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Veröffentlicht am 27.04.2023

Malibu, the Place to be

Malibu Rising
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Malibu im Sommer 1983. Wie jedes Jahr schmeißt Model und Herzblut-Surferin Nina Riva die Party des Jahres in ihrer Strandvilla: der Place to be für die High Society. Angelockt per Mund zu Mund Propaganda ...

Malibu im Sommer 1983. Wie jedes Jahr schmeißt Model und Herzblut-Surferin Nina Riva die Party des Jahres in ihrer Strandvilla: der Place to be für die High Society. Angelockt per Mund zu Mund Propaganda erscheint nahezu jeder der Rang und Namen hat, und so stehen auch heute wieder die Stars und Sternchen Hollywoods, Topmodels, Sänger und Produzenten auf der Fußmatte.
Im Buch begleiten wir Gastgeberin Nina sowie ihre drei jüngeren Geschwister Jay (Profisurfer), Hud (Fotograf) und Kit (Nesthäkchen) vom Tag vor der Party bis hin zu ihrem Ende. Dabei erfahren wir in allerlei Rückblenden von der harten Kindheit der vier, die sich lange ohne elterlichen Halt durchs Leben schlagen mussten, bevor jeder für sich seinen Weg gefunden hat. Doch mit der Party gerät ihre Welt erneut ins Wanken, als nicht nur die Champagnerkorken knallen: auch die Stimmung ist hoch explosiv. Denn so einige Überraschungsgäste erschüttern mit ihrem Erscheinen den harmonischen Zusammenhalt der vier Geschwister und nach und nach wird das ein oder andere Geheimnis gelüftet. Und mit steigenden Alkohol- und Drogenkonsum unter den Gästen wird die Feierlaune immer und immer ausgelassener - bis plötzlich alles in Flammen steht.

Taylor Jenkins Reid hat die Gabe, ganz unaufgeregt zu schreiben und den Leser trotzdem durchgehend am Ball zu halten. Ihre Charaktere sind mit Hand und Fuß ausgestattet, wunderbar griffig und echte Individuen, die einander sehr gut ergänzen und vollkommen authentisch wirken.
Auch Carrie Soto, Tennis-Ass und Protagonistin aus TJR vorherigem Roman "Carrie Soto ist Back" besetzt eine Nebenrolle, welche die Handlung stark prägt. Ihr neuer Roman "Malibu Rising" reiht sich also mit in das literarische Universum der Autorin ein, in welcher starke Frauenfiguren im Zentrum der Erzählungen stehen. Bisher habe ich nur "Carrie Soto" und "Malibu Rising" der bisherigen vier übersetzten Werke gelesen, aber beide haben mich sehr für sich begeistern können. Es sind leichte Lektüren mit ganz eigener Dynamik und unerwartet viel Tiefgang, die mich beide sehr positiv überrascht haben!

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Veröffentlicht am 23.04.2023

Durchschnittlich

Es war einmal in Brooklyn
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Wir schreiben das Jahr 1977. Brooklyns Bewohner ächzen unter einer enormen Hitzewelle, die der Stadt die Luft abschnürt. Darunter befinden sich auch Juliette und David, beide 17 Jahre jung und schon seit ...

Wir schreiben das Jahr 1977. Brooklyns Bewohner ächzen unter einer enormen Hitzewelle, die der Stadt die Luft abschnürt. Darunter befinden sich auch Juliette und David, beide 17 Jahre jung und schon seit frühester Kindheit beste Freunde. Eben noch waren sie unzertrennlich, doch in diesem Sommer liegt Veränderung in der Luft. David lebt seit einer Weile mit der Diagnose Leukämie und in dem Wissen, dass ihm nicht mehr viel Lebenszeit bleibt. Er steht total auf Juliette und will endlich sein Liebesleben in Angriff nehmen. Juliette steht kurz vor dem College und will dahingehend sogar fortziehen, doch vorher will auch sie noch die Liebe entdecken - nur eben nicht mit David. Aber dann gehen die Lichter aus: New York wird von einem 25-stündigen Blackout ins Chaos gestürzt - und das Leben von Juliette und David gleich mit.

"Es war einmal in Brooklyn" ist ein gar allzu typischer Coming-of-Age-Roman, der neben Freundschaft und dem ersten Mal Verliebtsein auch schwere Themen behandelt. So geht es um den Umgang mit einer schweren Krankheit und die Sorge um die abzählbar kurze Lebenszeit. Von Seiten Juliettes geht es überdies hinaus um körperliche Gewalt und psychologische Gesundheit. Im Allgemeinen sind das keine neuen Themen, die nicht schon unzählige Male in der Adoleszenzliteratur abgehandelt worden sind. Leider werden diese Themen hier aber nur sehr lakonisch behandelt. Auch die Figuren wirkten in der ersten Hälfte unscheinbar, doch zumindest dies hat sich ab der zweiten Hälfte entscheidend geändert - und dann war das Buch leider fast schon wieder vorbei. Die Sprache war angenehm leicht, die Kapitel kurz, und so blieb das Buch eines zum schnell wegsnacken ohne dabei groß Tiefgang zu haben. So ganz catchen wollte mich der Roman also nicht, er hat mir aber insgesamt gut gefallen. Wer etwas innovatives sucht wird womöglich enttäuscht werden, doch wer auf der Suche nach einem unaufgeregtem Buch ist welches schwierige Themen sanft anspricht, der ist hiermit sicherlich gut bedient. Ich hatte einfach mehr Pepp erwartet, und vielleicht richtet sich das Buch eher an noch jüngere Leser.

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Veröffentlicht am 20.04.2023

Ein für mich stimmiges Ende

Der Traum von einem Baum
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In Spitzbergen liegt sie, die Arche Noah der Gegenwart. Tief in einem Berg, verschlossen vor der Öffentlichkeit, in einem Bunker verwahrt: die größte Samenbank der Welt, das Vermächtnis aller Pflanzensamen ...

In Spitzbergen liegt sie, die Arche Noah der Gegenwart. Tief in einem Berg, verschlossen vor der Öffentlichkeit, in einem Bunker verwahrt: die größte Samenbank der Welt, das Vermächtnis aller Pflanzensamen aus aller Herren Länder. Im Jahr 2110 ist die Nahrung knapp geworden, durch verschärfte klimatische Verhältnisse sind weite Teile der dringend benötigten Nutzpflanzen ausgestorben, globale Nahrungsknappheit ist die Norm.
Der 18-Jährige Tommy und 4 weitere junge Menschen sind sie letzten Überlebenden einer Seuche, die alle Bewohner Spitzbergens dahingerafft hat. Die Verantwortung des wichtigen Saatguts liegt nun in ihren Händen. Bisher lebten sie abgekapselt von der globalen Welt in totaler Isolation, und Tommy ist auch weiterhin der Überzeugung, dass die Menschheit für das Aussterben der Arten verantwortlich sind und folglich unter dem selbstauferlegten Schicksal zurechtkommen sollten. Die Erde wird sich in ungezähmter Natur ohne Kultivierung am besten von selbst regenerieren, und so will er nach wie vor jeden Kontakt zur Außenwelt vermeiden und sich alleine durchschlagen. Doch seine Freundin Rakel sieht das anders und kontaktiert heimlich per Funksignal die Außenwelt, die sich schon bald auf den Weg macht, um die Samen einzufordern. Doch auch die Gefahr in ihrer Heimat ist groß: Eisbären sind auf der Suche nach den letzten Futterreserven, schmelzende Gletscher lassen die Hänge abrutschen, die Sonne zeigt sich im nordischen Winter wenn überhaupt nur selten.

Und somit spielt Maja Lundes Roman inmitten der großartigen Atmosphäre Spitzbergens und erzählt dabei wieder einmal von einer dystopischen Zukunft unter dem Einfluss des Klimawandels. Die Kinder, bzw. jungen Erwachsenen sind in einer gebeutelten Welt aufgewachsen, in der Verzweiflung und Einsamkeit herrscht, in der aber die Hoffnung ein großer Anker geworden ist und die niemals versiegt.
Lundes Schreibstil ist wie aus ihren Vorgängern gewohnt schlicht sowie flott zu lesen, macht aber dabei keine Abstriche wenn es um das Schaffen von Bildern und Spannung geht. Mit eingebunden in den Roman ist eine gute Bandbreite interessanter Fakten, die den Roman passend abrunden. Ein wirklich gelungener Abschluss der insgesamt vierteiligen Klimaserie von Maja Lunde, hab ich sehr gern gelesen und kann ich nur weiterempfehlen!

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Veröffentlicht am 15.04.2023

Überraschend tiefgründig

Seemann vom Siebener
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"Flaues Gefühl im Magen und Butter in den Knien. Geländer fleckig oxidiert, der Beton voller Flechten und Moose. Beinahe wie etwas Natürliches, vielleicht ein Felsen im Mittelmeer. Nichts wirft Schatten ...

"Flaues Gefühl im Magen und Butter in den Knien. Geländer fleckig oxidiert, der Beton voller Flechten und Moose. Beinahe wie etwas Natürliches, vielleicht ein Felsen im Mittelmeer. Nichts wirft Schatten auf einen Siebener. Es fühlt sich an wie das Dach der Welt." (S. 231)

Es riecht nach Pommes, Chlor und warmen Gras. Sonnenstrahlen kitzeln in der Nase, das Leben hält für einen Sommertag inne, alles scheint friedlich. Die Wärme lockt die Bewohner von Ottersweier ins Freibad, doch der Tag wird von einem Ereignis in der Vergangenheit überschattet, infolgedessen auch der große Sprungturm geschlossen ist. Die Erinnerung an einen Unfall mit fatalem Ausgang im vergangenen Herbst liegt noch allzu präsent in der Luft. Doch das Freibad stellt einen ganz eigenen Kosmos dar, in dem sich bekannte und unbekannte Wege kreuzen und Menschen am Abend mit neuen, geteilten Erinnerungen wieder auseinandergehen. Und so begleiten wir eine Handvoll Menschen an diesem schönen Tag. Zum Beispiel Renate, die vom Kassenhäuschen aus zuschaut, wie sich die Liegewiese allmählich füllt. Mit Bademeister Kiontke besuchen wir sie hin und wieder und erleben, wie er mit Schuldgefühlen anlässlich des Unglücks kämpft, das er nicht abzuwenden vermochte. Wir gehen zu Sergej an den Kiosk, der uns mit einer frischen Portion Pommes und mit Flutschfingern versorgt und begleiten ein Mädchen, welches vom geschlossenen Siebener unbedingt den Seemann machen will - ein wahrlich halsbrecherischer Sprung ins kühle Nass.

Noch so einige engmaschig verstrickte Lebensgeschichten mehr treffen in diesem begrenzten Raum des Freibads, an diesem schönen, hitzigen Sommertag aufeinander. Zu Beginn waren mir die Figuren zu stereotypisch gestaltet, aber ab der zweiten Hälfte des Romans haben sie an Tiefe gewonnen. Auch der Schreibstil hat sich im Verlauf stark verändert, zuerst rau und mit Hang zum Plumpen wurde er zusehends feiner, ausgeschmückter und angenehmer zu lesen. Auf alle Fälle jedoch kommt eine immer stärkere Freibadstimmung auf: Gerüche, Gefühle, Geräusche, die eigene Erinnerungen wachrufen.
Tobende Kinder, störende Bienen, jeder hängt in der Sonne irgendwie seinen Gedanken nach, sinniert vor sich hin. Ein schönes atmosphärisches Buch für den Frühling, das große Lust auf Sommer macht und mit überraschendem Ende inklusive wow-Effekt überzeugt!

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Veröffentlicht am 14.04.2023

Not worth the hype

Liebes Arschloch
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Rebecca ist eine berühmte französische Schauspielerin, die mit ihren jedoch etwa 50-jährigem Kapital (aka ihrem Körper) für den Filmmarkt nunmehr als zu alt sprich uninteressant gilt. Auf Instagram sieht ...

Rebecca ist eine berühmte französische Schauspielerin, die mit ihren jedoch etwa 50-jährigem Kapital (aka ihrem Körper) für den Filmmarkt nunmehr als zu alt sprich uninteressant gilt. Auf Instagram sieht sie einen reißerischen Beitrag vom etwa 10 Jahre jüngeren Oscar, der zwar selbst efolgreicher Schriftsteller ist, aber zur Zeit ebenfalls in einer Schaffenskrise steckt. Öffentlich lästert er über Rebecca: der ehemalige Teenie-Schwarm sei nicht nur zur Schlampe verkommen und alt geworden, "Sie ist auch auseinandergegangen, verlebt, schlechte Haut, ein schmuddeliges, lautes Weibstück" (S. 5). Rebecca lässt das natürlich nicht unkommentiert und reagiert promt mit folgenden keifenden Worten: "Liebes Arschloch [...] Ich hoffe, dass deine Kinder von einem Lastwagen überfahren werden und du ihren Todeskampf mitansehen musst, ohne etwas tun zu können, und dass ihnen die Augen aus den Höhlen spritzen und ihre Schmerzensschreibe dich jeden Abend verfolgen." (S. 6).

Als dritte im Bunde mischt sich alsbald Zoé ein, ehemalige Pressereferentin in Oscars Verlag, die nach übergriffigem Verhalten durch Oscar inklusive Stalking nur noch die Kündigung als Ausweg sah und sich nun auf Instagram zur bekannten, radikalfeministischen Aktivistin hochgebloggt hat - und Oscar im Zuge von

MeToo an den Pranger stellt.

Was sich ergibt, ist ein 330 Seiten mächtiger elektronischer Briefwechsel zwischen Rebecca und Oscar, der hin und wieder durch Essays von Zoé unterbrochen wird. Aus dem anfänglichen Hasstiraden zwischen Rebecca und Oscar ergibt sich nach und nach so etwas wie Freundschaft, denn beide sind sich ähnlicher als gedacht und nähern sich immer weiter einander an. Doch die 330 Seiten umfassende Korrespondenz hat mich nicht mal annähernd so begeistert wie erwartet und leider regelrecht gelangweilt und genervt. Beide Protagonisten sind schrecklich nervtötende Persönlichkeiten, die eine Person anstrengender und unsympathischer als die Andere. Es wurde so viel um sich gebissen (ja, es wurde auch so etwas in der Art wie sich versöhnt, Einsicht gezeigt und aufeinander zu gegangen).

Und ja, der Roman thematisiert viele aktuelle, unbestreitbar wichtige Themen wie Feminismus und das systemische Patriarchat, Elternschaft, Älterwerden, Sucht, Cyber-Mobbing und psychische Gesundheit in Zeiten von TikTok. Zudem spielt das Buch in großen Teilen zur Zeit des Lockdowns, wobei infolgedessen auch immer wieder so viel uninteressantes hochgefahren und eingefangen wird (erklär mir doch noch mal Zoom! Und juchu, jetzt klatschen wir alle nochmal schön für die Pflegekräfte!) Aber die Charaktere leiden unter ausgeprägten Narzissmus und übertrumpfen sich ständig selbst mit endlosen Gefasel über sich selbst. Despentes Roman ist ein Werk über die rage culture, und Rebecca ist dabei eine unerträgliche Diva, Oscar ein zutiefst gekränkter Täter mitten im

MeToo-Skandal, der sich ja auch so leid tut und damit durchgehend in Selbstmitleid suhlt (hust Täter-Opfer-Umkehr). Die Dialoge sind langatmig, beide haben ein Faible dazu endlose Monologe zu führen und drehen sich dabei thematisch oft und immer wieder im Kreis.

"Liebes Arschloch" hat mich leider Mal so richtig kalt gelassen und war dem Schreibstil sei dank sehr anstrengend zu lesen, ich habe nichts gefühlt und keinen Zugang gefunden - weder zu irgendeinem Charakter noch zu Despentes mir zu aufgesetzten, mal umgangssprachlich mal intellektuell hochtrabenden Schreibstil. Gestört hat mich auch der unkritische exzessive Drogenmissbrauch. Oscar (dieser Kotzbrocken - sorry) schließt sich zwar als Teil seiner persönlichen Charakterentwicklung den Narcotic Anonymous an - in seiner Lage wäre es ja auch immerhin brandgefährlich unter dem Einfluss von Alkohol noch etwas schlechtes in die Welt herauszuschreien. Rebecca (die Femme Fatale schlechthin) kokst und säuft derweil fröhlich weiter - Drogenmissbrauch ist für sie das, was sie scheinbar ein stückweit jung hält und nach wie vor interessant macht.

Zwischendurch gab es immer wieder einige interessante Ansätze und auch die Protagonisten haben eine relativ ansehbare Entwicklung zum Guten hin durchlebt, aber die monologisch gehaltenen Dialoge zweier privilegierter Menschen haben mich doch ziemlich entnervt zurückgelassen. Was mich aber am stärksten entzaubert hat war die Form des Briefromans, in der zwei Boomer in ihrer Midlife-Crisis vor sich hin fabulieren - und was am Anfang noch witzig und spritzig war, war am Ende leider nur noch ermüdend und qualvoll. Dem Buche zugutehalten muss ich: die Themen sind gut, die Umsetzung hat mich durch die ständig unter Drogen stehenden und wehleidigen Protagonisten null erreicht.

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