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Highlander1312

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.10.2020

Sex, Drugs & Art

Das Palais muss brennen
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"Ich sagte, dass ich heute bereits einen Finger in der Vagina gehabt hätte im Juridicum. Ich sprach vom Einführen eines Tampons während der Menstruation." (S. 12)

Dieses Zitat plus den Klappentext geben ...

"Ich sagte, dass ich heute bereits einen Finger in der Vagina gehabt hätte im Juridicum. Ich sprach vom Einführen eines Tampons während der Menstruation." (S. 12)

Dieses Zitat plus den Klappentext geben schon ein ganz gutes Bild über das Buch ab. Wobei der Klappentext auch recht verwirrend ist, denn ich habe einen studentisch-politischen Roman gegen den aufkommenden Rechtsextremismus erwartet. Damit lag ich leider urfalsch, um im Wienerisch zu bleiben, das hier toll genutzt wird.

Leider bin ich eher enttäuscht. Die junge Autorin (Jahrgang '95!) beweist, dass sie über viel Sprachwitz verfügt, philosophisch verschachtelte Sätze zusammenbasteln kann und ein feines Gespür für das Wiener Nachtleben besitzt (aus Erfahrung?).

Ansonsten war ich etwas enttäuscht, denn die suggerierte Handlung läuft eigentlich nur nebenher. Viel eher ist Protagonistin Lu mit Drogen, Sex, Kunstinterpretationen und pseudo-rebellischem Pläneschmieden beschäftigt. Aber selbst diese Pläne werden meist nur in Nebensätzen eingebracht. Stattdessen dreht sich Lu's Universum vor allem um Sex. Das Buch ist meiner Meinung nach unnötig stark übersexualisiert. Das Zitat oben soll das zeigen. Ich hatte mehr das Gefühl in einem Coming of Age-Roman für neureiche Studenten gelandet zu sein. Statt ernsthaft gegen die rechtsgerichtete Mutter zu protestieren, erlebte ich Luise als Drama Queen mit hedonistischem Lebensstil, die erst auf die rechten Kader schimpft und sich dann vom Geld der Mutter im Palais den Dom Perignon und gutes Koks reinzieht. Ihre Liebhaber*innen TT und Sef sind deutlich reifer, von einer "rebellischen Brut" (Klappentext) kann aber nicht die Rede sein.

Wie gesagt trösten Sprachwitz und Dialoge etwas über die Kritikpunkte hinweg, aber alles in allem war nicht das drin, was ich gehofft hatte. Aufgrund der sprachlichen Qualität der Autorin würde ich einem weiteren Buch aber gerne eine Chance geben. Dann gerne mehr Rebell und weniger Pubertät!

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Veröffentlicht am 03.10.2020

Die Qual hat der Wal

Auf der Suche nach Moby Dick
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Meine letzte Graphic Novel war Verbrechen und Strafe von Bastien Loukia, auch aus dem Knesebeck-Verlag. Dabei wurde der Klassiker von Dostojewski als Graphic Novel adaptiert und so etwas weniger komplex ...

Meine letzte Graphic Novel war Verbrechen und Strafe von Bastien Loukia, auch aus dem Knesebeck-Verlag. Dabei wurde der Klassiker von Dostojewski als Graphic Novel adaptiert und so etwas weniger komplex gestaltet. Im Grunde war es aber einfach das Buch als Comic, wenngleich auch wirklich sehr gut gestaltet.

Bei Auf der Suche nach Moby Dick von Isaac Wens und Sylvain Venayre ist die Ausgangslage eine gänzlich andere. Hier steht das Buch im Fokus, es wird im Rahmen eines Interviews für eine Dokumentation über das Buch aufs Feinste seziert und analysiert. Natürlich kommt dabei die Geschichte zu Moby Dick nicht zu kurz und auch für "walfremde" Leser*innen ist das Buch ein Genuss. Aber für diejenigen, die Moby Dick gut kennen bzw. vorhaben es bald zu lesen, ist diese Graphic Novel ein absolutes Muss. Hier werden die Feinheiten des Buchs, und davon hat Melville eine Menge eingestreut, extrem gut herausgearbeitet. Seien es die Planken des Schiffs, der Charakter von Queequueg oder nur der weiße Wal selbst, alles hat eine Bedeutung. Es ist fast schon eine Schande das Originalbuch zu lesen, ohne dieses Wissen zu haben, denn man hat das Gefühl so einiges verpasst zu haben.

Zugegeben, als ich im Vorwort gelesen hatte, das die Erstellung des Buchs 8 (!) Jahre dauerte, dachte ich mir, den Autor würde ich während Corona besser nicht ins Home Office lassen. Aber im Nachhinein ist mir klar geworden, wieviel penible Recherche nötig war, um diesen "Comic" zu erschaffen. Wobei weder Comic noch Graphic Novel dem Inhalt gerecht werden. Viel eher ist es Graphic Literature und ich freue mich auf weitere, ähnliche Ausgaben von Knesebeck!

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Veröffentlicht am 03.10.2020

Weltliteratur als Graphic Novel

Verbrechen und Strafe
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So manches Werk der vergangenen Jahrhunderte ist allein aufgrund der Sprache nicht mehr so eingängig. Gerade bei russischen Büchern kommen häufig noch viele Charaktere hinzu wie in einer altgriechischen ...

So manches Werk der vergangenen Jahrhunderte ist allein aufgrund der Sprache nicht mehr so eingängig. Gerade bei russischen Büchern kommen häufig noch viele Charaktere hinzu wie in einer altgriechischen Tragödie, sodass man schnell den Überblick verlieren kann. Das Originalbuch "Verbrechen und Strafe" von Fjodor Dostojewski kenne ich nicht, aber da der Knesebeck-Verlag nun eine Neuauflage in Form einer Graphic Novel herausgebracht hat, dachte ich mir "Mensch, Weltliteratur für Dummies", das muss ich haben.

Tatsächlich ist die großformatige Neuauflage von Bastien Loukia aber deutlich mehr als eine bebilderte Zusammenfassung. Natürlich lernt man die Geschichte rund um Rodion Raskolnikow kennen, aber das Buch an sich ist schon ein echtes Kunstwerk. Ein so komplexes und anspruchsvolles Buch wie "Verbrechen und Strafe" auf einen Comic herunterzubrechen stelle ich mir extrem schwer vor, aber Loukia ist es sehr gut gelungen. Die Namen der Kapitel bspw. sind weiteren Titeln von Dostojewski nachempfunden, es gibt anfangs eine Übersicht über die Charaktere und sogar die künstlerisch-abstrakten Albträume von Rodion finden angemessene Erwähnung.

Die Handlung selbst ist spannend, es geht im Großen und Ganzen um den armen Studenten Rodion, der ein Verbrechen plant und durch die Durchführung desselben in einen Strudel aus Selbstzweifel und Paranoia gelangt. Denkt man anfangs noch, Rodion ist eine graue Maus, ein armer Taugenichts, wird man spätestens bei den Gesprächen mit der Polizei eines Besseren belehrt. Die Ausführungen zur Natur des Verbrechens und des Verbrechers bzw. zur Gesellschaft im Allgemeinen stimmen nachdenklich und machen das Buch zu einem Highlight. Gerade in Bezug auf die philosophischen Fragen ist aber die Version einer Graphic Novel deutlich angenehmer, da schon vorgekaut!

Als Leser*in lernt man zudem einiges über Russland und die dortige Kultur, alleine die Grafiken sind sehr authentisch und erschaffen eine passende Atmosphäre.

Insgesamt keine Alternative zum Originalbuch, sondern vielmehr ein alleinstehendes Werk, das der Geschichte neues Leben einhaucht und den Inhalt im Wesentlichen sehr gut wiedergibt. So darf der Trend um Graphic Novels gerne weitergehen!

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Wer Hass sät, wird Hass ernten

The Hate U Give
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Das Buch The Hate U Give klingt durch den Klappentext so, als wäre es im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung entstanden. Allerdings gibt es das Buch bereits seit 2017. Vor allem das finde ich so erschreckend. ...

Das Buch The Hate U Give klingt durch den Klappentext so, als wäre es im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung entstanden. Allerdings gibt es das Buch bereits seit 2017. Vor allem das finde ich so erschreckend. Die Probleme, die das Buch in anschaulicher Weise darstellt, sind seit Jahren bekannt. Ändert sich was an den katastrophalen Zuständen? Nein, stattdessen braucht es eine weltweite Protestbewegung im Frühjahr 2020 (!), um darauf aufmerksam zu machen, dass Polizeigewalt, Rassismus und staatliche Willkür für People of Color noch immer zum Alltag gehören. NACHDEM ein weiterer tieftrauriger Fall von Polizeigewalt bekannt geworden ist. Dadurch ist das spannende Jugendbuch von Angie Thomas rund um die jugendliche Starr noch einmal mehr in den Fokus gerückt worden. Und das ist auch gut so.

Denn nicht nur die Thematik des Buches ist eine wichtige, sondern das Buch ist auch noch richtig gut geschrieben, regt einen zur Selbstreflexion an und sollte Pflichtlektüre in der Mittelstufe sein.

Die junge Starr ist ein sympathisches, junges Mädchen, das erlebt, wie einer ihrer Freunde durch die Hand eines Polizisten stirbt. Dadurch beschließt sie ihre Stimme zu erheben und den Mächtigen die Stirn zu bieten.

Die Handlung und vor allem das Finale sind für sich genommen schon sehr gut, aber besonders der jugendliche Schreibstil gefällt mir sehr gut, denn das Buch wirkt wahnsinnig authentisch. Ich bin schon sehr gespannt auf Angie Thomas' jüngstes Buch - On the come up.

Es braucht mehr solcher Bücher, und zwar so lange bis jede und jeder als das genommen wird, was sie oder er ist - als Mensch. Und die Anzahl der Melanin-Pigmente in der Haut sollte endlich, endlich, endlich völlig egal sein!

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Veröffentlicht am 26.09.2020

Ein Sehnsuchtsbuch für Bahnreisende

Vom Schweden, der den Zug nahm
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Wir befinden uns in einer Pandemie, noch immer, und aller Voraussicht nach auch noch für eine ganze Weile. Flugreisen werden noch für mindestens einige Monate eher nicht für touristische Zwecke genutzt ...

Wir befinden uns in einer Pandemie, noch immer, und aller Voraussicht nach auch noch für eine ganze Weile. Flugreisen werden noch für mindestens einige Monate eher nicht für touristische Zwecke genutzt werden. Umso passender ist da das neue Buch Vom Schweden, der den Zug nahm von Per J. Andersson im C. H. Beck Verlag, das eine beispiellose Ode an das Zugreisen darstellt.

Wusstet ihr z.B., dass der größte Kopfbahnhof der Welt in Deutschland gebaut wurde (Leipzig)?

Oder, dass - zumindest in Schweden - im Jahr 2019 nur 77% der Langstreckenzüge pünktlich waren? Auf der Kurzstrecke waren es 97%!!!

Schon im ersten Kapitel erwachte in mir eine unbekannte Sehnsucht nach dem Reisen auf zwei Gleisen. Denn die sehr bildliche Sprache des Autors erzeugt eine Faszination zu Zügen und Bahnhöfen, die der gemeine deutsche durch das - vorsichtig formuliert - angespannte Verhältnis zur Deutschen Bahn in der Regel nicht kennt. Die Geschichte der Bahn wird beleuchtet, dabei allerdings sowohl der dadurch erreichte Fortschritt als auch die früh geäußerten ökologischen Bedenken. Zum Glück wurden viele Bahnstrecken mittlerweile komplett elektrifiziert. Die weiteren Kapitel machen viel Lust darauf, das Buch zum Schmökern zu nutzen. Das Buch am Stück durchzulesen ist meiner Meinung nach nicht so geschickt, denn der Autor ist Reisejournalist und gebraucht einen sehr großen Wortschatz. Dadurch ermöglicht er ein richtiges Eintauchen in die Welt der Lokomotive.

Besonders das Kapitel "Bahnfahren mit Kindern" hat mir sehr gut gefallen und mich motiviert auch mit dem eigenen Nachwuchs mal nach Erlebnis-Zugfahrten Ausschau zu halten. Andere Kapitel allerdings habe ich auch mal überblättert, da mir trotz der tollen Wortwahl zu wenig Inhalt vermittelt wurde. Manchmal ergeht sich der Autor in Karl-May-artigen Beschreibungen, sodass der Lesegenuss leidet.

Insgesamt dennoch ein tolles Plädoyer für mehr Reisen mit der Bahn. Denn Reisen mit dem Zug ist zukunftsfähig, nachhaltig und deutlich entschleunigender als die Reise mit dem Flugzeug. Und in Zeiten von Corona gilt eben, Flugreisen finden sich auf dem Abstellgleis wieder und Bahnfahren dürften mittelfristig zu neuen Höhen aufsteigen.

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