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Veröffentlicht am 10.04.2024

Authentisch, blutig und mörderisch

Essex Dogs
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„Und jetzt sind wir hier. Und wir führen Krieg um unseren althergebrachten Anspruch. Einen Krieg, der vielleicht ein Jahr dauern wird. Oder zehn. Oder hundert.“



1346 - zehn Söldner gehen an der Küste ...

„Und jetzt sind wir hier. Und wir führen Krieg um unseren althergebrachten Anspruch. Einen Krieg, der vielleicht ein Jahr dauern wird. Oder zehn. Oder hundert.“



1346 - zehn Söldner gehen an der Küste der Normandie an Land. Mit ihnen ein gesamtes Heer. Dieser Schritt sollte eine Zeitspanne einläuten, die wir als den 100jährigen Krieg kennen. Ein Krieg zwischen England und Frankreich, um Herrschaftsanspruch, um Macht und Eitelkeit, um Geld und Territorien - ein Krieg der unendliches Leid produzierte - aber gleichzeitig bis in die heutige Zeit fasziniert.

Und mittendrin hat Dan Jones den Essex Dogs - der gerade erwähnten Söldnertruppe - Leben eingehaucht und mich so hautnah erleben lassen, was sie erlebt haben, was sie gefühlt haben und durch welchen Schlamm, Kot, durch welches Blut und durch welche Leichenteile sie waten mussten, um nur die ersten sechs Wochen durchzuhalten. Und ich war bei ihnen. Dan Jones hat uns hautnah die historischen Ereignisse der ersten rauen Kriegswochen aus den Augen der Essex Dogs miterleben lassen. Und gerade das hat mich an die Seiten gefesselt. Wer mich ein bisschen kennt, der weiß, dass ich mich mehr auf die Charaktere konzentriere und mit ihnen mitfiebere. Dan Jones hat hier raue, kampferprobte Figuren erschaffen, die alles andere als seelenlos waren, trotz der Schimpfworte und des Blutes an ihren Händen. Zehn Söldner sind in der Truppe, doch Dan Jones hat sich meist auf zwei bis drei Perspektiven beschränkt, sodass ich vor allen zwei Figuren in ihrem Denken und Handeln kennen lernen durfte.

„Wir sind, wer wir sind, und tun, was wir tun. Wir passen aufeinander auf.“

Loveday ist ein Anführer und will eigentlich nur eines. Seine Essex Dogs nach dem Krieg wieder heil nach England zurückbringen. Dafür kämpft er, dafür erträgt er Schmerzen, Gestank und Blut, und dieses Ziel ist ihm nicht von Außen eingegeben worden, nein, er hat den Entschluss selbst gefasst - um nicht den Verstand zu verlieren in den Wirren des Krieges - und gerade wegen diesen Beweggründen ging mir seine Figur so nahe.

Romford ist der jüngste der Truppe und ein begabter Bogenschütze. Durch einen Zufall wird er Knappe des Schwarzen Prinzen - und durch seine Augen sehen wir einen nörgelnden, aufbrausenden und unsicheren Prinzen. Wir erleben, was der Krieg mit einem Menschen anstellen kann - Stichwort PTBS - auch die Suchtthematik wird hier angesprochen. Ich fühlte mich ihm nahe! Und diese Nähe hat mich durch die Seiten, durch all den Mord und Tod, aber auch durch Momente der Freundschaft und des Zusammenhaltes (auch zwischen ungewöhnlichen Gefährten) getragen.

Dan Jones beschönigt nichts. Der erste Band ist nichts für schwache Mägen. Essex Dogs ist der erste Roman in einer Trilogie. Der zweite Band erscheint übrigens im August in Deutsch! Davor wurde der Historiker und Journalist mit Sachbüchern und Podcasts zur Geschichte des Mittelalters bekannt.

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Veröffentlicht am 04.04.2024

Urban Fantasy mit einem unerwarteten Twist

Neue Wirklichkeit
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Haunted Hunters von Nadine Erdmann


Ich könnte jetzt viele Vergleiche anstellen, mir fallen auf Anhieb ein paar meiner liebsten Serien mit den selben Vibes ein. Aber …. Das lasse ich lieber. Erstens, ...

Haunted Hunters von Nadine Erdmann


Ich könnte jetzt viele Vergleiche anstellen, mir fallen auf Anhieb ein paar meiner liebsten Serien mit den selben Vibes ein. Aber …. Das lasse ich lieber. Erstens, weil ich euch nicht spoilern will, und jeder Vergleich würde irgendwie die Überraschung dieses Buches nehmen. Und zweitens - tja, weil ich möchte, dass ihr das Buch selbst erlebt.

Das eingeschworene Team bestehend aus Ayden, Riley, Jo und Parker arbeitet als Geisterjäger und sind darin ziemlich gut. Gleichzeitig ziehen sie gemeinsam Aydens Sohn Henry auf. Ehrlich - Henry hat mein Herz auf der ersten Seite seines Auftritts erobert. Der Vierjährige ist in allen Belangen so süß, tapfer und herzerwärmend ehrlich, dass es schwer fällt ihn nicht zu lieben. Und der kleine Sonnenschein ist nicht nur ein Sidekick, sondern über das gesamte Buch und über die gesamten Entscheidungen präsent, was ich sehr begrüßt haben. Ayden und Riley sind Geschwister, beide paranormal begabt, wie das Pärchen Jo und Parker. Der Zusammenhalt zwischen den vieren war durch die Seiten hindurch spürbar und bildet eine wunderbare Basis für mich, um in die gesamten schlimmen Geschehnisse, die sich in dem Buch ereignen, richtig tief einzutauchen.

Nadine baut einen Plottwist ein, den ich so nicht erwartet habe, und der mir Gänsehaut über den Rücken gejagt hat, da er recht nah an der Wirklichkeit gehalten ist, trotz der vielen Geister, mit denen sich die vier rumschlagen müssen. Ich habe einfach mitgefiebert und trotz des Schreckens mitgelacht. Himmel, ich habe so oft gelacht, obwohl die Atmosphäre bisweilen sehr düster und bedrohlich ist. Nadine versteckt so wunderschöne Emotionen in dem Buch - ich habe es einfach geliebt (wenn ich um zwei Uhr nachts, wenn ich geschafft von der Arbeit komme, noch ein Kapitel lese, heißt das was, oder?)

Auch die Charaktere, die später noch aus den Seiten geschlüpft sind, haben sich schnell in meinem Herzen (in vielleicht auch in das Herz einer der Figuren) geschlichen. Ich mag es einfach, wie Nadine ihren Figuren Seele und Farbe verleiht! Zudem habe ich beständig die found Family Vibes gespürt, die ich sehr gerne lese.

Genau meins also - wer auf

foundfamily und

geister Vibes steht, gerne Urbanfantasy liest und tiefe Freundschaft und Verbundenheit mag, aus der sich in den nächsten Büchern mehr entwickeln könnte, der ist bei den Hunters an der richtigen Adresse. Der zweite Band der Trilogie soll im September diesen Jahres erscheinen - und ich kann es kaum noch erwarten.

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Veröffentlicht am 30.03.2024

„Verwehre dir nicht die Dinge, die dich glücklich machen. Niemals!“

Melodie der Asche
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Als Spion in den Reihen eines grausamen Regiems kämpft Laudan, Sohn des Feldherren, für seinen Traum von Freiheit, den Caliyan, der mächtigste Magier aller Zeiten, schon längst aufgegeben hat - er strebt ...

Als Spion in den Reihen eines grausamen Regiems kämpft Laudan, Sohn des Feldherren, für seinen Traum von Freiheit, den Caliyan, der mächtigste Magier aller Zeiten, schon längst aufgegeben hat - er strebt nach Rache, für das, was ihm genommen wurde. Bei dem Versuch, die Rebellion vor der Vernichtung zu bewahren, trifft Laudan auf Vaelen, einen Fischer ohne Erinnerungen. Ihre Schicksale sind durch eine Melodie miteinander verwoben. Doch welche Chance hat ihre Liebe, wenn um sie herum die Welt in Krieg und Chaos versinkt?

Ich weiß nicht, wo ich beginnen und wo ich enden soll. Elya hat mit Melodie der Asche so ein eindrucksvolles, mutiges Debüt vorgelegt, fernab von jeglichem Romantasy-Einheitsbrei, das es mir schwer fällt, es einem bestimmten Genre zuzuordnen. Natürlich spielt die Liebe der beiden Protagonisten eine tragende Rolle. Die Liebe, die Zuneigung zwischen Laudan und Vaelen, die sich so zart entwickelt, aber vergleichsweise wenig Raum einnimmt insbesondere in der ersten Hälfte des Buches. Ist das schlimm? Um Himmels Willen, nein. Man spürt beide immer im Hinterkopf des anderen, aber sie haben wichtigere Dinge zu tun als einander hinterherzuschmachten. Sie haben alle Hände voll damit zu tun, am Leben zu bleiben und für ihre eigene Freiheit und für die Freiheit der Welt, in der sie leben, zu kämpfen.

„Ich will die Welt nicht. Ich will sie verändern. Mit dir“ S. 373

Die Geschichte wird in mehreren Zeitebenen erzählt - und ich bin Elya so dankbar, dass sie dem Leser zutraut, ihr auf diesem Pfad zu folgen. Für mich war es ein Puzzlespiel, ein Rätsel, das es bis weit über die Mitte des Buches zusammen zu setzten galt. Welche Stränge überlappen sich, welches Puzzleteil gehört an welche Stelle, welche Hinweise gibt uns Elya und wie passen sie am besten in das gesamte Spiel. Identitäten und überlappende Handlungsstränge galt es zu entschlüsseln! Oh, hat mir das Spaß gemacht! Insbesondere, da ich von Charakteren getragen wurde, die mir ans Herz gewachsen sind. Vaelen mit seinem unerschütterlichen Idealismus, der ungebrochene Wille und der Glaube an die Freiheit von Laudan und Caliyen mit seinem Schmerz, der in blutiger Rachsucht mündet. Ich konnte sie alle verstehen und wäre mit ihnen durch das feurigste Inferno gegangen. Mein liebster Nebencharakter war übrigens Laudans Freund Reskir, der auch in der Armee dient. Er bringt für mich die Lockerheit und den Witz ins Buch - den die anderen in ihrer Melancholie und in ihrem Schmerz (physisch wie psychisch) dringend benötigen. Ich liebe ihn einfach. Generell hat Elya mit ihrem großen Cast unheimlich verschiedene Figuren geschafften. Trotz der Fülle fiel es mir leicht, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten, oder ineinander zu fügen - ganz so wie es gerade von Nöten war. Und noch ein paar Worte zum Spicegrad - der hier zum Glück keine Gemüsesorten braucht, um angegeben zu werden. Dieser Roman funktioniert mit einer fantastischen Liebesgeschichte, in der die Liebe der Protagonisten in jeder Seite spürbar ist und auch ihr Handeln (klug!) bedingt, ohne, dass sie sich bei jeder Gelegenheit die Kleider vom Leib reissen müssen. Die Geschichte hat einfach so viel mehr Themen als die Lovestory - Rache, Hass, Hoffnung, der Freiheitsgedanke, eine blutige Rebellion gegen das Regime, die Stärke von Wort und Schwert - das sind die Fundamente der Geschichte.

„Aber was werden sie denken (…)“ „Dass Helden und Wunder existieren. Dass Hoffnung auf Freiheit existiert und dass das Licht des Morgens die Dunkelheit verdrängt.“ „Gut, geben wir ihnen einen Traum.“ S. 473

Oh, bin ich diesen Charakteren gerne durch ihre Welt gefolgt. Gleich ob ich mit Vaelen hinaus aufs tiefblaue Meer gefahren bin, oder mit Laudan eine hoffnungslose Schlacht geschlagen habe. Die Orte waren allesamt faszinierend - weil sie erfüllt waren von Leben, von Freundlichkeit, von Liebe, von Hass, Magie und Blut. Ich habe sie einfach gelebt und geliebt. Elya hat die Welt so reich und detailverliebt gestaltet, ohne sie zu erdrücken.

“So werden Männer gemacht.“ Mein Vater hatte unrecht. So wurden Monster gemacht.“ S. 28

Wer hier ein hartes Magiesystem mit all den Erklärungen erwartet, die sonst in High-Fantasy Geschichten vorkommen, der sucht vergebens. Die Magie ist hintergründig, bedarf jedoch keiner großen Erklärung. Ich habe sie auf jeden Fall nicht vermisst.

Elyas Sprache bewegt sich zwischen zart und klassisch - sie verleiht der Geschichte die Tiefe, sie trägt einen sicher durch die schockierenden Schlachten und abgrundtiefen Geheimnisse der Figuren, sie hat mich schimpfen, fluchen, lachen und schmerzvoll aufstöhnen lassen. Ihr Stil hat mich an die Geschichte gebunden.

Symbole ziehen sich durch das gesamte Buch. Das Seidenband, der Ring, um nur einige zu nennen, die mir auch schon auf dem Cover begegnet sind - die Autorin hat sowohl Cover als auch Karte sowie Seitenillustrationen selbst gezeichnet - man spürt das Herzblut, das in jede Seite geflossen ist. So stimmt einfach jedes kleine Sandkorn in den Sanduhren.

Das Buch ist ein Juwel, für alle, die gute High-Fantasy mit einem tragischen Liebespaar vertragen und die fernab von allen Romantasyklisches tief in den Freiheits- und Rachegedanken eintauchen mögen. Der Roman ist komplex, dramatisch und blutig - und er hat mich bis ins Mark berührt.

„Wollt ihr die Welt retten (…)?“ „Ich fürchte, dazu braucht es mehr als Kuchen. Lasst uns gehen.“ S. 364

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Zornig und packend

She Who Became the Sun
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„Wenn du fliegst, schau nicht nach unten, oder du wirst begreifen, dass du das Unmögliche tust, und abstürzen.“

Das Zitat fasst exakt das zusammen, als was ich diesen ersten Band der Dilogie empfunden ...

„Wenn du fliegst, schau nicht nach unten, oder du wirst begreifen, dass du das Unmögliche tust, und abstürzen.“

Das Zitat fasst exakt das zusammen, als was ich diesen ersten Band der Dilogie empfunden habe. Als ein beständiges Wandeln am Abgrund. Wenn auch nur einer der Protagonisten einen Zeh in falsch setzt, wird er in den Abgrund stürzen. Dieser Gedanke ist die Triebkraft der Geschichte. Das Fieber. Die Vision, die für mich hinter diesem Stück historischer Fiktion steckt. Grandioser historischer Fiktion, ich sag es ganz simpel. Insbesondere die letzten Kapitel habe ich geradezu verschlungen - oder sie mich, ganz wie ihr wollt.

Der Roman erzählt eine alte chinesische Legende neu. China steht unter mongolischer Herrschaft. Eine Hungersnot zieht über das Land und die Menschen sterben wie die Fliegen. Der Bruder und der Vater sterben, das Mädchen ergreift die Chance und schlüpft in die Rolle des Bruders, sie nimmt sein Schicksal an um zu überleben. Auf mongolischer Seite dient der Eunuch Ouyang dem Prinzen als General seiner Armee und ist das Zünglein an der Wage von Sieg und Niederlage.

Beide Figuren hatten für mich eine ungeheure Kraft, die mich fasziniert und gleichzeitig erschreckt. Wir begleiten Zhu von Kindesbeinen an, und was zunächst scheint wie ein erzwungenes Ablegen der eigenen Identität, zieht sich das gesamte Buch hindurch. Diese „Suche“ nach ihrer eigenen in einer von Männern dominierten Welt habe ich selten so gut ausgearbeitet erlebt. Hinzu kommt noch, dass ich beständig mit Zhus Zorn konfrontiert war. Zunächst ein Funke, schafft er es, einen wilden Flächenbrand zu entzünden in der Geschichte, der mich mitgerissen hat und mich von einem Kloster bis an die Spitze eines Heeres gespült hat, immer Zhus Ziel im Blick. Sie will an die Spitze, und dabei nimmt sie auch herbe Verluste in Kauf. Ouyang hat für mich genau so eine Strahlkraft, aber auf eine gänzlich andere Art und Weise. Er muss mit Neid und Missgunst und dem ständigen Gefühl der Zerrissenheit klar kommen - seine Familie von der Familie ermordet, der er jetzt dient. Beide Protagonisten - auf verschiedenen Seiten - haben mich fasziniert, so unterschiedlich, vielschichtig und zerrissen habe ich sie wahrgenommen. Möchte sie als Freunde für Leben? Nur bedingt! Aber sie sind unglaublich spannende Figuren, die eine noch bei der Justierung der eigenen Identität, und die andere gebeugt von ihrer Entscheidung, einem Weg in den Abgrund folgend.

Wir haben hier ein Stück historische Fiktion vor uns, mit vorsichtig eingestreuten fantastischen Elementen, die nicht zu erdrückend wirken. Ich mochte die Art, wie hier mit der Phantastik umgegangen wird, sehr gerne, stehen doch die geschichtlichen Aspekte im Vordergrund.

Shelley-Parker Chan beschwört vor meinen Augen Sturmfluten, Klosteranlagen, Kaiserpaläste und wilde Schwertkämpfe herauf - ich war einfach nur gebannt - mit jeder Seite ein bisschen mehr - und kann es für jeden empfehlen, der sich durch zornige Protagonisten und eine militärisch geprägte Geschichte nicht abschrecken lässt. Es erwarten euch viele Wunder und das Buch hat seine ganz eigene Ästhetik.

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Veröffentlicht am 14.03.2024

Schauer konnte es bei mir nicht erzeugen

Der Tod der Jane Lawrence
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Es klang so gut! Wann hat euch zuletzt ein Klappentext dazu verleitet ein Buch zu kaufen, das euch letztendlich enttäuscht hat?

In einem alternativen London rechnet sich Jane, die ein großes Faible für ...

Es klang so gut! Wann hat euch zuletzt ein Klappentext dazu verleitet ein Buch zu kaufen, das euch letztendlich enttäuscht hat?

In einem alternativen London rechnet sich Jane, die ein großes Faible für Mathematik hat, mehr Chancen auf Unabhängigkeit aus, wenn sie verheiratet ist. Dieser ist auch schnell gefunden - Augustin Lawrence, ein eigenbrötlerischer Arzt, der keinerlei romantisches Interesse an Jane zu haben scheint. Er verbietet ihr aber auch nur einen Fuß in sein Anwesen zu setzen, in dem er aber jede Nacht verbringt. Was für Geheimnisse birgt das Anwesen wohl?

Und der Anfang war auch noch richtig interessant. Jane wird eingeführt als eine junge Frau, die nach Unabhängigkeit strebt und dafür den Weg einer Heirat wählt, wie es wohl in diesem alternativen London in der Nachkriegszeit üblich war. Ich empfand ihre Art als erfrischend, hatte sie die große Liebe doch schon at acta gelegt, da sie der felsenfesten Überzeugung war, mit ihrer Liebe zur Mathematik verheiratet zu sein. Die Ehe zu Augustine Lawrence sollte nur Mittel zum Zweck sein, und er willigt nach halbgarer Diskussion ein, ihr Ehemann zu werden, wenn sie ihm in seiner Praxis zur Hand geht.
Das war leider schon mein erster Stolperstein. Der Mann sträubt sich im ersten Moment mit allem, was ihm zur Verfügung steht, im nächsten Moment willigt er in die Ehe mit ein paar Bedingungen ein. Da dreht sich ein Fähnchen nach dem Plotwind, so war mein Gefühl - so offensichtlich finde ich es aber etwas gewollt.

Habe ich am Anfang erwähnt, dass Jane niemals auf seinem Anwesen übernachten soll? Natürlich findet sie einen Weg über ein paar Unfälle in den Sitz des Arztes und bemerkt gleich, dass hier vieles nicht mit rechten Dingen zu geht. Allein dieses Haus bietet viel Potential für schaurige Momente - die jedoch bei mir überhaupt nicht ankamen. Jane stolpert von einer konstruierten Situation in die nächste und hat unheimliche Träume. Und sie verliebt sich natürlich unsterblich in Augustin - doch diese Beziehung kam mir zu plötzlich, für mich war sie zu unzureichend eingeführt, um den Plot wirklich zu tragen. Im einen Moment ist sie mit ihrem Faible für Mathematik verheiratet, im anderen wirft sie sich ihm praktisch an den Hals - nur um den Abgrund noch tiefer zu graben, in den sie danach fällt. Für mich stand das gesamte Konstrukt nach einem Fünftel des Buches auf ziemlich wackligen Beinen - und konnte mich wenig fesseln. Es gab einige nette Abschnitte - insbesondere das Setting in der Praxis fand ich eigentlich interessant. Aber sobald es wieder auf Augustins Herrensitz ging, entwich die Luft wie aus einem durchlöcherten Luftballon. Geister, verschlossene Türen, mysteriöse Rituale - die ohne einen großen Plan aneinander gereiht wurden, ergeben leider für mich keinen guten Roman. Er hat mich dann auch irgendwann verloren, zwischen blutigen Messern und vorhersehbaren Wendungen, die auf bei mir nicht die gruselige Dramatik entfaltet haben, die sie eigentlich entfalten sollten. Die Magie, die alsbald auftaucht, ist düster und dramatisch, wird Jane aber irgendwie gezwungen erklärt, sodass es nicht wirklich glaubwürdig wirkt …

Ab der zweiten Hälfte würde es düsterer und blutiger, beinahe las es sich wie im Fieberwahn. Dagegen bin ich nicht abgeneigt, wenn die Figuren stimmen. Aber Jane und Augustin haben mich schnöde sitzen lassen und mich nicht auf ihre wilde Party mit Skalpell und Geistern eingeladen. Unglaublich schade.

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