Unterhaltsame Fortsetzung der Telenovela vor historischer Kulisse
Der zerbrechliche TraumBand 4 spielt von November 1894 bis Anfang März 1895 in Hamburg, Wien und (diesmal endlich ausführlich und hautnah dabei) Kamerun. Die Vorgängerbände sollte man in der richtigen Reihenfolge gelesen haben. ...
Band 4 spielt von November 1894 bis Anfang März 1895 in Hamburg, Wien und (diesmal endlich ausführlich und hautnah dabei) Kamerun. Die Vorgängerbände sollte man in der richtigen Reihenfolge gelesen haben. Im Wesentlichen werden Handlungsstränge rund um Liebe, Eifersucht, Streit, Familienbande weitergeführt, ganz am Rande erhält man Einblicke in Ernte, Verkauf und Verwaltung von Kakao.
Meine Hoffnung, Einblicke in die Mittel- und Unterschicht der 1890er zu bekommen und hierüber etwas zu lernen, bleibt aufrechterhalten. Ellin Carsta gewährt kurz Einblick in die Gedanken und Gefühle des Kutschers der Hansen-Familie. In dieser Richtung gern noch mehr in Folgebänden, da ich besorgt bin, dass mich die „Hochwohlgeborenen“-Probleme mit all ihren Dienern und Babysittern auf Dauer ermüden könnten.
Der Erzählstil ist seicht. Gestört hat mich, wie viele Seiten mit Belanglosigkeiten gefüllt werden (z. B. Begrüßung einzelner Anwesender, wer sitzt/steht neben wem, wie werden die Kinder herumgetragen, ausgehbereit gemacht und immerzu liebevoll angesehen). Ein höheres Erzähltempo und größere Zeitspannen würde ich bevorzugen. Nichtsdestotrotz finden in den wenigen umrissenen Monaten so viele Highlights und Aktivitäten statt, dass es nicht langweilig wird. Schön auch, eine Zugfahrt mitzuerleben.
Gefallen hat es mir, wenn die Schwarz-Weiß-Zeichnung der Figuren durchbrochen wird. Besonders Luise ist mir oft zu perfekt. Wenn sie z. B. Eifersucht empfindet, verleiht ihr das Ecken und Kanten. Aus den Geschehnissen rund um Luise am Ende des Bandes hätte man mehr Gefühle generieren können, wenn z. B. Hans‘ Innenansichten aufgetaucht wären. Die männlichen Partner kommen bei Ellin Carsta oft zu kurz. Es ist aber positiv hervorzuheben, dass Ellin Carsta alle ihrer zahlreichen Figuren ins Geschehen einbindet.
Sympathieträger Karl habe ich arg vermisst. Frederike bleibt blass. Florentinus taucht am Rande auf. Es würde mich freuen, wenn dieser Handlungsstrang weiterverfolgt wird. Therese, eine starke Persönlichkeit, Geschäftsfrau und liebevolle Mutter (z. B. im einfühlsamen Umgang mit ihrem trauernden Sohn), die verletzliche Seiten zeigt, damit berührt, vor allem nicht dem Standesdünkel erliegt, mag ich seit jeher. Robert ist deutlich interessanter geworden.
Mein Highlight in diesem Band bildet Kamerun, sowohl Hamzas innere Monologe, die enttäuschte Liebe, die Zerrissenheit zwischen zwei Welten, Klugheit und Tiefgründigkeit erkennen lassen, als auch die actionreichen, miterlebbar gemachten Erlebnisse rund um die Konflikte zwischen weißen Europäern und schwarzen Ureinwohnern. Hieraus ergeben sich Emotionen und ein einprägsamer Lerneffekt. Ein Quellenverzeichnis ermöglicht weitergehende Recherche. Es besteht erfreulicherweise die Aussicht, dass Band 5 noch mehr den Fokus auf Kamerun legen wird.
Der Roman liest sich trotz kleiner Längen schnell und kurzweilig, beinhaltet berührende Szenen, kommt aus meiner Sicht nicht ganz an Band 1 heran, bildet aber gegenüber vorangegangenen Bänden eine Steigerung.