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Veröffentlicht am 06.03.2018

Wie Sherlock Holmes in der Weimarer Klassik

Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)
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"Die Affäre Carambol" ist der zweite Goethe und Schiller Krimi von Stefan Lehnberg.
Ich war sofort Feuer und Flamme, als ich festgestellt habe, dass es so etwas wie Goethe und Schiller-Krimis gibt und ...

"Die Affäre Carambol" ist der zweite Goethe und Schiller Krimi von Stefan Lehnberg.
Ich war sofort Feuer und Flamme, als ich festgestellt habe, dass es so etwas wie Goethe und Schiller-Krimis gibt und habe mir auch gleich den ersten Teil gekauft.

Goethe und Schiller besuchen gemeinsam Goethes Geburtsstadt Frankfurt (Franckfurth) um dem Alltagstrott zu entgehen. Doch ihre grauen Zellen werden auf höchste gefordert, denn es scheint, als möchte jemand den zarten Frieden und Waffenstillstand der zwischen Frankfurt und Frankreich herrscht, gefährden. Napoleons Truppen haben in jüngster Vergangenheit auf ihren Feldzügen oft großen Schaden angerichtet und der Frankfurter Stadtrat möchte um jeden Preis einen neuen Krieg verhindern, nicht zuletzt, weil das Geld schon sehr knapp ist und die Zerstörungen groß. Doch es scheint in den Reihen der Stadträte Verschwörer zu geben und zwei Stadträte sind schon auf offener Straße ermordet worden - wohl, weil sie zu viel wussten. Es ist also höchste Zeit, dass jemand unabhängiger, mit großer Intelligenz sich der Sache annimmt: Goethe und Schiller geraten unversehens mitten hinein ins Geschehen, selbst ihr eigenes Leben ist des öfteren in Gefahr. Doch sie tun alles, was sie können um den Frankfurtern zu helfen.
Ich möchte hier natürlich nicht mehr verraten, nur so viel: Es wird sehr spannend!

Stefan Lehnberg findet eine wunderbare Mischung aus einer Sprache, die wir modernen Menschen gut und flüssig lesen können, ohne uns anstrengen zu müssen und genügend altertümlichen Begriffen und Redewendungen, damit wir uns zurückversetzt fühlen ins damalige Frankfurt. Der Erzählstil erinnert wunderbar an die Abenteuer von Sherlock Holmes, die von Doktor Watson aufgezeichnet werden, denn genau so zeichnet Schiller die Abenteuer für Goethe und sich bis ins kleinste Detail auf, wir fühlen uns als würden wir die beiden persönlich begleiten.

Mir hat das Abenteuer mit den beiden Literaturklassikern sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf weitere Fälle, die wir hoffentlich mit den beiden lösen dürfen.

Veröffentlicht am 25.02.2018

Eine starke Frau in schierigen Zeiten

Frau Einstein
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Der Roman "Frau Einstein" von Marie Benedict erzählt einen Teil der Lebensgeschichte von Mileva Maric, der ersten Ehefrau von Albert Einstein.

Wohl niemand von uns hatte, bevor man auf diesen Roman aufmerksam ...

Der Roman "Frau Einstein" von Marie Benedict erzählt einen Teil der Lebensgeschichte von Mileva Maric, der ersten Ehefrau von Albert Einstein.

Wohl niemand von uns hatte, bevor man auf diesen Roman aufmerksam wurde, schon etwas von Mileva Maric gehört. Ich für meinen Teil hatten sogar überhaupt keine Ahnung, dass Albert Einstein überhaupt verheiratet war und dass er Kinder hatte. Da ist es am Anfang sehr überraschend, zu lesen, dass Einsteins Jugendliebe und erste Ehefrau seine Studienkollegin am Polytechnikum in Zürich war und dort mit ihm Physik und Mathematikstudierte. Mileva oder Mitza, wie ihre Freunde sie nennen, war eine der ersten Frauen, die für das Studium am Polytechnikum zugelassen wurden. Sie war schon von frühester Kindheit an von der Physik und Newtons Gesetzen begeistert und ihr Vater förderte diese Interessen, auch wenn ihre Mutter sie lieber in einer normalen Hausfrauenkarriere gesehen hätte. Sie durfte eine weiterführende Schule besuchen - im erzkonservativen Serbien, zur damaligen Zeit unter österreich-ungarischer Herrschaft, ein Skandal! Für Sie ist es eine Befreiung in die lieberalere Schweiz ziehen zu dürfen und dort unter gleichgesinnten zu studieren. Zwar machen es ihr ihre Mitstudenten und Professoren nicht leicht, sie ist die einzige weibliche Physikstudentin und noch dazu mit einer verformten Hüfte und hinkend ein leichtes Ziel für Spott. Doch so weit kommt es nicht. Schnell erkennen die anderen Mitzas Fähigkeiten und es gibt lobendes Gemurmel, wenn sie Fragen beantworten kann, auf die keiner ihrer Mitstudenten die Antwort wusste. Abends ist sie in ihrer Pension gut versorgt: Sie lebt dort mit drei anderen Mädchen, die ebenfalls studieren, ein munterer Kreis intellektueller Damen, die sich gut verstehen, zusammen musizieren und sogar Freundinnen werden. Bis ein Mitstudent, der Mitza schon von Anfang an mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat als die anderen, ihr seine Liebe gesteht: Der chaotische Albert Einstein. Mitza weiß nicht, was sie tun soll, sie versucht Abstand zu gewinnen, aber es hilft alles nichts: Sie gibt seinem Werben nach, denn sie ist auch in ihn verliebt. Er verspricht ihr von Anfang an, dass sie gleichberechtigt weiterforschen werden, auch wenn sie ein Paar sind.
Natürlich kommt alles ganz anders. Ich werde hier nicht mehr verraten, nur so viel: Die Diskussionen ob nicht eigentlich Mileva die gefeierte und weltberühmte Erfinderin der Relativitätstheorie ist, sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern in der Wissenschaft aktuell.

Ein bemerkenswertes Buch über eine eindrucksvolle und besondere Frau, die von ihrer Zeit und besonders von einem Mann daran gehindert wurde, zu erblühen und der Welt ihr Können zu beweisen.
Marie Benedict erzählt die Geschichte sehr lebensnah und gefühlvoll. Wir leben mit Mitza in ihrer Welt und erleben alle ihre Gedanken und Gefühle mit. Der Erzählstil und die Sprache unterstützen dieses Miterleben noch, man ist jedes Mal verzweifelt, wenn Mitza noch tiefer in Probleme gerät. Ich konnte an mehreren Stellen erst einmal nicht weiterlesen, weil ich so berührt und gefangen war von den heftigen Gefühlen und Schicksalsschlägen.

Ich bin der Autorin auch sehr dankbar für die Infos am Ende, in der die Geschichte relativiert wird (haha). Sie erklärt genau, wie sie für ihren Roman nachgeforscht hat, und was Realität und was Fiktion ist.

Auch das Cover finde ich sehr gelungen. Dadurch bin ich erst auf das Buch aufmerksam geworden und ich finde es zeigt sehr gut, worum es geht: Eine Frau, die alleine stark ist und einen Aufbruch in ein neues Leben wagt.

Vielen Dank für diesen intensiven Roman und eine neue starke Frauenfigur, die ich noch nicht kannte, mit der ich mich aber noch eingehender befassen möchte.
Vielen Dank Vorablesen und dem Verlag Kiepenheuer und Witsch für das Rezensionsexemplar.

Veröffentlicht am 20.02.2018

Mörderjagd in der Elbmarsch

Totenweg
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Wir dürfen die junge Kommissar-Anwärterin Frida begleiten, zurück in ihre Heimat, an den Ort, an dem vor vielen Jahren ihre beste Freundin ermordet wurde. Ihr Vater wurde nun auf dem selben Feldweg niederschlagen ...

Wir dürfen die junge Kommissar-Anwärterin Frida begleiten, zurück in ihre Heimat, an den Ort, an dem vor vielen Jahren ihre beste Freundin ermordet wurde. Ihr Vater wurde nun auf dem selben Feldweg niederschlagen - ein Mordversuch? Der selbe Kommissar wie damals, Kommissar Haverkorn, ermittelt wieder. Auch für ihn war der damalige Mord ein Wendepunkt: Er war damals frisch der Chef der Mordermittlung, konnte den Fall nicht lösen und trat wieder zurück. Er hat sich nie von diesem Rückschlag erholt und versucht nun wieder den Fall von damals zu lösen.
Diese beiden Ermittler - die damals Gegenspieler waren, denn Frida hat gelogen - arbeiten nun zusammen um den zu finden, der Fridas Vater niedergeschlagen hat und den Mörder von damals.
Als Frida zurückkommt überschlagen sich die Ereignisse und alles bricht wieder über sie herein. Alles was sie über die Menschen, die sie kannte, zu wissen glaubte, wird auf den Kopf gestellt. Nach und nach finden sie immer mehr heraus und es passiert immer mehr. Aber genug - ich will hier nicht zu viel verraten.
Der Krimi ist sehr spannend geschrieben. Wir erfahren die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Haverkorn und von Frida. Beide lassen uns auch in ihr Privatleben blicken und wir lernen sie gut kennen. Das lässt den Leser besonders mit beiden mitfühlen. Dadurch werden die Geschehnisse noch spannender.
Die Sprache und der Erzählstil sind sehr rasant und abwechslungsreich. Die Dialoge sind intensiv und gut ausgearbeitet.
Insgesamt ein sehr guter Krimi, der auf mehr hoffen lässt. Wir haben unsere beiden Ermittler gerade erst kennengelernt und werden hoffentlich noch viele Fälle mit ihnen erleben dürfen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Figuren
  • Spannung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 15.02.2018

Ein spannendes fiktives Zeitzeugendokument

Der Reisende
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"Der Reisende" von Ulrich Alexander Boschwitz ist sowohl ein spannender Roman als auch ein besonderes Zeitdokument aus dem Klett-Cotta-Verlag.
Von dem ins Exil geretteten Juden Ulrich Alexander Boschwitz ...

"Der Reisende" von Ulrich Alexander Boschwitz ist sowohl ein spannender Roman als auch ein besonderes Zeitdokument aus dem Klett-Cotta-Verlag.
Von dem ins Exil geretteten Juden Ulrich Alexander Boschwitz zur Zeit in der er spielt geschrieben und von Peter Graf editiert erzählt der Roman die Geschichte des Juden Otto Silbermann, der 1938 in Berlin gerade noch rechtzeitig aus seiner Wohnung fliehen kann um nicht im Zuge der Novemberprogrome verhaftet zu werden. Er war gerade noch ein angesehener und wohlhabender Geschäftsmann, als er sich - zunächst fast ohne Geld - auf der Straße wiederfindet. Er kann nicht mehr nach Hause, und weiß auch sonst nicht wo er hin soll. Er schafft es zumindest einen Teil seines Vermögens wiederzubekommen. Nun ist sein vorrangiges Ziel ins Ausland zu gelangen. Doch das will ihn auch nicht und so folgt eine schier endlose Odyssee mit der Bahn, immer unterwegs, denn nur an Bahnhöfen und unterwegs ist man anonym.
Man merkt dem Erzählstil und der Sprache an, dass das Buch ein Originaldokument ist. Zwar handelt es sich um eine fiktive Erzählung aber man erkennt, dass der Autor soetwas selbst miterlebt hat. Wenn jemand heute so einen Roman schreiben wollte würde er ganz anders aussehen, denn niemand würde mehr diese Sicherheit und Gutgläubigkeit, die Silbermann am Anfang noch hat, erfinden können. Auch die Offenheit, mit der er diffamiert und niedergemacht wird, würde sich heute niemand mehr schreiben trauen. Und doch ist es gut - sehr hart und unangenehm natürlich, aber auch gut so etwas zu lesen um wieder wachgerüttelt zu werden und zu erkennen wo auch in unserer Gesellschaft wieder ähnliche Tendenzen erwachsen. Wir müssen alles aufhalten, was in diese Richtung des damaligen Terrors führt und auch alles, was uns davon überzeugen will, dass das damalige Regime vielleicht nicht in allem schlecht war. Solches Gedankengut darf sich heute nicht mehr durchsetzen und solche schlimmen Geschehnisse dürfen sich niemals wiederholen. Dafür müssen besonders wir Deutschen uns einsetzen.
Dieser Roman ist ein Erlebnis, nicht einfach zu lesen, aber eine wichtige Lektüre zum Verständnis der Vergangenheit und zur Wachsamkeit in der Zukunft.

Veröffentlicht am 17.01.2018

Der Tod kommt von gelehrter Hand ...

Scythe – Die Hüter des Todes
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"Scythe – Die Hüter des Todes" von Neal Shusterman ist ein sehr spannender Zukunftsroman.

Die Welt ist perfekt geworden: Es wurde alles vorhandene Wissen erlangt und in einer riesigen Cloud für alle zugänglich ...

"Scythe – Die Hüter des Todes" von Neal Shusterman ist ein sehr spannender Zukunftsroman.

Die Welt ist perfekt geworden: Es wurde alles vorhandene Wissen erlangt und in einer riesigen Cloud für alle zugänglich gespeichert, es wurden alle Krankheiten und das Altern besiegt - jeder kann sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf jedes Alter resetten lassen, einen natürlichen Tod gibt es nicht mehr. Doch diese Welt hat auch Schattenseiten: Eine Mond- und Marskolonisierung wurden versucht und als unmöglich aufgegeben, die Menschheit muss auf der Erde bleiben, doch die Ressourcen - natürlich perfekt verwaltet vom alles umspannenden und gerechten digitalen Bewusstsein - reichen nicht für die immer größer werdende Weltbevölkerung. So muss es in dieser perfekten Welt den Tod doch geben. Nicht in dem Ausmaß in dem wir ihn heute kennen, sondern viel viel seltener und nach viel mehr Lebensjahren, doch es gibt ihn. Wie stirbt man aber in einer Welt ohne natürliche Todesursachen? Durch die Hand der Scythe - einer erlesenen Gemeinschaft, die Seelen "nachlesen". Von diesem Tod, den die Scythe bringen, gibt es keine Wiederkehr, kein Wiederbeleben, wie von so vielen anderen Unfällen. Die Scythe sind Heilige und Geächtete zugleich, jeder erkennt, dass sie notwendig sind, aber keiner will etwas mit ihnen zu tun haben.
Citra und Rowan stammen aus Familien in verschiedenen Bevölkerungskreisen und doch sind sie beide gleich schockiert, als der Ehrenwerte Scythe Faraday sie zu seinen Lehrlingen macht. Sie lernen die verschiedensten Formen des Tötens und alles was man über den Tod wissen muss - und das ist einiges. Sie lernen auch die Gesellschaft der Scythe und ihre politischen Ränkespiele hinter den Kulissen kennen. Und schließlich werden sie immer tiefer hineingezogen in Ränke, Intrigen, ehrenhafte Morde und Massaker. Sie wollen keine Berufsmörder werden, fürchten sich aber beide davor, was passiert, wenn weniger ehrhafte Teenies es würden.

Ich möchte hier nicht spoilern - lest selbst, wie es ausgeht.

Die Sprache und der Erzählstil der Geschichte sind sehr spannend und flüssig, gleichzeitig werden aber die philosophischen und ethischen Fragestellungen und Diskussionen nicht zu kurz gehalten, sie kommen durch Tagebucheinträge sehr schön rüber und helfen dem Leser sich sehr gut in die Dilemmata, in denen sich die Scythe und die Lehrlinge befinden, einzufühlen. Man fühlt sehr mit und leidet auch mit. Der fantastische Erzählstil macht es möglich. Man kann gar nicht mehr aufhören zu lesen.

Die Figuren werden sehr anschaulich charakterisiert und genau beschrieben, die guten wie die schlechten. Auch die Gesellschaft wird genau erklärt, sodass man sich schnell in der andersartigen Zukunftswelt einfindet.

Insgesamt wirklich ein sehr spannendes Buch, das aber auch nachdenklich stimmt. Für alle, die gerne spannende Fantasygeschichten lesen, aber auch für alle, die sich mit komplizierten philosophischen und ethischen Fragestellungen auseinandersetzten wollen gleichermaßen empfehlenswert!

Der erste Band (denn das ist das Buch, der erste Teil einer Trilogie) ist für mich in sich stimmig, schlüssig und abgeschlossen. Es wird am Ende alles erklärt und aufgelöst. Ich kann zum ersten Mal seit langem sagen: Bravo, so schreibt man ein einzelnes, eigenständiges Buch und flüchtet sich nicht in zig Fortsetzungen! Und doch: Es soll noch zwei Teile geben! Darauf freue ich mich aber, denn das Buch ist wirklich ein Feuerwerk an Ereignissen und Gedanken!