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Veröffentlicht am 14.09.2022

Marlene, ihre Vega Gull, die Liebe und der Flugzeugbau

Die Wolkenstürmerin
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1957, Marlene - kupferrotes Haar, begeisterte Fliegerin und eine Frau, die auf ihren eigenen Beinen steht.

Als Nachkriegsfrau hat sie es nicht einfach, denn die Älteren meinen immer noch (auch Bundeskanzler ...

1957, Marlene - kupferrotes Haar, begeisterte Fliegerin und eine Frau, die auf ihren eigenen Beinen steht.

Als Nachkriegsfrau hat sie es nicht einfach, denn die Älteren meinen immer noch (auch Bundeskanzler Adenauer) eine Frau gehört in die Küche und soll sich um die Kinder kümmern. Marlene ist Miterbin der Firma, ihre Eltern sind bei einem Flugzeugabsturz verstorben. Die Cousins haben kein Interesse an der Firma und dem Flugzeugbau, eher nur am Geld. Marlene schon, sie ist nicht nur begeisterte Fliegeri, sondern auch eine ambitionierte Flugzeugbauerin. Die Flugzeugfirma ist in der Bredouille und Marlene möchte ihr Erbe behalten. Bei einem kurzfristigen Trip an die Ostseeküste, Neustädter Bucht, zum Ferienhaus der Familie, lernt sie den Winterschwimmer kennen. Und der Winterschwimmer ist der Mann der Träume für Marlene (mit einem riesigen Haken).

Marlene ist eine starke Frau, die alles für die Liebe tut, auch wenn es gefahrenvolle Momente sind.

Flieg, Marlene, Flieg. Und das macht sie! In jeder Hinsicht... sie lässt sich ihre Träume nicht verbieten. Schöne Flugbeschreibungen.
Der Name Lilienthal ist gut gewählt. Könnte es eine Nachfahrin jenes berühmten Lilienthals sein? Doch auch die sehr bekannte Fliegerin Beryl Markham ist erwähnt, weil sie ebenfalls eine Vega Gull flog (Allein - Atlantikflug, lange in Kenia ansäßig und mit berühmten Leuten dort verbandelt, 'out of Africa', Finch-Hatton und Eifersuchtsobjekt von Karen Blixen).

Auffallend anregendes Umschlagsbild von einer Fliegerin im Nachkriegslook. An der Fliegerei Interessierte müssen automatisch das Buch in die Hand nehmen! Interessierte an historischen Themen und starken Frauen finden bestimmt schöne Musestunden mit diesem leicht lesbaren Buch.

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Veröffentlicht am 14.09.2022

Pfefferminzbonbons mit Waffenschein

Silent Scream – Wie lange kannst du schweigen?
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Ein eBook, so spannend! Von der ersten Minute bis zur letzten...

Ein Krimi, der in den erbärmlichsten Abgründen wühlt (und das tun Krimis eigentlich öfters): Hier geht es um ein Kinderheim, es geht um ...

Ein eBook, so spannend! Von der ersten Minute bis zur letzten...

Ein Krimi, der in den erbärmlichsten Abgründen wühlt (und das tun Krimis eigentlich öfters): Hier geht es um ein Kinderheim, es geht um abgeschobene Kinder, und die Teamleiterin der Ermittlung, Stone, ist selbst so ein abgeschobenes Kind, die auch als Erwachsene immer noch mit dem Groll der Kindheit lebt. Es geht um ganz schlimme Morde. Früher und zum Zeitpunkt, in dem der Krimi spielt... mit sympathischen Menschen (Achtung, Falle!) und sehr unsympathischen Menschen (ein bißchen zuviel Schwarzweiß). Stone hält sich nicht an Vorgaben - gut so! Stone ist eigenwillig - noch besser.

Der Krimi liest sich spannend und Kim Stone ist eine sympathische Ermittlerin, trotz und gerade wegen ihrer ganzen Macken. Und ihr Team steht hinter ihr, sogar Moody, der Vorgesetzte, denn sie bringt Resultate.

Witzig geschrieben, trotz der Schwere des Inhalts. Ich habe öfters über besonders witzige Bemerkungen und der Wortwahl lachen müssen.

Ich bin gespannt, wie der zweite Fall von Kim Stone ist, denn in diesem ersten sind bereits viele Geschütze abgefeuert worden. Englische Ausgaben (Original!) gibt es schon einige. Angela Marsons schreibt massiv, vielleicht steckt so einiges von ihr in Kim Stone.

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Veröffentlicht am 14.09.2022

Biografie eines Schauspielers

Kerl aus Koks
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'Paul Brenner ist meine bessere Hälfte'. Es genügt, wenige Sätze zu lesen aus der Autobiografie von Brandner, um zu wissen, dass das Buch etwas taugt und lesbar ist.
Brandner ist ein bekannter Schauspieler. ...

'Paul Brenner ist meine bessere Hälfte'. Es genügt, wenige Sätze zu lesen aus der Autobiografie von Brandner, um zu wissen, dass das Buch etwas taugt und lesbar ist.
Brandner ist ein bekannter Schauspieler. Ich kenne ihn nicht, auch als ich seine überaus lange Liste von Film- und TV-Auftritten durchlas (das eine oder andere kannte ich, z.B. 'Die Wanderhure') konnte ich mich nicht an ihn erinnern. Er ließ mich wohl unbeeindruckt zurück.

Also, Brandner schreibt über Paul Brenner (er sagt, sein wilderes Ich, sein Freund), ich vermute 'sein alter ego':
Paul lebt zuerst in Bayern, in einer Großfamilie, und dann im Ruhrpott. Überall lebt er sich leicht ein....In Bayern ist er im 'Wurschthimmel' (ja, sehr schwierig, die Finger davon zu lassen, Vegetarierer haben es schwer in Bayern), dann die Hefesemmel, Paul ist im Schlaraffenland und inmitten einer heimeligen Großfamilie. Die Idylle wird gestört, es kommt eine Dame, die seine Mutter sei. Dortmund, sein Papa. Der ist lieb. Und sie lieben sich vom ersten Moment an, doch es ist nicht sein biologischer Vater. Von nun an muss er im Ruhrgebiet leben, ein ganz anderes Leben.

Eine erbauliche Autobiografie von einem, der zwischen allen Kulturen lebt (Bayern / Ruhrpott) und dann doch wieder zum Anfangspunkt zurückkehrt (Brandner lebt in München).

S. 75: 'Dann der Besuch beim Metzger. ...Selig lächelnd stand er mitten im Laden und war wieder zu Hause... „Du gehörst doch zum Brenner Hans“.
Sein Besuch in Bayern, mit seinem Papa, der endlich die Verwandtschaft in Bayern kennenlernen wollte.

Paul wird schwer krank, springt jedoch dem Tod von der Schippe und muss in ein neues Zuhause einziehen. Denn inzwischen ist sein Halbbruder Erich da. Paul macht eine Ausbildung zum Bauzeichner. Paul wird einberufen... (damals mussten die Jungs noch den Wehrdienst ableisten, war nicht zu schlecht, denn da wurden ihnen Flausen ausgetrieben). Er meldet sich zum Bundesgrenzschutz und legt sich beim Einrücken eine Perücke zu... große Klasse! Das Leben geht rasant weiter, je älter Paul wird...

Leicht lesbar geschrieben, aus der Sicht eines Kindes, was noch nicht so richtig seine Umgebung kennt und wer was ist und warum. Eine Mutter, die eigentlich keine richtige Mutter ist; ein Vater, der nicht sein biologischer Vater ist, aber mehr Vater, liebender Vater als seine Mutter Mutter ist. Aber eigentlich auch mit ironischem Zwinkern geschrieben. Seine Mutter war so eine Frau, die man sich nicht unbedingt wünscht. Und der Junge lernt hinzuschauen und kommt mit allen zurecht... Die ersten Teile, Sicht aus Kinderaugen bis zu seiner Bundeswehrzeit, liest sich interessant.
Danach wird es langweilig, weil es nur noch um in den Tag hineinleben geht, so viele Personen auftauchen, dass die Übersicht darüber verloren geht... so viele Jobs, so viele Frauen...

Das Umschlagsbild zeigt einen ziemlich pfiffig aussehenden Zwerg.

Drei Sterne lediglich, Sternabzug, denn wäre der Stil so weitergegangen wie der Anfang bis zur Mitte, pfiffig, humorvoll und mit gewissen Einsichten...

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Veröffentlicht am 13.09.2022

Eine Telefonistin ermittelt...

Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders
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Alma, das Fräulein vom Amt, arbeitet schwer im Kreis ihrer Kolleginnen. Reinstöpseln, Gespräch annehmen, umstöpseln, dazwischen auch mal einen Stromschlag erhalten. Keine Pause, krummer Rücken, unhöfliche ...

Alma, das Fräulein vom Amt, arbeitet schwer im Kreis ihrer Kolleginnen. Reinstöpseln, Gespräch annehmen, umstöpseln, dazwischen auch mal einen Stromschlag erhalten. Keine Pause, krummer Rücken, unhöfliche Kunden, die die jungen Frauen blöd anbaggern. Trotzdem galt die Position als "Fräulein vom Amt" als etwas Besonderes, zudem einer der wenigen Berufe für Frauen.

Da überhört Alma beim Umstöpseln ein Gespräch über einen ausgeführten Auftrag. Die Stimme ist wie 'Kreide auf einer Schiefertafel' (dieses schrecklich kratzende Geräusch, was einem durch Mark und Bein geht), also sehr markant und unangenehm. Später liest sie in der Badischen Presse, dass eine Tote bei den Kolonnaden gefunden wurde.

Alma ist neugierig, aufgeweckt und aufmerksam; so entschließt sie sich der Polizei das mitgehörte Gespräch zu melden. Dort wird sie zuerst abwehrend aufgenommen, ist doch nur eine Prostituierte, in diesem Milieu kommen Todesfälle eben vor. Alma gibt aber nicht auf, und Ludwig Schiller, Polizeianwärter und Kriegsrückkehrer, steht ihr bei.

Baden-Baden, im Jahr 1922 (vor ein hundert Jahren in der Zwischenkriegszeit / Weimarer Republik – im Buch „nach dem 'Große Krieg'„ genannt; die armen Leute wussten ja nicht, dass es noch schlimmer kommen würde).

Alma teilt eine Dachgeschosswohnung mit der quirligen Emmi, eine typische junge Frau der 'Goldenen Zwanziger' (leben und leben lassen), sie kann sich nicht entscheiden, welchen ihrer vielen Verehrer sie als Mann nehmen soll. Alma ist sehr gewissenhaft, ernst, aufmerksam. Emmi, ihre Freundin und Mitbewohnerin, das Gegenteil. Aber sie mögen sich (als Leserin muss man Emmi nicht mögen, aber immerhin steht sie hilfreich an Almas Seite). Dazu kommt noch der Lieblingscousin von Alma – Walter (mit spanischen Anteilen, deswegen Torero von Emmi genannt), ein angehender Mediziner, der seiner geliebten Cousine auch hilfreich zur Seite steht und ihr Einsichten ermöglicht...

Almas Familie ist eher eine normale Familie der Zeit (Frauen müssen so und so sein, und nicht so, wie z.B. diese Emmi, schlechter Einfluss auf Alma). Frauen sollen alle schön heiraten und Kinder kriegen. Schlimmer noch, Frauen, wenn Beamtinnen, müssen ihren Beruf aufgeben, wenn sie heiraten. Dieses Gesetz hatte lange Gültigkeit bis die Frauenrechtlerinnen dies zum Fall brachten.

Das Autorinnenteam lässt uns an vielen der schlimmen und damals üblichen Diskriminierungen von Frauen teilhaben. Also alles noch nicht so lange her und manche der damaligen Verhaltensweisen haben selbst heute noch ihrer Auswirkungen...

Die Zwischenkriegszeit ist gut von den beiden Autorinnen recherchiert worden, auch von Örtlichkeiten in Baden-Baden zu lesen ist ein Genuss (Baden-Baden hat viel zu bieten). So ist selbst die in der Nazi-Zeit zerstörte Synagoge an ihrem ehemaligen Platz als Treffpunkt erwähnt (einst ein wunderschöner Bau).
Baden-Baden war (und ist) schon immer mondän, leicht verrucht und von schillernden Personen durchzogen. Insofern passt dieser Krimi zu der kleinen Stadt Baden-Baden.

Für mich als aus Südbaden Stammende und öfters in Baden-Baden Seiende ist es wirklich ein Lesegenuss, da ich viele der beschriebenen Orte kenne und von anderen mich überraschen lasse (für den nächsten Besuch dort). Alles Wichtige in der Region wurde erwähnt. Natürlich kommt auch das Pferderennen in Iffezheim dabei vor (ein neuer Todesfall). Selbstredend, dass die kluge und aufmerksame Alma wesentlich zur Aufklärung der Morde beitragen kann und nebenbei auch noch die Liebe entdeckt!

Trotz gewisser Längen, die gestrafft werden könnten, sehr lesbar, spannend und von gutem Unterhaltungswert (Nr. 2 von Almas Fällen kommt bald auf den Markt)


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Veröffentlicht am 26.08.2022

Trauern, Verlust, Vermissen

Schlangen im Garten
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"Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe". Diesen Einstieg muss man sich echt auf der Zunge schmelzen lassen... ...

"Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe". Diesen Einstieg muss man sich echt auf der Zunge schmelzen lassen... Als ich einer Freundin von dem Buch erzähle, sagt sie 'einverleiben'. Genau.

Ein Schlange fand sich soweit nur auf einem Bild im Zimmer des Rektors, eine Aspis Viper. Viele surreale Momente. Immer wieder: Der eine Sohn sieht Gesichter. Die Tochter muss ihre Wut verprügeln, sie verdrischt andere Kinder mit einer Brutalität, die an Ermorden erinnert.
Johanne, Mutter und Ehefrau, ist tot. Die einzige, die wohl die Familie zusammenhielt. Adam, ihr Mann, sagte sie immer, sei lebensuntüchtig. Alle leiden, die drei Kinder, der Mann.
Die Tagebücher, die gegessen werden, aber ein Kind rettet immer wieder Fetzen, rettet Gedanken der Mutter oder will sie retten. Der Friedhof, auf dem zwei Kinder sich heimisch machen wollen. Die Frau mit dem Hund, eine Obdachlose. Ihr Hund, eigentlich ein Gummiball an der Leine. Sie beschimpft Adam, den Vater. Und er braucht es wohl.
Andere Figuren tauchen auf, spielen wichtigere Rollen, andere stören, werden an den Rand gedrückt. Es passiert soviel Surreales. Ein Traueramt macht sich Sorgen um die Familie, ein Trauerbegleiter wird fast verrückt mit der Familie.

Das erste Buch der Autorin war anders, wie ein Märchen. Der Junge und der Hahn und die schrecklichen Dinge, die dort passierten, doch der Junge und sein Hahn kamen gut durch. Happy End, wie in einem Hollywood Blockbuster.
Es hatte, zwar auch surreal, doch Hand und Fuß. Dieses Buch hier ist absolut surreal. Eigentlich eher ein Gedichtband zur Trauerverarbeitung. Liest man eine Seite oder nur wenige Zeilen, dann muss man einhalten, darüber nachdenken... nicht zuviel auf einmal lesen, sonst ist die Welt aus den Angeln gerückt.

Ich habe an meine Trauerverarbeitung gedacht und ich kenne die Trauer anderer. Wenn der Witwer seine Nase in die Pullis der Verstorbenen steckt, um ihren Geruch zu halten. Wenn die Witwe sich in Arbeit stürzt und sich an den Kindern festhält, den Kindern Zukunft gibt.

Dieses Buch wird kein Bestseller in dem Sinn werden, dass alle jubeln und sagen, das ist spannend. Es ist ein leises Buch, wie bereits erwähnt, eher wie ein Gedichtband. Ein Buch zum immer wieder in die Hand nehmen, um dann die Worte direkt ins Herz fließen zu lassen. Hoffentlich. Das Buch wird vermutlich wieder Preise gewinnen und manch einer wird es kaufen, aber viele werden es aus der Hand legen und den Kopf schütteln. (Eben ein leises Buch) Und dann wieder, eher etwas verstohlen, darin das eine oder andere lesen...

Und das Buch sagt, nehmt Euch Eure Zeit, es ist Eure Trauer. Und verarbeitet sie so wie Ihr es braucht...

Titelbild: Von Paul Gauguin, 'Porträt Vaiite'; sehr sehr schön... Diogenes - Verlag eben, der gerne künstlerisch anspruchsvolle Titelbilder nimmt

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