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Veröffentlicht am 26.04.2018

Das Böse in einer Kleinstadt namens Gaunt

Das Böse in deinen Augen
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Ellie Atkinson ist ein Pflegekind. Sie verletzt sich selbst, ist ein Außenseiter und von ihr geht eine böse Aura aus. Wer sich mit Ellie anlegt, dem passiert Schlimmes - das kann kein Zufall sein. Sie ...

Ellie Atkinson ist ein Pflegekind. Sie verletzt sich selbst, ist ein Außenseiter und von ihr geht eine böse Aura aus. Wer sich mit Ellie anlegt, dem passiert Schlimmes - das kann kein Zufall sein. Sie ist das Personifizierte Böse, sie kann allein durch die Kraft Ihrer Gedanken Menschen bestrafen, ja sogar töten - oder etwa nicht?

Jenny Blackhurst spielt in Ihrem Buch "Das Böse in Deinen Augen" mit der Wahrnehmung der Leser, so wie es Ellie und ihr Umfeld in dem Mikrokosmos von Gaunt, dem Schauplatz der Ereignisse tun. Über die gesamte Lesezeit hinweg schafft es die Autorin einen zu überraschen und an der Nase herumzuführen. Aber in welche Richtung, bleibt bis zum Ende unklar. So wie den Lesern ergeht es auch Imogen Reid, einer Kinderpsychologin die in Gaunt groß geworden ist, und die Kleinstadt eigentlich für immer verlassen hatte. Doch ihr berufliches Schicksal und der Tod ihrer Mutter führen sie zurück zu ihrer Vergangenheit und lassen sie auf Ellie treffen, die wohl größte Herausforderung von Imogens Karriere und die größte Bedrohung für ihre Ehe und ihr ungeborenes Kind.
Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt, was den Verwirrungseffekt bei den Lesern erhöht. Ich-Erzähler spricht aus der Perspektive von Imogen, so dass wir ihre Sicht auf die Dinge betrachten können und ihre Eindrücke teilen und damit ihr Handeln besser begreifen können. Der personale Erzähler kreist um Ellies Leben und bringt uns dem Mädchen näher, ohne den völligen Einblick in ihre Gedankenwelt zu erlangen. So bleiben wichtige Fragen für uns offen und Ereignisse um Ellie können uns trotzdem auch im weiteren Verlauf der Geschichte überraschen. Der auktoriale Erzähler greift nur ein, wenn es sich um Protagonisten handelt, die wichtig für das Vorankommen der Handlung sind, jedoch weder von Ellie noch von Imogen begleitet werden. Dies fügt den Handlungsstrang besser zusammen, lässt den Leser aber auch oft im Dunkeln stehen.
Und so wird der Leser in ein wenige Wochen dauernde Szenario einer Kleinstadt versetzt, in dem ein 11 jähriges Pflegekind an einer Schule nicht nur zum Außenseiter gemacht wird, sondern schikaniert und zu einer Carrie White stilisiert wird, so dass nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene eine unaussprechliche Angst entwickeln, die mit normalem Menschenverstand kaum zu erklären ist. Was am Anfang noch nach Kleinmädchenstreichen aussieht, baut sich auf zu Gewalt und unerklärlichen Todesfällen mit ungewissem Ausgang...

Das Buch ist mitreißend und spannend geschrieben, die Charaktere wirken authentisch und wachsen dem Leser schnell ans Herz. Leider lassen sowohl Spannung, als auch Logik zum Ende hin oft nach und der Schluss wirkt dadurch fast schon enttäuschend. Dies ist aber vor allen Dingen dem Tempo und dem Spannungsaufbau vom Anfang zuzuschreiben, die wenn sie verlangsamen oder wegfallen beim Leser zu einer gewissen Enttäuschung führen.
Insgesamt handelt es sich bei "Das Böse in Deinen Augen" von Jenny Blackhurst aber durchaus um ein gelungenes Buch, das man an wenigen Abend verschlingt und über weite Strecken nicht aus der Hand legen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Geschichte
Veröffentlicht am 17.03.2018

"Killercity" Eine Geschichte um eine Killermaschine mit Gefühlen

Killer City
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"Das Rad drehte sich weiter, und noch weiter und noch weiter, und Schreie und verzweifeltes Strampeln und Umsichschlagen wurde mit jedem Biss eines gnadenlosen Eisenzahnes lauter und verzweifelter" (Zitat ...

"Das Rad drehte sich weiter, und noch weiter und noch weiter, und Schreie und verzweifeltes Strampeln und Umsichschlagen wurde mit jedem Biss eines gnadenlosen Eisenzahnes lauter und verzweifelter" (Zitat Kapitel: „Das Gespenst", S.293). Ein Zahnrad wird zum gnadenlosen Killer, so wie der Protagonist von Wolfgang Hohlbeins neuem Buch „Killercity“: gnadenlos mordet er, wie eine Maschine- brutal und unaufhaltsam.

Gleich zu Beginn steigt man ein in die Geschichte von Thornhill (oder Boy, oder Porter – seinen wahren Namen gilt es zu ergründen). In der Jugend als Soldat in Gettysburg widerfährt ihm Grausames. Etwas, das ihn sein Leben lang nicht loslassen wird und er bekommt etwas mit auf den Weg gegeben, so dass aus einem 12jährigen Jungen ein grausamer Serienkiller wird. Getrieben von Rache und Überlebenswillen landet er nach einer jahrzehntelangen Odyssee schließlich im Chicago des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Am Rande der Weltausstellung möchte er seine Killernatur ausleben, muss sich dort jedoch zwangsläufig seiner Vergangenheit stellen und sich schließlich entscheiden, ob sein Lebenswille oder seine Rachegefühle überwiegen.
Thornhill ist charakterlich schwer zu durchschauen: ein brutaler Serienkiller und Rassist und trotzdem ist er dem Leser nah, da man im Laufe der Erzählung immer mehr über ihn erfährt und wie und warum er zu dem geworden ist, was ihm im Chicago von 1893 zum Verhängnis wird – eine Killermaschine. Seine Ansichten, Erfahrungen, Wünsche und Ängste sind jedoch die eines Jeden und geben dem Protagonisten so etwas Menschliches mit und lassen den Leser gebannt seiner Geschichte folgen.

Ich sehe in Thornhill einen Picaro - dafür spricht die unbestimmte Herkunft - seine erste "Geburt" als "Boy" einem Soldaten bei der Schlacht von Gettysburg. Und der kurz darauffolgenden Neugeburt als "Thornhill" nach einem Hinterhalt auf einem Dornenhügel. Er keiner Arbeit nachgehen und kommt doch durchs Leben und scheint auch Geld zu haben, um zu Reisen und sich in ein Hotel einzumieten. Die Frauen scheinen ihm auch zugetan zu sein. Jedoch sind diese Punkte für die Handlung und deren Verlauf auch irrelevant und bleiben deswegen unerwähnt.

Dem Leser schlagen Thornhill gegenüber zwei Herzen in einer Brust - der Mann ist ein ekelhafter Rassist, ein skrupelloser Killer, bedacht auf seine eigenen Interessen, und doch weckt er durch seine Schwächen beim Leser Gefühle, wie Mitleid und eine Art von Zuneigung, die dafür sorgt, dass man bis zum Ende hofft und bangt, dass ihm das Schicksal wohlgesonnen ist.

Das Buch wird beherrscht von Kampfszenen, da sich Thornhill von einer gefährlichen Situation in die Nächste katapultiert. Das Buch hat dadurch Tempo, aber oft konnte ich nicht mehr durchblicken wie wer wohin gekommen ist, bei den Kampfszenen, so dass ich an diesen Stellen nicht nur überfordert, sondern zum Teil auch gelangweilt war.
Interessant ist Thornhills Anwesenheit bei verschiedenen Schauplätzen amerikanischer Geschichte – neben der Weltausstellung in Chicago 1893, finden wir uns bei der Schlacht von Gettysburg und der am Little Bighorn. Zwischenzeitlich avanciert der Roman zu einem richtigen Western, was als Kulisse genauso spannend ist wie die Großstadt Chicago am Rande der Weltausstellung.
Eins muss ich sagen - ich bereue, bisher keinen Hohlbein gelesen zu haben, denn mir gefällt die Erzählweise - die bildliche Darstellung der Stadt im 19. Jahrhundert und die Vielschichtigkeit, die er einem brutalen Serienkiller gegeben hat. Die Charakterentwicklung ist spannend, zum Teil etwas langatmig, aber wem lange, etwas schwer nachvollziehbare Kampfszenen gefallen ist hier bestens bedient.

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