Schonungslos
Toxic ManDie Zigarette schmeckt ihm nicht, das Bier auch nicht und er fühlt sich fett... So lernen wir gleich auf der ersten Seite den Protagonisten aus Frédéric Schwildens Roman "Toxic Man" kennen. Er ist erfolgreicher ...
Die Zigarette schmeckt ihm nicht, das Bier auch nicht und er fühlt sich fett... So lernen wir gleich auf der ersten Seite den Protagonisten aus Frédéric Schwildens Roman "Toxic Man" kennen. Er ist erfolgreicher Fotograf, plant gerade eine große Ausstellung, fotografiert seinen toten Vater auf dessen Sterbebett und erfährt dann, dass er selbst bald Vater wird. Das alles wird begleitet durch Popculture, Drogenexzesse, Selbstverliebtheit und Ich-Bezogenheit, unvorhersehbare Wutanfälle und Depressionen.
Der Protagonist ist ein Antiheld, ein Verlorener, der ausbrechen möchte, sich von vielem abgrenzen möchte, besonders von seiner bürgerlichen Kindheit und seinem Vater. Also bewegt er sich in einer Welt von teuren Restaurants und Hotels, trifft auf Stars wie Billie Eilish und feiert Parties mit Jens Spahn. Weniger kaputt und verloren macht ihn das allerdings nicht. Im Gegenteil. Erst durch die Hilfe seiner Frau schafft er es, sich damit auseinanderzusetzen, was Vaterschaft und Männlichkeit für ihn bedeuten.
Neben diesen Themen, und das ist für mich das Alleinstellungsmerkmal des Romans, ist "Toxic Man" ein schonungsloses Porträt, das der Gesellschaft Masken und Fassaden runterreißt, das das entlarvt, was unter der Oberfläche schwillt. Denn jeder kriegt sein Fett ab: die Nation, das Bürgertum, Künstler und Promis... (Zum Beispiel heißt es da über den "Strafkolonie Look" vom Stuckrad-Barre: "und dass ich das einfach daneben finde. Weil es respektlos seinem Gegenüber ist, wie der Tod auszusehen.").
Kluge, geistreiche, manchmal auch bissige Gedanken und scharfe Beobachtungen reihen sich aneinander. Klar, durch die Stimme des Erzählers rutscht manches in dessen narzisstische Gedankenwelt ab, wird dann allzu giftig. Aber gerade diese Erzählstimme macht schließlich auch den Reiz des Buches aus.
Ungefiltert, direkt, witzig und schräg ist Schwildens Debüt und zwar so sehr, dass er andere dekadente und um Lautstärke und Schrillheit bemühte Texte fast schon harmlos und brav erscheinen lässt.
Diese Portion Gift sollte man sich nicht entgehen lassen.