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Veröffentlicht am 29.10.2022

Wieder ein großartiges Leseerlebnis

Drachenbanner
2

„Drachenbanner“ ist der siebte Band der Waringham-Saga von Rebecca Gablé und schließt sich chronologisch ziemlich eng an den vorherigen Band „Teufelskrone“ an. Es ist die Regierungszeit von Henry III. ...

„Drachenbanner“ ist der siebte Band der Waringham-Saga von Rebecca Gablé und schließt sich chronologisch ziemlich eng an den vorherigen Band „Teufelskrone“ an. Es ist die Regierungszeit von Henry III. Von England, dem Sohn von John Ohneland, um den es im letzten Band ging. Nun lernen wir also seine Kinder kennen, denn neben Henry geht es auch um seine Schwester Eleanor Sie ist mit Simon de Montfort verheiratet, und dieses Paar spielt im Roman eine tragende Rolle.
Neben den historisch belegten Personen gibt es natürlich auch den fiktiven Ort Waringham, in dem der gleichnamige Earl mit seiner Familie lebt und die territoriale Herrschaft inne hat. Für ihn arbeiten zahlreiche Leibeigene, unter ihnen auch Bedric Archer und seine Familie. Bedric hat eine besonders innige Beziehung zu Adela of Waringham. Die beiden erblickten am gleichen Tag das Licht der Welt und sind wie Geschwister aufgewachsen, denn Bedrics Mutter war Adelas Amme. Als sie erwachsen werden, verwandelt sich die kindliche Freundschaft langsam in Liebe. Diese erscheint hoffnungslos, denn zu groß ist der Standesunterschied.
Adela wird zu Prinzessin Eleanor an den Königshof geschickt und findet in ihr eine Freundin und Vertraute. Bedric setzt alles daran, seinen Traum wahr werden zu lassen, denn er hofft, sich eines Tages aus der Leibeigenschaft frei kaufen zu können. Die Wege der jungen Liebenden trennen sich, und eine gemeinsame Zukunft scheint kaum möglich, denn Adela wird mit einem Ritter verheiratet. Und doch kreuzen sich ihre Wege immer wieder, und die kurzen Begegnungen lassen ihre Hoffnung neu aufflackern.
Einen Roman von Rebecca Gablé zu lesen, ist für mich immer etwas Besonderes, vor allem wenn es sich um einen Teil der Waringham-Saga handelt, da ist auch „Drachenbanner“ keine Ausnahme. Ich schätze die Art, wie die Autorin wahre Geschichte mit Fiktion verbindet. Da die Familie Waringham stets enge Verbindung zum englischen Königshaus hat, „erlebt“ man die historischen Ereignisse aus nächster Nähe sehr lebendig mit. Bei ihren Schilderungen hält sich Rebecca Gablé sehr nahe an der Realität, und ich bin immer wieder begeistert, wie großartig ihre Geschichten recherchiert und ausgearbeitet sind. In diesem Band ist unter anderem die Gleichberechtigung aller Menschen ein wichtiges Thema, und wir sehen nicht nur, wie der Adel lebt, sondern die Situation des Volkes wird sehr detailliert und authentisch dargelegt. Schwere Hungersnöte, ausgelöst durch Klimaveränderungen und Temperaturstürze wegen eines Vulkanausbruchs in Indonesien, bringen gerade die einfache Bevölkerung in schwere Existenznöte, sind für ausbrechende Seuchen verantwortlich und kosten viele Menschenleben.
Simon de Montfort setzte sich für gleiche Rechte aller ein. Sein Schicksal ist sehr eindrucksvoll dargestellt und hat mich letztendlich sehr berührt. Dass Bedric, der in Leibeigenschaft aufgewachsen ist, Simon de Montfort treu ergeben ist, verwundert nicht, denn er erlebt Montforts humanitäre Bemühungen aus nächster Nähe.
Ich gestehe, dass ich auch diesen Band wieder bewusst langsam und mit Genuss gelesen habe, um möglichst lange etwas von der Geschichte zu haben. Es ist faszinierend, mit welcher Leichtigkeit hier große Geschichte und ernste Themen sehr detailliert und fachlich kompetent, dabei aber verständlich und kurzweilig dargeboten werden.
Die Protagonisten konnten mich vom ersten Moment für sich einnehmen, denn Adela ist eine typische Waringham, pferdenärrisch, mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, mutig und nicht auf den Mund gefallen. Und auch Bedric hat mich fasziniert, denn er ist ein kritischer Geist, und wenn man bedenkt, was er schon in früher Jugend erleben und erdulden musste und was er dann aus seinem Leben gemacht hat, das ist der Stoff, aus dem die Helden sind. Und trotzdem wirken Adela und Bedric menschlich und glaubwürdig, denn sie sind nicht unfehlbar dargestellt, sondern haben beide auch ihre Macken und schwachen Seiten.
Alles in allem ist dieses Buch auf jeden Fall ein Jahreshighlight für mich, und ich hoffe sehr, auch in Zukunft noch mehr großartige Geschichten über weitere Generationen der Waringhams zu lesen.

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Veröffentlicht am 05.07.2021

"Wenn die Welt untergeht, geh' ich woandershin"

Sturmvögel
1

Emmy Seidlitz ist 86. Sie blickt auf ein langes, bewegtes Leben zurück und genießt nun im Alter die Tage wie sie kommen. Ihre älteste Tochter ist besorgt, weil Emmy gesundheitliche Probleme hat und vereinbart ...

Emmy Seidlitz ist 86. Sie blickt auf ein langes, bewegtes Leben zurück und genießt nun im Alter die Tage wie sie kommen. Ihre älteste Tochter ist besorgt, weil Emmy gesundheitliche Probleme hat und vereinbart einen Termin für sie beim Herzspezialisten. Emmys Gespräch mit dem Arzt ist sehr amüsant, denn die alte Dame ist um keine Antwort verlegen, hat aber so ihre eigene Meinung über das Leben und Sterben, die mit der des Arztes nicht unbedingt konform geht.
Kurz vor Emmys Geburtstag entdecken Tochter Hilde und Sohn Otto jede Menge alter Akten im Keller, die auf ein ungeahntes Vermögen hinweisen. Gerade für Otto käme ein Geldsegen recht gelegen, da er finanziell nicht sehr gut aufgestellt ist, und auch Hilde hätte nichts gegen eine satte Erbschaft, denn sie hatte anscheinend zeitlebens das Gefühl, benachteiligt zu sein.

Kurz vor Emmys Geburtstag entdecken Tochter Hilde und Sohn Otto jede Menge alter Akten im Keller, die auf ein ungeahntes Vermögen hinweisen. Gerade für Otto käme ein Geldsegen recht gelegen, da er finanziell nicht sehr gut aufgestellt ist, und auch Hilde hätte nichts gegen eine satte Erbschaft, denn sie hatte anscheinend zeitlebens das Gefühl, benachteiligt zu sein.
Ich muss gestehen, von Emmys drei Kindern waren mir von Anfang an nicht alle gleich sympathisch. Ich möchte aber diesbezüglich dem Roman nicht vorgreifen. Letztendlich hat alles seine Richtigkeit, dafür sorgt Emmy schon, auch wenn einige ihrer Mitmenschen sie völlig unterschätzen.
In zahlreichen Rückblicken erfährt man mehr über Emmys Schicksal. Sie hatte es als Kind nicht leicht und stand sehr früh als Waise da. Trotz aller Widrigkeiten hat sie sich nie unterkriegen lassen.

Vergangenheit und Gegenwart sind in Emmys Geschichte geschickt und stimmig verwoben. Gerade ihr früheres Leben, wo sie nicht nur mit Standesdünkel und Existenzproblemen zu kämpfen hatte, sondern daneben auch noch zwei Kriege durchstehen musste, habe ich atemlos verfolgt. Hier erfährt man einen schlimmen Part deutscher Geschichte aus Sicht der einfachen Bevölkerung. Emmy ist ein bewundernswerter Charakter, und egal was auf sie zukam, sie bewies immer Stärke und Mut. Erst ziemlich am Ende des Romans werden alle Fäden verknüpft, und der Kreis schließt sich. Gerade am Schluss hat Emmy noch einige Überraschungen für ihre Lieben im Ärmel.

Ich habe die Protagonistin richtig ins Herz geschlossen und mich am Ende des Buches nur ungern von ihr verabschiedet. Aber so ist das nun einmal, jede Geschichte, mag sie noch so fesselnd sein, hat irgendwann ein Ende, und ich muss zugeben, auch wenn es traurige Momente gibt, so ist der Schluss doch stimmig und zufriedenstellend; er passt einfach zum ganzen Roman! Es ist eine wunderbare Geschichte, die noch lange nachhallt, mit einer ganz besonderen Protagonistin, die der Welt auch mit 86 noch viel zu geben hat.

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Veröffentlicht am 24.06.2021

Großartiger Roman über die walisische Prinzessin Nesta ferch Rhys

Die Tochter des letzten Königs
1

Der Name der Autorin war mir schon länger ein Begriff, denn gerade über dieses Buch habe ich schon sehr viel Gutes gehört und gelesen. Der Roman stand schon viel zu lange in meinem Regal, und so habe ich ...

Der Name der Autorin war mir schon länger ein Begriff, denn gerade über dieses Buch habe ich schon sehr viel Gutes gehört und gelesen. Der Roman stand schon viel zu lange in meinem Regal, und so habe ich mich endlich von Sabrina Qunaj direkt ins 11. Jahrhundert nach Wales katapultieren lassen. Dort erlebt man sehr plastisch mit, wie Nesta verch Rhys bei einem Überfall durch die Normannen aus ihrer Heimat entführt wird. Da ihr Vater der Fürst von Deheubarth war, stellte Nesta eine wertvolle Geisel dar. In der Fremde wächst sie auf und kommt als junge Frau an den Englischen Hof. Dort erfährt sie Liebe und Freundschaft, aber sie wird auch immer wieder bitter enttäuscht. Bei allem was sie erlebt und was ihr widerfährt vergisst sie nicht, wo ihre Wurzeln liegen, und sie bleibt sich stets selbst treu.

Nesta ist keine fiktive Protagonistin, sondern es hat sie wirklich gegeben. Bei historischen Romanen, die auf wirklichen Ereignissen basieren und in denen reale Personen vorkommen, ist es für die Autoren gar nicht so einfach, die rechte Balance zwischen der Realität und der schöpferischen Freiheit zu finden. Lücken müssen geschlossen werden, denn nicht über alles von damals gibt es zuverlässige Aufzeichnungen.

Sabrina Qunaj ist es hervorragend gelungen, ihren Figuren Leben einzuhauchen und sie glaubwürdig agieren zu lassen. Der Roman hat siebenhundert Seiten, und seine Handlung umfasst einen Zeitraum von vierundzwanzig Jahren. Entsprechend lang ist die Liste der mitwirkenden Charaktere, von denen es die meisten wirklich gegeben hat. Auch wenn die Autorin kleine Änderungen an der Historie vorgenommen hat, um den Handlungsrahmen nicht zu sprengen und auch wenn wir heutzutage nicht mehr alles herausfinden können, was damals wirklich geschah, so habe ich nach dem Lesen dieses Romans doch ein klares Bild vor Augen, denn die Schilderungen der Autorin sind sehr lebendig und intensiv. Auf jeden Fall war Nesta eine starke Frau, der das Schicksal nichts geschenkt hat, die (sich) aber trotzdem niemals aufgegeben hat. Vorher hatte ich noch nie etwas über Nesta und ihr Schicksal gehört, aber ich bin froh, sie quasi über diesen Roman kennengelernt zu haben, denn ihre Rolle in der damaligen Geschichte war nicht unwesentlich. Mein Respekt gehört der Autorin für die umfassende und gründliche Recherche, die so einem Werk zugrunde liegt. Noch dazu ist dies nicht das Ende der Geschichte, sondern es gibt zwei Folgebände, die ebenso umfangreich und vermutlich ebenso großartig geschrieben sind wie dieser erste Band.

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Veröffentlicht am 29.12.2019

Beeindruckender Abschluss eines tollen Zweiteilers über Johann Georg Faustus

Der Lehrmeister (Faustus-Serie 2)
1

Zwischen dem Ende des ersten Bands und dem Beginn der Fortsetzung liegen sechs Jahre. Johann Georg Faustus ist rastlos, ständig unterwegs mit Karl Wagner und Greta, seiner Ziehtochter. Außerdem ist Fausts ...

Zwischen dem Ende des ersten Bands und dem Beginn der Fortsetzung liegen sechs Jahre. Johann Georg Faustus ist rastlos, ständig unterwegs mit Karl Wagner und Greta, seiner Ziehtochter. Außerdem ist Fausts Hund „Kleiner Satan“ immer mit dabei. Die Mitglieder der kleinen Truppe treten als Gaukler auf, verkaufen Heilmittel, und Faust stellt so manches Horoskop.
Als Johann vom Bamberger Fürstbischof eine Einladung erhält, weil er ihm ein Horoskop stellen soll, sagt er zu, in dem Bewusstsein, gleich ein Winterlager für sich und seine Gefährten zu haben. Aber in Bamberg angekommen, stellt Faustus fest, dass er verfolgt wird. Schon bald sind er, Karl und Greta auf der Flucht. Aber nicht nur von außen droht Gefahr, sondern auch innerhalb der Gruppe gibt es Differenzen, die weitgehend davon herrühren, dass Faust einige Geheimnisse hütet, die er nicht mit seinen Begleitern teilt.
Dieser zweite Band ist anders als der Vorgänger, aber nicht minder spannend. Faust und seine Truppe sind viel unterwegs, und bei Johann hat man das Gefühl, er würde vor etwas davon laufen. Dass er sich Greta nicht anvertraut, ihr die Wahrheit verheimlicht und auch Karl zum Stillschweigen verpflichtet, macht das Zusammenleben nicht leichter. Das Verhältnis der Drei ist angespannt und wird von viel Unausgesprochenem überschattet.
Im Verlauf der Geschichte passiert sehr viel, auf das ich hier nicht näher eingehen werde, um nichts Wichtiges vorweg zu nehmen.
Als Leser werden wir zu stillen Wegbegleitern von Johann, Greta und Karl. Wir erleben viel Schreckliches, was die Protagonisten nicht nur zutiefst erschüttert, sondern auch auseinander treibt.
Mit der Ausarbeitung und Charakterisierung seiner Protagonisten hat sich Oliver Pötzsch wieder selbst übertroffen. Man kann die einzelnen Personen gut verstehen und ihre Beweggründe nachvollziehen.
Die ganze Geschichte ist in einen dunklen Nebel getaucht, denn über allem lauert das Böse. Johann versucht, Auswege zu finden, denn er spürt, dass ihm Tonio del Moravia, sein alter Lehrmeister, auf den Fersen ist.
Bildgewaltig und ausdrucksstark sind die Schilderungen, interessant die Begegnungen mit historisch realen Persönlichkeiten.
Wie schon beim ersten Teil, so habe ich auch diesmal wieder zwischen dem Buch und dem Hörbuch abgewechselt, denn schon damals hat mich die sprachliche Darbietung von Tobias Kluckert fasziniert und begeistert. Ihm gelingt es unvergleichlich gut, die Stimmungen und die Dramatik verschiedener Szenen darzubieten. Dieser zweite und letzte Band um Johann Georg Faustus konnte mich wieder begeistern und mitreißen, wenn er auch nicht zu hundert Prozent an den Spielmann heran kommt.
Wie gesagt, ich habe längere Passagen gehört und immer wieder dazwischen gelesen. Für alle, die ausschließlich das Hörbuch hören: Das äußerst interessante und informative Nachwort des Autors sollte man unbedingt lesen, denn das ist leider beim Hörbuch nicht enthalten, und gerade hier erklärt Oliver Pötzsch so vieles, was hilfreich und wichtig ist, die Zusammenhänge optimal zu verstehen. Darum bin ich froh, auch das eBook zu haben, denn so ist die Geschichte für mich wunderbar abgerundet. Der historische Zweiteiler von Oliver Pötzsch, bestehend aus „Der Spielmann“ und „Der Lehrmeister“, ist absolut empfehlenswert. Beide Bände können auch einzeln gelesen werden, es lohnt sich aber auf jeden Fall, beide Bände in der chronologischen Reihenfolge zu lesen, denn dann erst ist die Geschichte perfekt.

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Veröffentlicht am 04.10.2019

Grandioser Blick zurück in die frühere Geschichte der Waringhams zur Zeit von Richard Löwenherz und John Ohneland

Teufelskrone
1

Dies ist der sechste Band von Rebecca Gablés Waringham-Saga. Im Gegensatz zu den vorherigen Bänden schließt sich die Handlung diesmal aber nicht chronologisch an, sondern sie spielt fast zweihundert Jahre ...

Dies ist der sechste Band von Rebecca Gablés Waringham-Saga. Im Gegensatz zu den vorherigen Bänden schließt sich die Handlung diesmal aber nicht chronologisch an, sondern sie spielt fast zweihundert Jahre früher als „Das Lächeln der Fortuna“. Genau genommen erleben wir die letzten Jahre der Regierungszeit von Richard Löwenherz und im Anschluss die Krönung und Herrschaft seines Bruders John „Ohneland“. Ein zweites Brüderpaar steht im Mittelpunkt des Romans, und das sind Guillaume und Yvain of Waringham. Im Gegensatz zu den königlichen Brüdern, die mehr oder weniger verfeindet sind, ist die Beziehung der Waringham-Brüder von Zuneigung geprägt, obwohl sie verschiedenen Seiten dienen. Während der ältere Guillaume seinen Herrn, Richard Löwenherz, auf einem Kreuzzug begleitet hat und sehr betroffen über Richards Gefangennahme kurz nach der Rückkehr aus dem heiligen Land ist, steht dem jüngeren Yvain etwas ganz anderes bevor, denn sein Vater, Lord Jocelyn of Waringham, hat für ihn eine Laufbahn bei den Templern vorgesehen. Doch es kommt alles ganz anders, denn er tritt bei Prinz John seinen Dienst als Knappe an. Fortan stehen Yvain und Guillaume auf verschiedenen Seiten, was durchaus zu kritischen Situationen und sogar zu einem Zerwürfnis führen könnte, aber die Brüder schließen einen Pakt, dass, ganz egal was zwischen König Richard und Prinz John geschehen wird, dies nicht zu einer Fehde zwischen ihnen selbst führen soll. Und doch gibt es eines, was die Brüder einerseits gemeinsam haben, was auch einen Keil zwischen sie treiben könnte, und das ist die Liebe zur selben Frau.

Zur Handlung, die sich von 1193 über die folgenden 23 Jahre erstreckt, möchte ich gar nicht allzu viel sagen, denn die Ereignisse sind so vielfältig, umfangreich und fesselnd, dass ich dem nicht in wenigen Sätzen gerecht werden könnte. Es wäre auch gar nicht Sinn der Sache, viel zu verraten, denn gerade das Buch selbst zu lesen und gefühlsmäßig mittendrin zu sein, ist eine Erfahrung, die jeder für sich machen sollte. Vieles was geschildert wird, gerade die unglaublichsten Ereignisse, sind wirklich passiert. Realität und Fiktion hat Rebecca Gablé auch in diesem Buch kunstgerecht verschmolzen. Die Grenzen zwischen Wahrheit und erfundener Geschichte sind fließend, und es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, wie es der Autorin gelingt, stets die richtigen Worte zu finden und ihre Leser mitzureißen. Auch dieses Buch ist wieder eine tolle Mischung aus englischer Geschichte, Abenteuer, Ritterleben und Romantik. Bei einigen wichtigen historischen Ereignissen hat man das Gefühl, selbst dabei zu sein, so plastisch und lebendig sind sie erzählt, beispielsweise erlebt man die Entstehung der Magna Carta hautnah mit.

Neben ihrem fundierten Wissen und dem packenden Erzählstil sind es die vielschichtigen Charaktere, die mir an Rebecca Gablés Büchern besonders gefallen. Mit Yvain of Waringham hat sie auch diesem Roman einen charmanten, sympathischen Protagonisten gegeben, der über viele ritterliche Tugenden verfügt, zugleich aber das Herz auf der Zunge trägt und sich manchmal dadurch selbst in Gefahr bringt. Yvain ist einerseits ein tapferer Held, der viele Schlachten zu schlagen hat, wobei ich nicht nur die mit dem Schwert meine, bei denen er für den König kämpft. Sehr oft gewährt uns die Autorin aber auch einen tiefen Blick in seine Gedanken und seine Seele, und da wird schnell klar, dass sich hinter seiner harten Schale ein sensibles Herz verbirgt und dass auch dieser tapfere Ritter nicht gegen Angst und Sorgen gefeit ist. Viele von Yvains Eigenschaften und Vorlieben erkennt man wieder, wenn man die Waringham-Saga von Anfang an verfolgt hat, denn der Ritter und seine Familie haben ihren Nachfahren so manches vererbt, sei es die besondere Liebe zu Pferden oder die „gläsernen Träume“, ganz besonders aber die unerschütterliche Loyalität ihren weltlichen Herrschern gegenüber. Bei Yvain ist das König John, der seinem Bruder Richard, nach dessen Tod, auf den Thron folgt. John ist eine facettenreiche Persönlichkeit, die ich hier noch einmal neu kennengelernt habe. Während sein Bruder Richard Löwenherz stets als Held gefeiert wird, ist John meist als abgrundtief böse dargestellt.

Wie es damals wirklich war, welche Charaktereigenschaften und welches Verhältnis zueinander die königlichen Brüder hatten, können wir heutzutage nur vermuten bzw. uns auf die Überlieferungen stützen. Letztendlich müssen wir uns aus den vorhandenen Fakten selbst ein Bild zurechtlegen. Die Eindrücke, die ich von Richard Löwenherz und seinem Bruder John bisher hatte, haben durch Rebecca Gablés Roman viele neue Facetten dazu bekommen, denn hier wird gezeigt, dass auch Richard ein brutaler Herrscher war und falsche Entscheidungen traf und dass auch John, trotz seiner vielen negativen Eigenschaften, durchaus auch menschliche Regungen zeigen konnte, wenn auch eher selten.

Ich könnte hier noch ewig so weiter erzählen, denn es gäbe noch so viel zu erwähnen, was bei einem Roman mit über 900 Seiten nicht verwundert. Zum Abschluss bleibt mir eigentlich nur zu sagen, dass es wieder ein wundervoller, lebendiger und mitreißender Roman ist, der seinen Vorgängern in nichts nachsteht.

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