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Veröffentlicht am 26.02.2024

Wie wir der malthusianischen Falle entkommen sind

The Journey of Humanity – Die Reise der Menschheit durch die Jahrtausende
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Jahrtausende lang war die Menschheit wie jede andere Tierart dem täglichen Kampf ums nackte Überleben unterworfen. Zwar gab es immer wieder technologischen Fortschritt von Steinwerkzeugen über die Landwirtschaft ...

Jahrtausende lang war die Menschheit wie jede andere Tierart dem täglichen Kampf ums nackte Überleben unterworfen. Zwar gab es immer wieder technologischen Fortschritt von Steinwerkzeugen über die Landwirtschaft bis hin zum Buchdruck. Doch führten diese jeweils nur zu einer vorübergehenden Erhöhung des Lebensstandards. Denn wie der englische Gelehrte Thomas Malthus Ende des 18. Jahrhunderts feststellte: Jeder durch technische Innovationen erreichte Überschuss an Nahrungsmitteln führte zu einem Bevölkerungszuwachs, welcher die Nahrungsüberschüsse aufzehrte, sodass die Lebensbedingungen wieder auf das Existenzminimum zurücksanken.
Doch in den letzten Jahrhunderten kam es – zunächst in Europa und Nordamerika - zu einem sprunghaften Anstieg des Wohlstands, der nicht nur einen Ausweg aus dieser Armutsfalle bedeutete, sondern auch zu großer Ungleichheit zwischen verschiedenen Gesellschaften führte.
Der Wirtschaftswissenschaftler Oded Galor spürt hier den Gründen für diese in der Geschichte der Menschheit (und des Lebens) einzigartige Entwicklung nach und untersucht auch, warum sie in verschiedenen Weltgegenden so unterschiedlich verlief.
Als unmittelbare Ursache für die Überwindung der malthusianischen Falle identifiziert er die steigende Bedeutung von Fähigkeiten und Kenntnissen für Arbeitskräfte, die notwendig waren, um sich in einem neuen technologischen Umfeld zurechtzufinden. Deshalb wurden Eltern dazu animiert, weniger Kinder zu bekommen und dafür mehr in deren Erziehung und Bildung zu investieren.
Doch diese Umwälzungen kamen nicht so plötzlich wie es auf den ersten Blick scheint, sondern beruhen auf langfristigen unterschwelligen Strömungen.
Während der Autor daher im ersten Teil des Buches dem Weg des Menschen von der Steinzeit ins Industriezeitalter folgt, geht er im zweiten Teil in der Zeit zurück, um die tieferliegenden Ursachen für die heutige Ungleichheit in der Welt zu finden.
Auch diese Kapitel enthalten zahlreiche interessante Gedanken. Beispielsweise, dass Beschaffenheit der Böden und klimatische Bedingungen (und damit die Frage, ob sich die Gründung großer Plantagen rentierte) in ehemaligen Kolonien die dortigen politischen Institutionen und damit auch die Gegebenheiten nach dem Ende des Kolonialismus beeinflussten. Oder dass das richtige Verhältnis von Homogenität und Diversität in einer Gesellschaft über ihren Wohlstand entscheidet. Weshalb sogar die geographische Entfernung von Afrika einen Faktor darstellt, der Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen erklären kann.

Fazit: Geschichte und Gegenwart der Menschheit werden hier aus einer ungewöhnlichen und faszinierenden Perspektive betrachtet. Der Autor hat das große Ganze im Blick, verdeutlich seine Ausführungen aber auch mit zahlreichen konkreten Beispielen. So erklärt er etwa, woher die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Norditalien und Süditalien rühren, oder dass die Regierungen von Bolivien und Äthiopien völlig konträre Strategien verfolgen müssten, um das Pro-Kopf-Einkommen ihres Landes zu steigern.
Auch der Aufbau hat mir sehr gut gefallen. Er ist klar strukturiert, ein Argument folgt logisch auf das andere. Jede Aussage wird dabei gründlich belegt. Der Autor kann auf umfangreiche Kenntnisse der Menschheits- und Wirtschaftsgeschichte zurückgreifen und beruft sich beispielsweise auf natürliche Experimente (bei denen etwa der Zustand von zwei Ländern verglichen wird, die sich nur in einem Faktor unterscheiden). Zahlreiche Grafiken veranschaulichen die Ergebnisse.
Zwar ist nicht jede der hier verarbeiteten Ideen neu. Die Art, wie sie zusammengestellt und zu einer konsistenten Erklärung verarbeitet werden, inspiriert aber immer wieder zu interessanten Gedankengängen und ließ mich die gegenwärtige Weltlage mit anderen Augen sehen.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Interessante Familienkonstellation

Eine perfekte Familie
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Dieses in Sydney angesiedelte Familiendrama spielt auf zwei Zeitebenen:
Jetzt: Die Geschwister Amy, Logan, Troy und Brooke machen sich Sorgen: Ihre Mutter Joy ist seit Tagen verschwunden und hat nur eine ...

Dieses in Sydney angesiedelte Familiendrama spielt auf zwei Zeitebenen:
Jetzt: Die Geschwister Amy, Logan, Troy und Brooke machen sich Sorgen: Ihre Mutter Joy ist seit Tagen verschwunden und hat nur eine kryptische Nachricht hinterlassen.
Monate zuvor: Jahrzehntelang hat Joy gemeinsam mit ihrem Mann Stan eine Tennisschule betrieben und daneben vier Kinder großgezogen, die alle auch irgendwann Wettkampftennis gespielt haben. Nun könnte sie eigentlich ihren Ruhestand genießen, empfindet ihren Alltag jedoch als eher eintönig. Ihr Leben nimmt eine unerwartete Wendung, als die junge Savannah vor ihrer Tür steht und um Hilfe bittet. Sie zieht bei ihnen ein und wird für Joy bald Ersatztochter und unentbehrliche Hilfe im Haushalt in einem. Aber hat Savannah die Wahrheit über ihre Vergangenheit gesagt?

Die Kapitel werden abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Ich konnte mich daher gut in Joy und ihre Kinder hineinversetzen, die alle sehr unterschiedliche Persönlichkeiten haben, welche aber nachvollziehbar und ohne allzu viele Klischees dargestellt werden. Die Höhen und Tiefen einer langjährigen Ehe, die Herausforderungen, denen sich die Protagonisten gegenüber sehen und die immer noch engen Bande innerhalb der Familie werden lebendig beschrieben.
Dass die im „Jetzt“ spielenden Passagen Großteils aus der Sicht von Personen erzählt werden, die nicht zur Familie gehören (beispielsweise der ermittelnden Polizeibeamtin, einer Kellnerin, einer Nachbarin...), gibt der Geschichte außerdem einen interessanten Dreh.
Es wird auch einige Spannung aufgebaut, in erster Linie natürlich durch die Fragen, was mit Joy passiert ist und was es mit Savannah auf sich hat. Doch auch die Nebenhandlungen halten einige Überraschungen bereit. Durch das Zusammenspiel von Vergangenheit und Gegenwart wird man außerdem zum Miträtseln animiert und gibt es aufschlussreiche Einsichten.
Die Auflösung wirkt dann zwar ein bisschen weit hergeholt und nicht wirklich realistisch. Dies hat meinen Lesespaß allerdings kaum getrübt, handelt es sich hier doch nicht um einen Krimi.
Es ist schön, die Dynamiken innerhalb einer Familie und das Zusammenspiel interessanter Charaktere zu beobachten.

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Veröffentlicht am 26.02.2024

Originelle Geschichte mit österreichischem Flair

Dunkelgrün fast schwarz
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2017: Moritz verbringt mit seiner schwangeren Freundin einen gemütlichen Abend in der gemeinsamen Wohnung, als überraschend sein (ehemals?) bester Freund Raffael vor der Tür steht. Seit sechzehn Jahren ...

2017: Moritz verbringt mit seiner schwangeren Freundin einen gemütlichen Abend in der gemeinsamen Wohnung, als überraschend sein (ehemals?) bester Freund Raffael vor der Tür steht. Seit sechzehn Jahren haben sie einander nicht mehr gesehen. Sein Auftauchen wird letztlich dazu führen, dass Moritz sich Erinnerungen an seine Jugend stellen muss und einige schmerzhafte Wahrheiten erfährt.
Gleichzeitig ist die psychisch angeschlagene Jo auf der verzweifelten Suche nach Raffael, der plötzlich verschwunden ist.
1986: Die 25jährige Marie zieht mit ihren zwei kleinen Kindern in ein altes Haus in einem abgelegenen Dorf am Dürrnberg. Ihr Mann wird die nächsten Jahre überwiegend in Wien verbringen und so ist Marie allein mit den Kindern an einem Ort, wo sie niemanden kennt und schwer Anschluss findet. Dennoch reagiert sie skeptisch, als ihr dreijähriger Sohn Moritz sich mit dem gleichaltrigen Raffael anfreundet und dessen Mutter auch ihre Nähe sucht.

Von all dem wird abwechselnd aus den Perspektiven von Moritz, Marie und Jo erzählt, wobei viel zwischen den verschiedenen Zeiten herumgesprungen wird. Trotzdem hatte ich keine Probleme damit, der Geschichte zu folgen und es wird durch verschiedene Andeutungen auch etwas Spannung erzeugt.
Die Handlung als solches ist zwar nicht gerade spektakulär, aber doch originell und hebt sich vom sonstigen Einheitsbrei auf dem Buchmarkt ab. Deswegen konnte ich leicht darüber hinwegsehen, dass manches unlogisch oder schwer nachvollziehbar ist und ein paar Fragen offen bleiben.
Wirklich überzeugen kann der Roman aber mit den interessanten Protagonisten und dem gut gezeichneten Ambiente. So nimmt Moritz die Welt und die Menschen um ihn herum auf ganz spezielle Weise wahr, sieht beispielsweise bei jedem eine farbige Aura. (Daraus erklärt sich auch der Titel.) Besonders gut hineinversetzen konnte ich mich aber in Marie, die unter schwierigen Bedingungen immer ihr Bestes gibt.
Man kann hier nachempfinden, was das Aufwachsen in einem kleinen Dorf bedeutet, wie Erlebnisse aus Kindheit und Jugend das ganze weitere Leben beeinflussen, oder auch, wie schwer es für Mütter ist, alles richtig machen zu wollen und ihre Kinder dennoch nicht vor allem Übel bewahren zu können.

Ein weiterer großer Pluspunkt ist das österreichische Flair, insbesondere auch die Verwendung einer erkennbar österreichischen Sprache, was heutzutage leider auch bei Büchern von österreichischen Autor(inn)en keine Selbstverständlichkeit ist.

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Veröffentlicht am 30.06.2023

Zeitreisen durch Hunderte Jahrmillionen der Geschichte des Lebens

Urwelten
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Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von informativen und unterhaltsamen Ausflügen zu lang vergangenen Landschaften und Lebensgemeinschaften. Vom Alaska des Pleistozäns geht es rückwärts in der Zeit ...

Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von informativen und unterhaltsamen Ausflügen zu lang vergangenen Landschaften und Lebensgemeinschaften. Vom Alaska des Pleistozäns geht es rückwärts in der Zeit bis hin ins Ediacarium, aus dem die ältesten Fossilien mehrzelliger Tiere stammen.
Die jeweils ca 20 Seiten langen Kapitel befassen sich immer mit einem ganz bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und stellen die Lebewesen vor, welche die damalige Welt prägten. Ausgewählt wurden die Orte, entweder weil ihre Fossilien besonders gut erhalten sind oder weil sie bedeutsame Entwicklungsstufen illustrieren. Der Autor ist denn auch darauf bedacht, die Lebensgemeinschaften in ihrer Gesamtheit darzustellen. Er beschreibt nicht nur ihre spektakulärsten Mitglieder, sondern holt auch unscheinbarere Lebewesen vor den Vorhang, die für die weitere Entwicklung aber oft weitaus wichtiger waren. So kommen in den Kapiteln zum Mesozoikum relativ wenige Dinosaurier vor, dafür beispielsweise frühe Säugetiere, Lebensgemeinschaften in den Meeren des Jura oder die ersten Blütenpflanzen.

Es ist interessant, durch die Zeit zu reisen und zu beobachten, wie unterschiedliche Klimaverhältnisse und sonstige Rahmenbedingungen sich auf die Tier- und Pflanzenwelt auswirkten, mit welchen Problemen bis hin zu Massenaussterben das Leben zu kämpfen hatte und wie es sich immer wieder davon erholte und an neue Gegebenheiten anpasste.
Man hat das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein, wenn sich etwa auf dem Gebiet des ausgetrockneten Mittelmeers im Miozän Zwerge und Riesen bilden, Huftiere durch das Grasland im Chile des Oligozäns streifen, Räuber in den Wüsten des Perm auf Beutejagd gehen oder im Kambrium die ersten Augen entstehen. Dabei sorgt die Vielfalt an Schauplätzen für Abwechslung und es werden spannende Hintergrundinformationen zu den Mechanismen der Evolution eingestreut.

Ich hätte mir nur etwas mehr Bilder gewünscht, um mir die beschriebene Fauna und Flora besser vorstellen zu können. Außerdem ist die verwendete Zeitform bisweilen missverständlich. Bei manchen im Präsens verfassten Sätzen war zumindest für mich nicht auf Anhieb klar, ob der Autor die gerade beschriebene Epoche oder die Gegenwart meint.

Für an Paläontologie oder Evolution Interessierte dennoch eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.05.2023

Was ist am West Coast Trail passiert?

Der finstere Pfad
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November 2020: Laura, Anfang 40 und glücklich verheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern, erschrickt, als sie hört, dass auf dem West Coast Trail in Kanada menschliche Überreste gefunden wurden. Sie ...

November 2020: Laura, Anfang 40 und glücklich verheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern, erschrickt, als sie hört, dass auf dem West Coast Trail in Kanada menschliche Überreste gefunden wurden. Sie fürchtet, von ihrer Vergangenheit eingeholt zu werden, und tatsächlich mehren sich bald die Hinweise, dass es jemand auf sie und ihre Familie abgesehen hat.
Juli 1999: Die 19-jährige Maisie hofft, dass eine Wanderung am West Coast Trail ihr hilft, sich von ihrer Familie abzunabeln und erwachsener zu werden. Doch ihr Urlaub endet in einer Katastrophe, die ein gewaltiges Medienecho auslöst und Maisie zahlreichen Verdächtigungen aussetzt.

Die Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart werden abwechselnd erzählt. In beiden Fällen konnte ich mich gut in die Protagonistinnen hineinversetzen. Obwohl man von Anfang an ahnt, dass sie ihre Schattenseiten haben, wirken sie sympathisch, sodass es mir leicht fiel, mit ihnen mitzufiebern.
Der Erzählstil ist packend und es wird einige Spannung aufgebaut. Außerdem animiert der Aufbau des Romans zum Miträtseln darüber, was damals passiert ist und wie die Ereignisse zusammenhängen. Ein paar Dinge konnte ich dabei erraten, es gab jedoch auch überraschende Wendungen.
Die Auflösung wirkt dann zwar teilweise konstruiert und das Ende etwas unrealistisch. Der Gesamteindruck war aber nichtsdestotrotz sehr positiv.
Für einen Thriller gibt es hier wenig Blut und Gewalt. Stattdessen überzeugt die Geschichte mit interessanten Figuren, die in Ereignisse verstrickt sind, bei denen manches nicht so ist wie es zunächst scheint.
Der einzige Kritikpunkt geht an den Verlag: Der Klappentext passt nicht gut zum Inhalt.

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