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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.08.2020

Wichtiges Thema, mittelmäßige Umsetzung

Die Sommer
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Ich bin nicht der typische Leser von zeitgenössischen Romanen. Trotzdem versuche ich immer wieder, mir dieses Feld zu erarbeiten und habe erwartet, hier ein Buch voller wichtiger Botschaften mit einer ...

Ich bin nicht der typische Leser von zeitgenössischen Romanen. Trotzdem versuche ich immer wieder, mir dieses Feld zu erarbeiten und habe erwartet, hier ein Buch voller wichtiger Botschaften mit einer (oder mehreren) Lebensgeschichten zu erleben, die mich nicht nur den Romanen, sondern auch dem Thema der Unterdrückung von Kurden, der Flucht und dem Zwiespalt der in Deutschland lebenden, näherbringt. Verfehlt hat Ronya Othmann dieses Ziel nicht, ich werde definitiv mehr auf diese Thematiken in den vielen Nachrichten-Newslettern achten, die tagtäglich per Mail reinkommen. Jedoch konnte sie mich leider nicht packen und für ihr Buch begeistern. Ich überlege immer, was die Autorin bei ihrer Art des Erzählens gedacht hat: Wir erleben keinen stringent erzählten Roman, sondern eine Aneinanderreihung (biographischer?) Bausteine, fast wie in einem Tagebuch. Vielleicht soll es das auch sein, ein Erinnerungs-Tagebuch, bei dem man sich Jahre später auch nicht mehr an den zeitlichen Rahmen erinnert und plötzlich feststellt, dass zwischen dem ersten und zweiten Absatz ganze drei Jahre verstrichen sind? Die ganze Erzählweise ist natürlich sehr romantisch, jedoch konnten mich die endlosen Berichte über das Dorf einfach nicht packen – ab Seite 100 habe ich quergelesen und nur noch ausgewählte Passagen ausgiebig verfolgt. Ab Seite 200 schlägt die Geschichte dann um in eine Erzählung eines zerrissenen Erwachsenwerdens. Anders als der Klappentext verspricht, kommt jedoch der Punkt, an dem sich Leyla, die Protagonistin widersetzt, nie (oder habe ich ihn überlesen?). Sie sträubt sich gegen ihr Leben in Deutschland, möchte ihrer Familie in Syrien helfen, und doch passiert wenig in diese Richtung – oder ist das genau das, was die Autorin über das Leben in Deutschland aufzeigen möchte? Die gleiche Frage stelle ich mir in Bezug darauf, was aus dem Buch wie in Echt passiert ist und zu welchen Ereignissen passt – hat die Autorin extra wenig Kontextuelles eingebaut, damit der Leser anfängt selbst zu recherchieren und sich zu bilden? Auch das Ausbleiben von Anführungszeichen stellt mich vor die Überlegung: ein Gimmick, oder soll dadurch die Distanz zum Leser abgebaut werden?

Egal wie wichtig eine Geschichte ist, wie dringlich ein Thema, wenn das Buch mich als Leser nicht packen kann, fehlt mir etwas, um es in seinem vollen Potential auszuschöpfen und zu lesen. Zurück bleibt der Geschmack, ich hätte etwas verpasst, das vorher versprochen wurde und viele Fragen zum Schreib- und Erzählstil. Für mich ein Buch, dass mich trotz der erschreckenden Schilderungen zwar auf das Thema aufmerksam gemacht, erzählerisch jedoch leider kalt gelassen hat.

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Veröffentlicht am 03.04.2020

Es wird seinen Eindruck hinterlassen.

Miracle Creek
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Bevor ich das Buch angefangen habe, habe ich in einer Rezension gelesen, dass man dieses Buch mögen oder hassen kann, aber es wird seinen Eindruck beim Leser hinterlassen – und genau dem kann ich nur zustimmen. ...

Bevor ich das Buch angefangen habe, habe ich in einer Rezension gelesen, dass man dieses Buch mögen oder hassen kann, aber es wird seinen Eindruck beim Leser hinterlassen – und genau dem kann ich nur zustimmen.

Und doch habe ich ein wenig Probleme, eine eigene Rezension zu verfassen. Und zwar nicht, weil ich keine Gedanken zu dem Werk habe, sondern weil es für mich wenig zu kritisieren gibt (was ja bekanntlich super Stoff für eine Rezension ist). Trotzdem werde ich versuchen, alle Punkte abzudecken, wahrscheinlich weniger im Fließtext als ich es mir wünschen würde und eher wie eine Liste, die ich abhake.

Die Handlung an sich ist meiner Meinung nach perfekt. Das Buch wurde mir von verschiedenen Seiten als Thriller / Krimi, aber auch als Roman vorgestellt – Im Endeffekt ist es eine Mischung aus beidem. Der Plot, den man eher einem Thriller zuordnen kann, also der Tod der Patienten in der Kapsel, ist so gut konstruiert, dass er nicht nur völlig glaubwürdig ist, sondern den Leser wirklich mit jedem Kapitel in eine neue Richtung lockt und ihn auf einen neuen Verdächtigen einschiessen lässt. Dabei ist es jedoch kein Sprint, bei dem man nur auf drei Seiten brisante Neuigkeiten erhält, sondern eher ein Marathon, der immer wieder mit neuen Geheimnissen aufwartet, die bisher ungelüftet blieben. Das Ganze ist so dicht und wird nur noch durch die Aspekte bereichert, die ich einem Roman zuordnen würde. Nämlich die verschiedenen Sichtweisen, die wir an den aufeinanderfolgenden Prozesstage erleben. Sie geben Einblick in die unterschiedlichen Charaktere und Lebensgeschichten, die uns oft verborgen bleiben, ohne dabei zu überdramatisch oder unglaubwürdig zu wirken.

Und genauso zwiespältig wie vielleicht das Genre ist, ist auch der Schreibstil. Er ist nicht gestelzt literarisch, aber auch nicht blutig und effekthaschend. Wie das ganze Buch fühlt er sich echt und passend an, ohne dabei langweilig oder simpel zu wirken. Angie Kim schreibt gefühlvoll und vor allem mit Respekt für ihre Figuren und deren Taten, ohne dabei den Leser, seine Spannung und einen hochwertigen Schreibstil zu vergessen.

Ich war mir nach dem Lesen etwas unschlüssig, ob das Thema des Autismus in diesem Buch angemessen behandelt wurde, habe aber aus Rezensionen anderer geschlossen, das dem wohl besonders durch seinen objektiven Standpunkt so wäre. Ein weiteres interessantes und unbekanntes Thema, dass angesprochen wird, ist das Leben koreanischer Familien in den USA: für mich eine Neuentdeckung, über die ich jedoch noch viel mehr erfahren will.
Als einziges hat bei mir somit ein wenig die Affäre zwischen Matt und Mary angestoßen, aber auch dies habe ich als Teil des Plots akzeptiert und je näher man dem Ende kommt, desto deutlicher wird, dass auch dies wichtig ist für die Handlungsweisen der Figuren, die vielleicht auf den ersten Blick unverständlich erscheinen.

Das Buch endet nicht mit einem Knall und hat zwar kein offenes Ende, zeigt aber, dass so wie man schon während des Lesens feststellen musste, es immer weitergeht. Für mich war es ein hervorragendes Buch, dass ich zwar nicht ohne Bedenken jedem empfehlen kann, aber für mich definitiv ein Highlight ist und mich voller Erwartung auf das nächste Buch der Autorin warten lässt – 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 29.03.2020

Ein vergessenes Stück Emanzipation

Ich erwarte die Ankunft des Teufels
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Dass, anders als oft so dargestellt, Emanzipation und Feminismus nicht unbedingt nur Trenderscheinungen sein müssen, zeigt dieser autobiographische Roman von Mary Maclane – ist er immerhin schon fast 120 ...

Dass, anders als oft so dargestellt, Emanzipation und Feminismus nicht unbedingt nur Trenderscheinungen sein müssen, zeigt dieser autobiographische Roman von Mary Maclane – ist er immerhin schon fast 120 Jahre alt.

Die Autorin zeichnet das Bild einer jungen Frau, die sich nach mehr sehnt, als sie hat und ihr gegeben wird. Dabei geht es um materielles, emotionelles, aber eben auch ganz einfach um Respekt und Ansehen – etwas, was in der damaligen Zeit nicht zu Hauf gegeben war.

Genau wie die Frau auf dem Cover (was wohl Mary Maclane selbst ist), wirkt die Protagonistin gelangweilt, aber auch ein Stück arrogant und genervt. Schließlich würde sie alles für eine Veränderung geben, selbst die Welt an den Teufel, wenn man ihr doch nur die Möglichkeit geben würde.

Bei Erscheinen 1902, wurde das Buch als ein Tabubruch gewertet und der Schreibstil in Tagebuchform zeigt, dass auch Mary Maclane höhere Ansprüche hatte – reiht sie sich damit doch in die Reihen Bram Stokers und Daniel Dafoe.

Und ähnlich wie „Dracula“ und „Robinson Crusoe“ ist auch „Ich erwarte die Ankunft des Teufels“ sehr spannend. Nicht auf die nervenzerrende, blutige Art der anderen beiden Werke, jedoch möchte man einfach wissen, was der 19-Jährigen als nächstes wiederfährt und vor allem, wie sie es interpretiert und darstellt. Gleichzeitig liest es sich – vielleicht gerade durch die kurzen Einträge – sehr flüssig und man fliegt nur so durch die 200 Seiten.

Ein großer Bonus dieser Neuauflage sind auch das Nachwort der Übersetzerin Ann Cotten und dem Essay von Juliane Liebert, die dem Buch Hintergrund und dem Leser interessante Informationen geben.
Zuletzt auch noch ein großes Lob an den Verlag für die Aufmachung des Buches. Bei dem Cover gilt die Ausrede, man müsse bei Reclam an die gelben Schullektüren und somit an den Unterricht denken, auch nicht mehr!

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Veröffentlicht am 11.03.2019

Zeitreisen im Miniformat

Split Second - Zurück in der Zeit
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In "Split Second" funktionieren Zeitreisen - jedoch geht es gerade Mal eine Zeitspanne, die um einiges kürzer als ein Wimpernschlag ist, zurück.

Ähnlich kurzweilig ist aber der gesamte Thriller, der ...

In "Split Second" funktionieren Zeitreisen - jedoch geht es gerade Mal eine Zeitspanne, die um einiges kürzer als ein Wimpernschlag ist, zurück.

Ähnlich kurzweilig ist aber der gesamte Thriller, der zwischen Action und Sci-Fi wandert. Flüssig liest man sich durch das Buch und begleitet die gut ausgearbeiteten Protagonisten auf ihrer Flucht vor der Großmacht. Dabei lässt der Klappentext auf den Physiker Nate Wexler als Hauptcharakter schließen, jedoch folgen wir seiner Freundin Jenna, was ich nicht ersichtlich aus dem Klappentext finde.
Der Autor verwebt Grund- und weiterführende Infos mit dem Plot, sodass ein schlüssiges Werk entsteht, der durch die verschiedenen Sichten, Beweggründe und Figuren noch belebter wird.

Insgesamt ist "Split Second" ein durchaus gelungenes Buch, dass voller Spannung, actiongeladener Szenen und schnell wechselnden Orten und Personen besteht, die sich alleine zum Ende hin etwas in ihren Intrigen und Plänen verstricken. Eine große Empfehlung für Fans von Blake Crouchs "Dark Matter"!

Veröffentlicht am 07.02.2019

Das Erbe

Die Farben des Feuers
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Erzählt wird die Geschichte der jungen Frau Madleines Péricourt, deren Vater 1927 verstirbt und somit das schwere Erbe der Familienbank in ihre Hände gibt. Zuerst überfordert, meistert sie sich schnell ...

Erzählt wird die Geschichte der jungen Frau Madleines Péricourt, deren Vater 1927 verstirbt und somit das schwere Erbe der Familienbank in ihre Hände gibt. Zuerst überfordert, meistert sie sich schnell und behauptet sich zwischen den Wirren des beginnenden Zweiten Weltkriegs, einiger Börsenskandale und von Habgier trotzenden Menschen.

Die Leseprobe hatte ja schon viel versprochen: interessante Geschichte, tolles Setting und ein richtig guter Schreibstil. Das Buch verfügte über nicht weniger! Elegant und entspannt erleben wir das neue Leben der Alleinerbin, dass erst langsam beginnt und dann richtig Fahrt aufnimmt. Dabei geht der Autor nach einiger Einführungszeit in die Story und die Figuren irgendwann so zielstrebig vor wie Madeleine im Kampf um die Bank, um sie für ihren Sohn zu retten.

Schreiben kann Lemaitre auf jeden Fall. Dabei geht er sehr gründlich, feinfühlig und elegant vor. Zwischendurch eine Priese Bosheit, dann wieder ein kleiner Witz lockern das ganze, perfekt geschliffene Konstrukt auf.

Der Leser muss zwar einige Aufmerksamkeit mitbringen, um zwischen den Intrigen, Namen und Ereignissen durchblicken zu können, aber genauso wie es fordert, gibt das Buch dem Leser eine spannende und gleichzeitig gut geschriebene Geschichte zurück!

(Gleichzeitig habe ich im Lemaitre-Rausch auch das Hörbuch zu „Drei Tage und ein Leben“ gehört. Es fühlte sich zwar vom Schreibstil und der Geschichte ganz anders an, (was wohl an der Eintönigkeit liegt) wird aber auch in dieser französischen Entspanntheit erzählt, die gemächlich durch das Hörbuch leitet und den Leser wundert lässt, dass es doch so schnell vorüber ist.)