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Veröffentlicht am 29.01.2019

Ein Gott zum Vater, ein Halbgott zum Bruder

Anansi Boys
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Das Schlimmste an Fat Charlies Vater war schlicht und einfach dies: Er war peinlich.
Nun sind natürlich alle Eltern peinlich. Das liegt in der Natur der Sache. Eltern sind peinlich einfach dadruch, dass ...

Das Schlimmste an Fat Charlies Vater war schlicht und einfach dies: Er war peinlich.
Nun sind natürlich alle Eltern peinlich. Das liegt in der Natur der Sache. Eltern sind peinlich einfach dadruch, dass sie existieren, während Kinder ab einem bestimmten Alter von Natur aus nicht anders können, als im Boden zu versinken vor Verlegenheit, Scham und Schmach, sofern sie mit ihren Eltern auch nur zusammen auf der Straße gesehen werden.
Fat Charlies Vater aber hatte all dies zu einer Kunstform erhoben, und er erfreute sich daran [...].
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INHALT:
Seit Fat Charlie Nancy denken kann, ist ihm sein Vater unfassbar peinlich. So peinlich, dass er lieber nach England gezogen ist, als mit ihm weiter das Land zu teilen. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass er selbst im Allgemeinen kein besonders charmanter und beliebter Mensch ist - im Gegensatz zu seinem Vater, dem alles zuzufliegen scheint. Bis dieser stirbt und Fat Charlie nach der Beerdigung nicht nur erfährt, dass sein Vater ein Gott war, sondern auch den Tipp erhält, auf absurde Weise einen ihm bisher vollkommen unbekannten Bruder zu kontaktieren. In angetrunkenem Zustand geht er dem nach - aber wie hätte er ahnen sollen, dass dies sein gesamtes Leben durcheinander bringen würde? Denn kurz darauf steht Spider vor der Tür, der, wie sich herausstellt, die göttlichen Fähigkeiten ihres gemeinsamen Vaters geerbt hat. Und der sich nicht nur an Charlies Verlobte heranmacht, sondern ihm auch deutlich gefährlichere Probleme bereitet...

MEINE MEINUNG:
Momentan scheint eine Hoch-Zeit zu sein für Fantasy- und Science-Fiction-Autoren, deren Bücher zu Serien verfilmt werden. Nicht nur Stephen Kings und Margaret Atwoods Stoffe werden adaptiert, auch hinter den Geschichten von Neil Gaiman ist man seit einiger Zeit vermehrt her. "American Gods" habe ich letztes Jahr begeistert geschaut, "Good Omens" gibt es in den nächsten Monaten - "Anansi Boys", lose verknüpft mit ersterem, erwartet bisher aber keine Adaption. Meine Chance also, endlich mal die Lektüre vorher zu schaffen. Und das lohnt sich: Denn es sind nicht nur die Ideen des Autors, die zu überzeugen wissen, sondern auch sein unverwechselbarer Stil voller Wortwitz, kleiner Anekdoten, Geschichten über die Götter, und skurriler Dialoge.

Und natürlich, ganz besonders, seine Charaktere. Da ist zum einen Protagonist Fat Charlie, der eigentlich gar nicht dick ist, nur blieb der Name in seiner Kindheit hängen. Er ist ein sehr weicher Kerl ohne rechtes Selbstbewusstsein und ohne den Mut, für sich einzustehen. Sein Bruder bringt zwar sein komplettes Leben durcheinander, hilft ihm aber auch, seine Schwächen zu sehen und daran zu arbeiten. Spider ist nämlich das genaue Gegenteil: Gutaussehend, arrogant und gesegnet mit göttlichen Fähigkeiten kann er Menschen ganz einfach dazu bringen, zu tun, was er will. Lange hat ihm das nichts ausgemacht - aber vielleicht entdeckt er ja doch sein Gewissen? Zusätzlich zu den beiden tauchen in der Geschichte nicht nur zwei junge Damen auf (von der ich aber nur eine interessant fand), sondern auch vier deutlich ältere, die manchmal hilfreich sind, Charlie sehr oft aber auch Steine in den Weg legen. Und dann sind da natürlich noch die Götter. Anders als in "American Gods" sind diese hier Tierwesen: Manche verschmitzt und listig, andere hasserfüllt und auf Rache sinnend. Sie nehmen gar keinen besonders großen Raum ein, wissen aber in ihren jeweiligen Momenten zu begeistern.

Im Gegensatz zu "American Gods" - oder sagen wir, der Serien-Form davon - wirkt das Umfeld der Protagonisten deutlich weniger düster. Es gibt zwar mindestens einen Antagonisten, der auch vor Gewalttaten nicht zurück schreckt, und einige der Götter hegen keine guten Absichten, inhaltlich dreht alles sich aber viel mehr um die schwierige Beziehung der Brüder zueinander und Charlies Entwicklung zu einem stärkeren Selbst. Versöhnung und Familie nehmen goße Parts der Handlung ein, wunderbar unterlegt von passendem Humor. Zwischenzeitlich hätte der Bezug auf die Götter ein bisschen größer sein können, und der permanente Wechsel zwischen Präsens und Präteritum in den Erzählungen über diese hat mich doch sehr irritiert. Dafür entschädigen allerdings die letzten 100 Seiten, auf denen sich die Ereignisse überschlagen, alle Charaktere zusammen geführt und einige Geheimnisse enthüllt werden. Zuletzt endet die Geschichte sehr zufrieden stellend - aber ich hätte dennoch Lust, noch einmal in die Welt zurück zu kehren.

FAZIT:
"Anansi Boys" spielt in derselben Welt wie auch "American Gods", die beiden hängen - nach meinem Verständnis - aber nur sehr lose zusammen. So ist es kein Problem, das eine ohne das andere zu lesen. Neil Gaimans Schreibstil ist ein Genuss und voller humorvoller Details, seine Charaktere sind liebenswert und voller Fehler. Ein wenig mehr noch hätte es sich um die Götter drehen können, aber so ist das Ganze eine überzeugende Geschichte um zwei Brüder, die ungewollt zusammen arbeiten müssen. Lesenswert! 4 Punkte.

Veröffentlicht am 31.12.2018

Schwächelt in der Mitte stark

Mein Weihnachtswunsch bist du
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David grinste sie an und lachte ebenfalls. Dann nahm er zwei Zwiebeln, um sie in den Wagen zu legen. Doch durch die gelöste Stimmung schien er ein wenig albern geworden zu sein, da er mit den Zwiebeln ...

David grinste sie an und lachte ebenfalls. Dann nahm er zwei Zwiebeln, um sie in den Wagen zu legen. Doch durch die gelöste Stimmung schien er ein wenig albern geworden zu sein, da er mit den Zwiebeln jonglierte und sie höher und höher in die Luft warf. Die letzte verfehlte er allerdings, und sie knallte auf den Rand des Einkaufswagens, prallte ab und rollte durch die Beine einer ungläubigen Einkäuferin.

"Entschuldigung", sagte David zu der finster blickenden Dame, während er versuchte, sein Lachen zu unterdrücken. "Hab meine Zwiebel verloren."
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INHALT:
Schon seit Jahren träumen Leah und ihre kleine Tochter Sadie davon, eines Tages auf das Anwesen der Großmutter, Evergreen Hill, ziehen zu können und dort ihre eigene Eventfirma zu starten. Doch dann verstirbt Nan plötzlich und alles ist wieder offen - besonders, als ersichtlich wird, dass nicht nur Leah das Grundstück geerbt hat, sondern sie es sich mit ihrem Kindheitsfreund David teilen muss. Und dieser hat vollkommen andere Vorstellungen davon, wie verfahren werden soll. Werden die beiden sich einigen können?

MEINE MEINUNG:
Im November und Dezember ist es wie jedes Jahr wieder erneut so weit: Die Weihnachtsromane finden Einzug in die Buchhandlungen und -regale - denn womit lässt es sich besser bei grauem Wetter in eine Decke kuscheln als mit einer Liebesgeschichte unter dem Weihnachtsbaum? Auch Jenny Hale, die jährlich einen Sommer- und einen Winterroman veröffentlicht, will die Leser mit "Mein Weihnachtswunsch bist du" in diese kalte wie auch zauberhafte Zeit entführen. Das in allerdings nur 300 Seiten, was es der Autorin erschwert, wirklich in die Tiefe zu gehen.

Leah ist eine noch recht junge, alleinerziehende Mutter, die schon lange den Wunsch hegt, sich mit ihrer eigenen Veranstaltungs-Location selbstständig zu machen. Sie hat ein gutes Herz, ist allerdings auch sehr nah am Wasser gebaut und weint ständig, was bald anstrengend wird. Love-Interest David stellt nach dem anfänglich netten Eindruck bald ziemlich hohe Anforderungen - will keinen Kompromiss schließen und Leah mehr oder weniger das Haus wegnehmen, und zwar gegen eine lächerliche Summe. Er entwickelt sich zwar, allerdings haben die meisten seiner Taten mit Geld zu tun. Die Nebenfiguren sind eigentlich das sympathischste - Leahs beste Freundinnen etwa, oder ihre süße Tochter Sadie, die allerdings übertrieben altklug ist.

Nach dem interessanten Einstieg und dem ersten Aufeinandertreffen des späteren Liebespaars, schwächelt der Mittelteil leider stark - es passiert nur sehr wenig, und dem Grund für Nans geändertes Testament kommt niemand wirklich näher. Um dieses Rätsel in die Länge zu ziehen wird sich sogar einiger Logiklücken bedient: Dass David und Leah trotz Adresse etwa eine Person nicht finden, oder dass genau diese später ganz praktisch einfach vor der Tür steht. Immerhin die Liebesgeschichte kann überzeugen - diese schwelgt nämlich erst sehr lange und kann sich so gut entwickeln. Das Ende wird sehr kitschig, schließt die Geschichte aber recht zufrieden stellend ab, wenn auch leider nicht so winterlich wie erwartet.

FAZIT:
Zur Weihnachtszeit lese ich sehr gern mal eine winterweiße Liebesgeschichte - da kam mir "Mein Weihnachtswunsch bist du" gerade recht. Leider zieht es sich in der Mitte sehr, und die Handlungsstränge können nicht alle überzeugen. Insgesamt nur nett. Knappe 3 Punkte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Stimmung
  • Geschichte
  • Gefühl
  • Figuren
Veröffentlicht am 04.12.2018

Düster, zauberhaft, wunderschön

Die Sprache der Dornen
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Man diskutiert darüber, wie Yeva Luchova wirklich aussah, ob ihr Haar wie poliertes Gold oder von glänzendem Schwarz war, ob ihre Augen so blau wie Saphire oder oder grün wie frisches Gras waren. Uns geht ...

Man diskutiert darüber, wie Yeva Luchova wirklich aussah, ob ihr Haar wie poliertes Gold oder von glänzendem Schwarz war, ob ihre Augen so blau wie Saphire oder oder grün wie frisches Gras waren. Uns geht es aber nicht um die Einzelheiten ihrer Schönheit, sondern um ihre Macht, und so reicht es, wenn wir wissen, dass Yeva vom Moment ihrer Geburt an entzückend war.
Sie war so wunderschön, dass die Hebamme, die ihrer Mutter beistand, das weinende Neugeborene an sich riss und sich mit ihm im Wäscheschrank einschloss, wo sie darum flehte, dass man ihr noch einen Augenblick gewährte, um in Yevas Gesicht zu blicken. Sie weigerte sich, wieder herauszukommen und das Baby loszulassen, bis der Herzog endlich nach einer Axt schickte und die Tür einschlagen ließ.
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INHALT:
Die Welt der Grischa ist ebenso beeindruckend, wie sie gefährlich ist: Magische Fähigkeiten, tödliche Feinde und brodelnde Rebellionen prägen die verschiedenen Länder. Und jedes von ihnen hat seine eigenen Sagen: Rawka etwa besitzt eine ganz eigene Version von Hänsel und Gretel, in Fjerda erzählt man sich dagegen eine herzzerreißende Geschichte über Meerjungfrauen. Sie alle bringen diese besonderen Länder näher, die von so vielen unterschiedlichen Menschen und Talenten bevölkert werden. Und sie alle begeistern mit ihren eigenen Motiven und Ideen, die in den Bann ziehen und lange nicht mehr loslassen.

MEINE MEINUNG:
Wer einmal ein Buch von Leigh Bardugo gelesen hat, weiß, dass man bei ihr eigentlich immer gut aufgehoben ist: Die Beschreibungen, die alles zum Leben erwecken; die authentischen Dialoge; die fulminanten Ideen und Showdowns - das alles macht jedes ihrer Werke zu einem besonderen Lesevergnügen. "Die Sprache der Dornen" ist allerdings keiner ihrer Romane, sondern stattdessen eine Kurzgeschichtensammlung, deren Sagen in den Ländern von "Glory or Grave" und dem "Grisha Verse" spielen. Und obwohl ich eigentlich kein großer Fan so kurzer Erzählungen bin, wurde ich hier einmal mehr vollkommen in den Bann gezogen.

Das liegt zum Teil natürlich an der Aufmachung, die direkt ins Auge springt. Nicht nur ist die Sammlung wunderschön gebunden mit einem vom Original übernommenen Cover, auch die Innengestaltung ist ein wahrer Augenschmaus - mit komplett bunter Schrift, die teilweise sogar mitten in der Erzählung die Farbe wechselt, und wunderschönen Verzierungen am Rand, die mit Fortschreiten der Handlung einen Rahmen bilden. Am Ende jeder Geschichte erwartet den Leser ein zauberhaft illustriertes Bild, das grundsätzlich so voller Details steckt, dass man sich daran kaum sattsehen kann.

Im Nachwort berichtet die Autorin darüber, wie manche Märchen bei ihr als junges Mädchen einen unguten Nachgeschmack hinterlassen haben - weil das Ziel der weiblichen Protagonistin es oft war, zum Schluss geheiratet zu werden, oder weil der wahre Bösewicht in "Hänsel und Gretel" für sie eigentlich der Vater war, der sich nicht gegen seine Frau durchsetzen konnte. Dass ihre eigenen Geschichten anders werden sollten, merkt man sehr deutlich, und das ist auch gut so! Nicht nur können die weiblichen Figuren hier starke Heldinnen sein, sie dürfen auch mal die Rolle des Bösewichts einnehmen. Neben den Neuerzählungen von "Hänsel und Gretel" und der "Kleinen Meerjungfrau", hat mich besonders direkt die erste Geschichte um Ayama begeistert, bei der ich auch nichts gegen einen kompletten Roman hätte. Jede der Geschichten besitzt eine leise Botschaft, wie man es von Märchen kennt, auf die ein- oder zweimal etwas zu sehr mit dem Finger gedeutet wird. Davon abgesehen aber beinhalten die Buchdeckel knapp 200 Seiten schönste Fantasy-Literatur.

FAZIT:
Dass auch ich mich dem Hype um Leigh Bardugos Welt der Grischa nicht entziehen kann, ist kein Geheimnis - aber wer hätte gedacht, dass auch ihre Kurzgeschichten so zu begeistern wissen? Um auf so wenigen Seiten immer wieder so fesseln zu können, ist schon einiges an Talent notwendig, und das entdeckt man hier auf jeder Seite. Wunderschöne Erzählungen, die mal auf düstere, mal auf zauberhafte Weise in andere Welten einladen. 5 Punkte!

Veröffentlicht am 03.12.2018

Etwas erwachsen für ein Kinderbuch, dafür einfallsreich

Oliver Parkins
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"Du scheinst tatsächlich über gewisse Fähigkeiten zu verfügen", fuhr Panzini sinnend fort. "Unter anderen Umständen hätten wir uns auf diese Weise gar nicht begegnen dürfen. Vielleicht bist du tatsächlich ...

"Du scheinst tatsächlich über gewisse Fähigkeiten zu verfügen", fuhr Panzini sinnend fort. "Unter anderen Umständen hätten wir uns auf diese Weise gar nicht begegnen dürfen. Vielleicht bist du tatsächlich derjenige, den wir suchen."
"Was hat das alles zu bedeuten, Mr Panzini?", flüsterte Oliver und konnte den Blick nicht von den durchdringenden Augen des Zirkusdirektors abwenden.
"Es hat zu bedeuten, mein guter Junge, dass du möglicherweise eine große Zukunft vor dir hast. Doch liegt sie nicht in dieser Welt."
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INHALT:
Fairie's Willow im Jahr 1917: Der erste Weltkrieg ist in vollem Gange und Unterhaltung ist eher knapp. Kein Wunder also, dass der junge Oliver Parkins und sein bester Freund Alfie begeistert sind, als plötzlich ein Wanderzirkus ihre kleine Stadt besucht. Doch der Zirkus ist nicht ohne Grund dort - Gauklerfürst Alfonso Panzini kommt aus einer anderen Welt, und er ist auf der Suche nach einem besonderen Jungen, der eine Prophezeiung erfüllen und damit die Menschheit retten soll. Und Oliver scheint der Gesuchte zu sein! Gemeinsam mit Alfie wird er vom Direktor nach Carsalen geführt, ein wundersames Land voller seltsamer Gestalten und Geschehnisse. Doch etwas Böses lauert, das alles vernichten will. Und nur die drei können es aufhalten...

MEINE MEINUNG:
Sprechende Tiere, ein zauberhafter Zirkus und eine überraschende und seltsame Welt - "Die Entdeckung von Carsalen" ist ein von vielen originellen Ideen bereichertes Debüt, das den Anfang der Reihe um Oliver Parkins bildet. Patrick L. Blockum hat einen sehr angenehmen Stil, der besonders bei den authentischen Dialogen überzeugt, dabei aber nicht immer dem Alter der Protagonisten entsprechend kindgerecht bleibt, was für junge Leser kompliziert sein könnte. Am besten kann man die Erzählweise wohl als allwissend einordnen - zwar dreht sich das Ganze hauptsächlich um den jungen Oliver, doch auch die Beweggründe und Gedanken seiner Begleiter erfährt man immer wieder aus dem Text.

Oliver Parkins ist ein mutiger, aber trotzdem bescheidener Hauptcharakter, der einem schnell ans Herz wächst. Er ist schon relativ erwachsen für seine elf Jahre und ist sich seiner Verantwortung durchaus bewusst. Was allerdings an ihm so besonders sein soll, dass er die gesamte Welt retten kann, wird nicht wirklich ersichtlich. Gleichzeitig erleichtert das den kindlichen Lesern, sich in jedem Fall mit ihm zu identifizieren. Alfie ist eindeutig der frechere der beiden Freunde, der kein Blatt vor den Mund nimmt und davon abgesehen größtenteils ans Essen denkt, was ihn sehr sympathisch macht. Und dann sind da noch der Gauklerfürst Panzini und sein sprechendes Eichhörnchen Rodolfo, die beide unterhaltsame und gewitzte Wegbegleiter sind. Die übrigen Charaktere tauchen größtenteils leider immer nur für einen kurzen Zeitraum auf und bleiben daher nicht wirklich im Gedächtnis, auch weil sie oft absichtlich kompliziert wirkende und leicht alberne Namen besitzen, die man sich kaum merken kann.

Carsalen als Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist ein sehr gut ausgearbeiteter Ort, der vom Aufbau ein wenig an die Ringreiche einer anderen Buchreihe erinnert, aber trotzdem viele eigene und originelle Eigenschaften vorzuweisen hat. Viele Fabelwesen wie Satyrn oder Elfen tauchen auf, haben aber oft noch einen kleinen Twist, der sie besonders macht. Teilweise übertreibt es der Autor aber stark in seinen Beschreibungen: Immer wieder erklärt eine der Figuren den beiden Jungen Dinge, die rein gar nichts mit der Handlung zu tun haben, und daher teilweise anfangen zu langweilen. Zudem ist die Handlung doch sehr einfach gestrickt, was für die Zielgruppe sicherlich gut ist, sich dann aber mit der zeitweise hoch gestochenen Sprache beißt. Durch die Einfachheit kommt es leider auch zu ein paar Logiklücken, die allerdings wohl nur älteren Lesern auffallen werden. Bis zum Ende bleibt unklar, warum genau Oliver nun der Auserwählte ist - da die Geschichte aber noch viele offene Punkte hat und die erste Begegnung mit dem bösen Zauberer noch aussteht, kann diese Erklärung in einem der erwarteten Folgebände noch kommen. Genaueres ist aber noch nicht bekannt.

FAZIT:
"Die Entdeckung von Carsalen" ist ein Debüt, was man dem Roman sprachlich aber kaum anmerkt. Es ist ganz klar ein Kinderbuch, allerdings nur bezogen auf den Inhalt - dafür ist der Schreibstil dann nämlich sehr erwachsen. Der Weltenaufbau und die Protagonisten wissen zu überzeugen. Mir fehlten jedoch ein wenig die Nebenfiguren und im Zwischenteil zogen sich die Geschehnisse etwas. Dafür knappe 3,5 Punkte.

Veröffentlicht am 21.11.2018

Etwas zu weit hergeholte Auflösung

Mädchen aus dem Moor
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Wie von selbst fährt meine Hand zum Mund, als sei ich im Begriff, etwas Schreckliches auszusprechen.
Nein. Das kann ich meinem Mann nicht unterschieben, das kann ich noch nicht einmal denken. Welches ...

Wie von selbst fährt meine Hand zum Mund, als sei ich im Begriff, etwas Schreckliches auszusprechen.
Nein. Das kann ich meinem Mann nicht unterschieben, das kann ich noch nicht einmal denken. Welches Motiv hätte er denn haben sollen, warum hätte er es darauf anlegen sollen, mich loszuwerden? Darauf, dass ich einen tödlichen Unfall baue? Meine Gedanken wirbeln umher wie Flocken in einem Dartmoor-Schneesturm oben auf dem Skirr Hill. Und während ich über die Landstraße brettere, sitzen auf den Telegrafenmasten die Krähen und beobachten mich.
Schwarze Federn, schwarze Augen.
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INHALT:
Seit einem schweren Autounfall, bei dem Kath Redway mit ihrem Auto in einen See stürzte, ist nichts mehr wie zuvor. Aber wie war es vorher überhaupt? An einer Amnesie leidend, kann sie sich nur an weniges von diesem schicksalshaften Tag erinnern, und auch die Woche davor liegt im Nebel. Was ist genau geschehen und wieso scheint alles darauf hinzudeuten, dass das Ganze kein Unfall war? Wer ist der Mann, den ihre Tochter im Moor zu sehen glaubt? Und woher kommt das Gefühl, dass die Menschen in ihrer Umgebung etwas vor ihr verheimlichen? Kath setzt alles daran, die Geheimnisse zu lüften, und bringt damit sich und ihre Familie in große Gefahr...

MEINE MEINUNG:
Ein schwerer Unfall, der ein Familienleben zu zerstören scheint, eine verzweifelte Mutter und eine Spurensuche im nebligen Moor - das klingt äußerst spannend und äußerst atmosphärisch. S. K. Tremayne ist Bestsellerautor und für seine schaurigen Ideen bekannt, was auch beim "Mädchen aus dem Moor" nicht anders ist. Größtenteils wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive der Protagonistin erzählt, die - sehr angenehm - denselben Wissensstand wie der Leser besitzt. Zwischenzeitlich kommen auch noch ihre Schwägerin und ihr Ehemann zu Wort, die deutlich kryptischer berichten, was das Rätselraten umso spannender macht.

Es ist allerdings gar nicht so einfach, einen Zugang zu einer Hauptfigur zu erlangen, die sich selbst eigentlich gar nicht mehr kennt, die nicht weiß, welche Erinnerungen wahr sind und mit welchen ihr Gehirn vielleicht versucht hat, die Lücken zu füllen. Sicher ist aber: Sie ist eine liebende Mutter, die beinahe alles für ihre Tochter tun würde. Diese, Lyla, ist trotz oder auch wegen ihrer Eigenarten ein kleiner Schatz: Sie besitzt eindeutig autistische Züge, die sehr authentisch geschildert und nicht als Effekthascherei genutzt werden. Ihr Trauma durch die Geschehnisse ist nachzuvollziehen und sorgt das ein oder andere Mal tatsächlich für einen Kloß im Hals. Die anderen Figuren bleiben teilweise eher blass - besonders mit dem Ehemann Adam konnte ich mich gar nicht anfreunden, der anstatt zu hinterfragen nur beschuldigt, was nie anständig verurteilt wird.

Atmosphärisch ist der gesamte Thriller aber auf jeden Fall sehr packend - während Kath verschiedene Orte aufsucht, um ihre Erinnerung wieder zu erlangen, macht sie nicht nur schreckliche Entdeckungen, sondern beginnt sich bald auch zu fragen, wem sie eigentlich überhaupt vertrauen kann. Da läuft es einem schon kalt den Rücken hinunter. Im Mittelteil dreht sich das Ganze allerdings ein wenig zu sehr im Kreis, und die Auflösung ist doch relativ stark an den Haaren herbei gezogen. Es gibt ein Motiv, sogar eine Vorgeschichte, das hat mir aber nicht gereicht, um alle Geschehnisse und vor allem die Vorgehensweise des Strippenziehers zu erklären. Niemand kann ahnen, wie die Zielperson reagieren wird und seine Pläne daher so genau ausführen. Das hat dem Showdown leider einiges an Spannung genommen. Der Schluss ist gut gewählt und zufrieden stellend - aber nach dem Nebel und der Düsternis fehlt auch hier irgendwie noch der letzte große Knall.

FAZIT:
"Mädchen aus dem Moor" besitzt eine gute Grundidee, deren Umsetzung besonders mit der dichten Atmosphäre und einigen schaurigen Geschehnissen überzeugen kann. Charaktere und Auflösung stimmten mich allerdings nicht komplett zufrieden. Gute 3 Punkte und insbesondere eine Empfehlung für Fans des Moores.