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Veröffentlicht am 17.04.2017

Darwin und Explosionen

Abgrund
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Was haben eine mysteriöse neue Haiart vor der Küste der Galápagos-Inseln und brennende Boote im Hafen von Puerto Ayora, ebenfalls Galápagos-Inseln, gemeinsam?
Damit beschäftigt sich der promovierte Biologe, ...

Was haben eine mysteriöse neue Haiart vor der Küste der Galápagos-Inseln und brennende Boote im Hafen von Puerto Ayora, ebenfalls Galápagos-Inseln, gemeinsam?
Damit beschäftigt sich der promovierte Biologe, Sachbuch- und Romanautor Bernhard Kegel in seinem neuesten Roman "Abgrund".

Galapágos - beim Klang dieses Namens denkt man sofort an Charles Darwin, seien legendäre Schiffsreise mit der "Beagle" und Finken als eine Basis der Evolutionstheorie, aber auch an Traumstrände, Vulkane, herrliche und abgeschieden Landschaften und ungewöhnliche, einzigartige Flora und Fauna.
Anne und Hermann, ein deutsches Liebespaar aus Kiel in mittleren Jahren, sie Kriminalistin und er Biologe, sind für ihren ersten gemeinsamen Urlaub auf dem Galápagos Archipel mit eben diesen Erwartungen gestartet, doch alles kommt anders.
Hermann begibt sich zusammen mit zwei Kollegen auf die Suche nach einem rätselhaftem Hai, den er zusammen mit Anne bei einem vorangegangenen Tauchgang entdeckt hatte, und stößt dabei auf überraschende Veränderungen der Lebensgemeinschaften von Riffen vor der Küste. Alles deutet auf neue Tierarten hin, die im Hexenkessel der Evolution aufgrund der globalen klimatischen Veränderungen entstanden sein könnten.
Anne, in Puerto Ayora auf Santa Cruz zurückgeblieben, wird in kriminalistische Ermittlungen verwickelt, als nachts Schiffe in Flammen aufgehen und der zuständige Inspektor sie um Hilfe bittet. Sie gerät dabei in ein kompliziertes Geflecht aus Naturschutz, traditioneller Fischerei, Tourismusboom und und dem komplizierten sozialen Gefüge der Inseln.

Das Buch ist vom Autor als Wissenschaftsroman angelegt und bietet eine mehr oder weniger glückliche Mischung aus Sachbuch, Forschungsberichten und Krimi.
Als Einstieg und Prolog erlebt man einen sehr schönen kurzen Ein- und Rückblick in Darwins Galapágos-Reise und das Sammeln der berühmten Darwin-Finken durch seinen Helfer und Begleiter Syms Covington. Der Rahmen schließt auf gelungene Weise, wenn im letzten Teil des Romanes die moderne und aktuelle Forschung an den Darwin-Finken die Handlung bestimmt.
Die Beschreibung der Tauchgänge zur Suche der neuen Haiart, zur Untersuchung des Lebens auf Riffen vor dem Archipel und die damit verknüpfte Vermittlung von Wissen zu Veränderungen dazu hat mir ebenso gut gefallen wie Informationen zu globalem Klimawandel und den damit verbundenen Folgen.
Weniger gelungen finde ich den Teil der kriminalistischen Handlung. Zum einen ist für mich sehr vorhersehbar, was passieren wird, zum anderen hätte hier etwas mehr Subtilität bei den Ermittlungen und ein weiterer Blickwinkel außer dem von Anne der Spannung gut getan, zumal sich insbesondere im mittleren Teil des Romans doch recht umfangreiche Passagen nur damit befassen.

Sprachlich halte ich das Buch für sehr geeignet, auch Nicht-Biologen gute erste Einblicke in die Abstammungslehre und die Forschung dazu zu geben. Es regt dazu an, auf diesem Gebiet weiteres zu lesen, bei mir zumindest hat das funktioniert. Angenehm fand ich beim Lesen, dass ich zwar ein paar Kleinigkeiten nachgeschlagen habe, da ich biologisch doch sehr unbedarft bin, der Roman jedoch nicht vor Unverständlichkeiten bezüglich Begriffe und Erläuterungen strotzt.

Insgesamt hat mir das Buch gefallen, wenn ich mir auch mehr Raum für Herman's Part und die Forschung nach Veränderungen in der Fauna und weniger für den Krimiteil gewünscht hätte.
Ich vergebe 3,5 Sterne für ein interessantes Buch bezüglich gut verpacktem Wissenserwerb, das etwas mehr Spannung vertragen hätte.

Veröffentlicht am 17.04.2017

Unter Glas

Die Terranauten
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T.C. Boyle, der 68-jährige Punk der US-Literatur mit viel Sinn für skurrile Gemeinschaften, befasst sich in seinem neuesten Werk "Die Terranauten" mit der Flucht aus der normalen Biosphäre der Erde zu ...

T.C. Boyle, der 68-jährige Punk der US-Literatur mit viel Sinn für skurrile Gemeinschaften, befasst sich in seinem neuesten Werk "Die Terranauten" mit der Flucht aus der normalen Biosphäre der Erde zu einem Leben unter Glas.

Angelehnt an ein Forschungsprojekt aus den 1990er Jahren, bei dem acht Menschen mit verschiedenen Tier- und Pflanzenarten in eine künstliche Atmosphäre unter Glas in der Wüste Arizonas einzogen, lässt Boyle seine Protagonisten, vier Männer und vier Frauen, in Ecosphere 2 einziehen. Zwei Jahre sollen sie dort leben, sich ausschließlich von den Dingen ernähren, die sie selbst anbauen und erzeugen, genau wie die echten Kolonisten damals.
Das System unter Glas, ein technisches Wunderwerk mit fünf Biomen wie Regenwald, Ozean samt Wellengang, Savanne, Wüste und Anbaufläche auf kleinstem Raum, verlangt seinen Bewohnern harte körperliche Arbeit von früh bis spät ab, um sowohl die Systeme in Gang zu halten als auch ausreichend Nahrungsmittel wie Bananen, Süsskartoffeln, Reis, Milch und selten Fisch und Fleisch zu erzeugen.

Boyle´s Roman setzt kurz vor dem zweiten 2-jährigem Einschluss ein, denn Ecosphere 2 ist für viele aufeinander folgende Einschlüsse mit jeweils 2-Jahresdauer konzipiert.
Nach einem langen Auswahlverfahren ist die Euphorie bei Einschluss unter Glas groß, die Terranauten befinden sich im frenetischen Sinnes- und Sensationstaumel, überzeugt von der wichtigen und guten Sache als Beitrag zum Umweltschutz und zur zukünftigen Kolonialisierung des Weltalls. Nichts rein, nichts raus lautet die Devise, unter keinen Umständen soll der Einschluss vor Ablauf der Zeit unterbrochen werden.

Doch es kommt wie es kommen muss bei derartigen Schicksalsgemeinschaften. Ständig beobachtet von der Projektleitung, von sensationslüsternen Touristen und von Presse und TV, die in dem Megaterrarium eine riesige Reality-Show a la Big Brother sehen, leben die acht Terranauten immer genervter und müssen sich mit Sauerstoffmangel, Nahrungsmittelknappheit und ständiger gewollt-positiver Präsenz in den Medien herumschlagen. Kein freier Tag, keine Privatsphäre, verordnete Freizeitgestaltung, und alles im Dienst der guten Sache fordern ihren Tribut und führen zu Neid, Missgunst, Rivalitäten und handgreiflich ausgetragenem Streit.

Im Roman erzählen drei Stimmen als Ich-Erzähler nach und nach die Geschichte der Mission und der Terranauten rückblickend. Zwei davon sind während des zweiten Einschlusses dabei unter der Glaskuppel, Dawn Chapman als Nutztierwärterin und Ramsay Roothoorp als PR-Spezialist. Die dritte Stimme, Linda Ruy, wurde als Terranaut abgelehnt und steht während des Einschlusses außerhalb der Glaskuppel im Dienst der Mission.

T.C. Boyle legt in seinem Buch großen Wert auf den menschlichen Faktor, auf die Entstehung und die Zuspitzung von Konflikten zwischen den Terranauten unter der Kuppel und zu Personen außerhalb des Einschlusses. Erzählerisch ist es dabei nicht optimal, wenn die Geschichte ausschließlich im Rückblick dargeboten wird, und der Autor schafft es leider nicht, den Berichten der drei Ich-Erzähler dennoch etwas Unmittelbares mitzugeben.
Die einzelnen Berichte lesen sich eher wie sehr viel später ausgegrabene Tagebücher, ein bisschen angestaubt und leider nicht mitreißend. Dass vieles in meinen Augen sehr breit getragen wurde, bevor die Berichte auf den Punkt kommen, sorgen für zusätzliche Gemütlichkeit, wenn nicht gar Geschwätzigkeit.

Das Setting - acht Menschen unter einer Glaskuppel für zwei Jahre eingeschlossen, bietet eigentlich jede Menge Potenzial für die solchen Gemeinschaften in anderer Literatur anhaftender Eigendynamik, aber leider gestalten sich sowohl Persönlichkeiten als auch Situationen ein bisschen wie unter Glas und nur aus der Ferne betrachtbar, vielleicht gewollt.
Das Warten darauf, dass beim Klären von Essensfragen, dem ewig gleichen Tagesablauf und bei kleineren und größeren Reibereien die Situation hochkocht oder gar eskaliert, ist oft umsonst. Und wenn sich ein kleines Drama ereignet hat, sind die Ich-Erzähler schnell damit fertig und gehen zum Tagesgeschäft über.
So auf den ersten ca. 300 Seiten des Romans.

Im zweiten Teil des Buches nimmt die Spannung zwar zu, doch die Figuren bleiben seltsam blass, sowohl die drei Ich-Erzähler als auch die andern Handelnden, zu denen man als Leser fast keinen Bezug bekommen kann.

Ich weiß, dass T.C. Boyle das besser kann. Dennoch ist es ein gut lesbares Buch, das von mit gute 3,5 Sterne verdient. Ich hätte mir mehr Dynamik und Konfrontation und weniger ausschweifende Erzählung und dahinplätschernde Handlung gewünscht.

In der Realität übrigens, in Biosphäre 2 in Arizona, sank während des ersten Einschlusses nach einem halben Jahr der Sauerstoffgehalt bedrohlich, viele der Wirbeltiere starben und die Herrschaft von Kakerlaken und Ameisen sorgte für großen Hunger. Die Mission musste letztlich unterbrochen werden. Der zweite Einschluss verlief besser, doch Streitigkeiten bei den Finanziers beendeten das Projekt im September 1994.

Veröffentlicht am 17.04.2017

Dramatische brasilianische Familiengeschichte

Luana
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Der Debütroman "Luana" von Luiza Sauma ist eine mitreißende und tragische Familiengeschichte, die nach Hitze, Sonne und Wehmut Brasiliens schmeckt.

"Mamãe starb im Januar 1985 bei einem Autounfall auf ...

Der Debütroman "Luana" von Luiza Sauma ist eine mitreißende und tragische Familiengeschichte, die nach Hitze, Sonne und Wehmut Brasiliens schmeckt.

"Mamãe starb im Januar 1985 bei einem Autounfall auf der Straße, in der ich aufgewachsen bin. Alles, was danach passierte, war zweitrangig."

André Cabral ist 16 Jahre alt, als seine Mutter in Rio de Janeiro tödlich verunglückt und die Familie mit dem Vater und seinem 10 Jahre jüngeren Bruder traumatisiert zurück lässt. Er erlebt nach dem Unfall alles wie durch einen Schleier, kapselt sich von seinen Freunden ab und versucht, den Tod der Mutter zu verarbeiten. Unterschwellig spürt er ständig den Verlust, fühlt die Leere in der Wohnung, die sie zurück gelassen hat, sieht sie in seinen Träumen und Albträumen.
Andrés Vater verschanzt sich hinter seiner Arbeit als Schönheitschirurg, der kleine Bruder Thiago sucht Trost bei Rita, dem Hausmädchen, das mit ihrer Tochter, wie damals bei reichen Brasilianern üblich, in der Wohnung der Familie in Rio wohnt.
Es ist die Zeit des Endes der Militärdiktatur in Brasilien, doch André bekommt wegen seiner Trauer kaum etwas davon mit und es interessiert ihn auch nicht wirklich. Er ist, wie seine Freunde auch, aufgewachsen mit dem silbernen Löffel im Mund, ohne politische Sorgen.
Ein Jahr nach dem Tod der Mutter verlieben sich André und Luana, die schöne halbwüchsige Tochter von Rita, ineinander, und sind sich dabei bewusst, dass ihre Liebe wegen Überschreitung der gesellschaftlichen Klassengrenzen keine Zukunft hat.
André verlässt Rio nach der Schule mit 18 Jahren und geht nach London, wo er Medizin studiert, seine spätere Frau Esther kennenlernt und mit ihr eine Familie gründet. Nach vielen Jahren bekommt er einen Brief von Luana mit rätselhaften Andeutungen, der ihn aus der Bahn wirft...

"Ich werde Dich warten lassen, so wie Du uns hast warten lassen.“

André ist zu Beginn des Buches über 40 Jahre alt und gestandener Hausarzt, wohlsituiert und seit kurzem getrennt von seiner Frau in London lebend, erinnert sich an seine Jugend in Brasilien, insbesondere an die Zeit nach dem Unfall seiner Mutter. Einfühlsam, poetisch und ein bisschen melodramatisch erzählt die Autorin die Geschichte des jungen André, der versucht, sein Leben weiter zu leben. Er vermisst seine Mutter, die Umarmungen des liebevollen schwarzen Hausmädchens Rita, denen er als 17jähriger fast-Mann entwachsen ist und um die er seinen kleinen Bruder beneidet. Zurückgezogen leidet er allein, nachts, in seinen Träumen.
Sein Vater versucht, ihn zur Arbeit anzuleiten, er möchte, dass sein Sohn seine Klinik übernimmt. Doch André wehrt sich gegen den ihm eigentlich nicht vertrauten Vater, bricht aus Konventionen aus, zum Beispiel durch seine Liebe zu Luana, und flüchtet schließlich aus Brasilien, ohne zurück zu blicken.

Unterbrochen werden die Erinnerungen, die André an seine Jugend hat, von Luanas Briefen, wodurch Stück für Stück ein vergrabenes Geheimnis offenbart wird, das André letztlich dazu bringt, nach Brasilien zu reisen. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, zu spät und nach zu langer Zeit hat André sich erinnert und aufgerafft, manchmal kann nichts bereinigt oder gerichtet werden.
Darin liegt wohl die Tragik der Geschichte, er versucht, seiner Vergangenheit zu entfliehen und wird nach vielen Jahren von ihr doch wieder eingeholt.

„Du warst zu jung, um zu wissen, was du tatest und ich war zu jung, um dich davon abzuhalten.“

Wie André übergeht die Autorin in ihrem Buch die gesellschaftspolitische Lage im damaligen Brasilien weitgehend. Man bekommt einen kleinen Einblick in die Klassenteilung, erfährt am Rande des Geschehens von der täglichen Gewalt durch Raubüberfälle, spürt der Lebensart der reichen hellhäutigen Brasilianer nach. Mehr jedoch nicht, und darum geht es in dem Roman auch nicht vordergründig.
Die Kritik ist subtil und unterschwellig eingeflochten, wenn zum Beispiel die Rede davon ist, dass die Dienstmädchen Rita und Luana der Familie Cabral nicht gleichgestellt sind, oder dass Luana die Schule nicht beenden kann.
Für André, durch dessen Augen man das Geschehen betrachtet, ist dies normal, und durch seinen Schmerz hat er keinen freien Blick entwickeln können. Erst im Nachhinein erlebt er diesbezüglich eine Änderung, als er schon lange in London gelebt hat.

Völlig unkitschig schreibt sie Autorin, von der Trauer, von der Liebe zwischen André und Luana und von seinem Neuanfang in Europa. Ohne Happy End, ohne Tränen sondern einfach so, wie im richtigen Leben, schließt sich der Kreis für André bei seiner Reise nach Brasilien, und er muss für sich selbst einen neuen Anfang finden.
Sprachlich schafft es die Autorin dabei, die Hitze und Lebenslust der Brasilianer spürbar zu machen. Gleichzeitig gelingt ihr auch der Vermittlung der verzweifelten Versuche Andrés, sein Leben zu meistern und mit der Trauer um seine Mutter zurecht zu kommen. Ein bisschen wohldosierte Melodramatik, wie in einer guten Telenovela, bekommt der Geschichte dabei sehr gut.

Fazit
Ein mitreißendes und eindringlich erzähltes Buch, sehr zu empfehlen für alle, die unkitschige Familiengeschichten mögen; ein Buch, das durch Zeitwechsel, Rückblicke und teils überraschende Wendungen spannenden Lesegenuss bietet. Das ist mir eine Leseempfehlung und gute vier Sterne wert.

Die Autorin Luiza Sauma, geboren in Rio de Janeiro, lebt in London und wurde 2014 mit dem Pat Kavanagh Award ausgezeichnet. Luana ist ihr Debüt.

Veröffentlicht am 17.04.2017

Gemütlicher Krimi aus Amsterdam

Der Tote im fremden Mantel
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Ich bin Neuling in der erfolgreichen und gelobten Krimireihe um den Hobbydetektiv Pieter Posthumus vom Autorenduo Britta Bolt. Beim Hoffmann und Campe Verlag erschien im März 2017 der dritte Teil "Der ...

Ich bin Neuling in der erfolgreichen und gelobten Krimireihe um den Hobbydetektiv Pieter Posthumus vom Autorenduo Britta Bolt. Beim Hoffmann und Campe Verlag erschien im März 2017 der dritte Teil "Der Tote im fremden Mantel", ein beschaulicher und solider Krimi, den man hervorragend ohne Vorkenntnisse der Vorgängerbände lesen kann.

Was haben ein einsamer toter Junkie in einem teuren Kamelhaarmantel, eine globale Energiekonferenz in Amsterdam und ein ehemaliger Hausbesetzer miteinander zu tun?
Pieter Posthumus arbeitet für die Stadtverwaltung Amsterdam im "Büro der einsamen Toten", wo er sich voller Hingabe um die würdige Bestattung von unbekannten oder in Einsamkeit gestorbenen Menschen kümmert. Ein toter Junkie in einem viel zu teuren Mantel landet bei ihm, und als Pieter in der Innentasche des Mantels die Visitenkarte eines Teilnehmers der Energiekonferenz "Earth 2050" findet, der kurz zuvor überfallen wurde und später ebenfalls stirbt, ist sein Interesse geweckt und er beginnt in Sherlock-Holmes-Manier zu ermitteln.
Er stochert bei seinen Untersuchungen in ideologischen und persönlichen Motiven, kreuzt die eigene Vergangenheit in Form von Hausbesetzerfreunden, die als Demonstranten gegen die Energiekonferenz agieren und nicht ganz unschuldig erscheinen, und gerät in Konflikt mit dem organisierten Verbrechen im Amsterdamer Rotlicht-Milieu.

Die Geschichte entwickelt nur sehr langsam Spannung, viel Raum nehmen die gemütliche Amsterdamer Lebensart, der persönliche Bereich von Pieter und sein Alltag ein. Es ist angenehm und schön, gemeinsam mit ihm in seiner Wohnung an der Kracht zu frühstücken, mit der Fahrrad und Schirm in der Hand auf den Markt zu fahren, seine Freunde abends in der Kneipe "Dolle Hond" kennenzulernen, ohne dass der Text dabei zu beschaulich und langweilig wird.
Man erfährt beim Lesen auch als Serienneuling genug background, um sich ein Bild von den vielen Charakteren und den schönen Nebenschauplätzen machen zu können, ohne überfordert zu sein. Genießerisch berichtet die Geschichte von den vielen gemütlichen Ecken Amsterdams, von der Freundschaft und Verbundenheit in Quartierskneipen und von der Freude, frisch auf dem Markt gekauftes zu kochen und zu genießen. Man wird sehr schnell warm mit den Figuren und dem Umfeld, fühlt sich beim Lesen wohl und integriert.

Die Krimihandlung nimmt viel Raum im Buch ein und entwickelt gegen Ende der Geschichte auch eine Brutalität, die mir allerdings wie ein kleiner störender Gegenstand vorkam. Spannung wird anfangs sehr langsam aufgebaut, es gibt viele Nebenschauplätze und Verwicklungen, denen der Faden folgt. Dadurch verzettelt sich der Krimiteil der Handlung leider etwas zu sehr.
Am Ende hingegen stürmt der Fall mit ziemlich brutalen Details in Hochgeschwindigkeit zur Auflösung. Das passt in meinen Augen nicht sehr gut zum Rest des Buches, in dem Pieter Posthumus viele winkelige und verschlungene Wege geht und nicht geradewegs auf das Ziel losrennt.

Nach den Rezensionen zu den vorangegangenen Bänden hatte ich mir mehr Handlung zu Pieters Arbeit als Organisator von Bestattungen in seinem Amt für Katastrophenschutz und Bestattungen erhofft. Das wird im vorliegenden Band wenig berührt, was ich ein wenig schade finde.
Andererseits ist es für mich jetzt fast Pflicht, die beiden hochgelobten Vorgängerbände der Reihe zu lesen.

Fazit
Das Buch ist eine solide Kriminalgeschichte mit vielen Nebenschauplätzen und Charakteren, die eine angenehm zu lesende Hommage an die Stadt Amsterdam und die holländische Lebensart bietet, ohne hausbacken zu sein. Für Liebhaber von Regionalkrimis ein lesenswertes Buch, für hartgesottene Krimifans dürfte die Handlung allerdings zu wenig Spannung bieten.

Veröffentlicht am 17.04.2017

Dritter Fall für Cormoran Strike

Die Ernte des Bösen
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J.K. Rowling hat mit dem Krimi "Die Ernte des Bösen" den dritten Band um ihren Privatdetektiv Cormoran Strike und seine Assistentin Robin Ellacot unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht. Nach ...

J.K. Rowling hat mit dem Krimi "Die Ernte des Bösen" den dritten Band um ihren Privatdetektiv Cormoran Strike und seine Assistentin Robin Ellacot unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht. Nach den ersten beiden Bänden wird der Ton und die Gangart härter gegenüber den satirischen Blicken auf die Modeszene in "Ruf des Kuckucks" und auf den Literaturbetrieb in "Der Seidenspinner", die allerdings auch schon nicht für zarte Seelen geschrieben waren.

Fasziniert von menschlichen Abgründen böser Seelen rollt die Autorin die Geschichte um einen monströsen Killer und Serienmörder auf, er mit seinen Taten diesmal direkt auf den ehemaligen Militärpolizisten und Privatermittler Cormoran Strike abzielt.
Robin Ellacot bekommt ein Paket mit einem abgetrennten Frauenbein geschickt, amputiert an genau der Stelle, an der Cormoran in Afghanistan sein verwundetes Bein amputiert wurde. Mögliche Verdächtige gibt es genügend, sein Stiefvater- ein ehemaliger Rockstar, den Cormoran für den Mörder seiner Mutter hält, und zwei wegen Gewalttaten unehrenhaft aus der Armee entlassene Soldaten, Männer mit psychopathischen Zügen. Sie alle hassen Strike und haben auch allen Grund dazu, was beim Aufrollen der Vergangenheit des Privatdetektivs klar wird.

Das sympathische Duo Strike und Ellacot ermittelt traditionell durch Befragungen und Recherchen, bei denen man sehr gut miträtseln kann. Diese Passagen lesen sich gut, aber dennoch vermisse ich hier ein klein wenig den angestaubten Charme, den die ersten beiden Bände transportierten.
Zwischendurch gibt es Blicke durch die Augen des Killers, die grausam und verabscheuungswürdig sind. Natürlich herrscht hier weit mehr Spannung als bei althergebrachter Detektivarbeit, aber auf ein paar Details hätte ich sehr gut verzichten können.

Einen großen Teil des Romanes nehmen private Angelegenheiten von Cormoran und Robin ein, da letztere sich verheiraten möchte und ihre manchmal vor erotischer Spannung knisternde Beziehung zu ihrem massigen und kettenrauchenden Chef überdenkt. Die Autorin bedient hier leider wenig subtil das Klischee, dass Robins zukünftiger Ehemann Matthew nicht der ideale Partner für sie zu sein scheint, und auch Cormoran stolpert gedanklich häufig über den Neubeginn einer Beziehung und über seine Gefühle gegenüber seiner Sekretärin Robin.
Dadurch rückt der eigentliche Fall etwas in den Hintergrund, erst im letzten Drittel drängt die Autorin mit voller Kraft und Spannung in Richtung Aufklärung des geheimnisvollen Ansatzes ihres Krimis.

Der Privatdetektiv Cormoran Strike mit seiner Vergangenheit und den vielen Ecken und Kanten ist eine interessante und streitbare Figur, die den Roman beherrscht und schlauer als die polizeilichen Ermittler handelt. Die übrigen Charaktere könnten für meinen Geschmack lebendiger sein und weniger klischeehaft agieren. So sind Polizisten prinzipiell feindselig gegenüber privaten Ermittlern eingestellt und arbeiten gegen Strike, Studenten sind zu blind, um als Zeugen zu taugen oder überhaupt etwas bemerkt zu haben. Der Serienkiller ist ein abgründig böser und völlig asozialer Psychopath, der an einer für mich nicht nachvollziehbaren psychischen Störung der Sehnsucht nach Amputation leidet.

Die Autorin lässt, wie gewohnt, bis zum Ende alles offen, wer tatsächlich der Täter ist und verblüfft mit ihrer Lösung. Der Roman hat mich insgesamt gut unterhalten, auch wenn ich mir mehr vom gut konstruierten Fall und weniger von der Beziehung der beiden Protagonisten gewünscht hätte. Wer vor wirklich grausamen Killern nicht zurückschreckt, dem sei dieses Buch mit 3,5 Sternen empfohlen.