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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.01.2019

Einfühlsam, mit wundervollen Botschaften, doch sehr langatmig

Mitten im Sturm
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Mein fünfter Roman von Jessica Winter, meine erste kritische Rezension. Gleich mit Erscheinen gekauft. Doch dann brauchte ich drei Monate zum Fertiglesen, weil ich immer wieder abgebrochen und erst Tage ...

Mein fünfter Roman von Jessica Winter, meine erste kritische Rezension. Gleich mit Erscheinen gekauft. Doch dann brauchte ich drei Monate zum Fertiglesen, weil ich immer wieder abgebrochen und erst Tage später weitergelesen habe. Es ist durchaus spürbar, dass der Autorin ihre Romanfiguren etwas bedeuten. Aber gefühlt hat sie sich streckenweise verrannt. Hätte man ein Viertel gekürzt, wäre es eine bessere Geschichte geworden. Hauptfigur Grace, als schlau und megahübsch beschrieben, hat eine Wagenladung an Kindheitstraumata angehäuft und wird ihre Dämonen nicht los. Ihr Verhalten, ihre Gedanken und Gefühlswelt werden verständlich, authentisch und gefühlvoll beschrieben. Doch für meinen Geschmack einfach zu ausführlich und wiederkehrend. Winzige Schritte vorwärts tapsend, winzige Schritte wieder zurücktaumelnd, oft im Gedankenkarussel und sich selbst im Weg stehend. Ich habe es nicht getan, aber man hätte durchaus ganze Kapitel überspringen können, ohne für den Fortlauf relevante Handlung zu verpassen. Es tut mir Leid, aber es wollte sich partout keine Gefühlsachterbahn und keine Spannung bei mir einstellen. Hauptfigur Eric wiederum der immer verständnisvolle und allseits verfügbare Held in strahlender Rüstung. Des Guten einfach zu viel …
Getragen wurde die Handlung für mich vor allem durch Nebenschauplätze: Erics Mutter und seine kranke kleine Schwester. Aus dem Krieg heimgekommener Vater und Bruder und der Umgang mit aus dem Erlebten resultierenden psychischen Erkrankungen. Wobei ich mehr Gesellschaftskritik und ernstzunehmende Einblicke ins US-Krankensystem befürwortet hätte und mir der Abschluss dieser Erzählstrange zu kurz gekommen ist.
Ein Highlight für mich und sicherlich alle Fans der Romane „Bis du wieder atmen kannst“ und „Solange du bleibst“: Die Auftritte von Julia und Jeremy inklusive Hochereignis (Spoiler zu diesen Romanen enthalten).
Auch dieser Roman ist geschmückt mit zu Herzen gehenden, tiefschürfenden und einen breiten Adressatenkreis ansprechenden Botschaften.
Das letzte Viertel hat mich versöhnt, ließ mich dann doch noch emotional mitgehen, bietet viel Interessantes und Hochemotionales, sodass ich mir vorstellen kann, weitere Romane von Jessica Winter zu lesen.
Wer das erste mal reinschnuppert, sollte wissen, dass dies keine Wohlfühlbücher sind. Stattdessen psycholgisch hart, ohne garantiertes Happy End. „Dort, wo du bist“ kann ich absolut empfehlen.

Veröffentlicht am 15.01.2019

Emotionale Achterbahnfahrt, düster, spannend, atmosphärisch

Morgan`s Hall
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Eindrücke in Kürze: Offener Auftakt zu einer Familiensaga, verortet im ländlichen, gehobenen US-Bürgertum von 1937 bis 1956. Belletristik für Erwachsene, bei der intensive - überwiegend negative - Gefühlslagen ...

Eindrücke in Kürze: Offener Auftakt zu einer Familiensaga, verortet im ländlichen, gehobenen US-Bürgertum von 1937 bis 1956. Belletristik für Erwachsene, bei der intensive - überwiegend negative - Gefühlslagen und zwischenmenschliche Beziehungen im Mittelpunkt stehen. Weniger politisch als erwartet. Wirtschaft spielt bis dato eine untergeordnete Rolle. Indianische Mystik als Herausstellungsmerkmal. Ein fantastisches Erstlingswerk, inhaltlich packend, stilistisch überzeugend.

Ausführliche Einschätzungen, ohne schlimme Spoiler:

Zum Erzählstil:
Die Kapitel haben mit jeweils ca. 10 Minuten eine ideale Länge. Gut für Verständnis und Überblick ist, dass es Kapitelüberschriften gibt und Ort und Datum genannt sind.
Erzählt wird in der Vergangenheits- und Er-/Sie-Form, aus der Perspektive der jungen Erwachsenen John und Isabelle sowie Dickie und weniger weiterer Personen, jederzeit eindeutig identifizierbar, unterstützt durch die Wiedergabe einiger Briefe. Alles ganz nach meinem Geschmack.

Zu Figuren:
Die Autorin widmet sich viel den Beobachtungen, Beurteilungen und Gefühlslagen ihrer Hauptfiguren. Wenn auch in der äußeren Erscheinung klischeebehaftet, empfinde ich diese als tiefgründige und komplexe Charaktere. Keine strahlenden Helden, sondern polarisierend. Obwohl sogar über weite Strecken unsympathisch wirkend, konnte ich schon nach wenigen Seiten fantastisch mitleiden, mitjubeln, hoffen, mich aufregen. War es für euch auch ein Wow-Erlebnis, als ihr bei Game of Thrones über euch selbst erstaunt wart, als ihr Sympathien für Jamie Lannister entwickelt habt? Ähnlich erging es mir hier. Die Authentizität ermöglichte mir eine (wenn auch teils schmerzhafte) Nachvollziehbarkeit ihres Handelns, sodass bei mir das volle Paket an Emotionen freigesetzt wurde, inklusive interessanter Wendungen und Überraschungen.
Auch einige Nebenfiguren sind schwer durchschaubar und damit gut gelungen.
Erfrischenderweise wird man oft animiert, über Haltungen und Motive zu rätseln und seine eigene Meinung zu hinterfragen.

Zur Handlung und historischen Bezügen; Vergleiche:
Emotionale Belletristik, in deren Mittelpunkt die Liebe steht. Wahre Liebe, Begehren, Freundschaft, Liebe zur Heimat und zur Natur. Und Ergebnisse unerwiderter Gefühle: Streit, Hass, Selbsthass, Täuschung, Eifersucht, Manipulation, Einsamkeit, Depression, Zorn, Rache. Und Hoffnung.
Ich möchte nicht spoilern, der Klappentext verrät ohnehin etwas zu viel für meinen Geschmack.
Besser nicht zu viel Erkenntniszuwachs und historische Bezüge erwarten.
Einige in Wien verortete Tage (u. a. Erstarkung Hitlers in Österreich 1938) empfand ich als informativ, sehr eindringlich und atmosphärisch, sodass Eindrücke hängenbleiben.
Die meiste Handlung spielt aber tatsächlich auf dem Landgut Morgan’s Hall in den USA, wo man nebenher interessante Eindrücke zur Lebensart, zu Rollenbildern von Mann und Frau sowie Hausbediensteten sammelt. Religion sowie politische, wirtschaftliche, soziale, gesellschaftliche Entwicklungen werden genannt, nehmen aber bis dato nur eine untergeordnete Rolle ein.
Ich hatte aufgrund des Klappentextes ursprünglich die Sorge gehabt, dass mich Darstellungen zur Verarbeitung von Äpfeln, zum Vertrieb der Erzeugnisse und zur Verwaltung alldessen ermüden könnten. Stattdessen finde ich es schade, dass das Führen des Familienbetriebs in nur wenigen Sätzen abgehandelt wurde. Wie Johns Alltag aussieht, blieb mir schleierhaft. Bei der Clifton-Saga, Buddenbrooks oder Winzer-Dilogie nehmen solche Aspekte mehr Raum ein.
Da Familiendramen im Auftaktband packend dargestellt sind, auf Dauer aber langweilen können, würde ich mich über eine tiefergehende Betrachtung von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in Folgebänden freuen.
Vielversprechend: Die Autorin hat Nebenschauplätze mit Potenzial für Folgebände positioniert, z. B. eine generationenübergreifende Fehde zweier Familien und das unbedingte Festhalten an Traditionen.
Dass indianische Mythen - unterschwellig und zum Ende hin deutlicher - eine Rolle spielen, verleiht eine faszinierende Exotik. Neben wohltuenden Eindrücken, die Liebe zu Landschaft und Natur ausdrücken, zudem ein angenehmer Ruhepol.
Eine stimmige Prise Erotik ist beinhaltet.
Vergleichbar mit der Hansen-Saga von Ellin Carsta, etwas düsterer, weniger kitschig.

Eigenständig lesbar?
Nein. Es handelt sich um den Auftakt zu einer mindestens 4-teiligen Saga, die zusammenhängend gelesen werden muss. Ein abgerundetes Ende hätte ich gegenüber dem hier vorliegenden Cliffhanger bevorzugt. Immerhin werden einige Rätsel gelöst.

Ich habe ein großartiges Wechselbad der Gefühle mitgemacht, schließe - obwohl negative Stimmung den Roman dominiert - mit positivem Gefühl ab und freue mich auf Band 2, angekündigt für Frühjahr 2019.

Veröffentlicht am 07.01.2019

Spannende Mysterien und eigensinnige Charaktere in verschiedenen Zeitebenen

Das Fossil
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Ein Krimi, Mystery-, Umwelt- und Science-Fiction-Thriller rund um Ursachenforschung: Aliens, Götter, Prä-Astronautik oder doch klassische Naturwissenschaft?
Drei in der Vergangenheitsform geschriebene, ...

Ein Krimi, Mystery-, Umwelt- und Science-Fiction-Thriller rund um Ursachenforschung: Aliens, Götter, Prä-Astronautik oder doch klassische Naturwissenschaft?
Drei in der Vergangenheitsform geschriebene, kapitelweise wechselnde und sich schließlich verknüpfende Erzählstränge.
In einem davon geht es um einige turbulente Tage und Stunden im Jahr 2018 in der Antarktis mit Dan Jackson, Doktor der Archäologie, Anthropologie und Sprachwissenschaften.
Diese Tage bilden wiederum im Jahr 2042 die Akte X für die ungleichen, frisch zusammengesteckten Ermittler Agatha und Pano.
Und dann ist da im Jahr 2042 noch Filio, Ärztin und Physikerin, die mit Erinnerungslücken behaftete einzige Überlebende der ersten Mars-Mission, ebenfalls auf der Suche nach der Wahrheit.
Dazwischen Kurzkapitel, in denen Fremde ins Geschehen eingreifen, deren Motive Rätsel aufgeben.
Ein anspruchsvollerer Erzählstil als ich ihn von Joshua Tree gewohnt bin. Unerwartet und dabei ganz nach meinem Geschmack. Nachdem ich das erste Drittel mit anfänglicher leichter Skepsis und Verwirrung hinter mich gebracht hatte, hat mich die Geschichte gepackt und nicht mehr losgelassen.
Die Hauptfiguren sind keine typischen Sympathieträger. Alle sind um die 40 Jahre alt. Intelligenz und sportliche Fitness nimmt man ihnen ab. Sie sind unperfekt, weisen eine gewisse Charaktertiefe und Authentizität auf, was mich mitfiebern ließ. Zu Agatha, der für mich reizvollsten Figur, hatte ich zwischendrin nochmal auf’s Anfangskapitel zurückgeblättert und komme zu dem Ergebnis, dass die Innen- und Außendarstellung sehr glaubwürdig, stimmig und vor allem auch interessant ist und etwas für's Herz bietet.
Intensive Wahrnehmungen, z. B. wie sich ein Elektroschock anfühlt.
Tolle Neckereien verbreiten gute Laune und Auflockerung.
Lob für den Anhang mit Personenverzeichnis und Glossar.
Das Ende ist ein fieser Cliffhanger, gleichzeitig bildet es eine wichtige Zwischenetappe und damit an dieser Stelle ein passendes Ende.
Erwähnenswert ist noch, dass Joshua Tree viele heute aktuelle globale Probleme weiterdenkt. Ein Weltenbau, der sich von der Ganymed-Reihe deutlich unterscheidet. Gut so, denn das zeugt von Liebe zum Detail. Ein politisches Statement, ohne allzu penetrant rüberzukommen. Wie realistisch die Lösungsansätze sind (technisch/ökonomisch/etc.), vermag ich nicht zu beurteilen. Ich persönlich finde es einfach gut, dass er sich damit beschäftigt und ein ganz kleines bisschen zu Bildung und Denkanstößen bei seiner Leserschaft beiträgt. Bei mir hat er es geschafft. Ich werde wohl mal die Internetsuchmaschine bemühen, um zu recherchieren, was dran ist (z. B. Flettner-Rotoren). Außerdem versprüht dies Atmosphäre, ein futuristisches Flair, besser als z. B. Beschreibungen von der Erde bei Brandon Q. Morris.
Fazit: Kein Space-Sci-Fi, stattdessen perfekt für Leser mit Forscherdrang, den es ist herrliches Miträtseln zu irdischen/überirdischen/außerirdischen Mysterien in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft angesagt. Dieses für mich 5. Joshua-Tree-Buch ist mir das liebste bisher. 4 Sterne mit Tendenz nach oben. 5 Sterne bloß deshalb nicht, weil ich Anlaufprobleme hatte und das Genre für mich neu ist. Band 2 der Dilogie ist seit Dezember 2018 erhältlich.

Veröffentlicht am 07.01.2019

Turbulente Wendungen, langatmige Beschreibungen, planlos herumirrende Figuren

Das Fossil 2
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Spoiler enthalten
Es empfiehlt sich, diesen Band 2 direkt im Anschluss an Band 1 zu lesen, sodass alle Details präsent sind. Liest sich nicht so locker-leicht wie andere Romane von Joshua Tree. Man muss ...

Spoiler enthalten
Es empfiehlt sich, diesen Band 2 direkt im Anschluss an Band 1 zu lesen, sodass alle Details präsent sind. Liest sich nicht so locker-leicht wie andere Romane von Joshua Tree. Man muss sich gut konzentrieren, insbesondere wenn man zwischen Filios Erlebnissen auf dem Mars in zwei verschiedenen Zeiten hin- und herwechselt. Wendungen (Wer ist Freund? Wer ist Feind?) mag ich grundsätzlich, hier sind sie jedoch so zahlreich und teils überraschend, dass es anstrengend und (auch in Sachen Timing) ein bisschen unglaubwürdig wurde. Möglicherweise wurden Plot und Auflösung während des Schreibprozesses geändert. Bedauerlicherweise kann ich mich zwei bis drei Wochen nach dem Lesen nicht mehr an die ganzen Verwicklungen erinnern.
Die Fokussierung finde ich im Auftaktband der Dilogie besser gelöst. Gefühlt hätte sich Joshua Tree ein paar Tage Zeit mehr nehmen sollen, um auszuschmücken und zu verdeutlichen oder um zu kürzen. So mochte ich die Detailverliebtheit in futuristischen Belangen, die diesmal weniger präsent ist. Demgegenüber sind viele Beschreibungen ausschweifend geraten, ohne die Handlung voranzubringen (einzelne Handgriffe, sich wiederholende Wanderungen in dunklen Gängen, etc.).
Es kommt Atmosphäre auf, die Bedrohungslage und die Furcht sind über weite Strecken gut greifbar. Es gibt ein paar tolle Schockmomente.
Gestört hat mich, dass milliardenschwere Expeditionen schlampig vorbereitet sind und eigentlich hochintelligente Astronauten dumm und planlos agieren. Ich habe beispielsweise gedacht, ich spinne, als Filio - zum zweiten Mal auf dem Mars - spontan, ohne irgendeine Vorbereitung, Rücksprache und Aufzeichnung das Transportmittel unwiederbringlich demontiert und im weiteren Verlauf auf gut Glück herumläuft und -sucht. Joshua, mach’s dir leicht, und erfinde im Zweifel irgendwelche neumodischen, coolen Diagnosegeräte, die den Anschein erwecken, die Profis wüssten, was sie tun!
Auch wenn es nicht in allen Szenen zum Ernst der Lage gepasst hat und mir ein paar Gags aus der Ganymed-Reihe bekannt vorkamen, habe ich Freude gehabt an den neckischen Frotzeleien zwischen Kollegen. Ich kam nie auf die Idee, den Roman abzubrechen. Mein Highlight ist das Hortat-Kapitel, das - obendrein zum lobenswerten Personenverzeichns und klassischen Glossar - sogar ein eigenes Glossar (Kapitel 38.1) erhalten hat. Hier zeigt sich wohl, dass ich eher in der Science-Fiction als im Mystery-Thriller heimisch bin.
Das Ende gestaltet sich zufriedenstellend und Joshua-Tree-typisch, sodass ich drei Sterne mit Tendenz zu vier Sternen vergebe und gern in weitere seiner Werke reinlese.

Veröffentlicht am 07.01.2019

Langatmiger Trilogie-Auftakt mit blasser Charakterzeichnung bei überzeugender historischer Recherche

Jahre aus Seide
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Beeindruckend ist das Nachwort, in dem die Autorin Ulrike Renk darlegt, wie sie dazu kam, diese autobiografisch geprägte Trilogie zu schreiben und in welchem erstaunlichem Umfang ihre Romane tatsächlich ...

Beeindruckend ist das Nachwort, in dem die Autorin Ulrike Renk darlegt, wie sie dazu kam, diese autobiografisch geprägte Trilogie zu schreiben und in welchem erstaunlichem Umfang ihre Romane tatsächlich die Wirklichkeit abbilden.
Ich habe in den letzten Jahren viel Belletristik zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert gelesen und schätze es sehr, wie diese meinen Horizont erweitert, zum Nachdenken anregt und starke Gefühle bei mir auslöst. In diesem Fall ist dies zu meinem Bedauern nicht gelungen. Der Auftakt zur Trilogie spielt von 1926 bis 1938.
Mein Wissensschatz wurde ein kleines bisschen erweitert, indem jüdische Traditionen (z. B. Chanukka) ausführlich dargestellt werden. Die damalige Lebensart, insbesondere im gehobenen Bürgertum, und stärker werdende Ressentiments und Schlimmeres gegen Juden sind mir bereits bekannt.
Entgegen den Erwartungen wollte mir das Mitfiebern partout nicht gelingen. In den ersten 40 % des Buches geht Hauptdarstellerin Ruth noch nicht zur Schule. Ihre frühreife Art und die ganze Familie kommen dermaßen perfekt rüber, dass mir das einfach zu viel Zuckerguss war. Die Familie ist finanziell gut situiert. Langatmig wird dargestellt, wie liebevoll sie miteinander umgehen, wie beliebt sie bei ihren Hausangestellten und Nachbarn sind, wie ein neues Haus eingerichtet wird, wie und mit wem die Kinder spielen, welche üppigen Mahlzeiten zubereitet werden und womit man sich beschenkt. Das ist in der Sache gelungen, wirkt gut recherchiert, lässt auch frühzeitig den roten Faden erkennen, wenn es beispielsweise um erste Berührungspunkte zur Bearbeitung von Stoffen geht. Aber die Darstellungen sind schlichtweg so detailverliebt, dass es langweilt.
Geradezu willkommen waren „Ausbrüche“ aus dieser heilen Welt durch Uneinigkeiten mit Schwiegermutti und Vermutungen zu befremdlichen sexuellen Neigungen des Nachbarn. Ansonsten blieben die Figuren für mich merkwürdig konturlos, an tiefergehende Gedanken, innere Kämpfe, etc. kann ich mich nicht erinnern. Da es mich nicht gepackt hat, baute sich auch keine Spannung auf, zumal der Ausgang all dessen bekannt ist.
Dankbar war ich, wenn beiläufig das Erstarken der „Braunen“ an der Kaffeetafel und Auswanderungsgedanken thematisiert wurden. Das Aufgreifen sozialer/gesellschaftlicher Missstände blieb aber tatsächlich zu oberflächlich für meinen Geschmack.
Etwa ab der Hälfte war ich so ermüdet, dass ich begann querzulesen. Es ist deutlich geworden, dass Ulrike Renk mit ihrem Erzählstil den krassen Kontrast darstellen möchte, wie sehr die ungerechtfertigten Eingriffe der Nazis diese reale Familie und letztendlich die ganze Gesellschaft schädigte. Komprimierte Beschreibungen von wiederkehrenden Alltagsereignissen und Luxusproblemen und dafür mehr tiefgründige Gefühlswelten hätten mehr meinem Geschmack entsprochen, sodass ich die Trilogie nicht weiterverfolge.