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Veröffentlicht am 03.05.2019

Ende gut - alles gut

Heimkehr auf die Kamelien-Insel
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Knapp ein halbes Jahr ist vergangen, seit ich die Kamelieninsel verlassen habe. Am Ende des 2. Bandes der Trilogie von Tabea Bach – Die Frauen der Kamelien-Insel - wünschten sich Sylvia und Mael nichts ...

Knapp ein halbes Jahr ist vergangen, seit ich die Kamelieninsel verlassen habe. Am Ende des 2. Bandes der Trilogie von Tabea Bach – Die Frauen der Kamelien-Insel - wünschten sich Sylvia und Mael nichts sehnlicher, als ein eigenes Kind. Dieser Wunsch wurde den Beiden nun erfüllt und der Leser darf erneut auf die Insel zurückkehren um mitzuerleben, was das Schicksal dieses Mal für die Bewohner der Kamelien-Insel und für die Insel selbst bereit hält.

Sylvia steht kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes, als Mael einen wichtigen Anruf erhält: Seine Mutter, zu der er seit 30 Jahren keinen Kontakt mehr hatte, ist an schwerer Demenz erkrankt und ihre Ärztin bittet Mael dringend, zu kommen und sich zu kümmern. Kaum hat Mael die Insel verlassen, folgt eine Katastrophe der anderen und weder die Insel noch ihre Bewohner werden geschont.

Auch im 3. Band der Trilogie um die Kamelieninsel trifft der Leser auf alte Bekannte. Voran sind da Sylvia und Mael, Mael‘s Sohn Noah, seine Mutter Chloe, Solenn, Pierrick und viele andere liebgewordene Charaktere, die auf der Kamelieninsel für Leben sorgen. Man kann auch dieses Buch unabhängig von den Vorgängern lesen, aber um die Geschichte der Inselbewohner wirklich zu verstehen, sollte man alle 3 Bände in der richtigen Reihenfolge gelesen haben.

Der Schreibstil der Autorin ist, wie immer, sehr angenehm zu lesen. Der Inhalt des Buches ist, für meinen Geschmack jedoch, ein klein wenig zu dramatisch. Es fühlt sich so an, als ob in diesem letzten Band noch jede Menge Ereignisse erzählt werden müssen, damit die Geschichte am Ende rund wird. Das hätte es gar nicht gebraucht, denn die über die Insel hereinbrechende Sturmflut, die damit zusammenhängende Dramatik um die Geburt von Sylvia und Maels Kind und die sich daraus ergebenden Probleme für die Bewohner und die Insel selbst, hätten dem Buch ausreichend Handlung gegeben. Aber auch, wenn sich die Katastrophen die Klinke in die Hand geben, hat das meinen Lesegenuss nicht geschmälert.

Sylvia ist nach wie vor der ruhende Pol in dieser Geschichte. Sie fängt Probleme ab und hält ihrem Mann den Rücken frei, der in diesem Buch aber höchst-selten persönlich anwesend ist. Ohne Sylvia würde wahrscheinlich nichts auf dieser Insel funktionieren, denn sie hält den ganzen Betrieb am laufen. Sie organisiert das Besucherzentrum, kümmert sich um die Finanzen und springt überall dort ein, wo eine helfende Hand gebraucht wird. Selbst nach der Geburt hält sie alle Fäden zusammen und manchmal würde man ihr gerne die Auszeit verpassen, die sie sich selbst nicht gönnt.

Mael kümmert sich um seine demente Mutter und die gemeinsame Zeit mit Sylvia beschränkt sich auf einige Telefonate und ein paar kurze Stippvisiten auf der Insel. Seine Anwesenheit ist jedoch nie von langer Dauer.

Wie auch schon in meinen Rezensionen zu „Die Frauen der Kamelien-Insel“ und „Die Kamelien-Insel“ geschrieben, lässt sich Sylvia viel zu viel von ihrem Mann gefallen. Ich kann verstehen, dass Mael sich um seine Mutter kümmert, auch wenn er eigentlich gar nichts mehr mit dieser Frau zu tun haben möchte, aber seine Vorgehensweise ist für mich nicht immer nachzuvollziehen und vieles geht zu Lasten seiner Frau und seines neugeborenen Babys.

Sylvia nimmt ihren Mann permanent in Schutz, verteidigt ihn vor Dritten – und Mael trampelt ganz gerne wie ein Elefant auf ihren Gefühlen herum und sieht oft nur seine eigenen Befindlichkeiten. Es wäre nicht glaubhaft gewesen, wäre Mael in diesem Buch anders, aber diese Eigenschaft hat ihn mir nie so wirklich richtig sympathisch werden lassen.

Alle anderen Personen haben sich in ihren Charaktereigenschaften nicht verändert und jeder hat mit seinem eigenen Schicksal zu tun, das von der Autorin gekonnt mit dem Handlungsstrang um Sylvia und Mael verbunden wurde. Victoria, Sylvias beste Freundin schaut mit Mann und Kind vorbei, Solenn reist aus Holland an, um auf der Insel zu helfen, Pierrick kümmert sich nach wie vor liebevoll um Noah, bis ihn eine Krankheit niederstreckt, Chloe kommt etwas von ihrem hohen Ross herunter und auch der Ziehvater von Noel wird zugänglicher. Es erscheinen noch Maels Mutter und Chloes Vater auf der Bühne und auch Sir James Ashton-Davonport darf nicht fehlen. Der wurde in diesem Fall jedoch von Noah, dem Sohn seiner Lebensgefährtin, auf den Plan gerufen. Man kann ihm also dieses Mal nicht nachsagen, dass er von seiner Seite aus intrigieren würde. Aber würde jemand wie er eine Chance ungenutzt verstreichen lassen?

Alles in allem ein Buch, in dem auf 320 Seiten sehr viel passiert, was nicht alles notwendig gewesen wäre um das Buch zu einer guten Lektüre zu machen. Wie schon gesagt, hab ich mich gut unterhalten gefühlt und finde es schade, dass es an dieser Stelle nun endet. Das Buch ist in sich abgeschlossen, man könnte die Geschichte aber tatsächlich noch weiterspinnen, denn Potential für eine weitere Episode wäre durchaus gegeben.

Veröffentlicht am 14.04.2019

Mehr Smartphone – weniger Empathie

Die Smartphone-Epidemie
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Ich habe dieses Buch nicht gelesen, um mich über die Gefahren zu informieren, die von Smartphone & Co ausgehen, sondern ich habe dieses Buch gelesen um herauszufinden, ob ich mit meiner Meinung bezüglich ...

Ich habe dieses Buch nicht gelesen, um mich über die Gefahren zu informieren, die von Smartphone & Co ausgehen, sondern ich habe dieses Buch gelesen um herauszufinden, ob ich mit meiner Meinung bezüglich der heutigen exzessiven Nutzung von Smartphone & Co. alleine stehe. Leider bestätigt der Autor Manfred Spitzer meine Befürchtungen und übertrifft sie bei weitem noch.

„Die Smartphone-Epidemie: Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft“ beschäftigt sich mit den Auswirkungen durch zunehmende und sucht-artige Nutzung von Internet & Co. durch die „Generation Smartphone“.

Es gibt mehr Smartphones als Menschen auf der Erde und dieses Gerät verändert seit 10 Jahren unser Leben stetig und grundlegend. Leider nicht im positiven Sinne, sondern zunehmend auf negative Art und Weise. Natürlich geht es nicht um das Smartphone selbst, sondern um die damit verbundene Nutzung von Social Media wie WhatsApp, Facebook, YouTube, Instagram & Co. und allen nur erdenklichen Apps, die dem Nutzer das Leben erleichtern sollen.

Smartphone: Es mag Dich näher an die Leute bringen, die weit weg von Dir sind. Aber es bringt Dich auch weiter von den Menschen weg, die neben Dir sitzen.
Vor ca. 25 Jahren schauten die Menschen durchschnittlich nur 2 – 3 Stunden TV. Schon damals wurde durch Langzeitstudien ermittelt, dass dieses Verhalten negative Auswirkungen nach sich zieht: Je mehr Stunden Kinder/Jugendliche vor dem TV verbrachten, desto eher litten sie später an Übergewicht, hatten einen niedrigeren Bildungsstand und je niedriger der Bildungsstand, desto höher die Bereitschaft zur Aggression. Im Vergleich dazu schaut heute die Hälfte aller Smartphone-Benutzer mehr als 5 Stunden am Tag auf den Bildschirm. Wer denkt da jetzt ernsthaft, dass das keinerlei negative Auswirkungen haben kann?

Als Beispiel: In Verbindung mit dem Smartphone haben sich auf dem psychologischen Sektor neue Ängste entwickelt: Die Fomo-Phobie und die Nomo-Phobie.

Fomo: Fear of missing out (die Angst davor, etwas zu verpassen)
Nomo: No more Phone phobia (die Angst davor, nicht erreichbar zu sein)

Ebenso nehmen Aufmerksamkeitsstörungen, Angst, Sucht, Depressionen und Demenz rapide zu, wohingegen Bildung, Empathie und Sozialverhalten rapide abnehmen. Je größer die Smartphone-Sucht (5 oder mehr Online-Stunden pro Tag), desto weniger Kontakt zu realen Personen wie Freunden und Familie.

Der Autor hat sein Buch in 15 Kapitel aufgeteilt und in jedem Kapitel finden sich erschreckende Wahrheiten darüber, wie sich mit zunehmender Smartphone-Nutzung unsere Gesellschaft verändert hat und noch verändern wird, was Phantom-Vibrationen sind und warum online-sein junge Menschen in Wirklichkeit einsam und depressiv macht (bis hin zum Suizid) und sich eben nicht alle 11 Minuten ein Single verliebt.

Die Kapitel lassen sich unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge lesen, das Buch enthält aber auch einiges an wissenschaftlichen Aussagen, weswegen man es nicht wie einen Roman einfach so runterlesen kann.

Ich empfinde es zunehmend als erschreckend, in welchem Alter heutzutage Kinder ein Smartphone/Tablet zur Berieselung vorgehalten bekommen und manche von ihnen weit besser auf einem Bildschirm wischen als sprechen können. Ebenso erschreckend finde ich, wie einfach es für Kinder/Jugendliche ist, Zugang zu jugendgefährdenden Seiten zu erhalten - auf manchen Seiten mit fragwürdigem Inhalt muss man einfach einen „Ja, ich bin über 18-Jahre alt“-Button wegklicken um sich durch Seiten voller pornografischer Inhalte klicken zu können und auch Online-Spielcasinos geben sich oftmals mit der Angabe von Geburtsdaten zufrieden, die man ja durchaus auch manipulieren kann. Online-Sucht wird, meiner Meinung nach, vollkommen unterschätzt und ist auf dem Vormarsch. Ein nicht zu verachtender Aspekt von rund-um-die-Uhr-Internet schon für Schulkinder, die ohne Smartphone natürlich das elterliche Haus nicht verlassen.

Hoffentlich finden wir in Deutschland noch einen Weg unserer Jugend den richtigen Weg zu weisen, bevor wir – wie in Tel Aviv – Lichtampeln für „Smombies“ (Smartphone-Zombies) an Kreuzungen auf dem Boden installieren, damit sie nicht auf-ihr-Smartphone-starrend vor ein Auto laufen.

Hier sind – meiner Meinung nach – am meisten die Eltern gefragt, ihren Kindern den dosierten und sachgemäßgen Umgang mit diesem Medium beizubringen. Leider (be)nutzen viele Eltern dieses Medium gleichsam als Babysitter.

Manfred Spitzer beleuchtet die immer weiter fortschreitende Digitalisierung und die damit in Zusammenhang stehenden negativen Seiten sehr eingehend und bringt erschreckende Wahrheiten ans Licht – leider wird das Buch wahrscheinlich nur diejenigen erreichen, die noch nicht allzu sehr in diesem Sumpf stecken. Welcher Süchtige möchte denn schon hören/lesen, dass er süchtig ist?

Auch ich (53) benutze ein Smartphone und habe einen Facebook- und Instagram-Account. Aber wie sagte schon Paracelsus (1493 – 1541): „Die Dosis macht das Gift“.

Veröffentlicht am 26.03.2019

Familienschicksale, die sich wiederholen

Im Schatten der goldenen Akazie
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Franziska Lindhoff steckt mitten in den Abitur-Vorbereitungen, als ihre Mutter ihr erzählt, sie habe von einer Ella Murdoch aus Australien einen Brief erhalten. Angeblich bestehe zwischen ihnen eine Verwandtschaft ...

Franziska Lindhoff steckt mitten in den Abitur-Vorbereitungen, als ihre Mutter ihr erzählt, sie habe von einer Ella Murdoch aus Australien einen Brief erhalten. Angeblich bestehe zwischen ihnen eine Verwandtschaft und Ella Murdoch lade sie nach Brisbane/Queensland ein. Hannah Lindhoff findet es an der Zeit, dass sie und ihre Tochter mal wieder etwas gemeinsam unternehmen und möchte ihr diese Reise zum bestandenen Abitur schenken. Das Leben schreibt leider manchmal andere Pläne und Hannah und ihr Mann sterben nur kurze Zeit später bei einem Unfall.

Franziska besteht ihr Abitur zwar 1 Jahr später, aber sie muss nun für sich und ihre jüngere Schwester den Lebensunterhalt verdienen. Also verwirft sie ihren Plan, Geschichte zu studieren, und absolviert eine Ausbildung bei der Stadt.

Als Franziska eines abends ihre Schwester Alina und ihren Freund Julian in einer eindeutigen Pose überrascht, flüchtet sie sie Hals über Kopf nach Australien, belegt dort zuerst einen Sprachkurs und fasst anschließend den Mut, sich bei Ella Murdoch zu melden. 4 Jahre sind vergangen, seit Ella an Hannah geschrieben hatte.

Ella bittet Franziska darum, ihr bei der Recherche und der Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte zu helfen, um diese in einem Buch festzuhalten. Auf dem Dachboden finden sich noch einige Truhen und Kisten mit Fotos und Berichten aus dem Nachlass von Ellas Schwester, die gesichtet und chronologisch geordnet werden müssen. Und so lernt der Leser die Geschwister Victoria und Catherine kennen, die Anfang des 19. Jahrhunderts, nach dem Tod ihrer Mutter, mit ihrem Vater auf einer Zuckerrohrplantage namens „Amber‘s Joy“ lebten.

Bei ihren Recherchen stellen Franziska und Ella fest, dass sich Familienschicksale gerne mal wiederholen und nach und nach können sie alle Puzzleteile zu einem großen Ganzen zusammenfügen.

Vor einigen Tagen war ich ziemlich unentschlossen, welches meiner ungelesenen Bücher ich denn als nächstes lesen sollte. Auf Facebook sah ich dann zufällig die Werbung der Autorin Christiane Lind für ihr Buch „Im Schatten der goldenen Akazie“. Ich liebe historische Romane, erst recht, wenn sie in Australien spielen und da ich das Buch tatsächlich schon eine ganze Zeit lang als eBook auf meinem Reader hatte, war die Wahl für mein nächstes Buch gefallen.

Die Geschichte beginnt im Jahr 2012 in Hannover und springt dann, nach dem Tod von Franziskas Eltern, ins Jahr 2016. Der Leser lernt Franziska, Alina und Jochen kennen und reist dann, nach dem Verrat durch Schwester und Freund, gemeinsam mit Franziska nach Australien. Zuerst zu ihrem Sprachkurs, mit Unterkunft bei einer Gastfamilie, dann weiter zu Großtante Ella.

Die Gastfamilie hinterlässt bei mir jetzt nicht unbedingt den besten Eindruck, denn sie verhalten sich meiner Meinung nach ein wenig übergriffig, aber deren Verhalten ist für die Geschichte nicht wichtig. Als Franziska bei Ella eintrifft und diese sie bittet, ihr bei der Recherche der Familiengeschichte zu helfen, eröffnen sich nach und nach einige Lücken in der Chronik, die sie gemeinsam zu schließen versuchen. Damit hängt auch der ein oder andere Besuch im Outback zusammen, genauer gesagt auf „Amber‘s Joy“, das es heute noch gibt.

Den Erzählstrang der Gegenwart ist natürlich lange nicht so interessant, wie die Geschehnisse im Australien des 19. Jahrhunderts.

Auf „Amber‘s Joy“ beginnt die Geschichte im Jahr 1897. Nach dem Tod ihrer Mutter leben die Geschwister Victoria und Catherine mit ihrem despotischen Vater Joseph Wagner auf der Zuckerrohrplantage. Die beiden Mädchen wachsen heran und Catherine verliebt sich in einen der Cutter. Luke Faulkner ist einer der Farmarbeiter, die jedes Jahr zur Zuckerrohrernte auf der Plantage wohnen. Zur damaligen Zeit hatten Frauen noch nicht wirklich bei irgend etwas ein Mitspracherecht uns so darf Catherine ihren Luke natürlich nicht heiraten. Zutiefst verletzt verlässt sie die Farm und zieht zu ihrer Tante nach Brisbane. Viktoria ist diejenige, die – gegen ihren Willen – mit Luke verheiratet wird und auch ihr Leben verläuft nicht so, wie sie es sich immer erträumt hatte.

Hier spaltet sich der Australien-Strang dann noch einmal, und abwechselnd erfährt der Leser von Catherine in Brisbaine und von Victoria auf „Amber‘s Joy“. An historischen Ereignissen lässt die Autorin hier die Sufragettenbewegung und den Kampf um das Frauenwahlrecht einfließen während im Outback der Umgang zwischen Männern und Frauen und die Behandlung der Eingeborenen Australiens durch die weißen Siedler thematisiert wird . Erfreulicherweise kommt der Roman aber so ganz ohne das Abschlachten der Aborigines aus.

Die Autorin bedient sich eines einfachen und schnörkellosen Schreibstils, die Geschichte, die über 442 Seiten geht, lässt sich schnell und flüssig lesen. Die Beschreibungen der Landschaft sind ebenso authentisch, wie die Charaktere und ich fühlte mich für wenige Stunden gut unterhalten.

Christiane Lind versteht es, die Handlungsstränge der verschiedenen Zeitebenen geschickt ineinanderlaufen zu lassen, so dass am Ende wirklich alle noch offenen Fragen von Ella und Franziska beantwortet werden können. Das Ende war vielleicht ein wenig vorhersehbar, das macht aber nichts, nicht jeder Autor kann mit seiner Geschichte das Rad neu erfinden, Hauptsache sie wird auf interessante Art und Weise erzählt.

Veröffentlicht am 11.03.2019

Gibt es eine sechste Geschmacksform?

Versuchung
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Am Kamm des Hohen Atlas im Süden Marokkos zerschellt ein Flugzeug – alle Passagiere überleben, ein Passagier wird vermisst. Er ist weder an der Absturzstelle, noch im Krankenhaus zu finden. Es handelt ...

Am Kamm des Hohen Atlas im Süden Marokkos zerschellt ein Flugzeug – alle Passagiere überleben, ein Passagier wird vermisst. Er ist weder an der Absturzstelle, noch im Krankenhaus zu finden. Es handelt sich um Bernhard Lieblig.

Fast 4 Wochen später stürzt ein Flugzeug der selben Fluggesellschaft fast an der gleichen Stelle ab. Alle Passagiere sind tot, bis auf einen. Es handelt sich um August Lieblig, den Sohn von Bernhard Lieblig.

Walter Calander, seines Zeichens Privatermittler, wird von einem Züricher Lebensmittelkonzern beauftragt, eine Person aufzuspüren. Diese Person ist im Namen des Lebensmittelkonzerns nach Nordafrika gereist, hat dann von dort aus per Telefax angekündigt, dass er zukünftig nicht mehr für seine Auftraggeber zur Verfügung steht und die Suche von nun an auf eigene Faust betreibt. Sein Name lautet Bernhard Lieblig.

Welchen brisanten Auftrag hat dieser für den Schweizer Lebensmittelkonzern zu erledigen und warum hat er sich auf einmal abgesetzt ?

Neben den fünf primären Geschmacksformen süß, salzig, sauer, bitter und umami gibt es noch eine sechste – bisher unbekannte – Geschmacksform, die sich „Abesse“ nennt. „Abesse“ ist Lateinisch und bedeutet „nicht da sein“. Ein Geschmack, von dem niemand weiß wie er schmeckt und vor allen Dingen, wo genau man ihn findet. Wer „Abesse“ besitzt und in der Lage ist, diesen Geschmack zu reproduzieren, in dessen Händen liegt der Schlüssel zur Manipulation unserer Lebensmittel, der Schlüssel zu Macht und Reichtum.

Einem Schweizer Lebensmittelkonzern wurde ein Stück Holz zugespielt, dessen Geruch/Geschmack sich mit nichts vergleichen lässt, was im Bereich der bisher bekannten Aromenreihen zugeordnet werden kann. Erste Untersuchungen haben ergeben, dass es sich um einen ca. 1.500 Jahre alten Ast eines Ölbaumes handelt, dessen Herkunft im Mittelmeerraum vermutet wird. Aus diesem Grund sendet der Lebensmittelkonzern 6 Aroma-Agenten aus, die die Herkunft dieses Holzstückes herausfinden und diesen bisher noch nicht bekannten Geschmack finden sollen, den sie vorerst M1 nennen. Einer dieser 6 Aroma-Agenten ist Bernhard Lieblig, auf dessen Spuren sich nicht nur sein Sohn August und Calander befinden, wie man nach und nach herausfinden kann.

Erzählt wird diese Geschichte in mehreren Handlungssträngen.

Zum einen ist da der Strang um August Lieblig. Nachdem er – genau wie sein Vater – einen Flugzeugabsturz überlebt hat, durchreist er die Länder Marokko, Tunesien, Libyen und Syrien. Überall auf seinem Weg trifft er auf hilfsbereite Menschen und so muss er, bevor er weiterreisen kann, bei all diesen Leuten stundenlang Tee trinken, etwas essen und sich deren (Lebens-)Geschichten anhören. Bei diesen Geschichten erfährt er immer wieder etwas über Ziryab, einen Gourmet aus dem Mittelalter, der u. a. die Sitte eingeführt hat, eine Mahlzeit in Vor-, Haupt- und Nachspeise aufzuteilen.

Der zweite Strang beschäftigt sich mit der Ermittlungsarbeit von Walter Calander, der von diesem Schweizer Lebensmittelkonzern auf die Spur von Bernhard Lieblig angesetzt wurde. Calander ist ein Meister seines Fachs, zumindest ist es das, was man so von ihm zu hören/lesen bekommt und seine Recherchearbeit ist sehr detailliert, jedoch nicht immer konventionell. Bevor er sich auf die vor-Ort-Suche nach Bernhard Lieblig macht, sammelt er zuerst einmal alle verfügbaren Informationen über diesen – bisher noch nicht gefundenen – Geschmack und alles, was mit Lebensmitteltechnologie (oder -manipulation) zu tun hat. Dabei stößt er auch auf Informationen zu einem Geheimbund, der sich „Die Bewahrer“ nennt und auch diesen Informationen geht er, mehr als ausführlich, nach, bevor er sich dann zum großen Showdown nach Aleppo/Syrien aufmacht.

Der dritte Handlungsstrang, der immer nur in ganz kurzen Kapiteln unter der Überschrift „Im Turm“ abgehandelt wird, erzählt von der geheimen Organisation „Die Bewahrer“.

Alle Handlungsstränge laufen am Ende des Buches in Aleppo/Syrien zusammen und die Auflösung des Falles ist total anders, als ich das erwartet hätte.

„Versuchung“ ist der 1. Krimi aus der Feder des Journalisten Florian Harms. Man kann in jedem Satz spüren, dass der Autor sich mit den Sitten und Gepflogenheiten der arabischen Länder auskennt und jahrelang durch die arabische Welt gereist ist. Die Handlung des Buches spielt vor dem Krieg, der seit Jahren in Syrien herrscht und viele Städte in Schutt und Asche zerlegt hat.

Es handelt sich hier nicht um einen Krimi der üblichen Art; es gibt keine Leiche, kein Blutvergießen und es gibt zuerst einmal keinen wirklichen Täter, es gibt nur einen Aroma-Scout, der sich von seinem Arbeitgeber losgelöst hat um auf eigene Faust Recherchen zu betreiben und ein paar Leute, die ihn - aus den unterschiedlichsten Gründen - suchen.

Sowohl die Lebens-/Geschichten der Menschen auf August Liebligs Weg, als auch die Informationen zur Herstellung von Aromen fand ich persönlich sehr interessant. Ich gehöre zu den Lesern, die immer gerne etwas lernen, wenn Lernen sich auf so einfache Art und Weise anbietet. Da Tante Google sowohl zu „Umami“ als auch „Ziryab“ etwas ausgespuckt hat, gehe ich davon aus, dass der Autor den ganzen Themenbereich sehr ausführlich recherchiert hat.

Der Plot von „Versuchung“ ist sehr interessant, eine Geschichte, wie man sie nicht schon 500 x von anderen Autoren gelesen hat, sonst hätte sie mich nicht über 448 Seiten beschäftigen können. Jedoch steht auf dem Cover „Kriminalroman“, und in der Buchbeschreibung findet sich der Hinweis auf einen „sinnlichen und hochspannenden Thriller“ und genau an diesem Punkt setzt meine Kritik an: Mir persönlich hat hier leider der Thrill gefehlt, eben diese Spannung, die einen Krimi oder gar einen Thriller für mich ausmacht. Das entspricht meinem persönlichen Empfinden und es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass ein anderer Leser dies ganz und gar anders empfindet.

Veröffentlicht am 05.03.2019

Berlin/Wien 1936 – 1945 / 2018

Die Fliedertochter
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Die 75jährige Antonia Ostermann, Toni genannt, erhält einen Brief in dem sie von einer Lena Brunner darum gebeten wird, sie in Wien zu besuchen. Es ginge um das Vermächtnis Peter Matusek. Zum einen hat ...

Die 75jährige Antonia Ostermann, Toni genannt, erhält einen Brief in dem sie von einer Lena Brunner darum gebeten wird, sie in Wien zu besuchen. Es ginge um das Vermächtnis Peter Matusek. Zum einen hat Toni keine Ahnung, welche Verbindung es zwischen ihr und diesem Peter Matusek geben könnte, zum anderen ist sie gesundheitlich nicht in der Lage, diese Reise anzutreten, so dass sie Paulina Wilke darum bittet, sich dieser Angelegenheit anzunehmen. Obwohl Toni und Paulina nicht miteinander verwandt sind, stehen sie sich doch seit vielen Jahren sehr nahe. Paulina reist also nach Wien, im Gepäck eine Schneekugel, die sie schon ihr ganzes Leben lang als Talismann begleitet. Bei den Brunners in Wien wird sie freundlich aufgenommen und man überreicht ihr das Vermächtnis von Peter Matusek: Ein blaues Tagebuch, geschrieben von Luzie Kühn, die von 1936 bis 1944 in Wien lebte.

Paulina versinkt in der Geschichte von Luzie und nimmt den Leser mit in die schwärzeste Zeit der Deutschen Geschichte – in die Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus.

Warum befindet sich das Tagebuch der Luzie Kühn im Besitz von Peter Matusek und was wiederum hat das mit Antonia Ostermann zu tun? Welche Rolle spielt die Schneekugel, die im Besitz von Paulina Wilke ist?

Mit „Die Fliedertochter“ hat die Autorin Teresa Simon ihren 4. Roman veröffentlicht, für mich ist es der 2. Roman, den ich von ihr lese. Die Autorin hat ihren Roman in einer geschichtlichen Epoche angesiedelt, die nicht fiktiv sondern leider bittere Realität ist. Ihre Hintergrundrecherchen zu dieser Zeit und den Geschehnissen sind hervorragend und neben seinem Unterhaltungswert hat dieser Roman auch einen hohen informativen Wert.

Im Prolog trifft der Leser auf die kleine Paulina, die in der Schublade ihrer Mutter einen Brief findet, mit dessen Inhalt die damals 11jährige nichts anfangen kann. Ihr Mutter verspricht ihr, dass sie sie über den Sachverhalt aufklärt – wenn sie alt genug dazu ist.

Dann springt die Geschichte einige Jahr weiter, Paulina ist erwachsen und Toni bittet sie, sich um diese Nachlassgeschichte zu kümmern, für die sie selbst nicht mehr gesund genug ist.

Die Handlung spaltet sich nun in 3 Stränge – Paulina, die sich in Wien bei Familie Brunner (Lena, Ferdinand und Sohn Max, sowie Max‘ Freund Tamás) aufhält, Paulinas Mutter Simone, liebevoll Mamasi genannt, die mit ihrer Freundin Heike auf Pilgerreise geht und Toni, die zu Hause auf die Informationen von Paulina wartet und der letzte Handlungsstrang ist die Geschichte von Luzie Kühn zu Zeiten des Nationalsozialismus.

Luzie arbeitet 1936 in einem Varieté in Berlin, träumt aber von einer Karriere beim Film. Aus diesem Grund begleitet sie ihren früheren Chef zu einer Veranstaltung, bei der sie den Reichspropagandaminister Dr. Joseph Goebbels kennenlernt, der sich über alle Maßen für Luzie interessiert und ihr nachstellt. Sein Spitzname „Der Bock von Babelsberg“ kommt nicht von Ungefähr und ohne einen Besuch in seinem „Besatzungsbett“ wären die Karrieren einiger Stars und Sternchen der damaligen Zeit wahrscheinlich schneller zu Ende gewesen als sie begonnen hätten. Noch ist Luzie nicht in Gefahr, da ihre „Abstammungslegende“ wasserdicht ist. Sollte sich jedoch jemand die Mühe machen genauer zu hinterfragen wer sie ist, wären sie und ihre Großeltern in großer Gefahr, denn Luzie ist Halbjüdin. Zu diesem Zeitpunkt besteht schon ein Berufsverbot gegen jüdische Anwälte und Mediziner und generell werden Menschen mit jüdischer oder halbjüdischer Abstammung schikaniert. Um sich und ihre Großeltern zu schützen, verlässt Luzie Berlin und geht nach Wien zu ihrer Tante. Aber auch in Wien war man nach der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich nicht vor Judenverfolgung sicher und der Leser wird Zeuge, wie sich die reale Geschichte des Deutschen Reiches damals zugetragen und wie geschickt die Autorin dies mit der fiktiven Geschichte von Luzie Kühn verknüpft hat. Beim Lesen habe ich mich mehr als 1 Mal gefragt, wie grausam Menschen sein können. Wer gestern noch Freund war, war heute dann Feind – nur, weil er einer anderen Ethnie zugehörig ist. Dieser Handlungsstrang ist sehr interessant, fesselnd aber auch sehr beklemmend.

Man darf gar nicht darüber nachdenken, dass es eine „Arbeitsanstalt für asoziale Frauen“ gab. Eine Anstalt der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, in der als erbkrank eingestufte Frauen zwangssterilisiert wurden und eine Kinderfachabteilung in der geistig und körperlich behinderte Kinder euthanasiert wurden.

Im Strang der Gegenwart besucht Paulina mit Max und Tamás einige Orte und Denkmäler, die noch heute von den Grausamkeiten des 2. Weltkrieges erzählen. Aufgrund der Erzählung aus dem Tagebuch, drehen die 3 eine Dokumentation, die das Leben der Luzie Kühn von damals mit den Gedenkstätten von heute verbindet.

Simone (Mamasie) und ihre Freundin Heike befinden sich auf einer Pilgerreise in Italien. Unterwegs erzählt Simone die Geschichte von Lille; ihrer besten Freundin, die vor einigen Jahren an Brustkrebs gestorben ist und das Leben ihres noch ungeborenen Kindes über ihr eigenes gestellt hat. Damit ihr Kind leben kann, musste Lille auf jegliche Behandlung verzichten. Bevor sie starb, hat sie ihr Kind in liebevolle Hände gegeben.

Toni hält sich unterdessen in einem Krankenhaus auf, sie musste sich einer Radiologischen Therapie unterziehen und wird von Paulina per Telefon auf dem Laufenden gehalten. Von Toni selbst erfährt man nur sehr wenige Einzelheiten, wer genau sie ist, erfährt man eigentlich erst ganz am Schluss.

Dass die Schicksale aller beteiligten Protagonisten irgendwie zusammenhängen, das kann man sich als Leser denken. Die Auflösung aller familiären Zusammenhänge erfolgt erst kurz vor Ende des Buches. Wenn man diese Verknüpfungen betrachtet, dann erschließt sich einem auch, warum es Personen gibt, deren Suchmeldungen seit Kriegsende bis heute nicht zum Erfolg geführt haben.

Wer, wie ich, ein Problem damit hat, wenn in den verschiedenen Handlungssträngen gleichzeitig viele Personen auftreten, dem kann ich nur empfehlen, sich auf einem Zettel eine Art Stammbaum aufzuzeichnen, damit man den Überblick nicht verliert.

Am Ende des Buches finden sich einige landestypische Rezepte, von denen ich ganz sicher das Eine oder Andere ausprobieren werde.

Alles in allem hat Teresa Simon hier eine Geschichte erschaffen, die schön und doch traurig ist und die den Leser nachdenklich zurücklassen sollte in Anbetracht der derzeitigen politischen Entwicklung in unserem Lande. Wer sich heutzutage diese Zeit zurückwünscht, der hat unsere Geschichte nicht verstanden.