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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.06.2018

Eigensinnig und urkomisch

Fiona: Den Toten verpflichtet
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Dieser Moment, wenn Du auf einer Parkbank sitzt und Dich vorbeigehende Menschen irritiert anschauen, weil Du alleine Dich kringelig lachst: Du bist definitiv"Fiona" am Lesen!

Keine Frage, die beschriebenen ...

Dieser Moment, wenn Du auf einer Parkbank sitzt und Dich vorbeigehende Menschen irritiert anschauen, weil Du alleine Dich kringelig lachst: Du bist definitiv"Fiona" am Lesen!

Keine Frage, die beschriebenen Taten im Krimi sind äußerst erschütternd. Die Ausführung der Taten abscheulich. Eigentlich alles nur sehr schwer verdaulich, wäre da nicht "Fiona". Doch Fiona zu beschreiben, fällt mir fast unmöglich. Viel zu einmalig, viel zu besonders, erscheint mir diese junge Ermittlerin aus Wales. "Durchgeknallt" könnte es ganz gut treffen, dann aber bitte mit dem Zusatz "gesund durchgeknallt". Denn sie hat das Herz "am rechten Fleck". Obwohl ihr fast gänzlich das Gefühl für sich selbst fehlt, unfähig ist Kontakt zu sich selbst aufzunehmen, durchzieht sie ein enormes Gerechtigkeitsgefühl und findet schnell Zugang zu Menschen am Rande der Gesellschaft.

Eigentlich ist ihre Persönlichkeit in einem Team nur schwer tragbar. Sie wird zur Eigenbrötlerin, gewollt oder nicht gewollt. Absprachen sind nicht gerade ihre Stärke. Ob eine Ermittlerin mit solchen Charakterzügen im realen System tatsächlich existieren könnte? Wohl kaum. Fiona engagiert sich über das normale Maß deutlich hinaus. Sie nimmt die Arbeit mit Nachhause, schaltet kaum ab. Realistisch hält ein solches Arbeitspensum und eine solche Nähe zu den Opfern kaum jemand länger durch. Fiona ist noch sehr jung, wir werden sehen wie sie sich weiter entwickelt.

Denn es folgen weitere Bänder, im englischen sind sie schon lange veröffentlicht. In Großbritannien erfreuen sich nicht nur Leser über diese besondere Ermittlerin. Seit Jahren strahlt das Fernsehen erfolgreich eine eigene Staffel über sie aus. Fiona hat viele Bewunderer und Freunde, wobei sie selbst das sicherlich ganz anders bewerten würde. Das ist halt Fiona. So ganz eigen. So ganz besonders.

Veröffentlicht am 04.06.2018

Lelords Bücher sind eine Bereicherung

Hector und die Suche nach dem Paradies
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:Wer Hector kennt, der weiß, Hector stellt sich viele Fragen des Lebens, und darum lieben wir Hector so sehr. Fragen, die viele von uns bewegen, die wir uns in ähnlicher Form sicherlich selbst schon einmal ...

:Wer Hector kennt, der weiß, Hector stellt sich viele Fragen des Lebens, und darum lieben wir Hector so sehr. Fragen, die viele von uns bewegen, die wir uns in ähnlicher Form sicherlich selbst schon einmal gestellt haben. Und, siehe da, die Beantwortung fällt Hector ebenso schwer wie einem selbst! Doch dann verhält sich Hector anders als vielleicht einige unter uns. Hector gibt sich nicht mit einer Antwort zufrieden, er lässt sich nicht abwimmeln oder gibt gar auf. Nein, Hector möchte der Sache ordentlich auf dem Grund gehen. Keine halben Sachen!

Da kann man dann schonmal, wie in diesem Fall, in Tibet landen. Warum auch nicht, gilt dieser Ort geradezu als Paradebeispiel für ein sprirituelles Umfeld. Ein geradezu einladender Ort, um der Frage nach dem Paradies nachzugehen. Dass zu seiner Begleitung gleichzeitig Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen zählen, vollendet die Reise zur perfekten Plattform interreligiösen Austausches. Hector und seine Begleiter stellen fest, wieviel Verbindendes es zwischen den Religionen gibt, mehr als sie trennt. Sie erkennen, wie seit jeher die Menschen der Frage nach dem Leben nach dem Tod nachgegangen sind, sich in allen Glaubensrichtungen Gelehrte, Theologen, Heilige, usw. mit dem Paradies auseinandergesetzt haben.

Darin parallele Glaubensansätze zu sehen bereitet Freude, lässt Hoffnung wachsen und hat mein persönliches Wissensrepetoire erweitert. Wie immer bei Lelord, und um.ein wenig im religiösen Jargon zu bleiben, stellt sein Schreibstil einen wahren Segen dar. Lelord nimmt die Seele mit auf seiner Reise. Wie so oft erinnere ich mich bei ihm an Joisten Gaarder, an meiner Begeisterung für "Sofies Welt" als junger Mensch. Lelords philosophischen Romane sind eine Bereicherung. Und so kann ich abschließend nur noch die Götter bitten: Bitte, lasst Hector mich schon bald mit auf die nächste Reise nehmen!

Veröffentlicht am 03.06.2018

Freiheit, Freiheit, und nochmals Freiheit

Das Kind, das nachts die Sonne fand
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Es gibt Bücher die einen mitnehmen auf Reisen. Es gibt Bücher die berühren. Es gibt Bücher die möchte man gar nicht mehr aus den Händen geben. All das fand ich in diesem Buch.

Luca di Fulvio hat in seinem ...

Es gibt Bücher die einen mitnehmen auf Reisen. Es gibt Bücher die berühren. Es gibt Bücher die möchte man gar nicht mehr aus den Händen geben. All das fand ich in diesem Buch.

Luca di Fulvio hat in seinem Roman mit dem Charakter Mikael eine Persönlichkeit geschaffen voller Liebe, Mut, Empathie und Gerechtigkeitssinn. Sei es die Zuneigung des kleinen Mikaele gegenüber einer abgemagerten Maus, oder sei es der erwachsene Mikael, welcher für seine und die Rechte anderer eintritt, jederzeit würde ich hoffen mir von ihm "eine Scheibe abschneiden" zu dürfen.

Auf der Suche nach Freiheit muss Mikael feststellen, wie ungemein brutal Unfreiheit sein kann. Der Autor beschreibt eindringlich das Leben der Leibeigenen. Die an ihnen ausgeübten Grausamkeiten können den Leser gar nicht kaltlassen, mich persönlich haben sie oft erschauern lassen. Dass Menschen soviel Ungerechtigkeit zuteil werden kann, schier unmöglich, so möchte man hoffen, und weiß doch zugleich um diese Realität. Nicht nur damals, sondern auch heute.

Natürlich, in unserer westlichen Bequemzone haben bereits andere Generationen für unsere Freiheit gekämpft. Wir sind nur noch Nutznießer. Vielleicht aber auch nicht ganz, vielleicht steckt in uns doch mehr Anpassung als eigener Wille.

"Das Kind, das nachts die Sonne fand" ist ein emanzipatorisches Buch. Die Aufforderung ein selbstbestimmtes Leben zu führen ist hier mehr als ein kleiner Aufschrei, es ist ein lauter und deutlicher Weckruf. Mit diesem Buch zählt Luca di Fulvio, in meinen Augen, zu den ganz großen Autoren, von denen ich hoffentlich noch sehr viel lesen darf.

Veröffentlicht am 30.05.2018

Fesselnd - ehrlich - geht unter die Haut

Tote Mädchen lügen nicht
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Es ist schnell daher gesagt. Ein böses Wort, eine Unterstellung, ein Gerücht das von Einem zum Anderen wandert. Nichts besonderes, "nur" eine von vielen abfälligen Bemerkungen, mit denen wir schnell Menschen ...

Es ist schnell daher gesagt. Ein böses Wort, eine Unterstellung, ein Gerücht das von Einem zum Anderen wandert. Nichts besonderes, "nur" eine von vielen abfälligen Bemerkungen, mit denen wir schnell Menschen in irgendwelche Schubladen schieben. Jede/r hat garantiert mindestens einmal ähnliches erlebt, und jede/r hat garantiert sich mindestens einmal an einer solchen Art des Mobbings beteiligt. "Wer ohne Sünde ist,..."

Doch wieviel erträgt ein einzelner Mensch? Welche Konsequenzen können aus einer üblen Nachrede geschehen? Und wer entscheidet, wann das Maß mehr als voll ist, wenn nicht die/der Betroffene selbst?

Jay Asher stellt sich mit diesem Buch diesen Fragen. Gewiss, sie trifft damit ein Thema welches die Jugendlichen unmittelbar betrifft. Gerade in der Zeit der eigenen Identitätsbildung gehört es scheinbar dazu, sich von anderen abzugrenzen um sich selbst zu formen. Wenn nötig, dann auch auf die harte Tour. Eigene Grenzen sind noch nicht unbedingt erkannt, so dass die Grenze des Gegenübers schneller durchschritten wird.

Was bleibt übrig? Häufig pure Verzweiflung. Ausweglosigkeit. Tiefer, innerer Schmerz. Und der Wunsch diesen Zustand zu beenden. Spätestens seit Goethes "Leiden des jungen Werthers", wissen wir um die mögliche Entstehung einer Todessehnsucht. Dem Ganzen muss einfach ein Ende bereitet werden, weil das irdische Dasein als Unerträglich empfunden wird. Wenn dann zu diesem Zeitpunkt keine helfende Hand gereicht wird, dann endet oft die Verzweiflung im endgültigen Freitod.

"Tote Mädchen lügen nicht" sollte für junge Menschen zur Pflichtlektüre werden. Es fesselt, nimmt mit, regt an zum Hinterfragen. Eigentlich sollte sich jede/r mittlerweile im Klaren sein, welche Folgen Mobbing hervorrufen können. Dieses Buch bringt es nochmal sehr deutlich zum Ausdruck.

Veröffentlicht am 23.05.2018

Krimi mit Humor

Wem Ehre gebührt
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Land, wohin das Auge reicht. Saftige Wiesen, entschleunigte Bewohner, eigentlich die reine Idylle. So in etwas kenne und stelle ich mir Ostfriesland vor. Doch von wegen, denn diese Idylle durchbrechen ...

Land, wohin das Auge reicht. Saftige Wiesen, entschleunigte Bewohner, eigentlich die reine Idylle. So in etwas kenne und stelle ich mir Ostfriesland vor. Doch von wegen, denn diese Idylle durchbrechen schaurige Taten, denen sich Privatermittler Jo und sein Ermittlerteam stellen müssen.

Zunächst erscheint alles ein wenig verwirrend. Auf der einen Seite gibt es Tote, dann wiederum wird ein plötzlich zu großem Ruhm gekommener Autor mitten in einer Lesung mit einer Torte beschmissen. Nach und nach decken die Ermittler Zusammenhänge auf, die weitaus düsterer als erwartet ausfallen.

Dass es dabei um ein besonders erfolgreiches Buch geht, erfreut das Bloggerherz, denn wir lieben Storys rund um Bücher. Rainer Kottke ehrt mit diesem Krimi viele unentdeckte Schreibtalente.

Dabei hat er ein durchaus spannenden und lesenswerten Krimi geschaffen, der Spannung aufrechterhält, ohne dabei besonders tief in die "Brutalo-Kategorie" greifen zu müssen. Das Ausmalen der schaurigen Taten überlässt er ganz der Fantasie des Lesers. Sehr gelungen, wie ich empfinde.

Durchaus, der ostfriesische "Ureinwohner" ist oft ein Mensch knapper Worte. Diese allerdings oft mit besonderem Tiefgang. So fällt auch der regionale Humor aus, oft trocken und schwarz. Und dieser Humor kommt bei Kottke keinesfalls zu kurz! Immer wieder musste ich beim Lesen schmunzeln oder gar herzlich lachen.

Am Ende des Buches stellte ich fest, dass ich große Sympathien zu Jo und seinem Ermittlerteam aufgebaut hatte. Deshalb freue ich mich möglichst bald wieder auf neue Ermittlungen von ihnen zu treffen. Ich hoffe Rainer Kottke lässt mich nicht zu lange warten!