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Veröffentlicht am 15.02.2018

Ein spannendes fiktives Zeitzeugendokument

Der Reisende
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"Der Reisende" von Ulrich Alexander Boschwitz ist sowohl ein spannender Roman als auch ein besonderes Zeitdokument aus dem Klett-Cotta-Verlag.
Von dem ins Exil geretteten Juden Ulrich Alexander Boschwitz ...

"Der Reisende" von Ulrich Alexander Boschwitz ist sowohl ein spannender Roman als auch ein besonderes Zeitdokument aus dem Klett-Cotta-Verlag.
Von dem ins Exil geretteten Juden Ulrich Alexander Boschwitz zur Zeit in der er spielt geschrieben und von Peter Graf editiert erzählt der Roman die Geschichte des Juden Otto Silbermann, der 1938 in Berlin gerade noch rechtzeitig aus seiner Wohnung fliehen kann um nicht im Zuge der Novemberprogrome verhaftet zu werden. Er war gerade noch ein angesehener und wohlhabender Geschäftsmann, als er sich - zunächst fast ohne Geld - auf der Straße wiederfindet. Er kann nicht mehr nach Hause, und weiß auch sonst nicht wo er hin soll. Er schafft es zumindest einen Teil seines Vermögens wiederzubekommen. Nun ist sein vorrangiges Ziel ins Ausland zu gelangen. Doch das will ihn auch nicht und so folgt eine schier endlose Odyssee mit der Bahn, immer unterwegs, denn nur an Bahnhöfen und unterwegs ist man anonym.
Man merkt dem Erzählstil und der Sprache an, dass das Buch ein Originaldokument ist. Zwar handelt es sich um eine fiktive Erzählung aber man erkennt, dass der Autor soetwas selbst miterlebt hat. Wenn jemand heute so einen Roman schreiben wollte würde er ganz anders aussehen, denn niemand würde mehr diese Sicherheit und Gutgläubigkeit, die Silbermann am Anfang noch hat, erfinden können. Auch die Offenheit, mit der er diffamiert und niedergemacht wird, würde sich heute niemand mehr schreiben trauen. Und doch ist es gut - sehr hart und unangenehm natürlich, aber auch gut so etwas zu lesen um wieder wachgerüttelt zu werden und zu erkennen wo auch in unserer Gesellschaft wieder ähnliche Tendenzen erwachsen. Wir müssen alles aufhalten, was in diese Richtung des damaligen Terrors führt und auch alles, was uns davon überzeugen will, dass das damalige Regime vielleicht nicht in allem schlecht war. Solches Gedankengut darf sich heute nicht mehr durchsetzen und solche schlimmen Geschehnisse dürfen sich niemals wiederholen. Dafür müssen besonders wir Deutschen uns einsetzen.
Dieser Roman ist ein Erlebnis, nicht einfach zu lesen, aber eine wichtige Lektüre zum Verständnis der Vergangenheit und zur Wachsamkeit in der Zukunft.

Veröffentlicht am 08.01.2018

Der ewige Kampf zwischen Chaos und Ordnung

Das Spielhaus
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"Das Spielhaus" von Claire North ist eine Folge von drei Novellen, die eben das im Titel genannte Spielhaus als Rahmenhandlung haben. Es ist ein Haus, das an jedem Ort, in jeder Epoche und zu jeder Zeit ...

"Das Spielhaus" von Claire North ist eine Folge von drei Novellen, die eben das im Titel genannte Spielhaus als Rahmenhandlung haben. Es ist ein Haus, das an jedem Ort, in jeder Epoche und zu jeder Zeit auftauchen kann, für alle Arten von taktischen und logischen Spielen, nur Glückspiel hat hier nichts verloren. Wer sich als großer Denker und Taktiker erweist bekommt die Chance, in die oberen Gemächer aufzusteigen und größere, bedeutendere Spiele zu spielen, bei denen die Einsätze auch weit größer sind.
In den ersten beiden Novellen dürfen wir Spieler der oberen Gemächer begleiten und beobachten. In der ersten Novelle Thene, die in Venedig, zu Beginn des 17. Jahrhunderts ihr erstes großes Spiel spielt, in der zweiten Remy bei einem seiner vielen großen Spiele der oberen Gemächer. Diese beiden Spiele und Spieler zeichnen sich durch Überlegung, Taktik und sparsamen Einsatz ihrer Ressourcen und Figuren (echte Menschen in der echten Welt) aus. Die dritte Novelle bildet gleichzeitig das große Finale und den Abschluss der Rahmenhandlung. In dieser wird erbittert gekämpft, Gesellschaften, Unternehmen zerstört und Menschenleben nur so hingemetzelt. Diese letzte Novelle gleicht mit ihrem actionreichen Zerstörungswahr eher einem Actionthriller als einer Fantasyerzählung. Ich will das Ende hier natürlich nicht verraten, nur so viel sagen: Ich hatte mir etwas anderes erhofft, aber das kann ich auch zur ganzen dritten Novelle sagen.

Sprachlich und Erzählerisch ist das Buch als ganzes ein wahres Kunstwerk. In jeder einzelnen Novelle werden die Erzählart, die Formulierungen und die Sprache an das jeweilige Zeitalter und die Epoche angepasst, selbst die Schrift der Kapitelüberschriften richtet sich danach. Mit hat das Buch sprachlich und erzählerisch sehr sehr gut gefallen.

Der traditionelle Novellen-Aufbau wird gut umgesetzt, es gibt eine Rahmengeschichte (Anfang und letzer Teil) und dazwischen zwei Teilgeschichten (über Thene und Remy). Das wird konsequent umgesetzt, das Spielhaus und damit der Rahmen werden zu Beginn jeder Geschichte noch einmal erklärt.

Die ersten beiden Novellen sind inhaltlich spannend, logisch und die Opfer werden auf ein Minimum reduziert. Sie hätten für sich 5 Sterne verdient. Von der Hektik und Gleichgültigkeit, mit der in der letzten Novelle die Zerstörung wütet, war ich sehr entsetzt. Auch das Ende hat mich nicht überzeugt, ich hätte mir mehr erhofft. Hierfür würde ich eher 3 Sterne geben. Sprachlich und erzählerisch hat mich das Buch aber so begeistert, dass es sich für mich insgesamt noch auf 4 Sterne rettet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Fantasie
  • Thema
  • Geschichte
Veröffentlicht am 03.01.2018

Historische Spannung in Serie

Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf (Die Henkerstochter-Saga 7)
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"Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf" von Oliver Pötzsch ist ein historischer Krimi mit Spannung bis zum Schluss.
Im siebten Band um die Henkersfamilie Kuisl (und meinem bisher ersten) geht es darum, ...

"Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf" von Oliver Pötzsch ist ein historischer Krimi mit Spannung bis zum Schluss.
Im siebten Band um die Henkersfamilie Kuisl (und meinem bisher ersten) geht es darum, dass der Schongauer Henker Jakob Kuisl endlich in den Rat der Zwölf berufen wurde. Deswegen muss die ganze Familie Kuisl nach München reisen. Doch jeder hat dabei auch seine eigenen, zum Teil geheimen Pläne im Blick. Die jüngste Tochter Barbara soll verheiratet werden, versucht dabei selbst ihre ungewollte Schwangerschaft zu verbergen, bis sie unter der Haube ist.
Insgesamt wird es ein abenteuerlicher Münchenbesuch, bei dem eine Mordserie an jungen Mädchen aufgeklärt und eine Münzfälscherbande entlarvt wird. Ganz nebenbei gibt es natürlich viele persönliche Verwicklungen - positive und negative. Aber mehr soll natürlich noch nicht verraten werden.
Insgesamt sei das Buch allen ans Herz gelegt, die Krimispannung und gelungene historische Settings mögen. Es war für mich auch kein Problem, dass ich die Bände 1 bis 6 noch nicht gelesen habe, ich habe alles gut verstanden und dir familiären Beziehungen ohne Probleme überblickt.

Veröffentlicht am 02.12.2017

Komprimiertes Wissen zur Bibel und ihrem Umfeld

Das Buch der Bücher
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Mir wurde dieses Buch im Theologiestudium im ersten Semester als Grundwissen empfohlen, vermutlich, da einer meiner Professoren auch Autor ist. Ich habe es nie bereut, das Buch gekauft zu haben, denn vor ...

Mir wurde dieses Buch im Theologiestudium im ersten Semester als Grundwissen empfohlen, vermutlich, da einer meiner Professoren auch Autor ist. Ich habe es nie bereut, das Buch gekauft zu haben, denn vor jeder Prüfung, die irgendetwas mit Bibel zu tun hatte, habe ich es erneut gelesen. Das geht recht schnell und ich hatte danach alles wichtige wieder im Kopf.
Mittlerweile haben aber auch viele meiner Bekannten und Verwandten, die den wissenschaftlichen Hintergrund nicht haben, das Buch gelesen und es als Bereicherung empfunden.
 
Es ist in verschiedene Teile unterteilt. Es gibt viel Theorie z.B. zur Überlieferungsgeschichte und den verschiedenen Arten, wie man die Texte kritisch angehen muss. Aber auch zum Kontext und der Zeitgeschichte gibt es einige Infos. 
Der meiner Meinung nach wichtigste Teil des Buches ist der, in dem alle einzelnen Bücher der Bibel inhaltlich kurz zusammengefasst dargestellt werden (mit den "Hausnummern" zum Nachlesen). Zusätzlich gibt es zu jedem Buch wichtige Hintergrundinfos, die man zu einer einfachen kritischen Betrachtung benötigt, und Lesetipps, also ein Minimum an Bibel, das man kennen und gelesen haben sollte. Danach folgt noch ein Teil zu verschiedenen Leseweisen der Bibel usw. 

Ich fand das Buch sehr interessant, aber auch vor allem, da ich vor der Lektüre schon zu vielen theoretischen Teilen Vorlesungen gehört hatte. Wer das Buch ohne das wissenschaftliche Vorwissen liest, wird sich mit den theoretischen Teilen vermutlich etwas schwer tun, weil alles so komprimiert ist, dass es kompliziert wird. (Deswegen auch nur vier Sterne, weil es nicht übermäßig massentauglich ist). Man muss langsam lesen, um alles zu erfassen. Jeder Satz hat sehr viel Inhalt, auch bei den Inhaltszusammenfassungen der Bücher. 

Für Interessierte, die auch bereit sind, es als Einstieg für weitere Bibellektüre und weitere wissenschaftliche Lektüre zum Thema zu nutzen, ist es aber sehr zu empfehlen.

Veröffentlicht am 02.12.2017

Spannend, unterhaltsam und lehrreich

Thabo. Detektiv & Gentleman 3. Der Rinder-Dieb
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"Thabo - Detektiv und Gentleman - der Rinder-Dieb" ist der dritte Teil der neuen Kinderbuch-/Kinderkrimi-Reihe von Kirsten Boie.
Thabo, der Protagonist des Buches - und der ganzen Reihe - ist ein Junge, ...

"Thabo - Detektiv und Gentleman - der Rinder-Dieb" ist der dritte Teil der neuen Kinderbuch-/Kinderkrimi-Reihe von Kirsten Boie.
Thabo, der Protagonist des Buches - und der ganzen Reihe - ist ein Junge, der einmal ein waschechter Detektiv werden will und dabei immer darauf bedacht ist, ein Gentleman zu bleiben. Er erzählt die Geschichte auf seine ganz eigene Weise. In der Ich-Form lässt er uns an seinen Gedanken und Vermutungen teilhaben und spricht uns Leser oft direkt an - das ist am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig wie die ganze Sprache des Buches (auch im wahrsten Sinne des Wortes, denn es werden einige Grundvokabeln von Thabos Sprache eingeflochten). Er macht beispielsweise oft Bemerkungen, wie "das ist bei uns so, das wird in Ihren Ländern auch nicht anders sein". Manchmal (eher selten) hat er damit Recht, viel öfter offenbart er dadurch aber, wie sehr er in seiner Welt und Lebensweise steckt und sich gar nicht vorstellen kann, dass es anderswo nicht so ist. 


So viel zu unserer Hauptfigur und ihrem Erzählstil. Das Buch handelt davon, dass unsere jungen Detektive, Thabo, zusammen mit seiner Freundin Emma, die eigentlich in England ins Internat geht und nur in den Ferien zu Hause ist, und Sifiso, einem einheimischen Jungen, der seine Eltern verloren hat und sich und seine Geschwister selbst versorgen muss, viele verschiedene Fälle zu lösen haben: Bei einer einsamen Ansiedlung sind alle Hütten abgebrannt, das sieht verdächtig nach Brandstiftung aus, es werden überall in der Gegend Rinder gestohlen und verschwinden, eine dubiose Filmcrew fährt mit dem umlackierten Laster einer Fleischerei durch die Gegend und, als ob das nicht schon genügen würde, verschwindet auch noch Emmas Tante! Natürlich üssen unsere drei Helden alle diese Fälle aufklären, bekommen aber auch Unterstützung von der Polizei, die gar nicht so unbrauchbar ist, wie sie dachten.


Insgesamt ein wirklich schönes Kinderbuch. Die Erzählweise ist ganz anders als normal und gefiel mir gut. Man kann sich dadurch sehr gut in Thabos Welt hineinversetzen und ich glaube, dass Kirsten Boie diese Welt, die sie auch selber durch ihre Unterstützungsprojekte kennenlernen durfte, gut darstellen kann. Ich glaube, dass es unseren Kindern gut tut, einmal zu erfahren, dass es z.B. in anderen Ländern nicht selbstverständlich ist, dass man sich einfach neue Kleidung kaufen kann, oder jeder eine Decke hat, wenn er in der Nacht friert. Auch, dass man Worte der einheimischen Sprache lernt, hat mir sehr gefallen, obwohl diese Wörter, besonders auch für Kinder, nicht einfach zu lesen sind. 
Auch die Geschichte, die am Anfang eher dahinplätschert, weil die Kinder mal in diese Richtung, dann wieder in die andere ermitteln, wird schnell spannen und hat am Ende einen richtigen Showdown.


Das einzige, was mich gestört hat, ist die Geschichte mit der Lobola. Ich weiß, dass es in vielen afrikanischen Ländern ganz normal ist, dass ein Mann seine Ehefrau kaufen muss, und dass es diese App zur Berechnung des Brautpreises wirklich gibt. Aber mir war es einfach nicht genug, dass die reiche verwöhnte Emma, die eher in der englischen als in der einheimischen Kultur lebt, die einzige ist, die etwas gegen dieses System sagt. Ich hatte gehofft, dass gerade ein Gentleman wie Thabo am Ende zu dem Schluss kommen müsste, dass ein solches System frauenfeindlich und erniedrigend ist. Das tut er leider nicht und bis zum Ende bleibt das ganz normal für ihn. Deswegen kann ich dem Buch nur vier Sterne geben, obwohl ich es wirklich für ein sehr lesenswertes Kinderbuch halte, bei dem man viel lernen kann.