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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.06.2019

Multi-Tasking in Helsingborg

10 Stunden tot
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Im vierten Teil der Krimireihe um Polizeikommissar Fabian Risk steht noch weniger als bereits im letzten Teil unser 'Titelheld' wirklich im Mittelpunkt des Geschehens oder wenigstens der Ermittlungen. ...

Im vierten Teil der Krimireihe um Polizeikommissar Fabian Risk steht noch weniger als bereits im letzten Teil unser 'Titelheld' wirklich im Mittelpunkt des Geschehens oder wenigstens der Ermittlungen. Anderen Mitgliedern des Kommissariats von Helsingborg wird hier ebenso viel Platz eingeräumt.
Und wie es auch im echten Leben ja oft so ist, arbeiten die Ermittler auch an drei Fällen gleichzeitig. Während sich Fabian zusätzlich noch mit Geschehnissen aus dem letzten Buch beschäftigen muss...

Diese parallelen Ermittlungen und damit verbundenen häufigen Szenen- und auch Perspektivwechsel konnte ich zwar ganz gut auseinander halten, doch bricht mit jedem Schnitt auch immer wieder die gerade erst aufgebaute Spannung ab. Obwohl es ja an anderer Stelle oft nicht minder spannend weitergeht und man keine Minute zum durchatmen hat, die ich als Leser doch ab und zu brauche. Meist fiebert man ja mit einer Person mit, fürchtet um ihr Leben oder will, dass sie den Fall aufklärt (und freut sich auf Szenen zum 'verschnaufen'). Hier brennt es gleich an mehreren Stellen und man hat überall Angst um jemanden und hofft, dass er/sie das Ende des Romans noch erleben wird. Das kann auch anstrengend werden beim Lesen.

Der im Klappentext angeteaserte Fall um den 'Würfelmörder' nimmt auf den gut 500 Seiten dann aber am allerwenigsten Platz ein, was mich doch sehr enttäuscht hat da ich gerade diesen Ansatz für einen Fall ziemlich spannend fand. Doch er wird fast stiefmütterlich behandelt, und wie es auch bereits im Klappentext steht (ich aber vorher gar nicht genau gelesen habe) wird er noch nicht einmal innerhalb dieses Buches gelöst. Dafür muss man dann doch bitte auch noch Teil 5 kaufen.
Im übrigen würde ich empfehlen, vor "10 Stunden tot" unbedingt auch Teil 3 zu lesen, sonst blickt man bei einigen Erzählsträngen gar nicht durch. Am idealsten wäre es zwar, eh alle Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Aber "18 Grad Minus" kann man gerade noch so auch eigenständig lesen. Bei "10 Stunden tot" ist das dann nicht mehr so, man wäre wohl an einigen unverständlichen Stellen nur frustriert. Zartbesaitet sollte man auch nicht sein, denn es geht hier definitiv heftiger zu als in einem gemütlichen "Alpenkrimi".

Veröffentlicht am 14.06.2019

Nachkochbare Rezepte und 100% Gilmore Girls Feeling

Eat Like A Gilmore
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Man merkt es dem Buch wirklich an, dass die Autorin (und anderen Beitragenden) wirkliche Gilmore Girls Fans sind. Nicht nur finden sich in der Einleitung und Vorstellung der Personen ständig Hinweise darauf, ...

Man merkt es dem Buch wirklich an, dass die Autorin (und anderen Beitragenden) wirkliche Gilmore Girls Fans sind. Nicht nur finden sich in der Einleitung und Vorstellung der Personen ständig Hinweise darauf, auch bei jedem Rezept steht dabei in welcher Episode oder Situation dieses in der Serie aufgetaucht ist. Zudem sind die Rezepte einzelnen Kategorien zugeordnet. Bei Gerichten aus Luke's Diner geht es eher bodenständig zu, bei Sookies Küche darf es gerne auch mal ausgefallen sein.
Insgesamt sind aber alle Gerichte bis auf wirklich wenige Rezepte (wie die Hochzeitstorte oder auch die selbstgemachten Donuts) absolut tauglich für den normal begabten Hobbykoch bzw. -köchin. Die Maßangaben wurden den deutschen Einheiten angepasst, die Zutanten ebenfalls (Ahornsirup sollte man sich dann wohl zulegen, kann man hier für mehrere Gerichte gebrauchen) und die Erklärungen sind verständlich formuliert. Zudem gibt es ausnahmslos zu jedem Gericht ein Foto, und das gesamte Buch ist wunderschön gestaltet und absolut passend zum Thema (kleine Szenenfotos von den Charakteren mit diesem Gericht wären das Tüpfelchen auf dem i gewesen, aber das war vielleicht auch eine Frage der Rechte & Lizenzen).

Ich werde mich sicherlich mal an einigen Rezepten probieren, wie dem typisch amerikanischen French Toast, dem Gründerväterpunsch, den Muffins mit Apfelmus oder dem Mac & Cheese Rezept. Bei Chow Mein auf Baguettebrötchen bin ich allerdings ziemlich skeptisch. Dafür bin ich sehr neugierig auf den "Patty Melt", Leibspeise von Kirk, die ich gern mal testen würde.
Die Vorschläge für einen Frühstückscerealien-Mix finde ich ebenfalls Klasse. Die perfekte Kombination 'erfindet' Paris in Yale am Frühstücksbuffet, die Autorin erweitert diese Idee um ein paar Vorschläge. Ist einen Versuch wert! Und dass es hier in diesem Kochbuch überhaupt enthalten ist, macht dieses Buch wirklich zu einem typischen GG-Buch.

Besonders passend fand ich, dass in diesem Buch mit dem Titel "Eat like a Gilmore" natürlich ein Kapitel über Kaffee nicht fehlen darf! Hier gibt es neben generellen Tipps für einen perfekten Kaffee (kein Leitungswasser sondern gefiltertes Wasser nehmen!) auch ein paar Rezepte. Und zwar jeweils in der fancy Sookie-Variante, wo alles selbstgemacht ist. Und in der faulen Lorelei-Variante mit Convenience-Produkten wie Sprühsahne und Fertigsirup. Denn mal ehrlich, eine Lorelei Gilmore die sich lange in die Küche stellt um einen Kaffee zu trinken (oder überhaupt irgendwas zuzubereiten) kann sich wohl niemand vorstellen.

Veröffentlicht am 11.06.2019

Plädoyer für den Job des Familienmanagers

Daddy Cool
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Gregor Haake legt seinen Beruf als Journalist auf Eis und wird Vollzeit-Papa. Weil man für diesen Knochenjob aber am Ende des Monats trotzdem nichts verdient, schreibt er nun eben darüber.
Leider beschränkt ...

Gregor Haake legt seinen Beruf als Journalist auf Eis und wird Vollzeit-Papa. Weil man für diesen Knochenjob aber am Ende des Monats trotzdem nichts verdient, schreibt er nun eben darüber.
Leider beschränkt sich Haake auf allgemeingültige Aussagen, die nicht nur mich als 2fache Mutter in keinster Weise überraschen, sondern die selbst LeserInnen ohne Kinder längst wissen: Kinder essen kein Gemüse, wollen ein Haustier, Mädchen sind in Klamottenfragen zickig und anderen Mütter am Spielplatz eine wahre Goldgrube. Das sind die gängigen Lebensweisheiten, die selbst in vielen Filmen oder Serien ständig auftauchen. Wenn denn wenigstens witzige Anekdoten herausspringen würden. Doch auch diese Chance lässt Gregor Haake ungenutzt vergehen und erwähnt nur hier und da in wenigen Sätzen Konkretes aus seinem Familienleben und schreibt sonst eher sehr allgemein.
Schade, Bücher dieses Genres habe ich nämlich allein im vergangenen Jahr von Janine Kunze und Maximilian Reich schon amüsanter und interessanter gelesen.
"Daddy Cool" ist also weniger eine Ansammlung von heiteren Erlebnissen aus dem Reich der Kindererziehung (was meine Erwartungshaltung war) als vielmehr ein ausführliches Plädoyer an (potentielle) Väter, sich an der Betreuung des Nachwuches auch mal länger als nur 1-2 Elternzeit-Monate zu beteiligen. Nach anfänglicher Skepsis, ob sich dieser Rollentausch mit seinem männlichen Ego vereinbaren lässt, liebt Gregor Haake nämlich mittlerweile seinen Job als Familienmanager sehr.

Daher bringt er diese 'Werbung' für den Job auch sehr gut rüber (die journalistische Vorbildung wird wohl auch geholfen haben), und ich kann Haakes Anliegen nur 100% unterstützen. Sofern es ökonomisch Sinn macht (denn auch diesen Aspekt spricht der Autor zu Recht an - das Gehalt der Frau muss schließlich ausreichen um in diesem Fall eine 4köpfige Familie zu unterhalten, und das ist einfach nicht in vielen Familien möglich!) dann kann ich ebenfalls nur sagen "Männer, traut euch!".

Veröffentlicht am 06.06.2019

Einfach gestrickt aber gut geschrieben

Das Muschelhaus am Deich
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"Das Muschelhaus am Deich" ist ein locker-leichter Frauenroman, der mir persönlich ein bisschen zu 'leicht' war in Bezug darauf wie sich vieles in der Geschichte wundersam fügte. Tauchte ein Problemchen ...

"Das Muschelhaus am Deich" ist ein locker-leichter Frauenroman, der mir persönlich ein bisschen zu 'leicht' war in Bezug darauf wie sich vieles in der Geschichte wundersam fügte. Tauchte ein Problemchen auf (wer soll auf die Kinder aufpassen, wer kann sich um Pukki kümmern, was für ein Hobby soll Jonte sich suchen...) war es im Handumdrehen gelöst.
Und auch die zahlreichen Begegnungen alter Bekannter waren in der Fülle nicht ganz glaubwürdig. Noch weniger glaubwürdig war es aber, dass es im Grunde immer die Einheimischen waren die die nach 20 Jahren Heimkehrerin erkannt haben, und nicht umgekehrt. Dabei ist es doch eher so, dass jemand, der darauf gefasst ist Personen aus seiner Jugend hier wieder zu treffen diese auch leichter erkennen würde als jemand, der plötzlich einem Fremden gegenübersteht und dem vielleicht wage das Gesicht bekannt vorkommt aber nicht sofort einordnen kann weil mit eben dieser Person normalerweise nicht zu rechnen wäre. Vor allem wenn sich diese 'Fremde' vom Teenager zur 40jährigen Frau gewandelt hat, eine alte Lehrerin aber einfach nur eine alte Lehrerin bleibt - da machen die 20 Jahre eigentlich auch nicht mehr viel aus. (Ich war auch erst vor 2 Jahren bei meinem 20j. Abi-Jubiläum, und alle Lehrer dort sahen noch genauso aus wie ich sie in Erinnerung hatte, selbst wenn sie noch gar nicht so alt waren wie Fr. May. Bei den Schülern hingegen musste man manchmal schon 2x hinschauen.)

Schließlich bedient sich die Autorin hier und da auch noch aus der Klischee-Kiste. Eine Affäre fliegt auf wegen einer Restaurantquittung in der Jackentasche (welcher Mann hebt denn solche 'Beweise' überhaupt auf?), und es ist natürlich die Sekretärin. Wer sonst! Die Frau mit dem unerfüllten Kinderwunsch wird natürlich als Babysitterin eingespannt und macht ihre Sache hervorragend, ohne dass sie irgendwelche praktischen Erfahrungen in dieser Hinsicht. Und der nerdige Nachbarsjunge verwandelt sich in einen hübschen und erfolgreichen Prinzen.

Die Geschichte ist also eher einfach gestrickt nach Schema F. Doch das muss einen ja gar nicht stören, wenn man einfach nur mal in eine Welt abtauchen will in der nicht viel Schlimmes passiert und sich am Ende alles zum Guten wendet. Und wenn man ein bisschen Nordsee-Luft schnuppern möchte, dann ist dieses Buch auf jeden Fall das Richtige. Denn im Kreieren von Atmosphäre liegt eindeutig die Stärke von Tanja Janz. Man spürt ihre Liebe für St. Peter Ording, und auch ihre Ortskenntnisse. Das alles ist recht authentisch beschrieben, so dass man fast denkt man ist dabei wenn Jenni über den Strand reitet, Kirsten durch den Ort bummelt oder Kinka abends schick essen geht.

Ein gut geschriebener Frauenroman, der Lust auf Sommerurlaub und alte Freundschaften macht, der von der Ausgefeiltheit der Geschichte aber nicht an die Spitze heranreicht.

Veröffentlicht am 05.06.2019

Authentisch, nachvollziehbar - beeindruckend!

Mein Leben als Sonntagskind
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Dieses Buch ist ein wahrer Wälzer, und doch hätte ich noch stundenlang weiterlesen mögen um zu erfahren, was Jasmijn in den restlichen 20 Jahren seit 1999 so passiert ist. Doch die Autorin konzentriert ...

Dieses Buch ist ein wahrer Wälzer, und doch hätte ich noch stundenlang weiterlesen mögen um zu erfahren, was Jasmijn in den restlichen 20 Jahren seit 1999 so passiert ist. Doch die Autorin konzentriert sich hier rein auf die Kindheit und Jugend ihrer Protagonistin, die stark autobiografisch ist. In einem Interview sagte sie, dass sie zwar einiges von sich selbst weggelassen, und auch einiges hinzu erdacht hat. Aber im Großen und Ganzen beschreibt sie hier ihr Leben, ihr Aufwachsen und Erwachsenwerden mit dem Asperger-Syndrom, ohne dass sie überhaupt weiß was das ist geschweige denn dass sie das hat.

Sie weiß nur, dass sie anders ist. Ihre Mutter sagt es ihr ja oft genug, begleitet von einem kleinen Seufzer, "So bist du eben". Erstaunlicherweise akzeptieren ihre Eltern das aber, wobei man immer bedenken muss: sie wussten ja gar nicht, dass Jasmijn nicht einfach nur eigen ist sondern eben Asperger hat. Dennoch waren sie absolut verständnisvolle Eltern, die immer hinter ihrer Tochter standen! Sie versuchten nie sie zu ändern, sagten nie "jetzt reiß dich aber mal zusammen", sondern akzeptieren ihre Eigenarten und versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Lösungen zu finden damit Jasmijn ihre Umwelt leichter ertragen kann. Denn fremde Menschen, Gewusel, viele Stimmen, grelles Licht, starke Gerüche, Musik - all das ist für Jasmijn zu viel. Das macht es ihr schwer, Shoppingtrips im Einkaufszentrum, die Schuldisco oder selbst Essenseinladungen bei ihrer besten Freundin zu überstehen.

Jasmijn fällt es zudem schwer, sich auf mehr als eine Sache gleichzeitig zu konzentrieren. Sie vergleicht sich da an einer Stelle mit der "normalen Jasmijn", die in ihrem Kopf 'lebt' und sich eben ganz normal verhält. "Klar, sie konnte wie alle anderen die ganze Skala der Nebengeräusche herausfiltern, sich auf das eine Geräusch einstellen, das sie hören wollte, und den Rest vorbeifliegen lassen wie Bälle, die das Tor verfehlen. Dass bei mir alle Bälle trafen, wusste sie nicht. Mein Kopf war ein Tor ohne Torwart."
Die reale Jasmijn braucht einen festgelegten und bekannten Ablauf. Sie muss sich auf jede Situation im Vorhinein einstellen, und sei es nur ein Besuch bei der Oma. Auch dort muss sie wissen, wer von der großen Verwandtschaft auch da sein würde. Denn im Kopf spielt sie ganze Szenen vorher durch, übt alles und legt sich ein Drehbuch zurecht - als wäre ihr Leben ein Theaterstück.

Wie sich diese überbordenden Situationen voller Sinneseindrücke für Jasmijn anfühlen, beschreibt die Autorin anhand zahlreicher Erlebnisse sehr eindrucksvoll und nachvollziehbar. Auch, wie kräftezehrend das für sie war (angesichts der Mengen an (ungesunder) Nahrung die sie verzehrte um einen anstrengenden Tag zu überleben wundert es mich sehr, dass sie anscheinend nie Gewichtsprobleme bekommen hat).

Erstaunlich fand ich dann aber, dass sich die Protagonistin nicht nur bewusst ist dass sie sich anders verhält. Sondern dass es eben diese "normale Jasmijn" in ihrem Kopf gibt, die sich all den Situationen wunderbar anpassen kann die ihr selbst so viele Schwierigkeiten bereiten. Sie beschreibt teilweise sehr detailliert, wie die normale Jasmijn reagiert hätte. Sie sagt ihr quasi vor, was sie jetzt 'normalerweise' tun sollte. Als Leser fällt es einem dann manchmal schwer zu verstehen, wieso Jasmijn trotz dieser inneren Soufleuse 'nicht über ihren Schatten springen' kann. Und anscheinend fragt sich das die Jasmijn in ihrem Kopf auch. "Komm, rief die Normale Jasmijn. Du kannst es doch. Doch sie verstand mich nicht. Ich konnte es eben nicht."

"Mein Leben als Sonntagskind" ist ein Buch, das mich sehr gut unterhalten hat. Viel mehr noch hat es mir aber vor allem das Leben - und vor allem Aufwachsen - mit dem Asperger Syndrom sehr verständlich und nachvollziehbar vor Augen geführt. Eine wahrlich beeindruckende Lektüre!