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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.01.2018

Polarisierendes Thema spannend umgesetzt, wertvolle Denkanstöße inklusive

Der Tag der Engel
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Es werden erschreckend realistische Erkenntnisse zur Genforschung geboten sowie eindringliche Botschaften, die hängenbleiben. Gleichzeitig ein fesselnder Thriller mit vielschichtigen Charakteren, gut verständlich ...

Es werden erschreckend realistische Erkenntnisse zur Genforschung geboten sowie eindringliche Botschaften, die hängenbleiben. Gleichzeitig ein fesselnder Thriller mit vielschichtigen Charakteren, gut verständlich und flüssig lesbar.

Der Prolog ist packend, erschütternd und erzeugt Neugier auf die Zusammenhänge.
Im Folgenden lernt man John und Anna als Figuren mit Ecken und Kanten kennen und bekommt Einblick in weitere reizvolle und mysteriöse Innenansichten. Der verwendete personale Erzählstil ist gut durchstrukturiert und sorgt für Abwechslung. Bestimmte Aussagen ließen mich hellhörig und argwöhnisch werden und animierten mich zum Rätseln, was es mit den Protagonisten und ihren Beziehungen untereinander auf sich hat. Erfreulicherweise bleibt ein Schwarz-Weiß-Schema aus. Für meinen Geschmack hätte der Beginn noch spannender ausfallen können, wenn der Klappentext weniger vorwegnehmen würde.
Besonderes Lob verdient Kapitel 11, in dem Grundlagen zur Altersforschung sehr anschaulich dargestellt werden.
Während sich die erste Hälfte viel den Figuren widmet, steigt die Spannungskurve in der zweiten Hälfte kräftig an. Es treten diverse Wow-Effekte auf, die erschreckend realistisch sind. Kontroverse ethische und sozialpolitische Fragen werden aufgeworfen und dann teils beantwortet und teils der Einschätzung des Lesers überlassen. Obendrein eindrucksvoll, wie der Autor zwei auf den ersten Blick nicht zusammenpassende Themen, nämlich Gentechnik und Religion, miteinander verbindet.
Ich freue mich, gut unterhalten und um einige Kenntnisse und Denkanstöße reicher zu sein.
Dieses Werk hat Beachtung verdient und ist für einen großen Adressatenkreis geeignet.

Veröffentlicht am 27.01.2018

Vielfältige Einblicke mit wenig Tiefgang, märchenhaftes Schwarz-Weiß dominiert

Das Hexenzeichen
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Das Reformations-Jubiläum nahm ich zum Anlass, einen historischen Roman auszuwählen, der in dieser Epoche spielt.
Dieses Werk ist 1415 und 1416 verortet. Es wird der auktoriale Erzählstil (allwissender ...

Das Reformations-Jubiläum nahm ich zum Anlass, einen historischen Roman auszuwählen, der in dieser Epoche spielt.
Dieses Werk ist 1415 und 1416 verortet. Es wird der auktoriale Erzählstil (allwissender Erzähler) verwendet, bei dem in die Innenansichten vieler Figuren geschlüpft wird, im Wesentlichen dieser drei:
Wolfram, junger Mann adeliger Abstammung, der sich der deutschen Bewegung zur Reformation der Kirche anschließt und deshalb verfolgt wird.
Ekart, junger Mann und Sohn eines kleinen Adeligen, der mit seinem Vater zur Pilgerreise nach Jerusalem aufbricht. Hierbei erhält man Einblicke in Glaubenskonflikte mit dem Islam und auch zu den in der Wüste herumwandernden Nomaden.
Emma, seine Schwester, die mit ihrer Mutter auf der Burg in Oberschwaben zurückbleibt. Hier werden Impressionen zum Verwalten des Hofes, grassierenden Pestfällen, Hexenverfolgung und Wanderhuren (im Übrigen nicht für zarte Gemüter geeignet) geliefert.
Dadurch dass die meisten wiedergegebenen Perspektiven die von Adeligen sind und darüber hinausgehende aus meiner Sicht eher oberflächlich oder klischeehaft abgehandelt werden, sind brauchbare Einblicke zur damaligen Lebenswirklichkeit rar. Schade, weil ich differenzierte Einblicke ins Gesellschaftssystem regelmäßig besonders reizvoll finde.
Ich habe zu Beginn des Romans die Namen und wesentliche Ansichten und Leistungen einiger historischer Persönlichkeiten rund um das Kirchenschisma und die Anfänge der Reformation dazugelernt. Ich hatte zunächst die Sorge, es könnten zu viele Informationen werden, um sich diese zu merken, doch mit weiterem Fortschritt des Romans tritt Historie zugunsten fiktiver Elemente immer weiter in den Hintergrund, sodass ich am Ende eher enttäuscht über den geringen Kenntniszuwachs bin.
In Bezug auf fiktive Figuren und ihre Liebes- und Leidensgeschichten nahm meine Begeisterung auch immer mehr ab. Zu Beginn fand ich die Hauptfiguren sympathisch und nahm Anteil an ihren Erlebnissen, aber mittelfristig fehlten mir dann Ecken und Kanten. Die vermeintlich intelligenten Charaktere agieren oft naiv oder planlos. Es kristallisiert sich ein märchenhaftes Schwarz-Weiß-Schema heraus, welches viele Geschehnisse für mich vorhersehbar machte.
Die Perspektivwechsel sorgen aber immerhin für Abwechslung und sehr vielfältige - wenn auch nicht besonders tiefgreifende oder außergewöhnlich gut recherchiert anmutende – Eindrücke. Der Roman ließ sich einfach und flüssig lesen, war kurzweilig und ich tendierte bis kurz vor Ende zu einer 4-Sterne-Bewertung. Immerhin ist es nicht einfach, so viele Themen interessant und stimmig zu verpacken.
Angesichts dessen, dass es der Autorin lange ganz gut gelungen ist, zum jeweiligen Ort und zur jeweiligen Situation (romantisch, hoffnungsvoll, bedrohlich, gefährlich, …) die passende Atmosphäre zu kreieren, war ich dann aber ziemlich erschüttert, wie überhastet das Zusammenfügen aller Handlungsstränge auf den letzten Seiten und der Abschluss herbeigeführt wurde. Ich war perplex, wie sprunghaft sich alle Beteiligten verhalten und wie abrupt alle aufgestauten Konflikte abgehandelt werden. Der letzte Satz ist wörtliche Rede, es folgt kein Epilog, Nachwort oder Ähnliches. Zum einen für die fiktive Handlung ziemlich unbefriedigend. Zum anderen wäre eine Darlegung der Grenzen zwischen Historie und Fiktion und dem Schicksal angeführter Persönlichkeiten zur Abrundung noch schön gewesen.

Veröffentlicht am 27.01.2018

Vergangenheitsbewältigung und Selbstfindung in stimmungsvoller Atmosphäre

Im kalten Nebel
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Loreth Anne White hat eine altbekannte Grundidee inhaltlich und stilistisch toll umgesetzt.
Wo man andernorts auf eine naive oder konturlos anmutende Hauptfigur trifft, wirkt hier Hauptfigur Meg sehr lebendig, ...

Loreth Anne White hat eine altbekannte Grundidee inhaltlich und stilistisch toll umgesetzt.
Wo man andernorts auf eine naive oder konturlos anmutende Hauptfigur trifft, wirkt hier Hauptfigur Meg sehr lebendig, weist Ecken und Kanten auf, lädt zum Mitfühlen ein. Beruhend auf traumatischen Erlebnissen ist sie eine sich kühl gebende Karrierefrau, deren Fassade zu bröckeln beginnt.
Die Autorin versteht etwas davon, in das Setting einzusaugen. Es wird stets eine passende Atmosphäre erzeugt, mal bedrohlich-düster, mal zum Verlieben.
Es geht um Geheimnisse, Lügen, Selbstbetrug, Zuneigung, Eifersucht, Vertrauen, Misstrauen und die elementaren Fragen “Was macht uns zu dem, was wir sind? Was bewirken äußere Einflüsse? Was macht mich glücklich? Wie möchte ich leben? Wer möchte ich sein?”.
Eine Aufteilung in Schwarz und Weiß gibt es nicht, Motive für das jeweilige Handeln sind einfühlsam und einleuchtend dargestellt. Dadurch dass eine Vielzahl an spannenden Nebenfiguren mit ihren ganz eigenen Hintergründen, Problemen und Interessen ihren Auftritt haben, kann man lange über die 22 Jahre zurückliegenden Geschehnisse miträtseln. Immer mehr Puzzleteile fügen sich zusammen, wobei auch Rückschläge und unerwartete Wendungen nicht ausbleiben. Es werden reichlich Spannung und Emotionen geboten.
Großer Pluspunkt: Die unaufdringliche Vermittlung positiver Botschaften, die nachwirken und als Denkanstoß dienen können.

Was Interessierte wissen sollten: Umschreibungen von Gefühlsregungen nehmen textlich viel Raum ein. Dabei werden einige Phrasen zum Gemütszustand sehr oft bemüht, z. B. das gegen die Brust hämmernde/pochende oder für einen Schlag aussetzende Herz. Zudem werden Umgebung, Wetterlage und so manche banale Tätigkeit ausführlich beschrieben. Durchaus bildhaft beschrieben, z. B. mit stimmigen Metaphern, was dazu beiträgt, dass man tiefer in die Atmosphäre eintaucht und unterschwellige Stimmungen wahrnehmen kann. Aber nicht Jeder mag die hierdurch auftretenden Längen. Auch ich hätte mir manchmal mehr Tempo gewünscht. Insbesondere im Mittelteil, in dem Meg Zeitzeugen und Ermittelnde befragt, fiel die Spannungskurve ab. Und es gibt Stellen, die ein bisschen kitschig anmuten. Nicht zu sehr für meinen Geschmack, aber ich gehöre eben auch zu den Leuten, die dafür empfänglich sind.

Ich finde es super, dass mit Perspektivwechseln im personalen Erzählstil (Bewusstseinshorizont der erzählenden Figur) und mit Rückblenden gearbeitet wird. Unausgesprochene bedeutungsvolle Interpretationen zu Wahrgenommenem werden durch kursive Schrift hervorgehoben – ein Stilmittel, das mir gut gefällt.

Hat mich nicht ganz so gefesselt wie “Winterjagd”. Den Storyverlauf fand ich innovativer und unerwarteter, die inneren Kämpfe der Figuren noch intensiver und die Hauptfigur Olivia ging mir noch mehr ans Herz. Aber das ist Meckern auf sehr hohem Niveau. Ich spreche für beide Romane meine Leseempfehlung aus.
Ich freue mich auf einen dritten Roman von Loreth Anne White in deutscher Übersetzung.

Veröffentlicht am 27.01.2018

Emotionale Reise in stimmungsvoller Atmosphäre

Winterjagd
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Nichts für sensible Gemüter. Man erhält krasse Einblicke in die Gedankenwelt des Psychopathen und eindringliche Schilderungen zur Leidensgeschichte und zur Gefühlswelt der im Mittelpunkt stehenden Figur ...

Nichts für sensible Gemüter. Man erhält krasse Einblicke in die Gedankenwelt des Psychopathen und eindringliche Schilderungen zur Leidensgeschichte und zur Gefühlswelt der im Mittelpunkt stehenden Figur Olivia. Angst, Schmerz, Selbstzweifel und Hoffnung werden gut transportiert. Dies schuf Sympathie für die Hauptfigur und ich fieberte mit.
Ich mag es gern, wenn mit Wechseln in der Erzählperspektive und mit Rückblenden gearbeitet wird. So auch hier. Keine Figur ist nur Statist, es gibt dramatische Hintergründe für das jeweilige Handeln, die stückchenweise offenbart werden. Jeder der sich verbindenden Handlungsstränge leistet einen wertvollen Beitrag zum Lesevergnügen. Man hat einen Wissensvorsprung und ein paar Details und Rollen lassen sich früh erahnen, aber Rätsel und unerwartete Wendungen halten den Spannungslevel hoch.
Beschreibungen zur Umgebung empfinde ich bei anderen Romanen oft als langatmig und störend. Hier ist spürbar, dass die Autorin etwas davon versteht, in das Setting einzusaugen. Olivias Liebe zu ihrem landschaftlich ansprechenden Zufluchtsort wird authentisch rübergebracht.
Man erlebt mit, wie der Showdown näherrückt. Die vorherrschende Atmosphäre ist bedrohlich und düster, wird von hoffnungsvollen und herzerwärmenden Momenten angenehm durchbrochen.
Es gibt eine Liebesgeschichte, die sich schön in die Handlung einfügt. Mir egal, ob das ein bisschen klischeehaft ist. Passenderweise wirkt dieses Element nicht zu dominant. Die aufkeimenden Gefühle werden so einfühlsam wiedergegeben, dass es für meinen Geschmack nicht zu sehr ins Kitschige oder Unglaubwürdige abrutscht.
Sprachlich keine hohe Literatur, dafür eingängig. Eine nicht ganz neue Idee wurde hier in Bezug auf Erzählstil und Aufbau von Emotionen und Spannung gelungen umgesetzt. Ein Roman, der Mut macht, sich selbst zu lieben und aus seiner Ausgangsposition das beste herauszuholen.

Veröffentlicht am 26.01.2018

Herausragender Wortwitz, grandioser schwarzer Humor

Der Totengräbersohn: Buch 2
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Die Stärke dieser für mich dritten Reihe von Sam Feuerbach liegt nicht in seiner Innovation. Wer sich in Literatur und Film auskennt, wird Werke finden, die vielleicht als Inspiration dienten, z. B. Bartimäus, ...

Die Stärke dieser für mich dritten Reihe von Sam Feuerbach liegt nicht in seiner Innovation. Wer sich in Literatur und Film auskennt, wird Werke finden, die vielleicht als Inspiration dienten, z. B. Bartimäus, Ritter aus Leidenschaft, Game of Thrones. Aber stört mich das hier? Nicht wirklich. Sam Feuerbach hat viele eigene Ideen hinzugefügt und dem Gesamtkunstwerk Leben eingehaucht. Die herrlichen Wortspiele und der mit viel anspruchsvollem Zynismus versehene Schlagabtausch, den sich Farin und Ekel gedanklich liefern, lässt mich Alltagssorgen vergessen und einfach gut gelaunt sein. Man ist geneigt, sich ein paar sprachliche Wendungen zu markieren und zu merken, um sie im richtigen Moment mal auf seine Umwelt loszulassen.
Was ich gelungen finde, ist die Charakterzeichnung der beiden Hauptfiguren. War zunächst zwar Faszination, Mitgefühl und Interesse vorhanden, das Identifikationspotenzial aber lange gering, weil Farin und Aross ziemlich überzeichnet wirkten (Farin verschüchtert, Aross mega-taff und respektlos), entwickeln sie sich erwartungsgemäß allmählich in die richtige Richtung, auch wenn sie sich mit ihren neuen Rollen erst noch arrangieren müssen. Farin steht für seine Gefährten ein und beweist Mut. Aross schöpft Vertrauen zu einem sympathischen und geheimnisumwobenen Fremden, gewinnt an Empathie und konzentriert sich auf übergeordnete Ziele. Das Wechselspiel der zwischenzeitlich zusammengefundenen Handlungsstränge verspricht hier noch so einiges.
Besonders gut gefallen haben mir auch Farins Reise zu seinem Heimatdorf und seine diesbezüglichen emotionalen Reflektionen sowie die Szenen mit Emicho.
Das letzte Drittel lässt dann nochmal den Spannungslevel hochschnellen.
Ein bisschen langatmig ging es für meinen Geschmack im ersten Drittel zu. Da hätte ich mir weniger Beschreibungen zu bekannten mittelalterlichen Elementen, z. B. zum Ritterfest, und dafür mehr Komplexität bei Handlung, Fantasy-Elementen und Figuren gewünscht. Beispielsweise hatte ich gehofft, die Nebenfiguren, z. B. Plaudius und Drogdan, würden mehr Tiefe erhalten. Das fällt aber nicht so sehr ins Gewicht, dass es zum Sternabzug führt.
Ich hatte das Buch in Windeseile durch, habe das Lesen wieder genossen - insbesondere in Sachen Humor und Spannung - und jetzt wartet eine Leserin mit Vorfreude und Ungeduld auf den Abschlussband.
Ach so: Das Hörbuch kann bei solchen Dialogen nur echt genial sein. Das ist nur logisch.