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Veröffentlicht am 13.09.2021

Mein Kind, dein Kind?

Du gehörst uns
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Pete und Maddie Riley leben mit ihrem 2-jährigen Sohn Theo in Willesden Green, im Norden von London. Die Rileys sind glücklich, obwohl der kleine Theo sehr anstrengend ist. Als Frühgeburt geboren, hat ...

Pete und Maddie Riley leben mit ihrem 2-jährigen Sohn Theo in Willesden Green, im Norden von London. Die Rileys sind glücklich, obwohl der kleine Theo sehr anstrengend ist. Als Frühgeburt geboren, hat er seinen Start ins Leben aufgeholt und legt sehr viel Energie an den Tag. Deshalb erschrecken die Rileys auch, als eines Tages ein Mann vor der Türe steht und behauptet, dass Theo und sein Sohn David nach der Geburt auf der Frühchenstation vertauscht worden sind. Miles und seine Frau Lucy Lambert haben stichhaltige Beweise dafür. Sie möchten regelmässig Kontakt mit Theo. Was als Arrangement der beiden Elternpaare beginnt, endet mit einem Albtraum für die Rileys.





Die Idee hinter der Geschichte ist nicht neu. Bücher über vertauschte Kinder, die nicht bei den biologischen Eltern aufwachsen, gibt es etliche. Neu ist für mich jedoch in „Du gehörst uns“ die Entwicklung, die die Verwechslung und die darauffolgende Handlung nimmt. JP Delaney bringt eine Komponente rein, die in einen Psychokrieg ausartet. Ich habe diese Entwicklung atemlos verfolgt und sie konnte mich so fesseln, dass ich dem Buch ohne weiteres das Siegel „Psychothriller“ aufdrücke.

Doch von Anfang an: Schon nach wenigen Seiten ist man mittendrin im persönlichen Albtraum der Familie Riley. Da steht plötzlich ein Mann vor der Türe, der behauptet, dass das eigene Kind, das man liebt, beschützt und umsorgt, seines ist? Doch es kommt noch schlimmer, denn plötzlich wird Pete konfrontiert mit Verdächtigungen und Beschuldigungen, die völlig aus der Luft gegriffen scheinen. Hier entstehen juristische Details und Spielereien, die einem Gerichtsthriller ähneln. Irgendwann habe ich mich gefragt, wer so abgebrüht sein kann, um Kinder auf einer Säuglingsstation zu vertauschen? Und aus welchem Grund?



Sehr gut gefallen hat mir der Punkt, der oft hervorblitzt: Die Frage, ob die Gene oder das persönliche Umfeld, ein Kind formen und seine Interessen erzeugen. Gerade dieser Punkt wurde sehr gut ausgearbeitet in der Geschichte um Theo.


JP Delaney hat die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Pete und aus der Sicht von Maddie geschrieben. Das hat mir sehr gut gefallen, denn so erfährt man als Leser die Gedanken von zwei unterschiedlichen Figuren auf einzelne Situationen. Ab und zu sind Stellungnahmen von Nebenfiguren oder Zeitungsartikel eingefügt, was noch mal anders und neutral auf eine Situation blicken lässt. Nach und nach verstrickt sich eine Schlüsselfigur mehr in Lügen, bei denen ich mich gefragt habe, ob ich zu gutgläubig war? Langsam aber sicher geschehen immer seltsamere Dinge rund um die Rileys und auch kriminelle Machenschaften werden zum Thema. Gegen Mitte des Buches ist man als Leser im Psychoterror, der bei mir Emotionen geweckt hat.


Die Geschichte wird von den authentisch charakterisierten Figuren getragen. Man nimmt ihnen jede Gefühlsregung, jede Unsicherheit, aber auch Schadenfreude oder psychische Manipulation ab.

Schon lange nicht mehr, hat mich ein Buch so sehr gefesselt wie dieser neue Thriller von JP Delaney.

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Veröffentlicht am 10.09.2021

Ermüdend!

Der unschuldige Mörder
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Zack Levin bekommt als Journalist in Stockholm die Kündigung und muss wohl oder übel wieder bei seiner Mutter einziehen. Diese drängt ihn, endlich auf eigenen Füssen zu stehen und so sieht sich Zack gezwungen, ...

Zack Levin bekommt als Journalist in Stockholm die Kündigung und muss wohl oder übel wieder bei seiner Mutter einziehen. Diese drängt ihn, endlich auf eigenen Füssen zu stehen und so sieht sich Zack gezwungen, sich etwas einfallen zu lassen. Er beschließt ein Buch zu schreiben und will dafür ein Verbrechen, das sich vor 12 Jahren ereignet und in das Zack persönlich involviert war, neu aufzurollen. Damals ist der Schriftsteller Leo Stark spurlos verschwunden und einer von Zacks Freunden wurde verdächtigt damit etwas zu tun zu haben. Adrian Mollberg, der mit Zack an der Universität in Lund die Literaturausbildung absolvierte, wurde des Mordes verurteilt.





Die Geschichte handelt zum großen Teil in Literaturkreisen, da immer wieder Passagen in der Vergangenheit, in der die Ausbildung an der Universität in Lund im Mittelpunkt steht, handeln. So stehen Prosa, Gedichte und das Schriftstellermilieu im Zentrum der Geschichte. Es entwickelt sich jedoch in der Studentengruppe auch eine bedrohliche Eigendynamik, die ich lange Zeit nicht einordnen konnte. Leider geht diese bedrohlich Entwicklung bei all dem eher trockenen Studium oft unter. Ich empfand es einfach als langweilig, seitenlang Diskussionen über in der Literaturgruppe geschriebene Gedichte zu lesen.

Aber auch die Gegenwart, in der Zack sein Buch schreibt …. oder soll ich besser sagen, sich ein Viertel des Buches lang, überlegt, ob er es schreiben soll, fand ich ermüdend. Hier haben einzig die trockenen und oft zynischen Dialoge mit seiner Mutter bei mir für Erhellung und Interesse gesorgt.



Zwei Schlüsselfiguren in der Geschichte, die Dozentin Li Karpe und der berühmte und äusserst exzentrische Autor Leo Stark, sind so klischeehaft charakterisiert, dass ich eigentlich immer ahnte, wie ihre Reaktion auf gewisse Handlungen der Literaturgruppe war. Leider hat sich das auch noch immer bestätigt.

Was für eine langatmige und langweilige Story!

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Veröffentlicht am 08.09.2021

Ein Wunder!

Das geheime Leben des Albert Entwistle
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Albert Entwistle arbeitet als Postbote in Toddington und lebt sehr zurückgezogen. Seine nächste Vertraute ist seine Katze Gracie, seine Arbeitskollegen meidet er und fühlt sich alleine am wohlsten. Als ...

Albert Entwistle arbeitet als Postbote in Toddington und lebt sehr zurückgezogen. Seine nächste Vertraute ist seine Katze Gracie, seine Arbeitskollegen meidet er und fühlt sich alleine am wohlsten. Als bekannt wird, dass der 64-jährige Albert in drei Monaten seinen Ruhestand antreten muss, bricht für ihn die Welt zusammen. Das Einzige, das ihm im Leben soziale Interaktion beschert, wird ihm weggenommen. Da lernt Albert die junge und alleinerziehende Mutter Nicole kennen und durch sie fasst er den Mut, sich den Menschen zu öffnen und sich auf die Suche seiner einzigen grossen Liebe zu machen. 50 Jahre lang hat Albert George nicht mehr gesehen, die Erinnerungen an ihn und ihre Liebe sind für Albert traumatisch.



Mit der Charakterisierung der Figur Albert bin ich nicht richtig warm geworden. Albert ist zu Beginn gehemmt, schüchtern und scheut jeden Kontakt zu seinen Arbeitskollegen. Das Ganze grenzt schon fast an eine Sozialphobie. Nach 100 Seiten ist Albert plötzlich nicht wiederzuerkennen.

Ein Wunder!

Er plaudert mit seinen Kunden, findet in der jungen, alleinerziehenden Mutter Nicole eine gute Freundin und führt tiefschürfende Gespräche mit seinen Kollegen bei der Arbeit. An einem Fest tanzt er sogar öffentlich. Das ging mir einfach zu glatt und reibungslos. Zu Beginn hatte mich Albert überzeugt. Er lebt zurückgezogen mit seiner Katze, die Arbeit bedeutet ihm alles, darin lebt er völlig auf. Sehr schnell spürt man, dass er in der Vergangenheit einen großen Verlust erlitten hat. Dieser Verlust ist nicht nur seine einstige große Liebe, sondern war auch der Moment, in dem er sich für die weiteren 50 Lebensjahre völlig verschlossen hat.

Albert hat immer geschwiegen, nicht gewagt sich gegen die damals gängigen Normen zu wehren und zu seiner Liebe zu stehen. Sehr traurig, unfassbar traurig hat mich das gemacht. Vor allem, da bewiesen ist, dass vor 40, 50 oder mehr Jahren es viele Männer wie Albert gab, die an ihren gleichgeschlechtlichen Gefühlen zerbrochen sind. Die ihre große Liebe verleugnen mussten, wegen ihres Rufes, dem Ansehen der Familie und wegen kleinkariertem Denken.



Was tragisch beginnt und 50 Jahre lang ein tiefes Loch in Alberts Herzen reißt, endet mit Hoffnung für die Zukunft, in der Menschen so sein dürfen, wie sie sind. In der er sich nicht mehr verstellen muss und an die Liebe glauben darf.



Matt Cain hat es hervorragend verstanden die vor 50 Jahren herrschenden Moralvorstellungen in die Geschichte einzuweben. Kaum zu glauben, wie Männer sich verstecken mussten, ausgegrenzt, ja sogar eingesperrt wurden, weil sie es gewagt haben gleichgeschlechtliche Gefühle zu fühlen oder zu leben.

In den Rückblicken in Alberts Kinder und Jugendzeit erfährt man 1-1, wie ein Junge sich fühlt, wenn er nicht der damaligen Norm entsprach. Weit weniger zentral wurde auch ab und zu Rassismus, dies in der Figur von Nicole und ihrem Freund Jamie, eingeflochten. Damit trifft der Autor auch den Nerv der heutigen Zeit, sind doch die Themen Homophobie und Rassismus leider immer noch aktuell.

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Veröffentlicht am 06.09.2021

Sehr gut...bis auf den Schluss!

Barbara stirbt nicht
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Barbara und Walter Schmidt sind ein Ehepaar der alten Schule. Barbara kocht, wäscht, putzt, kauft ein und hat den Haushalt im Griff. Der pensionierte Walter wird verwöhnt, bedient und muss im Haushalt ...

Barbara und Walter Schmidt sind ein Ehepaar der alten Schule. Barbara kocht, wäscht, putzt, kauft ein und hat den Haushalt im Griff. Der pensionierte Walter wird verwöhnt, bedient und muss im Haushalt keinen Finger krumm machen. Eines Morgens wird ihre Welt mit dem bisher klaren Rollenmuster durcheinandergewirbelt. Denn Barbara liegt im Bett und steht nicht mehr auf. Walter muss nun notgedrungen in die Küche, denn verhungern will er ja nicht. Und da ist ja auch noch Barbara, um die er sich kümmern muss.





Die Geschichte um Barbara und Walter beginnt skurril: Als Walter morgens aufwacht, riecht er nicht wie sonst den Kaffeeduft durch das Haus ziehen. Unweigerlich kommt der Gedanke hoch, ob Barbara im Schlaf verstorben ist? Er ist so daran gewöhnt, dass Barbara schon mit dem Kaffee wartet, wenn er aufsteht, dass er denkt, sie sei tot. Gestorben, ohne ihm Kaffee zu machen! Diese Arroganz hat mich schockiert.



Sehr oft habe ich nicht gewusst, ob ich über Walter lachen oder ihn bemitleiden soll? Walter ist so was von unselbstständig im Haushalt, dass es an Slapstick vom Feinsten grenzt. Zudem ist er knochentrocken, völlig humorlos und zu den beiden erwachsenen Kindern findet er sehr schwer Zugang. Als ich Walter auf den ersten Seiten kennengelernt habe, habe ich gedacht „mein Gott, was für ein Macho“. Denn Walter bestimmt und dirigiert. Mit der Zeit habe ich jedoch gemerkt, dass seine Frau Barbara ihn erstens zu nehmen weiß und zweitens ihr Ding gemacht hat, ob es Walter passte oder nicht.



Immer wieder führt Walter mit seiner Familie oder mit der Bäckereiverkäuferin Dialoge, die sind zum Brüllen komisch. Walter ist ein Klotz von Mann. Empathie, Freundlichkeit oder Anteilnahme sind Fremdwörter für ihn. Was vor allem Barbaras zahlreiche Bekannte, aber auch die Kinder Sebastian und Karin zu spüren bekommen. Die Autorin zeigt da einen feinen Sinn für Humor und oft habe ich laut gelacht. Der Schreibstil passt sehr gut zu der trockenen Art von Walter. In knappen, sachlichen Sätzen wird das Leben von Walter und Barbara beleuchtet. Walter ist überzeugt, dass Barbara gesund wird, wenn sie nur endlich Nahrung zu sich nimmt. Walter lernt sogar durch einen TV - Koch kochen und muss sich, denn Walter ist nun mal Walter, zuerst mal im Internet zurechtfinden.



Je länger man liest, je mehr wandelt sich die Geschichte. Irgendwann ist bei mir der Punkt gekommen, an dem ich nichts mehr an Walters Benehmen lustig fand. Da war nur noch Mitleid. Vor allem seine Weigerung, sich einzugestehen, dass Barbara ernsthaft erkrankt ist, hat mich sehr berührt. Sehr tiefgründig und mit einer unheimlich treffsicheren Charakterisierung der Figuren hat Alina Bronsky es geschafft, dass ich mitgefühlt und gelitten habe mit diesem verstockten Mann, der Stück für Stück von seiner Frau Abschied nehmen muss. Leider macht die Geschichte gegen Schluss einen Dreher ins Absurde. Plötzlich wird man als Leser mit einer Figur konfrontiert, die zur Familie gehört, jedoch nie vorher erwähnt, ja nicht mal angedeutet wurde. Das geschieht so übergangslos, dass ich mehrmals die letzten Seiten lesen musste.

Schade, von mir hätte das Buch die volle Punktezahl gekriegt, wenn die letzten 30 Seiten nicht gewesen wären.

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Veröffentlicht am 03.09.2021

Wunderbares Buch!

Bis ans Ende aller Fragen
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Maxi ist 44 Jahre alt und Chefin des Cafés Coffee & Cream. Sie hat sich, nach einer Enttäuschung, mit ihrem Leben ohne Mann und Kinder arrangiert. Mehr oder weniger. Denn Maxi hört ihre innere Uhr ticken ...

Maxi ist 44 Jahre alt und Chefin des Cafés Coffee & Cream. Sie hat sich, nach einer Enttäuschung, mit ihrem Leben ohne Mann und Kinder arrangiert. Mehr oder weniger. Denn Maxi hört ihre innere Uhr ticken und je älter sie wird, desto mehr fragt sie sich, ob für sie ihr Leben so stimmt als Single? Ihr Nichte Summer arrangiert ein Treffen mit Männern, die ebenfalls Single sind. Gut gemeint, doch muss das unbedingt in einer Selbsthilfegruppe für Trauernde sein? Summer lügt das Blaue vom Himmel hinunter, um Maxi zu einem Date zu verhelfen. Maxi ist das peinlich, obwohl gleich mehrere Kandidaten um ihre Gunst buhlen.





Was für ein wunderbares Buch mit einer Geschichte, die mich gefesselt und mitgerissen hat. Viel dazu beigetragen hat sicher der Schreibstil. Denn der ist lebendig und humorvoll. Viele witzige Szenen haben mich schmunzeln lassen und meine Lieblingsfigur Summer ist nicht ohne. Sie ist frech, frisch und quatscht frei von der Leber weg. ( „Dieser Typ ist so hot “ O-Ton Summer).

Doch auch Maxi hat mir gut gefallen, die einerseits in einer Familie mit tollen Eltern, Geschwistern, Nichten und Neffen eingebettet ist. Andererseits doch eine eigene Familie mit Ehemann und Kindern vermisst. Ab und zu wurden Tagebucheinträge, die Maxi 1991, also als 14-Jährige geschrieben hat, eingefügt. Die zeigen deutlich, dass sich das Leben oft ganz anders entwickelt als gedacht und erträumt. Die Tagebucheinträge sind vom Stil her sehr gut an den Schreibstil einer Pubertierenden mit Hormonschüben angepasst. Ich empfand die als sehr witzig und Unterhaltung pur! Klar ist, dass Anne Hertz und Maxi das Rad der Liebe nicht neu erfinden können. Die Autorinnen haben jedoch verschiedene Möglichkeiten eingebaut, um Maxi ihren Lebenswunsch zu erfüllen. Sie muss nur noch wählen und mit sicherer Hand den passenden der fünf Kandidaten herauspicken. Aber eben, das mit der sicheren Hand läuft nicht so wie gedacht. Eine Zerreissprobe für Maxi und eine Unvorhersehbarkeit für uns Leser. Hier weiss man bis fast zum Schluss nicht, wer denn nun Maxis Herz gewinnen und ob überhaupt ein Mann das Rennen machen wird.


„Bis ans Ende aller Fragen“ ist das Gemeinschaftswerk zweier Autorinnen. Von den Schwestern Frauke Scheunemann und Wiebke Lorenz. Ich kenne die Thriller von Wiebke Lorenz und kann nun bestätigen, dass sie auch Liebesromane kann.

Die Geschichte um Maxi, ihren Familienwunsch und ihr Leben ist eine heitere Story mit viel Humor und Tiefgang.

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