Platzhalter für Profilbild

Madamebiscuit15

Lesejury Profi
offline

Madamebiscuit15 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Madamebiscuit15 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.05.2024

Ehrlich, bewegende und lesenswert

Windstärke 17
0

Das Cover versetzt einen gleich ins richtige Setting der Geschichte, die fast nur auf Rügen spielt. Dabei geht es um Ida, die nach dem Tod ihrer Mutter nicht weiß wohin mit ihren ganzen Emotionen. Sie ...

Das Cover versetzt einen gleich ins richtige Setting der Geschichte, die fast nur auf Rügen spielt. Dabei geht es um Ida, die nach dem Tod ihrer Mutter nicht weiß wohin mit ihren ganzen Emotionen. Sie fühlt sich schuldig, ohnmächtig, allein und wütend. Anstatt nach Hamburg zu ihrer Schwester Tilda, fährt sie einfach weiter nach Rügen und landet dort bei Marianne und Knut, einem älteren Ehepaar.
Diese beiden geben Ida Raum für sich und ihre Gefühle, ohne Erwartungen an sie zu stellen. Es ist berührend mit zuerlesen, wie Ida sich immer mehr öffnet und Teil dieser kleinen Familie wird. Wie sie ankommt auf der Insel und dem Paar. Sich ihrer Vergangenheit stellt und daran wächst.
Es sind zarte Momente, gerade zwischen Marianne und Ida, die beiden viel bedeuten.
Und dann gibt es da noch Leif, der so unnahbar wirkt und doch immer wiederkommt. Mit dem sich Idas Leben plötzlich so viel leichter und heller anfühlt.
Caroline Wahl besitzt ein großartiges Fingerspitzengefühl für diese emotionalen und zärtlichen Momente, die ich so gut nachempfinden konnte. Und ganz schnell war mein einziger Gedanke nur noch "Leif, brich uns nicht das Herz!"

"Wenn ich mit Leif Hand in Hand am Sassnitzer Hafen entlangspaziere, so wie gestern, denke ich ganz kitschi und blöd, dass mir seine Hand in meiner genügt zum Leben, dass ich nicht mehr brauche." S.124

Die Autorin hat hier einen wundervollen, warmen und menschlichen Roman geschrieben. Der trotz der Schwere der Themen, nicht hoffnungslos macht. Es ist das ungeschönte, ehrliche Leben, das sie hier vor uns ausbreitet mit all seinen Höhen und Tiefen. Ihre Figuren sind mir dabei innerhalb kürzester Zeit vollkommen ans Herz gewachsen und ich habe mit ihnen gelitten und mich gefreut.

Für mich war es ein vollkommenes Lesevergnügen und ich kann ihn Euch nur wärmsten empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.05.2024

Berührender Einblick in die vietnamesische Kultur anhand einer Familiengeschichte

Wo auch immer ihr seid
0

„Als Kind war mir nicht klar, dass die Welt meiner Familie eine andere war als die aller anderen um uns herum“ S.101

Kim ist dreißig und die Tochter vietnamesischer Einwanderer. Bisher hat sie sich nie ...

„Als Kind war mir nicht klar, dass die Welt meiner Familie eine andere war als die aller anderen um uns herum“ S.101

Kim ist dreißig und die Tochter vietnamesischer Einwanderer. Bisher hat sie sich nie für ihre familiären Wurzeln interessiert, doch dann nimmt ihr Onkel Kontakt zu ihr auf und damit ändert sich alles.
Die Autorin gibt einen gefühlvollen und berührenden Einblick in ihr Familienleben und bringt uns so die vietnamesische Kultur und ihre Geschichte auf ganz eindrückliche Weise nahe.
Gerade über die historischen Begebenheiten in Vietnam in den 60er/70er Jahren war mir, außer dem Vietnamkrieg, nicht viel bekannt. Wie wurde dieser Krieg von den Vietnamesen selbst wahrgenommen? Die unterschiedlichen Sichtweisen dazu veranschaulicht sie gelungen anhand ihres Vaters und ihres Onkels, die neben ihr abwechselnd die jeweiligen Kapitel des Romans bestreiten.
Dadurch gelingt ihr ein sehr differenziertes Bild dieser Familie und Erklärung für die herrschenden Verhältnisse innerhalb.
Was allen drei gemein ist, ist die Suche nach ihrem Platz im Leben. Kim und ihre Eltern, die in Deutschland versucht haben und immer noch versuchen, vollumfänglich dazu zu gehören.

„Es war wichtig, die Unterschiede zwischen meiner Familie und ihren Familien verschwinden zu lassen, denn unsere Welt war klein und komisch, während ihre groß und allgemeingültig war.“ S.102

Onkel Son dagegen ist nach dem Krieg nach Kalifornien emigriert und lebt dort in „Little Saigon“.
Hier trifft sich nun die Familie das erste Mal seit 15 Jahren aufeinander und Kim taucht immer mehr in ihre vietnamesische Kultur ein.

„Seltsam, wie sehr mich dieses kleine Wort berührt. >Wir< haben bisher nur wenige zu mir gesagt. Die meisten sagten >ihr<.“ S.236

Es ist ein fesselnder und bewegender Roman, der mich seine leise Art sehr berührt hat. Die Autorin schafft es mit ihren Sätzen mühelos die Dinge auf den Punkt zu bringen und benennt auch heutige herrschende Missstände. Gleichzeitig hat sie eine emotionalen und am Ende auch hoffnungsvolle Familiengeschichte geschrieben, die mir wohl noch länger im Gedächtnis bleiben wird.

Ich kann Euch dieses Buch nur ans Herz legen. Taucht ein in die vietnamesische Kultur und lasst Euch mitnehmen in diese Welt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.04.2024

Lesenswerte und erschreckende Fortsetzung

Die Zeuginnen
0

Ich bin zurück nach Gilead gereist und habe es nicht bereut.
Wie ging es weiter in dieser dystopischen Welt und diesem erschreckenden, frauenverachtenden, totalitären Staat?
Das erzählen uns drei Zeuginnen ...

Ich bin zurück nach Gilead gereist und habe es nicht bereut.
Wie ging es weiter in dieser dystopischen Welt und diesem erschreckenden, frauenverachtenden, totalitären Staat?
Das erzählen uns drei Zeuginnen abwechselnd fünfzehn Jahre nach dem „Report der Magd“. Die Perspektiven wählt Atwood hierbei geschickt. Indem sie einmal die jugendliche Agnes und Tante Lydia in Gilead und zum anderen die sechzehnjährigen Daisy in Kanada zu Wort kommen lässt, beleuchtet sie das System von allen Seiten.
Die beiden Mädchen schildern ihr Aufwachsen und wie sie jeweils ihr Leben wahrnehmen ganz klar und ungeschönt, wodurch die Unterschiede in beiden Staaten unmittelbar deutlich werden für uns Lesende.
Tante Lydia berichtet in ihren Aufzeichnungen nicht nur von der momentanen Lage, sondern schildert auch ihren Werdegang als Tante und berichtet von den ersten Tagen Gileads. Es sind erschreckende Einblicke, die mich immer wieder nach Luft schnappen ließen. Gerade ihren Teil empfand ich als unglaublich stark, der er ein ganz anderes und sehr viel differenzierteres dieser Frau zeichnet, als es im ersten Teil der Fall war. Was wir Menschen erleiden und ertragen können und wozu wir am Ende bereit sind zu tun, veranschaulicht diese Figur vollumfänglich. Dadurch bringt vor allem ihr Lebensweg mich immer wieder zum Nachdenken.
Es sind die gewichtigen Fragen nach Moral und Schuld und nach dem Überlebenswillen eines Menschen. Wo sind die Grenzen der Menschenwürde und gibt es eine Rechtfertigung sie zu überschreiten?
Margaret Atwood schreibt packend und fesselnd, dabei blitzt in ihren Aussagen immer wieder auch Sarkasmus und schwarzer Humor auf. Ab der ersten Seite nahm sie mich mit in die Handlung und ich konnte das Buch nur schwer zur Seite legen.
Die Entwicklungen ihrer Charaktere sind nachvollziehbar und ließen mich immer wieder atemlos mitfiebern. Relativ schnell hatte ich verschiedene Vermutungen bezüglich Agnes und Daisy, was der Spannung keinen Abbruch tat.
Die Autorin führt uns hier einmal mehr vor Augen, was in unserer Welt möglich sein könnte und leider durchaus bereits in Teilen der Realität entspricht. Der Schrecken, der sich beim Lesen einstellt, rührt meiner Meinung genau daher und das ist gut so.

Ein definitiv lesenswerter Roman!
Allerdings mit der klaren Empfehlung erst „Der Report der Magd“ zu lesen, um den Staat Gilead zu kennen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.04.2024

Faszinierende Frau und Schriftstellerin

Vor Frauen wird gewarnt
0

Seit vielen Jahren möchte ich Vicki Baums Roman lesen. Jetzt habe ich es zumindest geschafft, über sie als Person zu lesen. Heidi Rehn ist einmal mehr ein lesenswerter Roman über eine starke Frau gelungen
Sie ...

Seit vielen Jahren möchte ich Vicki Baums Roman lesen. Jetzt habe ich es zumindest geschafft, über sie als Person zu lesen. Heidi Rehn ist einmal mehr ein lesenswerter Roman über eine starke Frau gelungen
Sie erzählt hier über die wichtigen fünf Jahre (1926-1931) von Vicki Baum in Berlin vor ihrer Emigration in die USA. In dieser Zeit ist sie beim Ullstein Verlag unter Vertrag und veröffentlicht dort mehrere ihrer Romane.
Gerne habe ich ihren faszinierenden Aufstieg in dieser Zeit lesend mit verfolgt. Sie war bereits zu 1926 eine emanzipierte Frau, die eine äußerst moderne Ehe führte. Immer wieder musste ich über Aussagen von ihr schmunzeln, die Erwartungen und Forderungen nach mehr Modernität in Geschlechterrollen stellten. Nur um festzustellen, dass wir 100 Jahre später immer noch über die gleichen Themen sprechen.
Heidi Rehn hat einen flüssig lesbaren und sehr bildhaften Schreibstil, der mich schnell in die Handlung eintauchen ließ. Dabei erschafft sie eine unheimlich sympathische und menschliche Vicky Baum. Mehr als nur einmal wäre ich gerne Teil ihrer Freund*innenrunde gewesen. Die Autorin veranschaulicht gelungen, was Frau Baum bereit war für ihren Erfolg als Schriftstellerin auf sich zu nehmen und wie sehr sie ihrer Zeit voraus war. Gleichzeitig zeigt sie eine Person, die auch ihre schwachen Momente hat und einen Weg finden muss mit gesellschaftlichen Konventionen umzugehen.

Von mir gibt es eine Leseempfehlung, gerade an alle, die sich noch nicht intensiver mit Vicki Baum auseinandergesetzt haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.04.2024

Absolute Empfehlung, feministisch, gesellschaftskritisch, großartig

Und alle so still
0

Mareike Fallwickls gesellschaftskritischer und feministischer Roman hat mich die letzten Tage in Atem gehalten, mich erschüttert, mir die Tränen in die Augen getrieben und am Ende auch mit einem hoffnungsvollen ...

Mareike Fallwickls gesellschaftskritischer und feministischer Roman hat mich die letzten Tage in Atem gehalten, mich erschüttert, mir die Tränen in die Augen getrieben und am Ende auch mit einem hoffnungsvollen Gefühl zurückgelassen. Dabei erzählt sie eine Geschichte, die sich heute oder auch morgen genau so abspielen könnte in unserer westlichen Welt.
Was würde passieren, wenn wir Frauen uns einfach nicht mehr verantwortlich fühlen würden? Aufhören würden, uns um alles und jeden zu kümmern? Ein Gedankenexperiment, was es absolut wert ist, durchdacht zu werden. Wäre es eine dystopische oder eine utopische Vorstellung?

Ihre drei Protagonist*innen durchleben genau diese Situation, und zwar aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Elin, eine junge Frau, die sich dieser Revolution anschließt. Ruth, Mitte fünfzig, die es nicht schafft, als Pflegekraft einfach aufzuhören und nicht zu helfen. Und Nuri, noch nicht mal 20 Jahre alt, internationale Biografie, der durch jedes Loch unseres Systems fällt.
Alle drei Charaktere haben mich berührt, ihre Lebenswege und Erfahrungen innerhalb und mit unserer Gesellschaft gehen unter die Haut. Sie sind menschlich, emotional, stark und wachsen über sich hinaus.
Die Autorin schreibt packend und klar. Sie nennt die Missstände beim Namen und beschönigt nichts. Dabei lässt sie mühelos gut recherchierte Fakten zum Notstand des Gesundheitswesens und anderen aktuellen Themen einfließen.

„Es ist gut, dass Frauen Sorgenotstände auffangen, dass sie sich an menschlichen Bedürfnissen orientieren und nicht an Macht, Profit und Wettbewerb […] Frauen sollten sich das nicht abtrainieren, sie sollten nicht aufhören damit, […], aber Männer sollten endlich damit anfangen.“ S. 238

Diesen Ansatz empfand ich als großen Gewinn des Romans. Es geht Mareike Fallwickl nicht um den Aufruf zum Kampf „Frau gegen Mann“, sondern um die Veränderung des patriarchalen Systems hin zu einem, für alle Menschen, lebenswerten Zustand und um Solidarität.
Was dieses Gefühl heißt, zeigt sie in vielen Gesten und Aussagen. Welche Stärke und Macht aus diesem Zusammenhalt entstehen können, macht Hoffnung, dass wir die Veränderung gemeinsam tatsächlich schaffen könnten.

Wie sehr habe ich diesem Buch entgegengefiebert und wie vollumfänglich begeistert bin ich nun nach dem Lesen. Dieses Buch ist mein bisheriges Jahreshighlight und ich möchte am liebsten nur noch sagen „Lest es alle!“.

Dieser Roman ist einfach eine Wucht! Absolut notwendig und großartig geschrieben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere