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Veröffentlicht am 17.04.2017

Liebevolle und schrullige Geschichte

Das geheime Leben des Monsieur Pick
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David Foenkinos schaut in seinem neuesten Roman mit einem Schmunzeln auf den Literaturbetrieb und den Hype um ständig neue Bestseller.
Für das Buch "Das geheime Leben des Monsieur Pick" hat Foenkinos ...

David Foenkinos schaut in seinem neuesten Roman mit einem Schmunzeln auf den Literaturbetrieb und den Hype um ständig neue Bestseller.
Für das Buch "Das geheime Leben des Monsieur Pick" hat Foenkinos eine bretonische Bibliothek für Unveröffentlichtes erfunden, in Anlehnung an die tatsächlich existierende Brautigan Library in den USA, die wiederum auf eine Romanidee des Schriftstellers Richard Brautigan zurück geht.

In einer kleinen Bibliothek im Ort Crozon in der Bretagne endet "die literarische Variante des Jakobswegs", die Wallfahrt des Scheiterns, die Schriftsteller mit ihren unveröffentlichten Manuskripten unternehmen können. Jean-Pierre Gourvec, der den Menschen ansehen kann, welches Buch sie würden lesen wollen, richtet in seiner Bibliothek ein Regal mit abgelehnten Manuskripten ein, einen Platz, an dem auch das Scheitern bewahrt wird.
Nach seinem Tod droht dies in Vergessenheit zu geraten, bis die junge Pariser Lektorin Delphine Despero in eben diesem Regal eine sensationell gute Geschichte findet und in ihrem Verlag veröffentlicht.
Das Leben vieler Menschen wird dadurch völlig umgekrempelt, angefangen von den Angehörigen des aus Crozon stammenden Autors und Pizzabäckers Henri Pick bis zu Delphine selbst und ihrem Liebsten, dem Schriftsteller Frédéric Koskas, dessen veröffentlichter Roman kaum beachtet wurde.

"Als müsste man mit jedem Satz zeigen, was für ein gewaltiger Schriftsteller man ist. Der erste Roman ist immer der eines fleißigen Schülers. Nur Genies sind von Anfang an faul."

Witzig, ein bisschen mäandernd, aber dabei nie den Faden verlierend, mit teils scharfem Blick und wirklich gelungener poetischer Sprache wird die Geschichte aufgerollt. Die Charaktere sind liebevoll-überspitzt dargestellt, mit kritischem aber nicht maßregelndem Blick.
Man amüsiert sich gleichermaßen über Pragmatismus und Wortkargheit von Madeleine, der Ehefrau des nunmehr berühmten Monsieur Pick und über den etwas wunderlichen und wegen des Rummels um ein fremdes Buch eifersüchtigen Frédéric, der lieber mit sich allein als mit anderen ist:
"Die Angewohnheit der Menschen, sich für eine Stunde oder zwei zu verabreden, um irgendwelche Neuigkeiten auszutauschen, erschien ihm absurd. Er tauschte sich lieber mit der Stadt aus, das heißt, er ging spazieren"

Die Geschichte selbst entwickelt sich recht gemütlich. Foenkinos' Stil zeigt, dass er unverkrampft und mit viel Leichtigkeit schreiben kann, bei manchem ein bisschen zu lange verweilt, über anderes einfach hinweg springt. Das macht den Charme des Romans aus und ist gleichzeitig ein kleines Manko im mittleren Teil, wenn die Geschichte stockt und ein paar Längen hat.

Der Fokus des Romans liegt für mich zum einen in der mit zwinkerndem Auge betrachteten Literatur und im Finden und Erkennen guter Geschichten, zum anderen aber auch in der Kraft, die von Paaren ausgeht.
Delphine und Frédéric zum Beispiel sind recht gegensätzlich und gerade dabei, mehr übereinander herauszufinden, oder Madeleine und Henrí Pick, die sich offenbar nicht gut kannten und erst auf den zweiten Blick Gemeinsamkeiten haben.
Auch hier blickt Foenkinos mit liebevollem Humor auf seine Figuren:
"Ein linearer, elektrischer Lichtstrahl kündigte ihre (Delphines) Ankunft an. Frédérik schlenkerte dagegen ruckartig hin und her, seine Fahrweise hatte mehr etwas künstlerisches."
So schön lassen sich Gegensätze durch Radfahren ausdrücken!

"Nur für sich selbst schreiben ist, als würde man die Koffer packen, um anschließend nicht zu verreisen."

Normalerweise mag ich solche rundum-Wohlfühlbücher nicht sehr gerne, aber wegen der vielen Kleinigkeiten, die mich haben lachen lassen, wegen den wirklich verdrehten Charakteren, die oft nicht aus ihrer Haut können und dadurch ihre ganz persönlichen kleinen Katastrophen auslösen, und der für mich doch kauzigen Art, wie der Autor Schicksal spielt und alles wieder zurecht rückt, hat mir das Buch gut gefallen.
Empfehlen kann ich das Buch allen, die eine amüsante und nicht tief greifende Geschichte über die Liebe zum Lesen, die Liebe zum Leben und den Mut zur Veränderung lesen wollen.

Veröffentlicht am 06.03.2017

Wahrheit oder Fiktion

Sein blutiges Projekt
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Im August 1869 passiert in dem Bauerndorf Culduie an der Westküste Schottlands ein Dreifachmord, verübt vom siebzehnjährigen Roderick Macrae. Macrae hat den Constable Lachlan MacKenzie und zwei seiner ...

Im August 1869 passiert in dem Bauerndorf Culduie an der Westküste Schottlands ein Dreifachmord, verübt vom siebzehnjährigen Roderick Macrae. Macrae hat den Constable Lachlan MacKenzie und zwei seiner Kinder auf brutalste Weise erschlagen.
Das Dorf Culduie besteht nur Häusern, in denen 25 Menschen leben und als Kleinbauern (Crofter) ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Familie Macrae lebt unter ihnen mit zwei Kühen, sechs Schafen und einem gepachtetem Feldstück, dass sie bewirtschaftet. Entbehrungsreich, voller harter Arbeit und mit sehr wenigen Kontakten zu den anderen Bewohnern ist das Leben der Familie, weshalb zunächst unverständlich ist, wie es zu solch brutalen Mehrfachmorden kommen konnte.
Für einen Thriller ungewöhnlich ist von Anfang an klar, dass Roderick die Morde begangen hat, die Spannung bezieht das Buch aus der Frage nach dem Warum und daraus, ob die Verteidigung in der Lage ist, ihn vor dem Tod am Galgen zu bewahren.

Graeme Macrae Burnet versetzt den Leser sehr gekonnt ins 19.Jahrhundert, mitten nach Schottland. Mit Spannung verfolgt man beim Lesen die Anfänge der Kriminalpsychologie, streift durch Gerichtsakten und medizinische Gutachten, Befragungen von Zeugen und die Berichtserstattung zum Prozess und wird dabei oft an der Nase herumgeführt. Erst während des Prozesses selbst kommen Hintergründe der Tat ans Licht.

Der Roman besteht aus drei Teilen, beginnend mit den Aufzeichnungen des inhaftierten Roderick Macrae, die dieser auf Anraten seines Rechtsbeistandes anfertigte, folgt Teil zwei als Bericht des Gefängnisarztes und Kriminalanthropologen James Bruce Thomson. Der letzte Teil besteht aus einem ausführlichen Prozessbericht, während dem die Verteidigung versucht, durch den Tatbestand der geistigen Verwirrung ihren Schützling von dem Tod durch den Strang zu bewahren.

Wahrheit oder Fiktion?
Der Autor Graeme Macrae Burnet schafft mit diesem ungewöhnlichen Thriller ein raffiniertes Puzzle und verwirrt den Leser zum einen mit den Berichten selbst, zum anderen damit, dass er sich selbst im Vorwort in die Geschichte einbringt, indem er behauptet, er sei zufällig bei Recherchen auf Dokumente zu diesem Fall gestoßen. Es werden von ihm sehr gekonnt Zweifel an der Echtheit geschürt, sowohl bei den Aussagen und Niederschriften der am Fall Beteiligten als auch am gesamten Fall selbst.

Sehr gut lesbar, unglaublich spannend und absolut ungewöhnlich und unkonventionell hat Burnet über das Verbrechen geschrieben. Neben der vereinnahmenden Geschichte der Morde und des Prozesses hat er eine Konstruktion geschaffen, die über Realität auf äußerst raffinierte Weise reflektiert und den Leser letztlich fragend zurücklässt. Bravo dafür!

Graeme Macrae Burnet, geboren 1967 in Kilmarnock, Schottland, studierte Englische Literatur in Glasgow. Er schreibt seit seiner Jugend und wurde 2013 mit dem Scottish Book Trust New Writer’s Award ausgezeichnet. Er lebt und schreibt in Glasgow.

Veröffentlicht am 06.03.2017

Unbegrenzte Möglichkeiten

Das geträumte Land
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"Das geträumte Land", das hochgelobte Debüt der Kameruner Autorin Imbolo Mbue, erzählt eine Geschichte vom Traum von besseren Leben einer armen Auswandererfamilie in New York. Es ist eine Geschichte von ...

"Das geträumte Land", das hochgelobte Debüt der Kameruner Autorin Imbolo Mbue, erzählt eine Geschichte vom Traum von besseren Leben einer armen Auswandererfamilie in New York. Es ist eine Geschichte von Opferbereitschaft und Verzweiflung, Klassentrennung und Rassismus, Ethnischer Identität, Heimat- und Familienverbundenheit, aber auch von Glück, Hoffnung und Liebe zu Zeiten der beginnenden Wirtschaftskrise 2007.

Jende Jonga, ein armer Kameruner, hat in den USA Asyl beantragt und nach zwei einsamen Jahren mit vielen Mühen schafft er es, dass ihm seine Geliebte Neni und ihr gemeinsamer Sohn Liomi mit einem Studentenvisum folgen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Paar kann in New York endlich heiraten - in Kamerun vermochte der bitterarme Jende das Brautgeld an Neni's Vater nicht bezahlen. Die junge Familie wünscht sich von ganzem Herzen ein besseres Leben in New York, und als Jende den gut bezahlten Job als Chauffeur des reichen Wall-Street-Brokers Clark Edwards bekommt, scheint ihren Träumen nichts mehr im Weg zu stehen, zumal auch Neni über den Sommer einen Job als Haushälterin im Sommerhaus der Familie Edwards bekommt.
Doch die optimistische Ansicht, dass es jeder in Amerika schaffen kann, bekommt starke Risse, als Clarks Firma im Börsencrash 2007 pleite geht. Das und eine Ehekrise in der Familie Edwards führt zu Jendes Kündigung und im harten Alltag mit mehreren schlecht bezahlten Tellerwäscher-Jobs verliert er allmählich die Hoffnung, dass ein unausgebildeter Schwarzer ohne Greencard in den USA alle Chancen hat, wenn er nur will.
Er driftet immer weiter von seiner Frau Neni weg, die Ihren College-Abschluss nachholt, um Pharmazie studieren zu können, und für die New York trotz quälendem Geldmangels und der zunehmenden Gefahr der Ausweisung die großartige Stadt ist, in der die Familie den Schritt in ein besseres Leben und die Aufnahme und Akzeptanz in besser gestellte Kreise erreichen wird.

Die beiden Familien Edwards und Jonga könnten unterschiedlicher nicht sein. Die reiche weiße Familie Edwards mit einer tadellosen äußeren Fassade erscheinen großzügig, nett gegenüber ihrer Dienerschaft, doch es besteht nie ein Zweifel an den Klassen- und Rassenunterschieden. Hinter dem schönen Glitzer und Familienglück jedoch bröckelt es.
Die Familie Jonga, anfangs der Inbegriff des Familienglücks und der Hoffnung, verändert sich im Laufe der Geschichte, als Jende merkt, dass er mit der ständigen Angst vor der Abschiebung und großer Armut trotz der zehrenden und zeitraubenden Jobs nicht mehr leben will und kann. Bei beiden Jendes offenbaren sich zunehmend negative Eigenschaften ihrer Persönlichkeiten und es kommt immer öfter zum Streit.

Die Frage nach Familie, Identität und Heimat tritt immer mehr in den Vordergrund, ob in Amerika tatsächlich die Verwirklichung des amerikanischen Traumes möglich ist oder ob Rückkehr zur Familie in der Kamerunischen Stadt Limbe das Familienglück bedeutet.
Die Geschichte der aus der Armut in der Heimat geflohenen Familie Jonga mit der Verantwortung zur finanziellen Versorgung für alle in Kamerun zurückgebliebenen Verwandten berichtet eindringlich von Wünschen und Träumen und deren Zerbrechlichkeit am Maßstab des aufreibenden täglichen Lebens von armen Auswanderern. Beherrscht von der ständigen Angst vor den Behörden, verurteilt zu vielen Stunden Arbeit in mehreren schlecht bezahlten Jobs, hilflose Sorge bei Krankheit oder Tod von Familienangehörigen zu Hause und das Gefühl der Heimatlosigkeit bestimmen das Leben. Die Autorin schafft es, wenn auch mit einigen wenigen Längen, sehr gut, dies zu verdeutlichen und unterhaltsam, spannend und intensiv von der Zerrissenheit und der Qual der Familie Jonga zu berichten.

Der Roman, der nichts an Aktualität eingebüßt hat, ist sehr gut lesbar, authentisch verfasst und zu Recht ein gelobtes Debüt, das trotz kleiner Schwächen eine Leseempfehlung mit vier Sternen von mir bekommt.

Veröffentlicht am 04.03.2017

Verwurzelung und Schieflage

Betrunkene Bäume
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"Betrunkene Bäume" ist der Titel des unaufgeregten Debütromans Ada Dorian, der 2016 für den Ingeborg Bachmann Preis nominiert war.
Betrunkene Bäume stehen in der sibirischen Taiga im Permafrostboden, ...

"Betrunkene Bäume" ist der Titel des unaufgeregten Debütromans Ada Dorian, der 2016 für den Ingeborg Bachmann Preis nominiert war.
Betrunkene Bäume stehen in der sibirischen Taiga im Permafrostboden, sie entwurzeln und schwanken, wenn der Boden zu stark auftaut. Die Folge ist, dass sie durch schiefes Verwachsen das Ungleichgewicht auszugleichen suchen und in weitere Schieflagen geraten.

Wie die Bäume geraten auch die beiden Protagonisten des Romanes, der über 80 Jahre alte Erich und die jugendliche 17-jährige Katharina, in Schieflage.
Erich, der alte Professor eines Ost-Berliner Instituts, lebt alleine in seiner Wohnung, kämpft gegen das Altern an und versucht, trotz zunehmender körperlicher Schwäche und Eingeschränktheit seine Selbstbestimmung gegenüber der Tochter Irina zu bewahren. Er lehnt jegliche Unterstützung ab, außer die von Katharina, einer jungen Ausreißerin, die in der leergeräumten Wohnung gegenüber einen notdürftigen Unterschlupf gefunden hat. Katharina war gestrauchelt, als ihr Vater die Familie verließ, um in Sibirien zu arbeiten, und die Mutter konnte sie nicht halten. Erich hat früher für sein Institut auch in Sibirien geforscht, er hat die unermesslichen und wundervollen Baumlandschaften der Taiga im Herzen mit nach Hause gebracht, sie sind seither sein Lebensinhalt geblieben.
Nach den ersten flüchtigen Begegnungen der beiden verwurzeln Erich und Katharina tief miteinander, ohne zwangsläufig danach gesucht zu haben. Erich muss sich mit Vergänglichkeiten und den oftmals herben Problemen des Alterns herumschlagen, Katharina ist wie ein junges Bäumchen im Wind gebeutelt und sucht für sich, richtige Entscheidungen zu treffen. Unbewusst helfen und stützen sie einander, Katharina wird angeleitet und wächst, Erich öffnet sich der jungen Frau und vertraut ihr seine Geheimnisse an.

Die Autorin erzählt die Geschichte mäandernd, wechseln zwischen verschiedenen Zeitebenen und Orten. Allmählich erst bekommt man Einblick in Erichs früheres Leben und seine für ihn so eindrucksvolle Reise nach Sibirien, wo er mehr als ein halbes Jahr in den Wäldern verbrachte. Dort war er glücklich, er liebt die Bäume und spricht mit ihnen. Das verband ihn mit Wolodja, seinem damaligen wortkargem Scout und späterem Freund. Dort lernte er seine Geliebte und spätere Ehefrau Dascha kennen, die ihm nach Deutschland folgte.
Der heutige Erich wirkt einsam, traurig und verlassen, geplagt von Alltagsproblemen und der übereifrigen und dennoch kühlen Fürsorge seiner Tochter, die ihn am liebsten ins Heim stecken würde - hier wird für meinen Geschmack stellenweise ein wenig zu dick aufgetragen, Klischee blitzt aus manchen Passagen hervor.
Katharina fühlt sich von allen verlassen, vom Vater, der weit weg ist, von der Mutter, die seit Jahren einen ihr entgegengesetzten Tagesrhythmus hat und sämtlichen Mut und Stärke eingebüßt hat, und von ihrem Freund Felix, dem Streber, der im Gegensatz zu ihr aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammt und sich von ihr abwendet. Das Straßenkind, dass durch die Hilfe und das Interesse für einen einsamen alten Mann sich selbst helfen kann und auf den Weg zurück findet. Für Katharina - ein bisschen zu blauäugig für das, was sie hinter sich hat, musste ebenfalls in meinen Augen ein bisschen zu viel Schablonenhaftes herhalten.

Ich war dem Buch in der ersten Hälfte seltsam fern. Vielleicht lag es daran, dass der alte Erich und seine Probleme sehr viel Raum bekamen, mich hätte mehr interessiert, was aus seinem etwas planlosem Aufbruch in die Taiga geworden war. Vielleicht lag es aber auch an der bereits erwähnten Abdruckartigen Wiedergabe der Wirklichkeit. Ich war beim Lesen weder Erich noch Katharina wirklich nahe, wohingegen ich die Nebenfigur Wolodja als eindrucksvoll und greifbar dargestellt fand. Im zweiten Teil, wenn etwas mehr zu Erichs Erlebnissen in der Taiga erzählt wird und das Bild klarer wird, hat mir das Buch besser gefallen. Davon hätte ich mir mehr gewünscht.

Trotz der angebrachten Kritik handelt es sich um einen sehr lesenswerten Roman, der sprachlich dicht und klar formuliert einen ungewöhnliche und stellenweise auch berührende Geschichte von Heimat, Entwurzelung, Freundschaft und Schuld zu erzählen hat. 3,5 Sterne vergebe ich dafür.

Veröffentlicht am 29.01.2017

Atemloses Lesevergnügen

Minus 18 Grad
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Bin ich ein Fan von Stefan Ahnhem? Nachdem ich das Buch "Minus 18 Grad" des schwedischen Thrillerautors um den melancholischen Ermittler Fabian Risk innerhalb ganz weniger Tage gelesen habe: ja, das bin ...

Bin ich ein Fan von Stefan Ahnhem? Nachdem ich das Buch "Minus 18 Grad" des schwedischen Thrillerautors um den melancholischen Ermittler Fabian Risk innerhalb ganz weniger Tage gelesen habe: ja, das bin ich!
"Minus 18 Grad" ist der dritte Teil der Serie um den Kommissar Fabian Risk als Helsingborg und die dänische Polizistin Dunja Hougaard und liest sich genau wie die beiden ersten Teile fast atemlos spannend und schlüssig und hat noch dazu einen in meinen Augen wirklich innovativ anderen Plot. Schön an dieser Reihe ist, dass man auch diesen Band völlig unabhängig von der Kenntnis der Vorgängerbände lesen kann und dennoch Querverbindungen zu den anderen Büchern findet.

Inhalt:
Nach langer Ruhepause mit der Familie und fast ein bisschen Langeweile für Fabian Risk stehen die Ermittler aus Helsingborg vor einem Rätsel. Aus dem Hafenbecken wird nach einer Verfolgungsjagd ein Auto mit einem am Steuer sitzendem Toten geborgen, der offensichtlich nach übermäßigem Alkoholgenuss ertrank. Doch bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass jener bereits seit zwei Monaten tot und eingefroren war, der zudem noch in den letzten Tagen von glaubhaften Zeugen gesehen wurde. Was zunächst als unlösbares Rätsel erscheint stellt sich als unglaublich perfider Plan eines Serienmörders heraus, bei dem Risk und das restliche Team alle Register ziehen müssen. Der Mörder, ein Meister der Inszenierung und des Identitätenschwindels, ist den Ermittlern stets einen Schritt voraus und nur durch glückliche Zufälle kommen sie ihm auf die Spur.
Die Dänin Dunja Hougaard, mittlerweile als strafversetzte Streifenpolizistin unterwegs und immer noch im Negativ-Fokus ihres missgünstigen ehemaligen machtgierigen Vorgesetzten, ermittelt auf eigene Faust in unglaublich brutalen und völlig sinnfreien Mordfällen im Zusammenhang mit "happy slapping", wodurch sie bei ihrem gesamten Team auf völliges Unverständnis und Ablehnung stößt und Fabian Risk um Hilfe bittet, als die vermeintlich Schuldigen in seiner Heimatstadt geortet werden.

Die Geschichte, in der Fabian Risk in diesem Band ermittelt, ist für mich neu, außergewöhnlich und dennoch glaubhaft. Es gibt sehr viele Fäden, die die Ermittler aufgreifen und verfolgen müssen, Erfolge und Misserfolge pflastern den Weg und am Ende sind es Zufälle, auf die das Team beim genaueren Hinsehen stößt, die erfolgversprechend sind und den nötigen Vorsprung gegenüber dem unglaublich brutalen, unsozialem und mit allen Wassern gewaschenem Mörder verschaffen.
Durch die vielen verfolgten Wege entstehen mehrere Spannungsbögen, die mich beim Lesen zwischendurch Atem holen ließen.

Dunjas Ermittlungen verfolgte ich sehr bedrückt. Auch hier gibt es enormes Spannungspotenzial, gleichzeitig fühlt man Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Unverständnis und um ehrlich zu sein auch Wut beim Lesen über eine der schlimmsten Arten der Mordens, nämlich einfach so ohne Grund und Zweck zur Befriedigung des Spaßbedürfnisses.

Daneben räumt Ahnhem wie in den Bänden zuvor den familiären und privaten Geschichten seiner Figuren Platz ein. Fabian kämpft um seine Liebe zu Sonja und um seine Familie, die Teamchefin als Helsinborg, Astrid Tuvesson kämpft mit ihrem Alkoholproblem, über die Teammitglieder Elvin und auch über Molander macht Risk ungeheuerliche Entdeckungen, die als Cliffhanger für den nächsten Roman enden. Letzters war mir aber ehrlich gesagt fast ein bisschen zu dick aufgetragen- ein kleiner Wermutstropfen.

Fazit:
Der Thriller ist sehr empfehlenswert, man sollte mit Beginn des Lesens alle wichtigen Verabredungen für die nächsten Tage absagen, das Eisfach gut gefüllt haben und die Finger unbedingt vom Wodka lassen, nach ersten paar Seiten hat man einfach keine andere Wahl, so ähnlich ging es mir zumindest.