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Veröffentlicht am 18.12.2016

Österreichische Streitkultur

Wort-Gefechte
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„Derjenige, der zum ersten Mal anstelle eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation.“ Dieses Zitat von Sigmund Freud eröffnet des Vorwort zu diesem Buch.
Doch das auch bloß ...

„Derjenige, der zum ersten Mal anstelle eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation.“ Dieses Zitat von Sigmund Freud eröffnet des Vorwort zu diesem Buch.
Doch das auch bloß verbale Auseinandersetzungen nicht immer besonders „zivilisiert“ verlaufen, zeigt schon der regelmäßige Blick auf die Berichterstattung der Medien.

Gerhard Vogl lässt hier eine Reihe von „Wortgefechten“ aus den letzten Jahrzehnten Revue passieren – alphabetisch nach Themen geordnet von „Adel“ bis „Zwischenrufe“. Die meisten davon haben zwischen Politikern und/ oder Künstlern stattgefunden, und so tauchen denn auch viele streitbare Persönlichkeiten wie Karl Kraus, Thomas Bernhard oder Jörg Haider immer wieder auf.
Manche der hier zitierten Äußerungen sind schon fast so etwas wie geflügelte Worte geworden, aber auch weniger bekannte bzw schon in Vergessenheit geratene Streitigkeiten werden in Erinnerung gerufen.
Obwohl die hier geschilderten Begebenheiten für die Beteiligten sicher öfters mit einigem Ärger verbunden waren, gestaltet sich die Lektüre doch sehr amüsant, viele Berichte haben einen eher anekdotenhaften Charakter.

So bietet dieses Werk einen breiten Überblick über Kontroversen, welche die Öffentlichkeit bewegten, - und nebenbei auch noch interessante Einblicke in die österreichische Seele.

Veröffentlicht am 18.12.2016

Die Wissenschaft vom Glauben

Warum wir (an Gott) glauben
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J Anderson Thomson beschreibt hier, wie man mit Hilfe von Erkenntnissen aus Evolutionspsychologie und Gehirnwissenschaft erklären kann, warum die Menschheit so sehr zu Religiosität neigt. Denn schließlich ...

J Anderson Thomson beschreibt hier, wie man mit Hilfe von Erkenntnissen aus Evolutionspsychologie und Gehirnwissenschaft erklären kann, warum die Menschheit so sehr zu Religiosität neigt. Denn schließlich hat jede bekannte menschliche Gesellschaft zumindest eine gewisse Form von übernatürlichem Glaubenssystem entwickelt.
Seiner Meinung nach handelt es sich bei der Religion um ein Nebenprodukt von Anpassungen die im Laufe der Evolution entstanden sind, um das Zusammenleben in sozialen Verbänden zu erleichtern. (Ähnlich wie unsere Vorliebe für Fast Food ein Nebenprodukt von Anpassungen ist, die es unseren Vorfahren erleichterten, an ausreichende Mengen nährstoffreicher Nahrung zu gelangen.)

Auf nur 160 Seiten führt er nun eine Vielzahl von geistigen Mechanismen an – wie etwa das Bedürfnis nach Bindung, hyperaktive Akteuererkennung, Theorie des Geistes etc - und erklärt, wie sie funktionieren, warum diese uns beim Überleben halfen und wie sie schließlich religiöses Verhalten begünstigten.
Die Ausführungen sind allgemein verständlich und werden durch das Anführen vieler Beispiele und interessanter Experimente anschaulich. Es gelingt dem Autor, die Hintergründe der Religiosität zu entlarven und viele spannende Zusammenhänge aufzuzeigen.

Zwar hat mir ein bisschen der rote Faden gefehlt und manche Stelle gerät doch etwas trocken, insgesamt ist dieses Werk aber empfehlenswert. Obwohl zu manchen Punkten sicher auch abweichende Meinungen möglich sind, enthält es jedenfalls viele anregende Denkansätze.
Auch die Aufmachung gefällt mir, vor allem das Glossar am Ende, an Hand dessen man den Inhalt gut Revue passieren lassen kann.

Sicher würde sich dieses Thema für ein bedeutend umfangreicheres Buch eignen, gerade die relativ geringe Seitenzahl dürfte aber den Vorteil haben, dass auf diese Weise Leute, die einem dicken wissenschaftlichen Werk eher mit Skepsis begegnen, nicht abgeschreckt werden.

Veröffentlicht am 18.12.2016

Mehr Milieustudie als Krimi

Abbey Road Murder Song
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London 1968: Auf einem Müllberg wird die Leiche eines nackten Mädchens gefunden. Detective Breen nimmt gemeinsam mit seinen Kollegen die Ermittlungen auf, die zunächst kaum Ansätze bieten. Dabei muss er ...

London 1968: Auf einem Müllberg wird die Leiche eines nackten Mädchens gefunden. Detective Breen nimmt gemeinsam mit seinen Kollegen die Ermittlungen auf, die zunächst kaum Ansätze bieten. Dabei muss er sich nicht nur mit seinen privaten Problemen nach dem Tod seines Vaters, sondern auch mit neuen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander setzen.

Die Grundidee dieses Buches ist sicher ganz interessant und es gelingt dem Autor (so vermute ich zumindest) durchaus gut, das Flair der 60er-Jahre einzufangen. Er erzählt unter anderem von Beatles-Fans, die keine Möglichkeit auslassen, ihren Idolen nahe zu sein, den Schwierigkeiten einer jungen Frau, die als weibliche Polizeibeamtin mit einiger Ablehnung zu kämpfen hat, dem Aufeinanderprallen von konservativen Einstellungen und sich wandelnden Moralvorstellungen und Konflikten im fernen Afrika, die auch in England viele Leute bewegen.

Die Charakterisierung als „Kriminalroman“ ist meiner Meinung nach allerdings verfehlt. Die Ermittlungen wirken dilettantisch, kommen über weite Strecken kaum vom Fleck und treten oftmals völlig in den Hintergrund. Erst gegen Ende wird das Tempo etwas erhöht und es soll wohl für ein bisschen „Action“ gesorgt werden, richtige Spannung will aber dennoch nicht aufkommen. Auch wirkt die Auflösung zu konstruiert.

Veröffentlicht am 18.12.2016

Wie Mathematiker an Probleme herangehen

Das kleine Einmaleins des klaren Denkens
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Nach einer kurzen Einführung in die generelle Wirkungsweise der Mathematik beschreibt Christian Hesse hier 22 Werkzeuge, welche Mathematiker einsetzen, wenn sie diversesten Fragestellungen zu Leibe rücken.
Dazu ...

Nach einer kurzen Einführung in die generelle Wirkungsweise der Mathematik beschreibt Christian Hesse hier 22 Werkzeuge, welche Mathematiker einsetzen, wenn sie diversesten Fragestellungen zu Leibe rücken.
Dazu führt er jeweils einige Beispiele an, bei denen es sich– bei allem erkennbaren Bemühen um das Aufzeigen von praktischer Relevanz – allerdings doch meist „nur“ um mathematische (oder auf mathematische Problemstellungen zurückführbare) Rätsel handelt.
Besonders große Schlüsse für das „richtige Leben“ kann man daraus also wohl nicht ableiten, Mathematik-Interessierte werden an diesem Buch aber sicher dennoch ihre Freude haben, bietet es doch eine interessante wie auch amüsante Einführung in die mathematische Denkweise. Ein gewisses Mitdenken wird dafür aber schon verlangt und man darf auch keine Scheu vor der mathematischen Schreibweise und auf den ersten Blick etwas kompliziert anmutenden Formeln haben.

Veröffentlicht am 18.12.2016

Die Verbrechen des Jurek Walter

Der Sandmann
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Seit 13 Jahren sitzt Jurek Walter unter strenger Isolation im Sicherheitstrakt der Gerichtspsychiatrie. Er gilt als schlimmster Serienmörder in Schwedens Geschichte.
Da taucht eines Tages plötzlich eines ...

Seit 13 Jahren sitzt Jurek Walter unter strenger Isolation im Sicherheitstrakt der Gerichtspsychiatrie. Er gilt als schlimmster Serienmörder in Schwedens Geschichte.
Da taucht eines Tages plötzlich eines seiner mutmaßlichen Opfer auf – lebend.
Mikael Kohler-Frost, der 13 Jahre zuvor als Zehnjähriger zusammen mit seiner jüngeren Schwester entführt und vor sieben Jahren für tot erklärt worden war, irrt über eine verschneite Eisenbahnbrücke.
Wer ist der seltsame „Sandmann“, der ihn all die Jahre gefangen hielt?
Kommissar Joona Linna hegte schon immer den Verdacht, dass Jurek einen Komplizen hatte. Wird es dem Ermittlerteam jetzt endlich gelingen, den Fall restlos aufzuklären und mögliche weitere Opfer zu retten? Sie entschließen sich zu einem riskanten Manöver.
Für Joona hat das Ganze auch eine sehr persönliche Komponente, lag es doch an Jurek, dass er sich von seiner Familie trennen musste.

„Der Sandmann“ ist ein flott erzählter und spannender Thriller, der mit einiger Dramatik, rasanten Actionszenen und teilweise überraschenden Wendungen aufwartet und den Leser durchaus zu fesseln versteht.

Um das Buch wirklich genießen zu können, darf man allerdings keine allzu hohen Anforderungen an den Realismus stellen und muss bereit sein, über einige Ungereimtheiten hinwegzusehen.
Vor allem die Darstellung des Jurek Walter fand ich reichlich übertrieben. Er scheint geradezu ein Genius des Bösen zu sein, ist mühelos in der Lage, sämtliche Menschen zu manipulieren, durchschaut sofort jede Situation, ist den anderen immer einen Schritt voraus und verfügt nebenbei auch noch, obwohl er schon ein älterer Herr ist und nach jahrelanger Haft, über überdurchschnittliche physische Kräfte. Das war einfach zu viel „des Guten“, sollte wohl ein besonders dramatisches Bedrohungsszenario konstruieren, wirkte aber teilweise beinahe lächerlich.
Auch sonst passt einiges nicht zusammen – Mikael ist nach langer Gefangenschaft unter schlimmsten Bedingungen in erstaunlich gutem Gesundheitszustand, die Verantwortlichen der Gerichtspsychiatrie agieren oftmals geradezu himmelschreiend fahrlässig, etc – und zum Ende hin hatte ich überhaupt den Eindruck, dass die Logik oftmals der Dramatik geopfert wird.

Bis zu einem gewissen Grad muss man bei Büchern dieses Genres aber eben mit derartigem rechnen. Daher vergebe ich dennoch vier Sterne, denn gut geschrieben ist der Roman allemal.