Platzhalter für Profilbild

Julia_Matos

Lesejury Star
offline

Julia_Matos ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Julia_Matos über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.06.2018

Kurzweilige Unterhaltung, gute Ideen wenig tiefgründig und wenig realistisch umgesetzt

Die Ewigen
0

Stil: Allwissender Erzähler, Vergangenheitsform. Kurze Kapitel mit vielen Szenenwechseln. Kurze verständliche Sätze, geradlinige Sprache, fokussiert auf Handlungen und wörtliche Rede. Es dominiert ein ...

Stil: Allwissender Erzähler, Vergangenheitsform. Kurze Kapitel mit vielen Szenenwechseln. Kurze verständliche Sätze, geradlinige Sprache, fokussiert auf Handlungen und wörtliche Rede. Es dominiert ein hohes Erzähltempo. Es kommt also keine Langeweile auf. Gleichzeitig aber wenig atmosphärisch. Gedanken und Gefühlslagen kommen vergleichsweise wenig vor oder sind für meinen Geschmack zu klischeehaft ausgestaltet.
Was mich gestört hat: Die Figuren sind angeblich hochintelligent. Millionäre. Chefs über Hunderte oder Tausende Mitarbeiter. Hacker, die zu schlau für‘s FBI sind. Oder hochrangige Politiker. Und lassen Gesprächsführungstechniken vermissen, geben sich naiv, recherchieren nicht, lassen sich leicht überzeugen bzw. manipulieren. Kurze Kommunikation mit einem Wildfremden und das ganze Weltbild (Vertrauensverhältnisse usw.) ändert sich. Wenn die Motivlagen komplexer gestaltet worden wären, hätte dies die Glaubwürdigkeit kräftig erhöht.
Leider konnte ich mich nur schwer hineinfühlen und nicht so mit den Protagonisten sympathisieren und mitfiebern, wie ich es gern tue. Eine Distanziertheit zu den Charakteren blieb bis zum Ende bestehen.
Ich habe kleine Logikbrüche wahrgenommen, z. B. in Fragen der Dokumentation (Mutterpass) und Kommunikation nach außen (Verschwinden).
Obwohl es keine sprachliche Differenzierung gibt, bin ich immer gut mitgekommen, wen ich aktuell wo mit welchem Handlungsstrang begleite. Das ist angesichts der Vielzahl der Akteure nicht selbstverständlich.
In letzter Konsequenz ist die Handlung durchaus interessant, nicht nur die Rahmenhandlung, sondern auch die zwischenmenschlichen Beziehungen und psychische Umstände. Aber von den vielen guten Ideen wird viel nur angekratzt und nicht konsequent weiterverfolgt. Wäre zudem noch spannender und überraschender, wenn der Klappentext weniger preisgeben würde.
Das Ende bildet einen zufriedenstellenden Abschluss. Doch Achtung: Die Antworten zu den interessantesten Fragestellungen werden nicht gelüftet, sondern in einer noch nicht veröffentlichten Fortsetzung verarbeitet.
Die eingebetteten Ausführungen zur Molekularbiologie (Zellteilung, Stammzellen) fand ich sehr anschaulich. Der Anhang zur Geschichte der Genforschung vermag den Wissensschatz zu erweitern.
Drei Sterne für kurzweilige Unterhaltung, die sich flüssig auch nach einem harten Arbeitstag lesen lässt.

Veröffentlicht am 29.06.2018

Selbstfindungsprozess, einfühlsam, zu Herzen gehend, ein Hoch auf die Unangepasstheit

Der Mitreiser und die Überfliegerin: Gewinner des Kindle Storyteller Awards 2017
0

Es dominiert eine magische Atmosphäre, dennoch handelt sich nicht um ein Fantasy-Werk, sondern um einen New-Adult-Roman, der in der unbarmherzigen Realität spielt, in der - wenn man sich dafür öffnet - ...

Es dominiert eine magische Atmosphäre, dennoch handelt sich nicht um ein Fantasy-Werk, sondern um einen New-Adult-Roman, der in der unbarmherzigen Realität spielt, in der - wenn man sich dafür öffnet - Freundschaft und Liebe dabei helfen können, in sich hineinzuhorchen, für etwas oder jemanden einzustehen, Wunden behutsam heilen zu lassen und über sich hinauszuwachsen.

Das Gedichtszitat gleich zu Beginn versetzt in die richtige Stimmung, es gefällt mir richtig gut, mir kam ein weiteres passendes Zitat in den Sinn: „Hörst du auch die Sterne lachen? Oder gehörst du zu den seltsamen großen Leuten, die gar nichts mehr verstehen?” aus dem ebenfalls wundervoll magischen Buch „Der kleine Prinz: wird erwachsen“.

Hauptfigur Milan, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, ist seit einem schweren Schicksalsschlag völlig neben der Spur, auch psychologische Hilfe bringt keinen Erfolg. Um sich aus dem katatonischen und zu Selbstverletzungen neigenden Zustand zu befreien, geht er völlig neue Wege. Dass er zunächst selbst als Skeptiker auftritt, verleiht ihm Authentizität und der Handlung einen hohen Realitätsfaktor.
Eine Story mit eindrucksvoll echt wirkenden düsteren Momenten der Einsamkeit, in denen sich Milan seelisch verletzt, unverstanden und ungewürdigt fühlt. Vor allem aber geht es um Selbstfindung, um die Identifizierung eigener Stärken und Prioritäten, um Vertrauen, Mut und Zuversicht, sodass für mich persönlich die aufbauenden Momente hängengeblieben sind.
Die nicht nur sinnbildlichen Seelentiere sind eine tolle Idee und in der Umsetzung absolut herzig.
Ich mochte auch die humorvollen und entlarvenden Textstellen, z. B. „Die Burg war ein Touristenmagnet, immerhin hatte sie eine Folterkammer und einen Biergarten, also genau die richtige Mischung aus Grauen und Geselligkeit, die normale Menschen sich wünschten.“

Ich habe mich selbst dabei erwischt, in den letzten Tagen z. B. bei der Klamottenwahl etwas unangepasster zu agieren. Fühlt sich doch irgendwie befreiend an. Auch wenn ich einige „Vertreter“-Kriterien erfülle, hoffe ich, dass bei mir noch Hoffnung besteht und die Seelentiere mich mögen würden.

Eine dem Storyteller Award absolut würdige Geschichte, anrührend und mit wertvollen Botschaften: Du bist etwas Besonderes. Geh mit offenen Augen durch die Welt. Sei mutig genug, Chancen zu ergreifen, dich auszuprobieren. Lerne aus Fehlern, versuch es weiter. Mach dich stark für die Anliegen und die Menschen, die dir wichtig sind. Tu nicht das, was die Konventionen vorgeben, sondern was dich glücklich macht.

Veröffentlicht am 27.06.2018

Unterhält und erweitert den eigenen Horizont

Ready Player One
0

Ich bin zu jung, um die 80er bewusst wahrgenommen zu haben. Und Games zocke ich nicht. Insofern habe ich wohl nicht jede Anspielung verstanden. Umso mehr haben mich die von Leidenschaft zeugenden Bezugnahmen ...

Ich bin zu jung, um die 80er bewusst wahrgenommen zu haben. Und Games zocke ich nicht. Insofern habe ich wohl nicht jede Anspielung verstanden. Umso mehr haben mich die von Leidenschaft zeugenden Bezugnahmen zu Filmen, Serien, Spielen und Musik fasziniert und meinen Horizont erweitert.
Die Grundidee, in einer möglichen nahen dystopischen Zukunft im Zuge einer abenteuerlichen Schatzsuche in der Virtual Reality ein Revival der 80er zu feiern, ist echt cool. Wade, ein junger Nerd, aus dessen Sicht die ganze Geschichte wiedergegeben wird, sammelt durch seine bescheidene, gutherzige und ungekünstelte Art schnell Sympathiepunkte. Rätsel beziehen sich nicht nur auf Quests, sondern auch auf Identitäten und Motive, wobei die Auflösungen einige Überraschungen bereithalten.
Die Botschaften verblassen. Was bleibt, sind die lebhaften spektakulären Bilder vor meinem inneren Auge.
Zwar nicht besonders tiefsinnig, aber ich habe mich über die gesamte Länge bestens unterhalten gefühlt.
Demnächst werde ich mir die Verfilmung ansehen.

Veröffentlicht am 20.06.2018

Temporeich, unterhaltsam, mit Denkanstößen, für großen Adressatenkreis

Mirror
0

Der Klappentext hat mich angesprochen. "Mirror Welt: Prequel" mit spannenden Kurzgeschichten, die einem gleichzeitig die technischen Funktionen näherbringen, brachte mich vollends auf den Geschmack.
Die ...

Der Klappentext hat mich angesprochen. "Mirror Welt: Prequel" mit spannenden Kurzgeschichten, die einem gleichzeitig die technischen Funktionen näherbringen, brachte mich vollends auf den Geschmack.
Die Idee greift aktuelle Diskussionen auf. Karl Olsberg geht auf Faszination, Vorzüge und Risiken der Technik ein. Es sind Parallelen zu heute bereits bestehenden Systemen erkennbar, sodass ein solches Szenario in wenigen Jahren Realität werden könnte.
Die Handlung gerät temporeich und spannend, animiert über weite Strecken zum Mitfiebern.
Der Erzählstil gefällt mir. Die vier kapitelweise wechselnden Perspektiven unterscheiden sich im Sprachgebrauch, hierdurch kommen die Unterschiede in Intellekt und Weltanschauung gut zum Tragen.
Für fünf Sterne reicht es nicht ganz. Die Geschichte ist Mainstream-tauglich aufbereitet, rauscht dabei für meinen Geschmack zu schnell durch. Eine noch raffiniertere Geschichte, in der Hinweise weniger plakativ gestaltet, Lösungswege weniger schnell gefunden, Motive anspruchsvoller gestrickt, die Charaktere weniger schnell überzeugt sind, die Handlung dadurch emotionaler und unvorhersehbarer wird, wäre für mich das i-Tüpfelchen gewesen. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau.
Auch nach einem harten Arbeitstag flüssig lesbar ohne irgendwelche Verständnisschwierigkeiten.
Die Botschaften, die Autor Karl Olsberg im Anhang nochmal ausdrücklich bekräftigt, dürften bei allen Lesern angekommen sein.
Mein erstes wird wohl nicht mein letztes Olsberg-Buch gewesen sein.

Veröffentlicht am 17.06.2018

Unpathetisch, atmosphärisch, ehrlich, zutiefst berührend

Unter blutrotem Himmel
0

Was mir ganz wichtig ist: Es handelt sich nicht um einen dieser effektheischenden, actiongeladenen und vor Pathos triefenden amerikanischen Blockbuster. Pino, aus dessen Sicht die Ereignisse in Norditalien ...

Was mir ganz wichtig ist: Es handelt sich nicht um einen dieser effektheischenden, actiongeladenen und vor Pathos triefenden amerikanischen Blockbuster. Pino, aus dessen Sicht die Ereignisse in Norditalien von Juni 1943 bis Mai 1945 wiedergegeben werden, verfügt über einen breiten Fundus zunächst ungeahnter Fähigkeiten, ist aber dennoch kein Superheld, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Schwächen, Ängsten und Selbstzweifeln, dessen Welt und Weltbild sich für immer verändert.

Bildhafte Beschreibungen machen die Umgebung greifbar: die Schönheit und Rauheit der Natur, die Folgen der Bombardements. Da ist es auch überhaupt nicht schlimm, dass anfangs Wander- und Kletterpartien beschrieben werden, da man sich intensiv hineinfühlen kann. Selbst wenn man vom Skilaufen, Klettern, Geigespielen, von der Oper usw. keine Ahnung hat, verstehe ich solche Textpassagen nicht als entbehrliche Länge, weil eben die Leidenschaft spürbar ist und zum Einfangen der Atmosphäre und Lebensart beiträgt.

Es ist ein ernstes Buch, teils Mut machend (Freundschaft, Zusammenhalt und Liebe im Krieg; darüber, was ein Einzelner leisten kann ...), doch über weite Strecken sehr erschütternd, da neben geschichtlich bekannten Gräueltaten auch im Kleinen viele menschliche Abgründe (z. B. Rache) gezeichnet werden.
Hoffnung, Freude, Verzweiflung wechseln sich ab. Ich komme mir fast zynisch vor, es als spannend zu bezeichnen, und doch trifft es zu.

Gefühlslagen wie Furcht, Einsamkeit, Abscheu, Selbsthass, Vertrauen, Zuneigung, schwindende und sich aufbauende Hoffnung sind nachvollziehbar geschildert. Ich tue mich oft schwer damit; hier habe ich extrem mitgefiebert, mich mitgefreut, mitgelacht, mitgelitten, das Buch ungern aus der Hand gelegt. Die Geschichte besticht durch zu Herzen gehende Botschaften, die hängenbleiben. Lange ist es her, dass mich ein Buch so berührt hat!

Cover und Titel weckten bei mir zunächst andere Erwartungen an den Inhalt (z. B. Indianergeschichte), dafür ist es ein echter Hingucker. Mir gefällt, dass sich Himmel, Gebirge und Schrift beim Taschenbuch in der Haptik unterscheiden.
Die Abschnittsbildung ist ganz nach meinem Geschmack.
Mit Lektorat, Korrektorat und Übersetzung bin ich sehr zufrieden.
Optimal wäre es, wenn in einer späteren Auflage ein oder mehrere Landkartenausschnitte beigefügt werden könnten, um Standorte und Routen besser nachverfolgen zu können.

Erwähnenswert ist noch, dass der Autor Mark Sullivan im Anhang darlegt, was aus den vorkommenden historischen Persönlichkeiten, aus Pino und seinen Wegbegleitern geworden ist.
Erst Jahrzehnte später geboren, habe ich viel über das damalige Leben und die Kriegszeit dazugelernt, von dem ich erwarte, dass es sich aufgrund der emotionalen Stärke auch verfestigt.

Sofern man Schilderungen von Grausamkeit und Ungerechtigkeit ertragen kann, absolute Leseempfehlung.