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Veröffentlicht am 16.12.2018

Scha(r)fsinnige Ermittlungen

Garou
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Diesmal hat es die schon aus Glennkill bekannte Schafsherde ins winterliche Frankreich verschlagen. Dort müssen sie sich mit verrückten Ziegen auf der Nachbarweide und den seltsamen Bewohnern des nahegelegenen ...

Diesmal hat es die schon aus Glennkill bekannte Schafsherde ins winterliche Frankreich verschlagen. Dort müssen sie sich mit verrückten Ziegen auf der Nachbarweide und den seltsamen Bewohnern des nahegelegenen Schlosses herumärgern.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, tauchen im angrenzenden Wald plötzlich tote Rehe auf und es macht das Gerücht die Runde, dass in dieser Gegend ein Werwolf sein Unwesen treibe.
Da ist natürlich wieder der kriminalistische Scha(r)fsinn unserer wolligen Freunde gefragt.

Wenn man sich erstmal darauf einlässt, die Welt mit den Augen (und den Ohren und vor allem der Nase) eines Schafes zu betrachten, kann man mit diesem Buch einige unterhaltsame Stunden verbringen.
Es ist schon herrlich komisch, zu beobachten, wie die Schafe das (aus ihrer Sicht oftmals reichlich skurrile) Verhalten der Menschen bewerten und wie sie ihre Ermittlungsarbeit angehen, wobei sie alle ihre persönlichen Stärken einbringen – von Maude, die über die beste Nase verfügt, über Mopple, das (reichlich verfressene) „Gedächtnisschaf“, bis zu Miss Maple, die alle verfügbaren Informationen messerscharf kombinieren kann.
Zugegeben: Die Auflösung der Werwolfsgeschichte ist nicht 100%ig schlüssig, dies wird durch den großen Lesespaß aber mehr als wettgemacht.

Veröffentlicht am 16.12.2018

Schwedische Journalistin auf der Suche nach ihren (und unser aller) Wurzeln

Meine europäische Familie
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Die schwedische Wissenschaftsjournalistin und Hobby-Ahnenforscherin Karin Bojs befasst sich hier mit der Geschichte der Besiedlung Europas und zeigt auch auf, wie viele wichtige Resultate zu diesem Thema ...

Die schwedische Wissenschaftsjournalistin und Hobby-Ahnenforscherin Karin Bojs befasst sich hier mit der Geschichte der Besiedlung Europas und zeigt auch auf, wie viele wichtige Resultate zu diesem Thema inzwischen durch DNA-Analysen gewonnen wurden.
Sie geht dabei von ihrer eigenen Familie aus. (Der Klappentext ist übrigens irreführend. Der erste Satz lautet „Während ich an diesem Buch arbeitete, starb meine Mutter.“ Deren Tod war also nicht der Anlass, sich mit ihren Vorfahren zu beschäftigen.)

Hierbei zeigt sich, dass sich im Erbgut ihrer Verwandten Spuren der drei großen Einwanderungswellen finden, welche unsere Vergangenheit prägten – eiszeitliche Jäger, frühe Bauern und Sprecher indoeuropäischer Sprachen.
Vergleiche von aus alten Knochen extrahierter DNA mit jener von heute lebenden Menschen haben neben anderen Untersuchungen zu einer Vielzahl faszinierender Erkenntnisse geführt. So beispielsweise zur Herkunft von Völkern wie den Samen oder Basken, zu Beziehungsnetzwerken, die sich schon vor Jahrtausenden über weite Gebiete erstreckten, oder darüber wie sich das Zusammen- bzw Nebeneinanderleben von Jägern und Bauern gestaltete.
Es ist dabei oft richtig spannend, die Autorin bei ihren Nachforschungen sowie ihren Reisen durch die Zeit, aber auch durch den Raum zu begleiten. Denn sie referiert nicht nur die Ergebnisse, sondern hat viele der Orte, an denen bedeutende Funde gemacht wurden, selbst besucht und vor allem auch mit vielen wichtigen Forschern Gespräche und Interviews geführt. So entsteht ein unmittelbarer und lebendiger Eindruck davon, wie Wissenschaft in diesem Bereich funktioniert.

Am Ende des Buches finden sich neben ausführlichen Literaturangaben sogar einige Reisetipps.
Man merkt dem Text schon an, dass er von einer Journalistin verfasst wurde. Einige der hier entworfenen Szenarien, wie historische Ereignisse abgelaufen sein könnten, sind reichlich spekulativ, was aber auch immer dazugesagt wird. Weiters hätten die Lebensläufe der Groß- und Urgroßeltern der Autorin etwas kürzer ausfallen können.

Nichtsdestotrotz wirkt der Inhalt alles in allem sehr fundiert und es findet auch eine Auseinandersetzung mit divergierenden Ansichten innerhalb der Wissenschaftlergemeinde statt.
So erfährt man hier viel Neues zur europäischen (und hierbei vor allem schwedischen) Geschichte und das Buch regt außerdem dazu an, sich näher mit den Möglichkeiten zu befassen, welche DNA–Tests inzwischen auch für Privatpersonen bieten.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Welches Jahrhundert sah die größten Veränderungen?

Zeiten der Erkenntnis
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Ausgehend von der Feststellung einer Nachrichtensprecherin, wonach das 20. Jahrhundert dasjenige gewesen sei, welches mehr Veränderungen erlebt habe, als jedes andere, möchte der Autor hier ergründen, ...

Ausgehend von der Feststellung einer Nachrichtensprecherin, wonach das 20. Jahrhundert dasjenige gewesen sei, welches mehr Veränderungen erlebt habe, als jedes andere, möchte der Autor hier ergründen, ob diese – von den meisten Menschen ohne längeres Nachdenken akzeptierte – Ansicht tatsächlich einer genaueren Prüfung standhält.
Er betrachtet dabei nicht die ganze Menschheitsgeschichte, sondern konzentriert sich auf die letzten Tausend Jahre. Weiters schränkt er seine Betrachtungen auf „den Westen“ ein, womit er im Wesentlichen das christliche Europa meint. Grundsätzlich werden Geschehnisse aus dem ganzen Kontinent angesprochen, als Beispiel wird aber häufig England, und hier insbesondere ein kleiner Ort namens Moreton, herangezogen.

Aus all dem ergibt sich natürlich ein etwas eingeschränkter Blickwinkel, anders wäre ein derartiges Thema aber wohl nicht zu bewältigen. Außerdem kann bereits diese Untersuchung mit einer Fülle an faszinierenden Aspekten aufwarten und fördert viele spannende, öfters unerwartete Erkenntnisse zutage.
Die zehn Jahrhunderte vom 11. bis zum 20. werden nacheinander besucht, um herauszufinden, welche Ereignisse, Persönlichkeiten und Entwicklungslinien diese Zeiträume jeweils in besonderem Maße prägten und oftmals auch in die Zukunft nachwirkten. Abgeschlossen wird jedes Kapitel mit einer Zusammenfassung sowie der Nominierung des „wichtigsten Akteurs des Wandels“.

Selbstverständlich handelt es sich hier um subjektive Bewertungen und generell wird der Inhalt von den persönlichen Ansichten des Autors geprägt.
Nachdem ein wenig überraschendes Fazit darüber gezogen wird, welches Jahrhundert nun wirklich den größten Wandel erlebte, weicht der letzte Abschnitt dann für meinen Geschmack auch zu sehr vom eigentlichen Thema ab. Dieser dreht sich um, überwiegend düstere, Zukunftsprognosen. Dabei hätte man etwas Platz einsparen und dafür manch andere Punkte ausführlicher behandeln können.

Nichtsdestotrotz ist der Gesamteindruck sehr gut. Besonders gefallen hat mir, dass hier im Vergleich zu anderen historischen Abhandlungen mehr das Leben der kleinen Leute im Mittelpunkt steht und immer wieder gefragt wird, wie sich bestimmte Veränderungen auf den „Durchschnittsbürger“ auswirkten. Dinge wie die verstärkte Durchsetzung des Rechts, der Aufschwung des Handels, der Rückgang individueller Gewalt oder Reformen in der Landwirtschaft werden sicher nicht als erstes genannt, wenn man nach den bedeutendsten Ereignissen der letzten 1000 Jahre fragt. Doch ihre langfristigen Folgen waren deutlich wichtiger als jene von weitaus spektakuläreren Taten.
So bietet dieses Buch einen hervorragenden Überblick der letzten Jahrhunderte, bettet interessante Entwicklungen in einen größeren Zusammenhang ein und regt auch immer wieder zum Nachdenken an.

Veröffentlicht am 18.07.2018

Homogenozän

Kolumbus' Erbe
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Die Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika gilt zurecht als eines der bedeutendsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte.
Doch wie groß seine Auswirkungen tatsächlich waren, lässt sich in all seinem ...

Die Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika gilt zurecht als eines der bedeutendsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte.
Doch wie groß seine Auswirkungen tatsächlich waren, lässt sich in all seinem Umfang und seiner Komplexität nur schwer erfassen. Bereits ein Blick in einen durchschnittlichen Garten vermittelt aber zumindest eine Ahnung dessen, was als kolumbianischer Austausch bezeichnet werden kann – enthält er doch typischerweise eine Zusammenstellung von Pflanzen, deren ursprüngliche Verbreitungsgebiete weit voneinander entfernt lagen und sich über verschiedene Kontinente erstreckten.
So können die Entdeckungsfahrten der frühen Neuzeit als Beginn eines neuen biologischen Zeitalters aufgefasst werden, für welches der Begriff Homogenozän (abgeleitet von „homogenisieren“) vorgeschlagen wurde. Denn Orte, die einst ökologisch unterschiedlich waren, sind einander immer ähnlicher geworden, sodass die Welt zu einer Einheit wurde.

Charles C Mann betrachtet dieses Thema hier in vielen Facetten, stellt positive wie negative Entwicklungen dar und zeigt vor allem, welche tiefgreifenden und oftmals bis heute nachwirkenden Folgen scheinbar längst vergangene Ereignisse hatten.
Er unternimmt eine spannende Reise um die Welt (mit Ausnahme Australiens) und besucht eine Reihe an Orten und Personen, die Geschichte schrieben. So erzählt er von Silberminen im heutigen Bolivien und von der chinesischen Provinz, in welche ein großer Teil dieses Silbers gelangte, von Siedlungen, die von entlaufenen Sklaven gegründet wurden, von europäischen Bauern, die gegen Pflanzenschädlinge kämpften – und von vielem mehr.

Diese Ausführungen sind meist sehr lebendig gehalten, man hat das Gefühl, hautnah mitten im Geschehen zu sein. Bisweilen neigt der Autor zwar zu etwas zu ausschweifenden Schilderungen, vor allem im vorletzten Kapitel, alles in allem ist die Lektüre aber interessant und stellenweise richtiggehend fesselnd.
So bietet dieses Buch eine Reihe faszinierender und überraschender Erkenntnisse. Mir war beispielsweise nicht bekannt, welche Bedeutung das Malaria-Virus bzw dessen Überträger für den amerikanischen Bürgerkrieg oder die Geschichte Schottlands hatte. Besonders beeindruckt hat mich außerdem die Beschreibung riesiger, sich über ganze Landstriche Asiens erstreckender Plantagen von ursprünglich aus Südamerika stammenden Kautschukbäumen sowie die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von einem derart unscheinbaren Stoff wie Gummi.
Und dies alles sind natürlich nur einige Beispiele dessen, was hier auf 650 Seiten reinen Texts behandelt wird.

Weiters dürfte der Inhalt ausgesprochen gründlich recherchiert sein. Zahlreiche Fußnoten sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis runden das Werk ab und können als Ausgangspunkt für weitere Recherchen dienen.

Veröffentlicht am 10.12.2017

Die Vielfalt der menschlichen Gesellschaften

Vermächtnis
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Schon in früheren Werken wie „Der dritte Schimpanse“ und „Arm und reich“ griff Jared Diamond immer wieder auf Erfahrungen mit Gesellschaften zurück, die heute noch so leben wie es bis vor wenigen Jahrtausenden ...

Schon in früheren Werken wie „Der dritte Schimpanse“ und „Arm und reich“ griff Jared Diamond immer wieder auf Erfahrungen mit Gesellschaften zurück, die heute noch so leben wie es bis vor wenigen Jahrtausenden für die gesamte Menschheit charakteristisch war, um so beispielsweise Hinweise auf die evolutionäre Entwicklung des Menschen zu erhalten.

Hier stehen derartige Kulturen nun im Mittelpunkt.
Im Wesentlichen stellt Diamond das Leben der traditionellen Völker dem in den von ihm als WIRED (western, educated, industrialized, rich, democratic) bezeichneten modernen Industriegesellschaften (wobei er vor allem an die USA und Europa denkt) gegenüber.
Er erklärt etwa, wie diese sich Fremden gegenüber verhalten, ihre Konflikte lösen, mit Kindern und alten Menschen umgehen und auf Gefahren reagieren. Im letzten Teil versucht er Antworten auf Fragen zu geben, die viele Menschen heute umtreiben: Warum gibt es Religionen und welche Funktionen haben sie im Lauf der Geschichte erfüllt? Wie kam es zu der großen Sprachenvielfalt auf der Erde und ist es sinnvoll, sterbende Sprachen zu retten? Und weshalb sind Krankheiten wie Krebs oder Diabetes bei Naturvölkern beinahe unbekannt?

Bei der Lektüre dieses Buches ist vor allem eindrucksvoll, wie vielfältig die Lebens- und Gesellschaftsformen sind, derer sich die Menschheit bedient. Es reicht nicht, nur von traditionell versus modern zu sprechen, selbst benachbarte Stammesgesellschaften lösen dasselbe Problem (beispielweise die richtige Erziehung der Kinder) bisweilen auf völlig unterschiedliche Weise.
Anders als es der Untertitel vermuten ließe ist es nicht die Absicht des Autors, die Lebensweise traditioneller Gesellschaften zu verherrlichen. Er verschweigt nicht, dass dort auch negative Phänomene vorkommen (beispielsweise Kindesmord oder Witwentötung) und erklärt, dass die romantische Vorstellung vom friedlichen Zusammenleben der edlen Wilden oftmals weit von der Realität entfernt ist und dass ein organisiertes Staatswesen durchaus seine Vorteile hat (wenn beispielsweise durch ein geordnetes Justizsystem Rachemorde vermieden werden).
Andererseits zeigt sich aber auch, dass unsere moderne Lebensweise in vielen Punkten nicht mit unserem evolutionären Erbe übereinstimmt (zum Beispiel unsere Ernährung oder die Art wie wir mit kleinen Kindern umgehen) und dass es Dinge gibt, bei denen wir uns (manche) Naturvölker zum Vorbild nehmen sollten (etwa Methoden zur Konfliktlösung).
In dem Buch werden Völker aus aller Welt beschrieben, besonders häufig kommen aber diverse Bewohner Neuguineas vor. Dort hat Jared Diamond selbst viel Zeit verbracht und kann daher immer wieder eigene Erlebnisse einfließen lassen. Das trägt zur Anschaulichkeit bei und macht manche Ausführungen lebendiger.

Viele Stellen sind allerdings eher trocken und wenn etwa in einem einzigen Absatz die Namen von einem halben Dutzend verschiedener Völker vorkommen, ist das eher verwirrend.
Was mir außerdem ein bisschen fehlte, war eine Art Gesamtbetrachtung der jeweiligen Gesellschaften. In jedem Kapitel wird ein bestimmter Aspekt behandelt, wenn man aber wissen möchte, wie ein Volk insgesamt lebt, müsste man sich alle diese verstreuten Informationen zusammenklauben.

Insgesamt ist dies dennoch ein sehr lesenswertes Buch. Es zeigt, dass vieles, was für uns Bewohner der ersten Welt völlig selbstverständlich und normal ist, auf große Teile der übrigen Weltbevölkerung ausgesprochen ungewöhnlich wirken muss. Außerdem legt der Autor dar, welche Änderungen an unserem Lebensstil jeder einzelne Bürger oder auch die Gesellschaft als ganzes vornehmen könnte, um gesünder und glücklicher zu werden und mehr im Einklang mit unseren natürlichen Bedürfnissen zu leben.