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Veröffentlicht am 06.08.2018

Südamerikanische Schicksale

Ein unvergänglicher Sommer
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Isabel Allende war in den letzten 10 Jahren ein bißchen von meinem Radar verschwunden. Als ich über dieses neue Buch von ihr gestolpert bin, griff ich begeistert zu. Überrascht, dass sie in ihrem Alter ...

Isabel Allende war in den letzten 10 Jahren ein bißchen von meinem Radar verschwunden. Als ich über dieses neue Buch von ihr gestolpert bin, griff ich begeistert zu. Überrascht, dass sie in ihrem Alter immer noch Romane schreibt. Wie ich bei einer kurzen Recherche gesehen habe, war sie aber auch die anderen Jahre über nicht untätig, die Kritiken zu ihren neueren Werken sind jedoch nicht alle positiv gewesen. Zu kitschig, zu schmalzig, zu belanglos. Eine südamerikanische Rosamunde Pilcher, so schreiben die Kritiker. Zum Glück ist der aktuellste Roman wieder ein Glanzwerk, und erfüllt in meinen Augen keines der zuvor genannten Attribute.

Der in der Kurzbeschreibung erwähnte Zufallsbekanntschaft und nachfolgende Beseitigung einer Leiche ist eigentlich nur die Rahmenhandlung, die alles verbindet. Ein Vehikel, um die eigentlichen Geschichten von Lucia, Evelyn und Richard zu erzählen (und in deren Verlauf auch von einigen Leuten mehr). Und diese waren es auch, die mich am meisten interessierten, faszinierten und berührten. Dabei erzählt Allende es eigentlich eher rational-neutral-faktisch orientiert und keineswegs gefühlsduselig. Dafür ist auch gar kein Platz, denn bei der Fülle von Erlebnissen jeder einzelnen Person kann sie innerhalb dieser 348 Seiten alles nur sehr komprimiert und aufs Wesentliche reduziert wiedergeben. Aber mir hat genau diese Erzählweise gut gefallen. Ich erfuhr dadurch viel Interessantes über das Leben in verschiedenen südamerikanischen Ländern, und musste mich nicht durch langatmiges Geschwafel kämpfen.
Besonders die Flucht von Evelyn habe ich gebannt verfolgt. Am gefährlichsten sind dabei ja nicht mal die US-Grenzpolizisten, sondern die verrückten Fanatiker, die meinen auf eigene Faust ihr Land vor Eindringlingen zu verteidigen, von ihrem Recht Waffen zu tragen Gebrauch machen und illegal Eingewanderte in der Wüste "erschießen wie Hasen", wie Allende es so treffend beschreibt. Dass es diese Wahnsinnigen wirklich gibt, und diese auch der vollsten Überzeugung sind damit ihren Landsleuten nur Gutes zu tun, habe ich erst vor einigen Wochen in einer Galileo-Reportage gesehen. Was ich nicht mitbekommen habe ist, ob solch ein kaltblütiger Mord - denn nichts anderes ist es - dann eigentlich straffrei bleibt. Auf Verteidigung ihres eigenen Grundes kann man sich im Grenzbereich wohl kaum berufen, und mit Notwehr herausreden schon mal gar nicht!

Allende schafft es auch immer wieder, die Ereignisse um den Militärputsch von 1973 in Chile in ihren Romanen einzubauen - zumindest in denen die ich bisher gelesen habe. Fand ich aber gar nicht nervig oder repetitiv, denn entweder hatte ich schon wieder vergessen oder mir eh nie gemerkt gehabt wie das Ganze eigentlich zustande kam. Insofern war das für mich auch lehrreich.

Verwundert hat mich etwas ja von Anfang an der Titel. Wo es doch mit einem Schneesturm beginnt. Ich dachte zunächst, dass sich die Geschichte vielleicht bis in den Sommer fortsetzt. Dann sah ich, dass das Buch im Englischen "In the Midst of Winter" und im Original "Más allá del invierno" heißt. Mitten im Winter, das passt viel besser zum Setting. Wie kam nur der deutsche Verlag dann auf diesen komischen Titel, wunderte ich mich. Erst in der vorletzten Zeile kam die Erleuchtung. Da zitiert einer der Protagonisten Albert Camus "Mitten im Winter erfuhr ich endlich, dass in mir ein unvergänglicher Sommer ist". Ein wunderschöner Satz, und der zuständige Mitarbeiter im Suhrkamp Verlag tat schon gut daran, den 2. Teil dieses Satzes als Titel zu nehmen. Hört sich im deutschen einfach auch viel besser an als "Mitten im Winter".

Meist merke ich mir Zitate ja nicht, aber hier gab es 3 weitere Sätze, die ich zumindest so toll fand, dass ich mir die Textstellen fotografiert habe um sie nicht gleich wieder zu vergessen.
- "Ihr Verlangen, das Leben auszukosten, wuchs beständig, während ihre Zukunft schrumpfte..."
- (Um sich abzusichern, schickt Richard seiner Nachbarin jeden Abend eine kurze Nachricht.) "'Lebe noch'. Sie war nicht verpflichtet zu antworten, litt aber unter derselben Furcht und schickte immer drei Wörter zurück: 'Mist, ich auch.'"
- "Tränen sind gut, sie waschen von innen."

Veröffentlicht am 22.12.2023

Kolumnen zum Lebensabschnittwechsel

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Ich habe zu Beginn gar nicht gewusst, dass der Roman in Wien spielt. Das ist für mich ja immer ein Pluspunkt, und war es auch hier. Zumal ich während des Lesens sogar ganz in der Nähe des Brunnenmarktes ...

Ich habe zu Beginn gar nicht gewusst, dass der Roman in Wien spielt. Das ist für mich ja immer ein Pluspunkt, und war es auch hier. Zumal ich während des Lesens sogar ganz in der Nähe des Brunnenmarktes unterwegs war zu einer Weihnachtsfeier.
Das Thema - Kinder ziehen aus, und die Mutter ist plötzlich ganz allein - ist bei mir noch ein bisschen hin, aber ich konnte mich doch recht gut in die Protagonistin hineinversetzen. Die Gemütszustände hat Doris Knecht auch sehr gut beschrieben, und vor allem ist es auch überhaupt kein melancholisches Buch geworden. Ihre Protagonistin - die wohl auch sehr viele autobiografische Züge trägt, wenn ich mir die Kurzbiografie hinten im Buch so durchlese - fällt in kein tiefes Loch als sie plötzlich kinderlos ist, sondern begreift es einfach als neue Lebensphase. Und vor allem bleiben ihre zwei Kinder ja auch in unmittelbarer Nähe zu ihr wohnen. So könnte ich mir das auch gut vorstellen später...

In der Kurzbiografie über Doris Knecht steht als erste Berufsbezeichnung Kolumnistin, bevor dann noch Schriftstellerin folgt. Hier in diesem Buch steht die Kolumnistin deutlich im Vordergrund, denn es ist weniger ein Roman als eine Aneinanderreihung von einzelnen Kolumnen zu einem Oberthema, der weitesgehend eine chronologische Abfolge einhält. Ich persönlich hätte einen "echten" Roman etwas besser gefunden.

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Veröffentlicht am 06.12.2023

Cluedo in der Berghütte

Die Einladung
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Ich hab den neuesten Psychothriller (und diese Bezeichnung verdient er wirklich, mit dem Fokus klar auf "Psycho") von Sebastian Fitzek dieses Mal als Hörbuch genossen. Und es war soo spannend, dass ich ...

Ich hab den neuesten Psychothriller (und diese Bezeichnung verdient er wirklich, mit dem Fokus klar auf "Psycho") von Sebastian Fitzek dieses Mal als Hörbuch genossen. Und es war soo spannend, dass ich ihn auch weiterhören musste während ich mein ganzes Haus weihnachtlich dekoriert habe. Normalerweise ist dabei eine X-Mas-Playlist Pflicht, um in die richtige Stimmung zu kommen. Aber hier musste ich einfach wissen, wie es weitergeht - jedenfalls ab dem Moment als Marla in der Berghütte eintrifft.

Ich musste auch mehrmals den Zurück-Button betätigen, denn oftmals fragte ich mich "Habe ich mich da gerade verhört?". Die Dinge entwickeln sich wirklich auf sehr unglaubliche Art und Weise. Ständig ergibt sich eine neue Wendung; Geheimnisse und Motive werden aufgedeckt, die alles wieder in eine andere Richtung lenken. Ein kleiner Notizzettel mit den Charakteren und ihren Attributen kann ganz hilfreich sein, so wie bei Cluedo, damit man sich beim Mitdenken und -rätseln leichter tut. Allerdings hätte mir das auch nicht geholfen, um das Ende vorher zu sehen.

Für Kreativität dieses "Falls" und die Spannung ab der 2. Hälfte (die aber auch die 1., etwas weniger spannende Hälfte benötigte, um das Set-Up aufzubauen) würde ich Fitzek die volle Punktzahl geben. Für mich war der letzte Twist dann aber zu skurril. Ich weiß schon aus "Der Heimweg" und "Elternabend", dass er Überraschungsmomente sehr gern einsetzt - aber eben in der richtigen Dosis.

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Veröffentlicht am 30.11.2023

Keefes Verschwinden

Keeper of the Lost Cities – Sternenmond (Keeper of the Lost Cities 9)
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Keefe Sencen war von Beginn an eine wichtige Figur der "Keeper of the Lost Cities"-Reihe, stand aber nie so sehr im Focus wie jetzt (und auch schon im vorherigen Band "Entschlüsselt", wo wir einen Teil ...

Keefe Sencen war von Beginn an eine wichtige Figur der "Keeper of the Lost Cities"-Reihe, stand aber nie so sehr im Focus wie jetzt (und auch schon im vorherigen Band "Entschlüsselt", wo wir einen Teil der Handlung auch aus seiner Sicht präsentiert bekommen - alles zur Vorbereitung auf die nun folgenden Geschehnisse). Und selbst wenn er einen erheblichen Teil des Buches abwesend ist, dreht sich doch vieles um ihn.
Sophie war ja schon immer in Fitz verknallt, und das mag auch seine Gründe haben, aber Keefe ist definitiv der lustigere von beiden, der immer einen "Schmäh" drauf hat.

Endlich hatte ich auch mal das Gefühl, dass Sophie und ihre Freunde im Kampf gegen die Neverseen ein bisschen voran kommen. Auch wenn es natürlich am Ende doch wieder alles offen bleibt... Harry Potter hat zwar auch erst im allerletzten Band seinen Erzfeind final besiegt, dennoch hatte jedes Buch für sich zu einem runden Abschluss gefunden. DAs schafft Sharon Messenger leider nicht, immer wieder gibt es Cliffhanger und eine unbefriedigt zurückgelassene Leserschaft.

Da auch die Bücher und Storylines nahtlos ineinander übergehen, haben weder die Charaktere eine Atempause noch die LeserInnen - die meist sofort den nächsten Band lesen wollen (aber dann erstmal monatelang darauf warten müssen).
Mir fehlt das "Erfolgserlebnis" am Ende eines Buches schon, muss ich sagen. Das zieht sich nach insgesamt nun 10 Bänden (eines war ja ein "halber Band" doch ganz schön hin, zumal jeder Band für sich ein Wälzer ist und zudem nach wie vor mit seeehr viel Dialog und nur wenig Action gefüllt ist. Ich wäre so langsam mal bereit für einen - zufriedenstellenden - Abschluss. Zumindest was diesen speziellen Kampf gegen die Neverseen angeht.

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Veröffentlicht am 29.11.2023

Adventszeit in Cornwall

Ein Herrenhaus zum Verlieben
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Ich habe zu diesem Buch gegriffen, weil ich dieses Jahr bereits zwei andere Hörbücher von Karin Lindberg sehr genossen hatte. Auch dieses hier enttäuscht nicht in Punkto Liebeswirrwarr - kriegen sie sich/ ...

Ich habe zu diesem Buch gegriffen, weil ich dieses Jahr bereits zwei andere Hörbücher von Karin Lindberg sehr genossen hatte. Auch dieses hier enttäuscht nicht in Punkto Liebeswirrwarr - kriegen sie sich/ kriegen sie sich nicht bzw. wann kriegen sie sich endlich? Und auch eine weihnachtliche Stimmung war deutlich spürbar. Obwohl Tara und Emery ja die meiste Zeit allein im Herrenhaus sind, tauchen auch reichlich weitere Nebenfiguren auf, die aber alle keine besonders wichtige Rolle spielen wenn es um die Hauptgeschichte geht.

Ich fand es diesmal - im Gegensatz zu den beiden Lindberg-Romanen die ich zuvor gehört hatte - zu viel "innerer" Monolog, besonders von Tara. Da sich die Dinge bei so etwas fast immer nur wiederholen, wird mir sowas dann schnell auch langweilig. Und: Emery ist zu Beginn des Romans ein leicht arroganter Eigenbrötler. Zu Ende soll er dann liebenswert sein, aber die Wandlung - die Schritte dazwischen - waren für mich nicht so recht deutlich.

Dennoch mochte ich diese romantisch-schnulzige Weihnachtsstory ganz gern.

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