Profilbild von LibertineLiteratur

LibertineLiteratur

Lesejury Profi
offline

LibertineLiteratur ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit LibertineLiteratur über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.08.2021

Düsterer Charme und mächtige Frauen

Rule of Wolves
0

Vor bald zehn Jahren nun ist 2012 mit ›Goldene Flammen‹ der erste Band der Grisha-Trilogie von Leigh Bardugo erschienen. Wenige Jahre später ist dann die ›Glory or Grave‹-Dilogie erschienen, die im gleichen ...

Vor bald zehn Jahren nun ist 2012 mit ›Goldene Flammen‹ der erste Band der Grisha-Trilogie von Leigh Bardugo erschienen. Wenige Jahre später ist dann die ›Glory or Grave‹-Dilogie erschienen, die im gleichen Universum angesiedelt ist und 2019 erschien der erste Band der ›King of Scars‹-Dilogie. Nun ist mit ›Rule of Wolves‹ endlich der zweite Band erschienen und die Geschichte von Nikolai, Nina und Zoya geht weiter.

Nina Zenik hat es geschafft, unter anderem Namen in das Haus ihres größten Feindes eingelassen zu werden. Jarl Brums, der Anführer der gefürchteten Grisha-Jäger. In Fjerda werden Grisha gejagt und dem Eistribunal übergeben – ein Schicksal, das mit dem Tod endete, wenn sie nicht als Forschungsobjekte benutzt wurden. Ein großer Teil von Ninas Seele will Rache, Rache für das, was mit Matthias. Ein weiterer Teil will, dass der Hass der Fjerda gegen die Grisha ein Ende hat. Ein Hass, der schon seit so vielen Jahren in den Menschen gesät wird und wächst. Doch wer wäre eine bessere Hilfe für ein solches Vorhaben, als Jarl Brums Tochter, die wie Nina ebenfalls eine Grisha ist.

Doch Nina ist nicht die einzige, die für das Überleben der Grisha kämpft und sich vor dem Hass der Fjerdan hüten muss. Auch Nikolai und Zoya kämpfen gegen alte und mächtige Gegner.

»Sag mir, dass es mehr ist als Krieg und Sorge, die dich diese Worte sprechen lassen. Sag mir, was sie bedeuten würden, wenn du kein Zar wärst und ich keine Soldatin.«

Während der Angriff der Fjerda aus dem Norden droht, in West-Ravka von Unruhen berichtet wird, bereiten auch die Shu Han Nikolai Sorgen. Nicht nur, weil sich die Vorbereitungen seiner Hochzeit als schwierig gestalten, sondern auch, weil die Gegner immer näher kommen.

Nikolai hat alle Hände voll zu tun: Ravka wird an allen Grenzen bedroht, in seinem Innern wütet ein mächtiger Dämon und unter seinen Gefangenen ist ein Mann, der bedrohlicher ist, als alle anderen Gefahren zusammen. Ein Gefangener, der den Lesern der Grisha-Trilogie nur zu vertraut sein dürfte. Zum Glück verfügt Nikolai nicht nur über jede Menge Charme und Manieren, sein Verstand und sein Erfindungsreichtum sind messerscharf.

»Die Kerch konnten das Meer haben. Die Zement Namen den Himmel. Ravka hatte sein Wort gehalten und genau das geliefert, was die Kerch wollten, aber nicht das, was sie brauchten.«

Doch Nikolais Gefangener ist nicht das einzige bekannte Gesichte, dass in der ›King of Scars‹-Dilogie wiederkehrt. Denn wer wäre besser geeignet, um bei einem schweren Diebstahl zu hälfen als gewisse Herren aus Ketterdam, die den ›Glory or Grave‹-Lesern noch gut in Erinnerung sein sollten.

»Die Droge hatte alles verändert, hatte die Grisha auf eine Weise angreifbar gemacht, wie sie es zuvor nie waren, aber sie weigerten sich, diese Masken als ein Symbol von Schwäche oder Unsicherheit zu tragen. Sie hatten sie mit Fangzähnen und gewundenen Zungen, mit klaffenden Mäulern bemalt. Sie sahen aus wie Gargoyles, die in Kampfkeftas über das Feld kamen.«

Doch das Wiedersehen von vertrauten Gesichtern ist nicht nur eine Stärke von ›Rule of Wolves‹. Während das Wiedersehen mit den Krähen von Ketterdam gelingt und zu den Charakteren passt, ist dies meiner Meinung nach nicht für alle Charaktere der Fall, die bereits in der Grisha-Trilogie aufgetaucht sind. Zum einen ist dort ein würdiges Ende für einen Charakter gefunden worden, der nun wieder aufgetaucht ist und nicht richtig zur Geltung kommt. Zum anderen hat ein anderer Charakter in der Grisha-Trilogie ein passendes Happy-End in Aussicht gestellt bekommen, dass nun aufgelöst wurde.

Obwohl Nikolai Lantsov in der Grisha-Trilogie einer meiner Lieblinge war, hat er mir als Nebencharakter besser gefallen als jetzt, da er zu einem der Protagonisten befördert wurde, ähnlich geht es mir mir Zoya. Der Handlungsstrang von Nina Zenik hingegen, berührt und interessiert mich sehr. Vor allem im ersten Band der ›King of Scars‹-Dilogie mochte ich ihren Kampf, um mit Matthias Schicksal umzugehen, ihre verdüsterte Art.

Ich habe es kaum erwarten können, ›Rule of Wolves‹ endlich in die Finger zu bekommen. Obwohl mich nicht alle Handlungsstränge des Romans begeistern, kann ich einfach nicht genug aus dem Grishaverse bekommen. Nina Zenik ist mein absoluter Liebling. Ich hoffe sehr, dass es noch weitere Spin-Offs und Sequels aus diesem wunderbaren Universum geben wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2021

Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage?

Rot wie Blut
0

Dass Märchen nicht in erster Linie für Kinder gesammelt und geschrieben worden sind, zeigt sich in ›Rot wie Blut‹ sehr deutlich. Ebenso, wie weit die ursprünglicheren Versionen der Märchen und das, was ...

Dass Märchen nicht in erster Linie für Kinder gesammelt und geschrieben worden sind, zeigt sich in ›Rot wie Blut‹ sehr deutlich. Ebenso, wie weit die ursprünglicheren Versionen der Märchen und das, was heute noch von ihnen erinnert wird, auseinanderliegen.

Ob es das Märchen um König Drosselbart ist, Dornröschen, Rapunzel oder Rotkäppchen: Die Märchen und Sagen, die Julian Auringer in ›Rot wie Blut‹ gesammelt hat, machen dem Untertitel des Buches alle Ehre. Nicht nur blutiger und grotesker, auch sexualisierter erscheinen diese.

In ›Rot wie Blut‹ hat Auringer Märchen und Sagen namhafter Autoren und Autorinnen beziehungsweise Sammlern und Sammlerinnen zusammengestellt. Von Giambattista Basile, über Marie-Cathérine d’Aulnoy, Charles Perrault, Christian August Vulpius, Karoline Stahl, den Brüdern Grimm, Karl Bartsch, Anton Birlinger, Carl und Theodor Colshorn, Friedrich Gottschalck, Johann Heinrich Lehnert, Alexander von Ungern-Sternberg, Adalbert Kuhn, Ernst Meier, Johannes Wilhelm Wolf, Karl Müllenhoff, Ulrich Jahn, Karl Spiegel bis hin zu Josef Müller.

»Als schon alles am Tische saß, trat plötzlich noch eine alte Fee ein, die nicht eingeladen war und die man vergessen hatte, weil man seit mehr als hundert Jahren nichts von ihr wusste und sie für tot oder verschollen hielt.«
›Das Dornröschen oder: Die schlafende Schöne im Wald‹

So finden sich neben einigen der sicherlich bekanntesten Märchen und Sagen auch einige, die im Vergleich weniger bekannt sind. Mehrfach sind Illustrationen in die Erzählungen eingefügt.

Doch selbst wer vergleichsweise märchenfest zu sein glaubt, kann in ›Rot wie Blut‹ an der ein oder anderen Stelle Neues erfahren. So wird sich zeigen, was Dornröschen mit einer Ogerin zu tun hat und wie Hänsel und Gretel mit Seeräubern in Verbindung stehen.

»Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter, in seinem Hof aber stand ein Brunnen mit schönem klarem Wasser. An einem heißen Sommertag ging die älteste hinunter und schöpfte sich ein Glas voll heraus, wie sie es aber so ansah und gegen die Sonne hielt, sah sie, dass es trüb’ war.«
›Der Froschprinz‹

Doch Auringers ausgewählte Märchen und Sagen sind nicht nur grausig und blutig. Sie sind magisch, bekannt und zugleich fremd. Ihnen haftet der Zauber einer vergangenen Zeit an, der auch durch Erzählen und Wiedererzählen noch im Gedächtnis geblieben ist.

»Es saß einmal eine Königin zur Winterszeit, als draußen Schnee lag, am Fenster, und stickte an einem Tuche, das in einem Rahmen von schwarzem Ebenholz gespannt war. Da stach sie sich mit der Nähnadel in den Finger, dass es blutete, und machte das Fenster auf, und ließ das Blut auf den Schnee tropfen.«
›Schneewittchen‹

Die von Julian Auringer ausgewählten Märchen und Sagen in ›Rot wie Blut‹ halten, was der Titel des Buches verspricht. Mehr als ein Dutzend unterschiedlicher Autoren und Autorinnen haben hier Einzug gefunden und machen ›Rot wie Blut‹ zu einem teils spannenden, teils vertrauten Lesevergnügen. Wer Märchen und Sagen mag, dem könnten auch ›Die schönsten norwegischen Märchen‹ und ›Nordische Mythen und Sagen‹ gefallen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2021

Eine Reisende im Land des Schnees

Das Mädchen und der Winterkönig
0

Eine Reisende im Land des Schnees.
Wasja sieht Wesen, die für andere in ›Das Mädchen und der Winterkönig‹ nur noch in alten Geschichten existieren. Märchen- und Sagengestalten, die ihr Leben zahlreicher ...

Eine Reisende im Land des Schnees.
Wasja sieht Wesen, die für andere in ›Das Mädchen und der Winterkönig‹ nur noch in alten Geschichten existieren. Märchen- und Sagengestalten, die ihr Leben zahlreicher bevölkern als Menschen. Nur wenige verirren sich in ihren Heimatort in Rus und nicht alle meinen es gut.

Die Ereignisse des ersten Bandes der Winternacht-Trilogie von Katherine Arden – ›Der Bär und die Nachtigall‹ – haben Wasja viel gekostet. Doch wem kann sie von einer Gefahr erzählen, die für die meisten nicht sichtbar ist? Und wenn sie nicht auf die Hilfe ihrer Liebsten hoffen kann, kann sie dann dem Winterkönig trauen?

Das Finale des ersten Bandes der Trilogie hat Wasjas Leben für immer verändert. Die Welt, die sie kannte, existiert nicht mehr. Doch ist sie mutig genug, in den Winter hinauszuziehen, um eine neue Welt kennenzulernen?

»›Sie sah Dinge, die nicht da waren‹, flüsterte er. ›Sie ging in den Wald und kannte keine Angst. Überall im Dorf sprachen die Leute davon. Die freundlichen sagten, sie sei verrückt. Aber die anderen sprachen von Hexerei.‹«

Wasjas Geschwister, die im ersten Band zum Teil in die Welt hinausgezogen sind, finden nun wieder Platz in ihrer Geschichte. Doch nicht nur freundliche Gesichter kreuzen Wasjas Weg wieder. Auch ein Mann, der ihr bereits im ersten Band Schwierigkeiten bereitete, ist in ›Das Mädchen und der Winterkönig‹ wieder mit von der Partie.

Zahlreicher als die Mythen- und Sagengestalten in der Winternacht-Trilogie sind nur die Gefahren. Der unnachgiebige, ewige Schnee. Der Groll vieler Menschen. Die Entführung vieler junger Mädchen. Und Wasjas will sich dieser Welt stellen, allein, und ohne je von zu Hause fort gewesen zu sein.

»›Meine Kleine ist keine Schönheit, aber sie zieht den Blick auf sich. Genau wie ihre Großmutter.‹ Die alte Frau bekreuzigte sich jedes Mal, wenn sie das sagte, denn Wasjas Großmutter war nicht glücklich gewesen, als sie starb.«

Mit Wasja ist Katherine Arden eine Protagonistin gelungen, die überzeugen kann. Wasja ist stark, entschlossen und warmherzig. Regeln und Enge bekommen ihr nicht. Auch in vielen Wünschen und Träumen ihrer Zeitgenossen kann sie sich nicht erkennen.

»Der Hausherr sah aus wie ein Mensch, doch seine Augen verrieten ihn. Als er erstmals in diesen Wäldern gesehen worden war, hatten die Mädchen noch in einer anderen Sprache zu ihm gesprochen.«

›Das Mädchen und der Winterkönig‹ kann mit dem ersten Band der Trilogie zwar nicht mithalten, doch bleibt die Geschichte um Wasja und den geheimnisvollen Winterkönig spannend. Und so, wie sie die Ereignisse im zweiten Band entwickelt haben, bleibt nur gespannt auf den dritten und letzten Band der Reihe zu warten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.11.2020

Eine junge Frau auf der Suche nach ihrer Geschichte

Der Dieb ohne Herz
1

Eine junge Frau wächst in einem kleinen Fischerdorf in der Nähe des Waldes auf. Viele Geschichten ranken sich in ›Der Dieb ohne Herz‹ um diesen. Um Menschen, die verschwinden, und einen Dieb, der in ihm ...

Eine junge Frau wächst in einem kleinen Fischerdorf in der Nähe des Waldes auf. Viele Geschichten ranken sich in ›Der Dieb ohne Herz‹ um diesen. Um Menschen, die verschwinden, und einen Dieb, der in ihm hausen soll. Die wenigsten trauen sich, diesen zu durchqueren, noch weniger freiwillig.

Doch die Not im Fischerdorf ist groß. Fischer sterben bei dem Versuch, auch nachts zu fischen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Auch die junge Frau namens Malina und ihre Ziehmutter bekommen diese Not zu spüren. Sie fertigen Masken an, die jedoch in diesen Zeiten kaum noch jemand kaufen kann.

Malina wünscht sich vom Herzen, ihrer Ziehmutter helfen zu können. Doch ihr Wunsch hat einen Preis und wird sie mitten in die Tiefen des Waldes führen. Sie ahnt nicht, dass sie bald in alte Geheimnisse und Märchen hineingezogen werden wird, als sie am Meer einem fremden Mann begegnet. Oder, dass sie bald schon selbst Teil von einem werden wird. Denn Hoffnung kann sie sich nur von einem Besuch bei der verrückten Königin versprechen.

»Magie, hatte Irena diesen Vorgang genannt. Magie war der Teil des Lebens, der einen zum Staunen brachte.«

Mit ›Der Dieb ohne Herz‹ erzählt Sceatcher nicht nur die Geschichte der jungen Heldin, sondern lässt den märchenhaften Zauber von Geschichten verspüren. Viele Herausforderungen stellen sich ihr in den Weg. Feindschaften fast so alt wie sie selbst und Geheimnisse, die nur darauf warten, von den Lesern und Leserinnen gelüftet zu werden.

Nicht nur der titelgebende Dieb ohne Herz umgeben einige, auch die anderen Mitglieder seiner Bande hüten die ihren. Doch das für Malina größte Geheimnis ist die Frage nach ihrer Herkunft.

»Doch das Mädchen lebte nicht von klein auf in diesem Dorf. An einem stürmischen Wintertag tauchte es auf und niemand wusste, wer es war und woher es kam.«

Sceatchers ›Der Dieb ohne Herz‹ ist von der ersten bis zur letzten Seite dicht gefüllt mit Geschichten, unerwarteten Begebenheiten und der Frage, ob in jedem Menschen das Gute gefunden werden kann. Eine besondere Stärke zeigt Ney Sceatcher bei der Erschaffung der Nebenfiguren. Bleiben diese in vielen Geschichten anderer Autoren und Autorinnen konturlose Abziehbilder, sind diese in ›Der Dieb ohne Herz‹ facettenreich, spannend und sympathisch.

»Es war einmal vor langer Zeit, so erzählte man sich, da existierte eine Stadt, in der die Menschen Masken trugen, um ihr wahres Gesicht zu verbergen. Masken aus Glas, aus Papier, aus Holz oder aus Metall.«

Wer Märchen und Geheimnisse liebt, für den könnte ›Der Dieb ohne Herz‹ das perfekte Buch sein. Malina ist eine angenehme Icherzählerin mit Mut, Herz und viel Fantasie. Auch die Freundschaften, die sie auf ihrer Reise knüpft, machen das Buch zu etwas Besonderem.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.11.2020

Was von den Göttern übrig blieb

Muse of Nightmares - Das Erwachen der Träumerin
0

Die Götter haben mit ihnen gespielt. Mit den Frauen von Weep, die sie holten. Mit ihren Männern, die sie meistens zurückließen. Eril-Fane hatten die Götter nicht in der Stadt zurückgelassen, um wie alle ...

Die Götter haben mit ihnen gespielt. Mit den Frauen von Weep, die sie holten. Mit ihren Männern, die sie meistens zurückließen. Eril-Fane hatten die Götter nicht in der Stadt zurückgelassen, um wie alle anderen darauf zu warten und zu hoffen, dass die Entführten wieder zurückgebracht werden würden.

Skathis, der Gott der Bestien, nahm ihn mit und schenkte ihn der Göttin der Verzweiflung als Spielzeug. Eril-Fanes junge Frau war es, die in Weep zurückblieb und warten musste. Die Jahre vergingen, doch ihr Mann kehrte nicht zurück. Bis Skathis auch vor ihrer Tür auftauchte, um sie zur Zitadelle mitzunehmen. Und die junge Frau war bereit –, glaubte sie zumindest.

Inzwischen sind die grausamen Götter längst fort. Doch ihre Spuren haben sie nicht nur an den Gebäuden und Orten, sondern auch an und in den Menschen hinterlassen. In der schwebenden Zitadelle versuchen die letzten der Götterbrut – Kinder gezeugt von Göttern und Menschen – am Leben zu bleiben. Und mit dem Grauen des Tages zu leben, als ein Mensch im Säuglingstrakt all die anderen Kinder der Götter abschlachtete, um die Menschen von den Göttern zu befreien. Doch auch im Schatten der Zitadelle leben noch immer Menschen, die die Schrecken der Götter nicht vergessen können, die zu lange ihr Leben bestimmt haben.

»Die Frauen von Weep teilten ein seltsames Gefühl miteinander, gegen das sie ihr ganzes Leben lang zu kämpfen hatten, nämlich, dass sie nur halb existieren. Sie waren Reststücke, übrig gebliebene Krumen vom Festschmaus der Götter.«

Wie lebt man mit einer Vergangenheit, die so voller Grauen und Verzweiflung ist? Wie lebt man damit, die Schuld auf sich geladen zu haben, die Götter und ihre Babys zu töten? Wie lebt man mit der Erinnerung, als Kleinkind nur in der Lage gewesen zu sein, vier der Babys zu retten, weil man nicht mehr tragen konnte?

»Doch Sarai wusste, was nur sie allein wissen konnte, nämlich dass Eril-Fane jeden Tag die größte Mutprobe ablegte, die sie je gesehen hatte: Um anderen zu helfen, lebte er weiter, obwohl es viel einfacher gewesen wäre, einfach damit aufzuhören.«

›Strange the Dreamer‹, Band 1 und Band 2, sowie ›Muse of Nightmares‹, Band 1 und Band 2, von Laini Taylor stellen diese Fragen. Die Fantasy-Romane zeigen das Leben jener, die übrig geblieben sind: Ihre Versuche, einen Weg hinaus aus Hass, Wut und Verzweiflung zu finden, die nicht immer gelingen können.

Doch obwohl das Grundthema der Bände düster und komplex ist, gelingt es Taylor, eine Romanwelt zu erschaffen, die von der Suche nach Hoffnung, Liebe und Vergebung erfüllt sind. Viele der Überlebenden sind Kinder, die nichts für die Verbrechen ihrer Eltern können, sich nicht einmal an sie erinnern, doch deren bloße Existenz genügt, um an diese zu erinnern. Dabei ist Taylors Sprache einfach, klar und zugleich poetisch.

Ein bisschen schade ist es, dass mehrere Auflösungen von Rätseln und Geheimnissen im letzten Band der Reihe über geraffte Erzählermonologe geschehen und nicht wie bisher an das Erleben und Erinnern der Figuren gebunden sind. Auch die Liebesgeschichte zwischen Lazlo und Sarai hat mich nie ganz überzeugen können, doch im Vergleich zu der unglaublich tiefen und geheimnisvollen Geschichte, die Taylors Romanwelt zu bieten hat, verliert sie dadurch nur wenig.

Wer die Bände von ›Strange the Dreamer‹ und ›Muse of Nightmares‹ noch nicht kennt, aber eine Schwäche für Geheimnisse, Traumata und Götter hat, dem sind sie wärmstens zu empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere