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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.08.2022

Auf der Suche nach dem passenden Mann

Ich liebe was, was du nicht siehst
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Franziska und Paula sind Freundinnen, beide sind Mitte dreißig und arbeiten im gleichen Callcenter – und beide sind momentan ohne Mann. Das soll sich möglichst bald ändern, deshalb fahren sie, ohne zu ...

Franziska und Paula sind Freundinnen, beide sind Mitte dreißig und arbeiten im gleichen Callcenter – und beide sind momentan ohne Mann. Das soll sich möglichst bald ändern, deshalb fahren sie, ohne zu wissen was sie erwartet, nach Bad Örzen an der Schlurf zu einem mehrtägigen „Transformations-Seminar“. Dort angekommen gibt es für die beiden reichlich zu nörgeln. Die Unterkunft ist alt und einfach, die anderen Kursteilnehmen sind nicht wie erwartet und zu allem Überfluss kreuzt auch noch ihr Chef samt Freundin auf …

Die Autorin Mia Blumkist ist nach eigenen Angaben an den Rändern der deutschen Sprache (Österreich?) aufgewachsen. Ursprünglich wollte sie Seiltänzerin werden, heute arbeitet sie jedoch als Werbetexterin. Sie schreibt gerne und viel – „Ich liebe was, was du nicht siehst“ ist ihr erster Roman.

Die Idee, zwei Frauen jenseits des Teenager-Alters sind beste Freundinnen, fand ich sehr gut – leider jedoch konnte mich die Umsetzung nicht befriedigen. Die Freundschaft der beiden war für mich nicht glaubwürdig. Paula bestimmte das Geschehen und Franziska tat alles, um sie zufrieden zu stellen – Freundschaft sieht für mich anders aus. Die Autorin lässt Franziska als Ich-Erzählerin berichten, so dass man die Ereignisse immer aus erster Hand erfährt. Der Schreibstil ist ganz annehmbar, jedoch manche Szenen wirken sehr übertrieben. Einige Passagen die witzig sein sollten, fand ich auch nicht ganz geglückt. Dennoch ein Buch, das an verregneten Urlaubstagen eine annehmbare Unterhaltung bietet.

Fazit: Eine unterhaltsame Geschichte, ganz nett für zwischendurch.

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Veröffentlicht am 24.08.2022

Fremde, eisige Welt

Das Lied der Arktis
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Uqsuralik war nur ein paar Meter vom Iglu ihrer Eltern entfernt, als mit ohrenbetäubendem Krachen das Eis brach und sie von ihrer Familie getrennt wurde. Zusammen mit dem treuen Familienhund Ikasuk, einem ...

Uqsuralik war nur ein paar Meter vom Iglu ihrer Eltern entfernt, als mit ohrenbetäubendem Krachen das Eis brach und sie von ihrer Familie getrennt wurde. Zusammen mit dem treuen Familienhund Ikasuk, einem Bärenfell als Schutz vor der Kälte und dem kleinen Messer, das sie ständig bei sich trägt, driftet sie auf einer Eisscholle in der Dunkelheit dahin. Sie weiß, um zu überleben muss sie in Bewegung bleiben, muss nach Robben jagen und auf Hilfe hoffen. Nach Tagen der Einsamkeit naht die Rettung - sie trifft auf einen anderen Familienclan und wird von ihnen aufgenommen. Doch auch da ist sie nicht in Sicherheit, es droht eine andere Gefahr …

Bérengère Cournut, geboren 1979 in Asnières-sur-Seine nordwestlich von Paris, ist eine französische Schriftstellerin, Übersetzerin und Lektorin. Sie schreibt seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr, zunächst Kinder- und Jugendliteratur, bevor sie ihre Liebe zur Anthropologie, zu fernen Welten und alten Überlieferungen entdeckt. Für „Das Lied der Arktis“ hat sie sieben Jahre lang die Lebensweise der Inuit recherchiert und deren Geschichte studiert. Das Werk wurde 2019 mit dem FNAC-Romanpreis ausgezeichnet.

Kein fantasievoll ausgedachter Roman, sondern eine realistisch anmutende Geschichte aus dem Leben der Inuit. Das Buch bietet ungemein spannende Einblicke in eine fremde, brutale, vergangene Kultur, die mir bis dahin völlig unbekannt war. Man erfährt das Geschehen aus Uqsuraliks Perspektive und ist somit hautnah dabei wenn sie auf die Jagd geht, Robben erlegt, ihre Bäuche aufschlitzt, das rohe Fleisch isst und ihr Blut trinkt. Wir erleben mit ihr Zeugung und Geburt, Krankheit und Tod - für die Inuit ganz natürliche Vorgänge – und erschauern, wenn die unberechenbare Natur wieder gnadenlos zuschlägt.

Zu erwähnen sind auch die Lieder der Inuit, deren Text immer mal wieder zwischen den einzelnen Abschnitten eingefügt ist. Sie behandeln das aktuelle Geschehen, die Träume und die Hoffnungen der verschiedenen Protagonisten, und erweitern somit unseren Blickwinkel. Ein Glossar mit den gebräuchlichsten indigenen Begriffen und zahlreiche Fotos über die Menschen, Tiere und Natur der Arktis, am Ende des Buches, bereichern die Geschichte und tragen zum besseren Verständnis des Gelesenen bei.

Fazit: Ein großartig recherchierter Roman, der durch seine bildhafte Erzählweise besticht und ganz nebenbei auch einiges an Wissen vermittelt. Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 23.08.2022

Wenn der Verlust zu groß ist, sucht die Seele einen Ausweg

Die leise Last der Dinge
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Einige Zeit nach dem Unfalltod seines Vaters, eines Jazz-Klarinettisten der im Drogenrausch von einem Lastwagen überfahren wurde, beginnt der 13jährige Benny plötzlich Stimmen zu hören. Zuerst ist es die ...

Einige Zeit nach dem Unfalltod seines Vaters, eines Jazz-Klarinettisten der im Drogenrausch von einem Lastwagen überfahren wurde, beginnt der 13jährige Benny plötzlich Stimmen zu hören. Zuerst ist es die Stimme des Vaters, dann sind es ganz alltägliche Dinge die zu ihm sprechen, die immer lauter werden und alles übertönen. Er kann sie nicht ausblenden, kann nicht weghören und kann sich nicht mehr konzentrieren. Seine Mutter Annabelle versucht den Verlust ihrer großen Liebe mit dem Kauf völlig unnötiger Dinge zu kompensieren. Sie vernachlässigt sich, ihr Körper gerät außer Form, die Wohnung vermüllt mehr und mehr, ihre Arbeitsstelle ist in Gefahr – und ihr Sohn droht ihr zu entgleiten. Da bekommt sie durch Zufall einen Zen-Ratgeber mit Aufräum-Tipps in die Hände und auch Benny entdeckt in der Bibliothek ein Buch, „sein“ Buch, das ihm zuhört und ihm gute Ratschläge gibt. Wird es Mutter und Sohn gelingen, mit Hilfe „ihrer“ Bücher zu einem normalen Leben zurück zu finden?

Ruth Ozeki, geb. 1956 in New Haven (Connecticut), ist eine amerikanisch-kanadische Romanautorin, Filmemacherin, Zen-Priesterin und Professorin für Geisteswissenschaften am Smith College in Northampton (Massachusetts). Für ihre Arbeiten erhielt sie vielfache Auszeichnungen und schaffte es auch auf die Shortlist des Booker Prize. Mit ihrem vierten Roman „Die leise Last der Dinge“ gewann sie den Women’s Prize for Fiction 2022. Sie lebt in West-Massachusetts und hat noch einen Wohnsitz auf dem Lande in British Columbia.

Der plötzliche Verlust eines geliebten Menschen, ein sehr bewegendes Thema, dessen Umsetzung mich hier jedoch nicht besonders berühren konnte. Der Einstieg in die Geschichte ist zwar interessant, macht neugierig und zwingt förmlich zum Weiterlesen, doch dann kommt leider zu viel Negatives, zu viele bedrückende und befremdliche Themen. Anstatt sich im Schmerz um einander zu kümmern, driften Mutter und Sohn immer mehr auseinander. Annabelle versucht mit Hilfe eines Zen-Ratgebers ihre Probleme zu lösen und Benny hält sich lieber in der öffentlichen Bibliothek auf, wo er sich mit einem Buch unterhält, das mit ihm spricht und ihm die Geschichte seines Lebens erzählt, und - wo er die Freundschaft eines drogenabhängigen Mädchens und eines alkoholkranken Obdachlosen sucht. Leider gelang es mir nicht, mich in die Gedankenwelt der Figuren zu versetzen und eine Verbindung zu ihnen herzustellen, zu seltsam und irreal war ihr Tun und Handeln.

Lobenswert sind jedoch der wunderbare Schreibstil und der Einfallsreichtum der Autorin, der es sogar gelang, einige humorvolle Stellen einzubauen. Die Geschichte wurde dadurch nie langweilig, wenn auch etliche Passagen durchaus hätten gekürzt werden können. Der Schluss jedoch dürfte etwas ausführlicher sein. Ich fand ihn, nachdem was alles an Themen angeboten und angehäuft wurde, ziemlich schlicht und rasch abgehandelt.

Fazit: Ein sehr gut geschriebenes Buch, das gewichtige Themen und Probleme aufgreift, nachdenklich stimmt und viele Fragen aufwirft – die jedoch letztendlich ungelöst bleiben.

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Veröffentlicht am 15.08.2022

Vom Traum zum Albtraum …

Das geträumte Land
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In seiner Heimat Kamerun sah Jende Jonga keine Chance, seiner Familie ein gutes Leben zu bieten. Deshalb reiste er mit Besuchervisum in die USA, wo er als Illegaler die ersten Jahre in New York mit verschiedenen ...

In seiner Heimat Kamerun sah Jende Jonga keine Chance, seiner Familie ein gutes Leben zu bieten. Deshalb reiste er mit Besuchervisum in die USA, wo er als Illegaler die ersten Jahre in New York mit verschiedenen Jobs das Geld für die Überfahrt seiner Frau Neni und ihres gemeinsamen kleinen Sohnes Liomi zusammensparte. Jetzt, nachdem er Asylantrag gestellt und eine vorläufige Arbeitserlaubnis erhalten hat, bekommt er durch einen glücklichen Zufall die Stelle als Chauffeur bei Mr Edwards, einem reichen Banker bei Lehman Brothers. Auch Neni bietet sich die Möglichkeit, für Mrs Edwards in deren Sommerhaus als Haushälterin zu arbeiten. Endlich scheint das Glück bei den Jongas eingekehrt zu sein, doch die Katastrophe lässt nicht lange auf sich warten. Lehmann Brothers geht Pleite, Jendes Asylantrag wird zunächst abgelehnt und Neni wird wieder schwanger …

Imbolo Mbue, geb. 1982 in Limbe (Kamerun), ist Schriftstellerin und besitzt seit 2014 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Mit 17 Jahren kam sie in die USA, wo Verwandte ihr Studium in New Jersey und New York finanzierten. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie in der Marktforschung eines Medienunternehmens, verlor infolge der Finanzkrise ihre Arbeitsstelle und war danach 1 ½ Jahre arbeitslos. Sie spielte bereits mit dem Gedanken nach Kamerun zurückzukehren, als sie 2011 mit Schreiben ihres Debütromans „Behold the Dreamers“ begann. Als er 2016 erschien wurde er sofort als Überraschungserfolg gefeiert und Mbue erhielt dafür den PEN/Faulkner Award - die deutsche Übersetzung unter dem Titel „Das geträumte Land“ erschien 2017. Heute lebt die Autorin mit Mann und Kindern im New Yorker Stadtbezirk Manhattan.

Wie aus der Vita von Imbolo Mbue unschwer zu erkennen ist, trägt ihr Debütroman einige autobiografische Züge. Dadurch ist sie in der Lage sowohl die Probleme, als auch die Erwartungen der Immigranten nachvollziehbar zu vermitteln und das perspektivlose Leben der Armen in Kamerun glaubwürdig darzustellen. Dass sie dabei neutral bleibt, weder die Bösen anklagt noch die Guten hervorhebt, ist nur von Vorteil. Sie verwebt einfach die Schicksale der beiden Familien miteinander, zeigt ihre Stärken und Schwächen, ohne den moralischen Zeigefingen zu erheben.

Die Geschichte ist chronologisch aufgebaut. Meist ist man als Leser bei den Jongas, sieht New York mit seinen Problemen aus ihrer Perspektive und erfährt in Rückblenden und Erinnerungen einige interessante Details aus der Stadt Limbe in Kamerun. Dazwischen nimmt man Teil am Leben der Familie Edwards und stellt fest, dass auch bei den Reichen so manches im Argen ist. Der Sprachstil ist etwas schlicht, jedoch gut und flüssig zu lesen. Der einfache Satzbau in den Dialogen ist wohl den Einwanderern geschuldet, die die Sprache des Landes noch nicht beherrschen. Die Charaktere sind anschaulich und exakt gezeichnet und wirken dadurch sehr realistisch in ihrem Handeln. Die Autorin hat ein besonders gutes Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen.

Fazit: Ein einfühlsamer und außergewöhnlicher Roman über die Sehnsüchte und Träume amerikanischer Einwanderer den ich gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 08.08.2022

Von Basel bis ans Lagerfeuer von Sitting Bull

Susanna
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Susanna Faesch wächst Mitte des 19. Jhd. als 3. Kind einer angesehenen Familie in Basel auf. Als ihre Eltern sich scheiden lassen nimmt ihre Mutter sie mit nach New York, wohin sie dem Arzt Karl Valentiny, ...

Susanna Faesch wächst Mitte des 19. Jhd. als 3. Kind einer angesehenen Familie in Basel auf. Als ihre Eltern sich scheiden lassen nimmt ihre Mutter sie mit nach New York, wohin sie dem Arzt Karl Valentiny, einem Freund ihres Mannes, folgt. Dieser wird Susannas Ersatzvater, ihre beiden älteren Brüder verbleiben in Basel beim Vater. Brooklyn, wo sie nun ihre Kindheit und Jugendzeit verbringt, wird sie für ihr weiteres Leben prägen. Schon früh beginnt Susanna Porträts zu malen und kann auch bald von dem Erlös leben. Sie heiratet einen Kollegen ihres Stiefvaters, hat eine kurze folgenreiche Affäre mit einem anderen Mann und wird daraufhin geschieden. Mit Hilfe ihrer Mutter zieht sie ihren Sohn Christie sehr liebevoll auf. Als dieser sich für die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner interessiert, fährt sie mit ihm auf eine abenteuerliche Reise nach Dakota …

Der Autor Alex Capus wurde 1961 in Frankreich als Sohn einer Schweizerin und eines Franzosen geboren. 1966 zog seine Mutter mit ihm in die Schweiz, wo er später an der Universität Basel Geschichte, Philosophie und Ethnologie studierte. Während und nach seinem Studium arbeitete er als Journalist und Redakteur bei verschiedenen Schweizer Zeitungen. 1994 veröffentlichte er seinen ersten Erzählband - Kurzgeschichten, historische Reportagen und Romane folgten, für die er einige Auszeichnungen erhielt. Mit seinem Roman „Léon und Louise“ war er 2011 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Geschichtlich überlieferte Tatsachen recherchiert er sorgfältig und verknüpft diese gerne mit fiktiven Geschichten, die oft in der Schweiz spielen. Alex Capus ist verheiratet und Vater von fünf Söhnen, er lebt heute als freier Schriftsteller in Olten in der Schweiz.

Wie oft bei Alex Capus liegt auch hier seinem Roman eine wahre Begebenheit zugrunde, und auch hier verbindet der Autor wieder geschichtlich überlieferte Gegebenheiten mit Erdachtem. Neben den wichtigsten Ereignissen aus dem Leben der Portrait-Malerin und Künstlerin Susanna Faesch (die in den USA als Bürgerrechtlerin Caroline Weldon bekannt ist), bekommen wir ein Sittenbild der schweizerischen Stadt Basel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts geboten, erhalten Einblick in die damaligen Gepflogenheiten der französischen Fremdenlegion, erfahren mehr über New York wie es früher war und nehmen teil am Leben der amerikanischen Ureinwohner, der Indianer unter Sitting Bull. Wir sind dabei bei der Einführung der Glühbirne, feiern mit bei der Eröffnung der Brooklyn Bridge und erfahren, wie Susanna den ersten starren Fotographien farbiges Leben einhaucht. Der Schreibstil ist dabei sehr ansprechend, flüssig und erstaunlich lebendig. Ausdrucksstarke Landschaftsbeschreibungen bereichern die Geschichte und machen das Lesen zu einem kurzweiligen Vergnügen.

Fazit: Ein lesenswertes Buch, das ich gerne weiter empfehle.

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