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Veröffentlicht am 28.03.2019

Abbruchrezension

Offline ist es nass, wenn's regnet
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Stellt euch vor, ihr seid ein Teenager und lest das Buch einer Erwachsenen die euch mit ihrem Roman erklären möchte, dass Social Media wirklich ganz, ganz furchtbar für euch ist. Und nun stellt euch vor, ...

Stellt euch vor, ihr seid ein Teenager und lest das Buch einer Erwachsenen die euch mit ihrem Roman erklären möchte, dass Social Media wirklich ganz, ganz furchtbar für euch ist. Und nun stellt euch vor, dieses Buch ist überall in eurer Bubble in den Sozialen Netzwerken zu sehen. Instagram auf: „Hey ihr lieben, ich habe hier dieses tolle Buch #werbung“. Twitter auf: „Hallo meine lieben, findet ihr dieses Cover auch so toll?? hashtag ad hashtag werbung“. Ja, ich käme mir auch veräppelt vor.

Lange ist es nicht mehr vorgekommen, dass mir eine Romanheldin so gleichgültig war wie Mari. Mit wenig bis gar nicht Tiefe führt sie durch den Roman und macht… Dinge. Wie eine Schachfigur wird sie dabei von einer in die nächste Situation gesetzt und zeigt dabei überhaupt keinen Einblick in ihr Inneres. In den wenigen Situationen, wo es tatsächlich mal vorkommt, wirkt es genauso so unecht, wie der Rest des Romans. Dabei müsste es dort jedoch einiges zu sehen, bzw. zu fühlen geben. Denn nicht nur hat Mari den Jahrestag des Grauens zu überstehen, sie kämpft mit den Dämonen der Vergangenheit und muss sich ihrer Einsamkeit stellen. Und dies alles passiert, ohne uns LeserInnen nur im Entferntesten daran teilhaben zu lassen. Sie macht einfach. Lebt dieses perfekt unperfekte Leben. Und legt es einfach so wieder ab. Aber was fühlst du dabei, Mari?

„Als ich mit einer gleichbleibenden Geschwindigkeit von siebzig Meilen auf dem dämmrigen Highway nach Norden fahre, habe ich bereits das Gefühl, dass sich etwas verändert!“
– Seite 73

Endlich spricht Mari denn mal von irgendwelchen Gefühlen und dann aber auch nur, weil es der Plot gerade für sein Vorankommen braucht. Das plötzliche über Board werfen des bisherigen Lebens reicht für ein albernes YouTube-Video, jedoch zu keinerlei Gefühlsregung zu den daraus resultierenden Reaktionen. Aber das simple Bewegen des Fahrzeuges soll nun „ein stilles Glück“ (Seite 73) auslösen?

Die Veränderung von Mari setzt noch während der Hinfahrt zum Wanderweg ein. Damit wird quasi über Nacht aus der Frau, die sich für nichts anderes als sich selbst und ihren Instafeed interessiert, eine gutmütige Naturliebhaberin die auf einmal Menschen helfen möchte. Es macht mich wirklich sauer wie sehr hier die Punkte auf der Strichliste, die unbedingt in den Roman gehören, stupide abgearbeitet wurden.

So viel zu Mari, die mich irgendwann dazu brachte, das Buch wütend von mir weg zu werfen (eine Legende besagt, es gäbe ZeugInnen hierzu, die die Kunde freudig auf der Buchmesse Leipzig verbreiteten). Aber es war eben nicht nur die praktisch nicht anwesende Protagonistin daran beteiligt, warum ich keine Muße aufbringen konnte, den Roman zu beenden.

Offline ist es nass, wenn’s regnet zeigt keinen Mittelweg auf. Die Autorin vermittelt mir das Gefühl, dass sie sehr wenig von Social Media hält und dass das meiste von dem, was wir dort so treiben, sowieso nicht echt ist. Schlimmer noch, es muss direkt eine große Wanderung oder ähnliches sein, damit wir wirklich leben. Dieses persönliche schwarz-weiße Denken der Autorin schwingt so praktisch auf jeder Seite mit und zeigt mir dabei lediglich, dass sie kaum eine Ahnung davon hat, was diese jungen Menschen in diesem Internet da überhaupt treiben. Das Mobiltelefon einfach mal Telefon sein lassen und raus in die Natur gehen und in anderen Momenten Spaß an Onlineaktivitäten haben schließt sich tatsächlich nicht aus. Sounds crazy, I know.

Und die Moral von der Geschicht? Social Media ist böse, drum benutze es nicht!