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Veröffentlicht am 15.03.2023

Nicht ganz überzeugend

Schicksal
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Zeruya Shalevs Roman zeichnet die Lebenswege und Schicksale zweier Frauen nach. Da ist zunächst die betagte Rachel, die auf ihr Leben zurückblickt. Als junge Frau war sie bei den Lechi aktiv, hatte Ideale ...

Zeruya Shalevs Roman zeichnet die Lebenswege und Schicksale zweier Frauen nach. Da ist zunächst die betagte Rachel, die auf ihr Leben zurückblickt. Als junge Frau war sie bei den Lechi aktiv, hatte Ideale für die sie gekämpft hat, die ein Leben lang ihre Weltanschauung geprägt haben und die letztlich auch Auswirkung auf ihr Familienleben hatten.
Atara ist die zweite Protagonistin des Romans. Sie will mehr über ihren Vater erfahren, Rachels ersten Ehemann und nimmt deshalb Kontakt zu ihr auf. Auch ihr Familienleben ist durch Konflikte geprägt, die sich im Laufe des Romans zuspitzen.

Im Folgenden entfaltet sich eine Geschichte, die sehr auf das Innenleben und auf die Gedanken seiner zwei Hauptcharaktere konzentriert ist. Zunächst gelingt es Shalev gut, den Erinnerungen und Empfindungen ihrer Figuren nachzuspüren. Doch bald schon wird deutlich, dass es zu häufig zu abrupten Wechseln zwischen einzelnen Themen und zu Ausschweifungen kommt. Die Gedanken der Charaktere drehen sich dann im Kreis und für den Leser wird es zunehmend schwerer, sich in dieser Geschichte an etwas festzuhalten.

Shalevs Geschichte findet nicht wirklich zu sich selbst. Es fehlt ihr an einem stabilen Gerüst und deshalb kann ich dem Buch trotz der teils sehr schönen und fast schon poetisch anmutenden Sprache nur drei Sterne geben. Schade!

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Ausschweifend und langatmig

Inmitten der Nacht
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In einem Ferienhaus treffen zwei amerikanische Familien aufeinander. Clay und Amanda haben das Haus für sich und ihre Kinder gemietet, um New York für die Zeit ihres Urlaubs entfliehen zu können. Doch ...

In einem Ferienhaus treffen zwei amerikanische Familien aufeinander. Clay und Amanda haben das Haus für sich und ihre Kinder gemietet, um New York für die Zeit ihres Urlaubs entfliehen zu können. Doch plötzlich stehen die Eigentümer des Hauses vor der Tür. Draußen bahnt sich ein Sturm an und in der Stadt geht etwas Unbeschreibliches vor sich, das die Ängste aller schürt.

Im Zentrum von “Inmitten der Nacht” steht ein unspezifisches Unglück, das das Unterbewusste unserer Zeit an die Oberfläche drängen lässt. Die Figuren versuchen, den Stromausfall, das Zusammenbrechen der Infrastruktur, die merkwürdigen Geräusche und das Erscheinen von Tieren in ihrem Garten mithilfe der Ängste zu erklären, die sich tief in ihnen verankert haben: Terrorismus, 9/11, ein Angriff aus Nordkorea oder dem Iran und ein Atomunfall.

Gleichzeitig erzählt der Roman die Geschichte eines Aufeinandertreffens von sozialen Schichten, von Rassen und Generationen, die in ihrer Angst vereint sind und die unwillkürlich, fast gegen ihren Willen, zusammenwachsen und zusammenhalten, um der feindlichen Außenwelt etwas entgegensetzen zu können.

Rumaan Alam versucht in seinem Roman eine Geschichte zu erzählen, die durchaus Potential hat. Doch seine Art des Erzählens ist zu ausschweifend und zu langatmig, um dem Kern der Geschichte gerecht werden zu können.

Alam verliert sich in Beschreibungen, in unnötigen Details und vor allem in Vergleichen, die man nur als störend empfinden kann. Adjektive sind überpräsent und manche Andeutungen zu plump. Anstatt Spannung und Atmosphäre aufzubauen, verhindern sie sie: “Da hing etwas in der Luft, eine vage Bedrohung.”

Der Erzählstil verläuft sich in Nichtigkeiten, in Nebensätzen, in sinnlosen Beschreibungen, die überflüssig sind und den Lesefluss stören. Es hätte dem Roman gut getan, wenn er sich auf das Wesentliche konzentriert hätte, sich auf seine Grundidee besonnen hätte und diese atmosphärischer und klüger ausgebaut hätte.

Die letzten fünfzig Seiten sind wohl das Beste an diesem Buch. Von ihnen ausgehend hätte ein Roman entstehen können, der wahrscheinlich dem Anspruch, ein Thriller zu sein, gerechter geworden wäre. Inhaltlich und in ihrer Aussage erinnern sie allerdings sehr stark an das Ende von Cormac McCarthys “Die Straße” und vielleicht ist es auch nur diese Assoziation, die es schafft, dass sie sich vom Rest des Buches abheben.

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Veröffentlicht am 05.02.2023

Nicht anspruchsvoll, aber auch nicht schlecht

The Man I Never Met – Kann man lieben, ohne sich zu kennen?
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Ein Anruf bei der falschen Nummer: So lernen sich Davey und Hannah kennen. Was als Zufall beginnt, wird zu einer Fernbeziehung, die aus Nachrichten, Anrufen und Videocalls besteht. Davey lebt in Texas, ...

Ein Anruf bei der falschen Nummer: So lernen sich Davey und Hannah kennen. Was als Zufall beginnt, wird zu einer Fernbeziehung, die aus Nachrichten, Anrufen und Videocalls besteht. Davey lebt in Texas, Hannah in London. Doch Davey wird für seinen Job nach London ziehen. Darauf fiebern die beiden hin. Ihre Fernbeziehung wird damit ein Ende haben. Als Hannah Davey jedoch am Flughafen abholen möchte, kommt dieser nicht an...

Ich mochte die Ausgangssituation von „The Man I Never Met“: Zwei menschen, die sich über Nachrichten und Anrufe kennenlernen. Es hat mich ein bisschen an „Gut gegen Nordwind“ erinnert. Letztlich hat der Roman viel weniger Tiefe entwickelt und auch das Briefromanelement, oder in diesem Fall besser das Kennenlernen durch Telefonate, hat nicht so einen großen Raum eingenommen, wie ich es mir erwünscht hätte. Klischees und nicht ganz nachvollziehbares Verhalten der Figuren dürfen ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.

Trotzdem: „The Man I Never Met“ ist kein schlechter Unterhaltungsroman. Für kalt Winterabemde, an denen man einfach mal was ganz Leichtes mit wenig Anspruch braucht, ist der Roman ganz in Ordnung.

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Veröffentlicht am 14.01.2023

Liebe, Alltag und Schicksalsschläge

Die Liebe an miesen Tagen
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Clara hat ihren Job als Fotografin bei einer Zeitung verloren, kümmert sich um ihre demente Mutter und schwelgt in Erinnerungen an ihren früh verstorbenen Mann.

Elias ist Schauspieler, mit Vera liiert ...

Clara hat ihren Job als Fotografin bei einer Zeitung verloren, kümmert sich um ihre demente Mutter und schwelgt in Erinnerungen an ihren früh verstorbenen Mann.

Elias ist Schauspieler, mit Vera liiert und hat eine Tochter aus einer früheren Beziehungen. Als die beiden sich ein kleines Haus auf dem Land anschauen, dass sie sich nicht leisten können, treffen Elias und Clara, die Hausbesitzerin erstmals aufeinander.

Vom ersten Moment an fühlen sich Clara und Elias zueinander hingezogen. Bei einer Premierenfeier, auf der sie sich zufällig wieder begegnen, verknüpfen sich ihre Lebenswege untrennbar miteinander. Sie reden, fahren durch die nächtliche Stadt, schauen sich den Nachthimmel von der Sternwarte aus an.

Doch bald schon bricht der ganze normale Alltag in diese anfangs zu magische Liebesbeziehung ein und Clara und Elias müssen gemeinsam versuchen, Hindernisse zu überwinden.

"Das ist jetzt nicht wahr, dachte Clara, als sie die Treppen zu ihrer Wohnung hochstieg, dass kann echt nicht sein. Was für ein Scheiß. Ich habe mich verliebt."

Nachdem "Der große Sommer" eines der schönsten Bücher war, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, muss ich aus Neugier und in der Hoffnung darauf, wieder einen solch großartigen Roman zu entdecken, auch stets die neuen Bücher von Ewald Arenz lesen. Mit "Die Liebe an miesen Tagen" wurde diese Hoffnung jedoch leider nicht erfüllt.

Die Handlung habe ich als zu simpel und vorhersehbar empfunden. Die Dialoge vermögen nicht zu überzeugen, bleiben zuweilen plump und nur wenig glaubwürdig. Der Sprache mangelt es an Finesse und auch die Figuren entwickeln sich nach kurzer Zeit nicht weiter, bleiben flach und statisch. Insgesamt wirkt die Erzählung fast schon plakativ und erfüllt für mich leider nicht die Kriterien von guter Unterhaltungsliteratur.

Das ist aus mehreren Gründen bedauernswert. Zunächst weil Ewald Arenz ein großes Erzähltalent hat. Mit "Der große Sommer" und auch mit "Alte Sorten" hat er es unter Beweis gestellt. Und auch in "Die Liebe an miesen Tagen" gibt es durchaus immer wieder Stellen, an denen eben jenes Talent durchblitzt. Schließlich ist es auch deshalb schade, weil die der Geschichte zugrunde liegende Idee (Liebe auf den ersten Blick, der Alltag bricht in die Beziehung ein, usw.) das Potential für einen guten Unterhaltungsroman in sich birgt.

Fazit: "Die Liebe an miesen Tagen" hat mich leider nicht überzeugen können. Doch trotzdem werde ich Ewald Arenz in Zukunft treu bleiben und werte diesen Roman daher als Ausrutscher.

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Banal

Der Brand
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Rahel und ihr Mann Peter wollten eigentlich Urlaub in den Bergen machen, um dem Corona-Alltag zu entfliehen. Doch als sie erfahren, dass ihr Ferienhaus abgebrannt ist und eine enge Freundin dringend jemanden ...

Rahel und ihr Mann Peter wollten eigentlich Urlaub in den Bergen machen, um dem Corona-Alltag zu entfliehen. Doch als sie erfahren, dass ihr Ferienhaus abgebrannt ist und eine enge Freundin dringend jemanden braucht, der in ihrer Abwesenheit auf das Gut aufpasst, ändern sich ihre Pläne.

Die gemeinsame Zeit auf dem Gutshof offenbart vieles. Da ist zunächst die Distanz, die sich im Laufe der Jahre in die Ehe der beiden eingeschlichen hat. Sie leben aneinander vorbei anstatt miteinander. Die Entfremdung ist auch in ihren Gesprächen allgegenwärtig, die stets kurz und abgehackt wirken und sich viel mehr durch das Ungesagte als durch das Gesagte charakterisieren. Das Thema der Distanz und des Schweigens in der Ehe hätte einen interessanten Ausgangspunkt für diesen Roman bilden können. Leider vernachlässigt die Autorin genau diesen thematischen Aspekt aber im Laufe der Geschichte, wendet sich zahlreichen anderen Themen zu, baut aktuelle gesellschaftliche Debatten ein, die alle nur oberflächlich angeschnitten werden und findet so zu keinem roten Faden.

Hinzu kommt, dass alle Charaktere, aber insbesondere die Protagonistin Rahel, unsympathisch wirken. Sie wirken flach, sind in ihrem Verhalten und in ihren Aussagen häufig unglaubwürdig oder überzogen. Rahel, die als Psychologin arbeitet, ist so stark auf sich selbst fixiert, dass sie ihr soziales Umfeld ständig be- und verurteilt. Ihr eigenes Verhalten und ihre eigenen Ansichten sind der Maßstab, mit dem sie andere kritisiert. Ihre Selbstwahrnehmung ist äußerst zweifelhaft und ihre ständige Unentschlossenheit, ihr teilweise heuchlerisches und oft auch unangemessenes Handeln tragen dazu bei, dass der Roman spätestens ab der zweiten Hälfte nur noch nervt.

“Der Brand” ist banal und bewegt sich ausschließlich an der Oberfläche von dem, was er zu erzählen versucht. Letztlich bleibt er ohne richtige Aussage und findet zu keinem Ende. Auch die verdichtete Sprache mit ihren kurzen Sätzen, die zunächst durchaus vielversprechend wirkt, kann darüber nicht hinwegtäuschen.
Somit ist der einzige Brand, der bei der Lektüre stattfindet, ein durch Banalitäten ausgelöstes und schmerzendes Feuer im Kopf des Lesers.

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