style wird ein seperates Kapitel gewidmet. Wen wundert das, ist dort doch die berühmte Deep-Dish Pizza entstanden. Auch hier verführen viele – sehr reichhaltige – Rezepte zum Nachbacken ein. Auch ein paar Cocktail-Rezepte befinden sich passenderweise in diesem Kapitel.

Nachdem wir diesen Teil passiert haben, landen wir bei der Siciliana. Diese Pizza entstand in den Teilen Amerikas, wo sich besonders viele Auswanderer aus Sizilien niedergelassen haben. Sie hat einen dicken, aber leichten und luftigen Boden. Auch hier finden sich die unterschiedlichsten Kreationen für jeden Geschmack, so zum Beispiel auch die Burratina di Margerita, mit der Tony auf einer internationalen Pizza-Meisterschaft in Lecce den ersten Platz gewann.

Auf die Siciliana folgt die Pizza im California Style. Da Tony Gemignani in Kalifornien geboren wurde, finden wir hier viele verschiedene Rezepte, die ihm ganz besonders nah sind und aus regionalen Zutaten bestehen wie zum Beispiel die Pizza mit Feigen, Mandeln und Monterey Jack.

Wer sich auf ernsthafte Weise mit der Pizza beschäftigt, kommt an der echten neapolitanischen Pizza, die in einem Holzofen gebacken wird, nicht vorbei. „Sie ist der Goldstandard“, schreibt Tony Gemignani. „Ähnlich wie der Champagner für die moussierenden Weine. Und wie der Champagner ist sie geradezu ein Nationalheiligtum.“ Die beiden berühmtesten Variationen sind die Pizza Marinara und die Margherita. „Da Michele, eine der ältesten und bekanntesten Pizzerien Neapels, serviert seit 1870 ausschließlich diese beiden Sorten und bezeichnet alle anderen Beläge als papocchie („verlogene Tricks“).“ Tony Gemignani nahm 2007 am Pizza World Cup in Neapel teil und gewann als erster Amerikaner den ersten Preis in der Kategorie ,Napoletana’. Wie er diese zubereitet, möchte Tony uns natürlich nicht vorenthalten – im Gegenteil, er weist uns auch noch in die Herstellung von Mozzarella an.

Nachdem wir uns an dem Nonplusultra gemessen haben, dürfen wir mit dem Autor des Buches weitere Regionen Italiens bereisen und die jeweiligen Spezialitäten kennenlernen. Nachdem wir auch diese passiert haben, ziehen wir einen größeren Radius und lassen noch einige namhafte europäische Städte wie Barcelona, Athen und Paris unsere Pizza inspirieren.

In den letzten drei Kapiteln zeigt uns Tony Gemignani wie man eine Pizza auf dem Grill backen kann; wie man gefüllte, gerollte und gewickelte Kreationen herstellt; und last but not least wie man eine Focaccina, Ciabatta und eine Blitz-Pizza herstellt.

Der Autor hat mich mit seiner sympathischen Art direkt eingenommen. Allerhöchster Respekt gebührt diesem Mann und seinem Handwerk! Ich habe sehr gerne von ihm gelernt und empfehle „Die Pizza-Bibel“ sehr gerne weiter – sowohl Anfängern im Handwerk „Pizzabacken“ als auch erfahrenen Pizzabäckern.

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