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Veröffentlicht am 30.06.2023

Zeitreisen durch Hunderte Jahrmillionen der Geschichte des Lebens

Urwelten
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Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von informativen und unterhaltsamen Ausflügen zu lang vergangenen Landschaften und Lebensgemeinschaften. Vom Alaska des Pleistozäns geht es rückwärts in der Zeit ...

Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von informativen und unterhaltsamen Ausflügen zu lang vergangenen Landschaften und Lebensgemeinschaften. Vom Alaska des Pleistozäns geht es rückwärts in der Zeit bis hin ins Ediacarium, aus dem die ältesten Fossilien mehrzelliger Tiere stammen.
Die jeweils ca 20 Seiten langen Kapitel befassen sich immer mit einem ganz bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und stellen die Lebewesen vor, welche die damalige Welt prägten. Ausgewählt wurden die Orte, entweder weil ihre Fossilien besonders gut erhalten sind oder weil sie bedeutsame Entwicklungsstufen illustrieren. Der Autor ist denn auch darauf bedacht, die Lebensgemeinschaften in ihrer Gesamtheit darzustellen. Er beschreibt nicht nur ihre spektakulärsten Mitglieder, sondern holt auch unscheinbarere Lebewesen vor den Vorhang, die für die weitere Entwicklung aber oft weitaus wichtiger waren. So kommen in den Kapiteln zum Mesozoikum relativ wenige Dinosaurier vor, dafür beispielsweise frühe Säugetiere, Lebensgemeinschaften in den Meeren des Jura oder die ersten Blütenpflanzen.

Es ist interessant, durch die Zeit zu reisen und zu beobachten, wie unterschiedliche Klimaverhältnisse und sonstige Rahmenbedingungen sich auf die Tier- und Pflanzenwelt auswirkten, mit welchen Problemen bis hin zu Massenaussterben das Leben zu kämpfen hatte und wie es sich immer wieder davon erholte und an neue Gegebenheiten anpasste.
Man hat das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein, wenn sich etwa auf dem Gebiet des ausgetrockneten Mittelmeers im Miozän Zwerge und Riesen bilden, Huftiere durch das Grasland im Chile des Oligozäns streifen, Räuber in den Wüsten des Perm auf Beutejagd gehen oder im Kambrium die ersten Augen entstehen. Dabei sorgt die Vielfalt an Schauplätzen für Abwechslung und es werden spannende Hintergrundinformationen zu den Mechanismen der Evolution eingestreut.

Ich hätte mir nur etwas mehr Bilder gewünscht, um mir die beschriebene Fauna und Flora besser vorstellen zu können. Außerdem ist die verwendete Zeitform bisweilen missverständlich. Bei manchen im Präsens verfassten Sätzen war zumindest für mich nicht auf Anhieb klar, ob der Autor die gerade beschriebene Epoche oder die Gegenwart meint.

Für an Paläontologie oder Evolution Interessierte dennoch eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.05.2023

Was ist am West Coast Trail passiert?

Der finstere Pfad
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November 2020: Laura, Anfang 40 und glücklich verheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern, erschrickt, als sie hört, dass auf dem West Coast Trail in Kanada menschliche Überreste gefunden wurden. Sie ...

November 2020: Laura, Anfang 40 und glücklich verheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern, erschrickt, als sie hört, dass auf dem West Coast Trail in Kanada menschliche Überreste gefunden wurden. Sie fürchtet, von ihrer Vergangenheit eingeholt zu werden, und tatsächlich mehren sich bald die Hinweise, dass es jemand auf sie und ihre Familie abgesehen hat.
Juli 1999: Die 19-jährige Maisie hofft, dass eine Wanderung am West Coast Trail ihr hilft, sich von ihrer Familie abzunabeln und erwachsener zu werden. Doch ihr Urlaub endet in einer Katastrophe, die ein gewaltiges Medienecho auslöst und Maisie zahlreichen Verdächtigungen aussetzt.

Die Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart werden abwechselnd erzählt. In beiden Fällen konnte ich mich gut in die Protagonistinnen hineinversetzen. Obwohl man von Anfang an ahnt, dass sie ihre Schattenseiten haben, wirken sie sympathisch, sodass es mir leicht fiel, mit ihnen mitzufiebern.
Der Erzählstil ist packend und es wird einige Spannung aufgebaut. Außerdem animiert der Aufbau des Romans zum Miträtseln darüber, was damals passiert ist und wie die Ereignisse zusammenhängen. Ein paar Dinge konnte ich dabei erraten, es gab jedoch auch überraschende Wendungen.
Die Auflösung wirkt dann zwar teilweise konstruiert und das Ende etwas unrealistisch. Der Gesamteindruck war aber nichtsdestotrotz sehr positiv.
Für einen Thriller gibt es hier wenig Blut und Gewalt. Stattdessen überzeugt die Geschichte mit interessanten Figuren, die in Ereignisse verstrickt sind, bei denen manches nicht so ist wie es zunächst scheint.
Der einzige Kritikpunkt geht an den Verlag: Der Klappentext passt nicht gut zum Inhalt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2023

Das Unendliche und die Fundamente der Mathematik

Die Entdeckung der Unendlichkeit
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Um 1870 wurde Mathematik noch auf ganz andere Weise betrieben als heute. Die Beweisführung war weniger streng, dass eine Aussage plausibel wirkte, reicht oft aus.
Einer der Wegbereiter der Moderne war ...

Um 1870 wurde Mathematik noch auf ganz andere Weise betrieben als heute. Die Beweisführung war weniger streng, dass eine Aussage plausibel wirkte, reicht oft aus.
Einer der Wegbereiter der Moderne war Georg Cantor, der im ausgehenden 19. Jahrhundert spektakuläre Einsichten in das Wesen des Unendlichen gewann, die häufig jeder Intuition widersprachen. Dass es genauso viele Brüche wie natürliche Zahlen gibt, obwohl erstere doch viel zahlreicher scheinen, war dabei noch eines der harmlosesten Ergebnisse. Auf seinem Weg durch die verschiedenen Stufen der Unendlichkeit gewann er überraschende Erkenntnisse und entwickelte viele kreative Beweisideen.
Doch auf eine Frage fand auch er keine Antwort.
Dieses Rätsel wurde erst in den 1960er Jahren gelöst -und das auf eine Weise, die wenige Jahrzehnte zuvor völlig undenkbar gewesen wäre.
Dazwischen gab es eine Grundlagenkrise in der Mathematik, welche letztlich dazu führte, dass dieses Fachgebiet ein ganz neues Fundament erhielt. Ungenauigkeit und Unbestimmtheit wurden getilgt, jedes noch so kleine Detail musste aus einer überschaubaren Anzahl an Axiomen abgeleitet werden.
Vor allem aber mussten die Mathematiker akzeptieren, dass ihre Tätigkeit Grenzen unterworfen ist, dass nicht jede Aussage entweder wahr oder falsch ist, sondern es in jedem Axiomensystem Fragen gibt, die unentscheidbar sind.

Von all dem erzählt der Mathematiker Aeneas Rooch in teilweise lockerem Tonfall und doch sehr fundiert. Im Gegensatz zu den meisten anderen populärwissenschaftlichen Mathe-Büchern belässt er es nicht bei ein paar theoretischen Beschreibungen und vagen Andeutungen, sondern betreibt tatsächlich „echte“ Mathematik. Er führt viele wichtige Beweise im Detail vor, beschreibt, wie die natürlichen Zahlen aus fünf simplen Axiomen abgeleitet werden können, .... und vieles mehr.
Eigenartig nur, dass er fast immer, wenn es richtig interessant wird, in die „Nerd-Zone“ ausweicht. Ich denke, er hätte auch den „normalen“ Lesern mehr zutrauen können.
Außerdem hat mir ein Stichwortverzeichnis gefehlt, wodurch es leichter gewesen wäre, wichtige Stellen nochmal nachzulesen.
Ansonsten kann ich dieses Buch allen an Mathematik Interessierten, die bereit sind, auch komplexere Gedankengänge nachzuvollziehen, nur weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 29.05.2023

Heimat oder Freiheit?

Dreieinhalb Stunden
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„Alle, die jetzt gingen, verloren ihr Zuhause. Alle, die weiterfuhren, ihre Freiheit.“
13. August 1961: Der Interzonenzug von München nach Ost-Berlin beherbergt eine bunte Mischung an Fahrgästen. Die ...

„Alle, die jetzt gingen, verloren ihr Zuhause. Alle, die weiterfuhren, ihre Freiheit.“
13. August 1961: Der Interzonenzug von München nach Ost-Berlin beherbergt eine bunte Mischung an Fahrgästen. Die wenigsten ahnen, was zeitgleich in der DDR geschieht. Als die Nachricht die Runde macht, dass in Berlin eine Mauer gebaut wird, müssen sich diejenigen, deren Ziel im Osten liegt, entscheiden: Rechtzeitig vor der Grenze aussteigen, ihr bisheriges Leben aufgeben und Freunde und Familie vielleicht nie wiedersehen. Oder weiterfahren und auf ihre Freiheit und ihre Zukunftsträume verzichten.

Die Romanhandlung umfasst nur ein paar Stunden einer „von außen betrachtet“ weitgehend normal verlaufenden Bahnfahrt, während derer sich allerdings wahre Dramen abspielen und lebensverändernde Entscheidungen getroffen werden müssen. Als Leser wird man in diese Situation gewissermaßen hineingeworfen. Besonders viele Infos zum historischen Hintergrund gibt es nicht, dieser kann bei den meisten wohl ohnehin als bekannt vorausgesetzt werden.
Erzählt wird aus zahlreichen unterschiedlichen Perspektiven und es kommen viele verschiedene Personen vor. Manche Persönlichkeiten und Schicksale werden ausführlicher beleuchtet als andere, sie alle sind aber auf ihre Weise interessant und ergreifend. Nicht jedes Verhalten ist immer nachvollziehbar, einiges bleibt ungeklärt und es gibt kein wirkliches Happy End. Dies alles wirkt aber stimmig.
Trotz des unaufgeregten Stils ist die Lektüre sehr packend und regt natürlich auch zum Nachdenken darüber an, wie man selbst unter vergleichbaren Umständen entscheiden würde. Ich kann dieses Buch daher nur weiterempfehlen und werde mir auch den zugehörigen Film bald ansehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2023

Die Philosophie der Physik

Universum ohne Dinge
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Jan-Markus Schwindt möchte hier die Faszination seines Fachgebiets und dessen Wert deutlich machen, befasst sich aber auch mit der in den letzten Jahren häufig thematisierten „Krise der Physik“. Er selbst ...

Jan-Markus Schwindt möchte hier die Faszination seines Fachgebiets und dessen Wert deutlich machen, befasst sich aber auch mit der in den letzten Jahren häufig thematisierten „Krise der Physik“. Er selbst hat über die Philosophie zur Physik gefunden und so finden sich in diesem Buch häufig philosophische Betrachtungen und Herangehensweisen. Vor allem in den ersten Kapiteln, wo erläutert wird, was Physik ausmacht und wie der Prozess der Erkenntnisgewinnung funktioniert.
Doch auch bei dem folgenden Überblick über die wichtigsten Theorien der Physik – von der klassischen Mechanik über Relativitätstheorien und Quantentheorien bis zur Kosmologie – wählt er bisweilen ungewöhnliche Zugänge. So nimmt er beispielsweise bei der Beschreibung der speziellen Relativitätstheorie nicht wie sonst meist üblich die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit als Ausgangspunkt, sondern die Struktur der Raumzeit. Ob dies tatsächlich, wie von ihm vermutet, der einfachere Weg ist, sei dahingestellt. Es ist aber jedenfalls eine interessante Alternative.
Besonders spannend fand ich die letzten Kapitel, wo sich der Autor mit den Grenzen der Physik befasst und überlegt, wie ihre Zukunft aussehen könnte. Was seine Aussagen zu den prinzipiellen Grenzen der Physik betrifft (als Beispiele werden das Bewusstsein und das Vergehen der Zeit genannt), wirkt er für mich zwar etwas zu sehr von seiner Meinung überzeugt. Hat sich doch im Verlauf der Geschichte schon öfters herausgestellt, dass die Wissenschaft Dinge erklären kann, die zuvor als außerhalb ihrer Reichweite angesehen wurden.
Bezüglich der praktischen Grenzen der Physik wird aber ein sehr wichtiger Punkt angesprochen. Dass die Grundlagenphysik in den letzten Jahrzehnten nichts wirklich Neues herausgefunden hat, liegt demnach nicht an Fehlern der beteiligten Physiker, sondern daran, dass uns viele Bereiche der Natur (etwa weil sie auf zu kleinen Skalen passieren oder hinter einem kosmologischen Horizont verborgen sind) mit unseren derzeitigen Mitteln einfach nicht zugänglich sind – und vielleicht nie zugänglich sein werden. Deshalb stellt sich die Frage, was passieren wird, wenn die Physik tatsächlich einmal an ihr Ende gelangt ist.

Fazit: Dieses Buch ist sicher keine leichte Lektüre und ich würde es Einsteigern in die Materie nicht unbedingt empfehlen. Wer sich tiefer in das Thema hineindenken möchte, findet hier aber zahlreiche fundierte Informationen und inspirierende Denkanstöße.