Platzhalter für Profilbild

Madamebiscuit15

Lesejury Profi
offline

Madamebiscuit15 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Madamebiscuit15 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.06.2024

Schriftstellerinnen und Schwestern

Mary & Claire
0

Mary Shelley und Claire Clairmont sind Stiefschwestern, angehende Schriftstellerinnen und lieben denselben Mann, Percy Shelley.
Percy ist Dichter und verliebt in beide Frauen. Er ermöglicht ihnen die Flucht ...

Mary Shelley und Claire Clairmont sind Stiefschwestern, angehende Schriftstellerinnen und lieben denselben Mann, Percy Shelley.
Percy ist Dichter und verliebt in beide Frauen. Er ermöglicht ihnen die Flucht aus ihrem engstirnigen und konservativen Elternhaus Anfang des 19. Jahrhunderts in England. Diese Flucht ist der Auftakt ihrer jahrelangen, gemeinsamen Beziehung und führt später zu der schicksalhaften Nacht am Genfer See, in der Mary Shelley die Idee zu „Frankenstein“ hatte.
 
Markus Orths erzählt hier aber nicht die Entstehungsgeschichte „Frankensteins“, sondern schreibt über die beiden Schwestern und ihre Verbindung zueinander.
Dabei hat er einen eingängigen Schreibstil, der manchmal fast poetisch anmutetet und immer wieder einen herrlich feinen Humor aufblitzen lässt. Gleichzeitig wirken seine Charaktere absolut modern in ihren Gesprächen und ich hatte mühelos ihr Bild vor Augen.
Beide Frauen werden als selbstbewusste und fortschrittliche Frauen beschrieben, die ihrer Zeit weit voraus sind und in Percy einen Mann finden, der diesen Weg mitgeht und sie respektiert. Sie setzen sich somit über gesellschaftliche Konventionen hinweg und stehen zu ihren Gefühlen. Besonders gefreut hat mich dabei, dass ihre Schwestern-Beziehung über der Liebesbeziehung stand.
Beide Lebenswege habe ich mit Interesse gelesen und ihre Schicksalsschläge ließen mich nicht kalt, auch wenn ich mich Mary immer ein Stück näher gefühlt habe. Bei Claire fand ich es sehr bedauerlich, dass sie sich später in Lord Byron verliebt und hierbei eine – für sie – toxische Beziehung eingeht.
 
Immer wieder gibt es auch Szenen mit magischem Realismus. Dieses Stilmittel setzt der Autor geschickt ein um emotionale Bindungen zu veranschaulichen und gibt dem Roman zusätzlich Tiefe.
 
Bezüglich des Wahrheitsgehaltes des Romans, weist der Markus Orths am Ende darauf hin, dass er sich bei Orten und Handlungen auf überprüfbare Fakten bezieht, bei Aussagen und Gedanken der Personen, nimmt er sich allerdings auch ein gewisses Maß an schriftstellerischer Freiheit heraus.
 
Für mich war es ein gelungener Roman, über reale Personen, der mir ein kurzweiliges Lesevergnügen beschert hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.05.2024

Aktueller und spannender Roman über Generationendifferenzen

Der Fall Miriam Behrmann
0

Die angesehene Professorin Miriam Behrmann ist von ihrer Doktorandin Selina Aksoy des psychischen Missbrauchs beschuldigt worden. Heute ist der Tag, an dem entschieden wird, ob Miriam Behrmann entlassen ...

Die angesehene Professorin Miriam Behrmann ist von ihrer Doktorandin Selina Aksoy des psychischen Missbrauchs beschuldigt worden. Heute ist der Tag, an dem entschieden wird, ob Miriam Behrmann entlassen wird oder nicht.

Die Autorin lässt den kompletten Roman aus der Sicht und den Gedanken der Professorin erzählen. Dadurch bin ich tief in die Empfindungen und die Wahrheit von Miriam Behrmann eingetaucht. Ihre Beklemmung, ihre Fassungslosigkeit, Hoffnung und Verzweiflung sind für mich mühelos spürbar. Immer wieder geht sie in Erinnerungen Situationen mit ihren Kolleg*innen und ihrem Ehemann durch und rekapituliert so das Geschehen aus ihrer Sicht.
Dabei erfahre ich auch einiges über ihren persönlichen Werdegang und ihre Biografie.
Weitere Anhaltspunkte sind die verschiedenen offiziellen Vorwürfe, die ihre gemacht werden, zu denen sie im Geiste Stellung bezieht und so auch Szenen mit Selina vor ihrem inneren Auge ablaufen.
Diese Einblicke erzeugen für mich ein stimmiges Bild ihrer Person und erklären nur allzu deutlich ihre Erwartungshaltung und Verhalten ihrer Doktorandin gegenüber.
Miriam und Selina gehören zwei unterschiedlichen Generationen und Kulturkreisen an und „müssen“ nicht zuletzt schon deshalb miteinander in Konflikt geraten.

Lydia Lewitsch hat hier einen wirklich spannenden und temporeichen Roman über Erwartungen, Generationenunterschiede und das Frau-Sein geschrieben. Geschickt verbindet sie aktuelle Themen, wie Diskriminierung und internationale Biografien miteinander und hält dem traditionell geprägten Mikrokosmos Universität den Spiegel vor.
Sprachlich sind es klare und häufig sehr kurze Sätze, die die gestresste Stimmung von Miriam gelungen unterstreichen. Einzig das Fehlen der Satzzeichen bei der direkten Rede, hat mich manchmal aus dem Lesefluss gebracht.

Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diesen dichten und aktuellen Roman.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.03.2024

Gelungenes Leseexperiment

Paare
0

Habt Ihr Lust auf ein stilistisches Leseexperiment? Wollt Ihr Euch auf ein außergewöhnliches Buch in seiner geschriebenen Form einlassen? Eine Kombination aus Lyrik und Prosa. Das nicht viele Worte braucht ...

Habt Ihr Lust auf ein stilistisches Leseexperiment? Wollt Ihr Euch auf ein außergewöhnliches Buch in seiner geschriebenen Form einlassen? Eine Kombination aus Lyrik und Prosa. Das nicht viele Worte braucht um sich in Gedanken und Emotionen wiederfinden zu können. Das universal von Beziehungen handelt und gleichzeitig die Einzigartigkeit im Kleinen einer jeden Liebe veranschaulicht.

Dann greift zu diesem Debüt!

Begleitet die Protagonistin von einer Beziehung in eine andere, wo sie vermeintlich das Glück im Neuen sieht und doch erkennen muss, dass der Alltag der gleich bleibt.
Inhaltlich ist es für mich schwer hier von einer richtigen Geschichte zu sprechen, zu wenig Text und Handlung steckt in diesem Buch. Das Faszinierende dabei ist, dass es mir nicht gefehlt hat und ich verwundert festgestellt habe, wie wunderbar es trotzdem funktioniert. Dabei konnte ich den Paarreimen häufig sogar besser folgen, als den Prosaabschnitten. Gerade die Lyrik habe ich nicht nur gelesen, sondern quasi zeitgleich gehört.

„Ich möchte deshalb in Gedichtform erklären,
dass die Liebe für mich einer der primären
Antriebe zur Selbsterkenntnis war. Sie ist immer noch das,
was den ganzen Rest erträglich macht.“ S.110
 
Von mir gibt es eine klare Empfehlung an alle, die sich auf dieses Experiment einlassen wollen. Es ist speziell, aber es lohnt sich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.03.2024

Kluge, erschütternde und lesenswerte Kurzgeschichten

Nachbarn
0

Es ist ein Band mit Kurzgeschichten, wobei die Autorin bereits mit 22 Jahren verstorbenen ist. Zu Lebzeiten veröffentlichte sie nur vier dieser Storys, in einer Zeit, in der das für eine PoC nicht selbstverständlich ...

Es ist ein Band mit Kurzgeschichten, wobei die Autorin bereits mit 22 Jahren verstorbenen ist. Zu Lebzeiten veröffentlichte sie nur vier dieser Storys, in einer Zeit, in der das für eine PoC nicht selbstverständlich war. Denn ihr Tod liegt bereits fast 60 Jahre zurück, zu einer Zeit in der die Rassentrennung in USA immer noch zur Tagesordnung gehörte.

Nicht alle ihrer Geschichten befassen sich dabei vordergründig mit diesem Thema, wie „Vor der Dämmerung“, in der es um einen Restaurantbesuch junger Aktivist*innen geht. Aber im Kontext ist die Hautfarbe ihrer Figuren immer präsent. Die Autorin schreibt über Alltagssituationen:                
Ein Arztbesuch mit den Kindern,
ein Schüleraustausch in die Schweiz,
das erste Semester an der Universität,
oder über völlig überarbeitete, alleinerziehende Mütter und ihre Kinder

Dabei ist ihr Schreibstil klar und unaufgeregt. Durch ihre lakonische Schilderung der Situationen hält sie der Gesellschaft einen Spiegel vor und benötigt keine wörtliche Anklage um auf die herrschenden Missstände aufmerksam zu machen.

Viele der Geschichten haben mich sehr betroffen gemacht. Es ist beschämend, wie wir Menschen miteinander umgingen und es, leider, immer noch tun. Ein, zwei ließen mich geschockt zurück und wirklich keine einzige war dabei, mit der ich gar nichts anfangen konnte.

Literarisch ist diese Entdeckung ein ganz großer Gewinn und der frühe Tod von Diane Oliver ein großer Verlust. Ihre Geschichten sind mutig, ehrlich und ungeschönt. Sie zeigen einmal mehr, dass wir im Inneren alle gleich sind, mit denselben Nöten, Herausforderungen, Wünschen und Träumen, egal wie unsere Hülle aussieht. Aber wie viel schwerer vielen das Leben durch ihre Außenhaut gemacht wird.

Lest diesen Band und entdeckt diese großartige Stimme der Literatur.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.03.2024

Gelungener und tiefgehender Roman über Schwestern und Liebe

Hallo, du Schöne
0

Willkommen bei den Padavanos. Eine Familie, in der vor allem die vier Schwestern unzertrennlich erscheinen. Sie wirken wie ein vierblättriges Kleeblatt, jede individuell, aber nur zusammen sind sie wirklich ...

Willkommen bei den Padavanos. Eine Familie, in der vor allem die vier Schwestern unzertrennlich erscheinen. Sie wirken wie ein vierblättriges Kleeblatt, jede individuell, aber nur zusammen sind sie wirklich komplett. In diese Verbindung wird William Waters aufgenommen, als er Julia an der Universität kennenlernt und die beiden ein Paar werden. Dabei erfährt er das erste Mal in seinem Leben, was es heißt zu einer Familie dazuzugehören und angenommen zu werden.
 
Wer jetzt vermutet, dass dieser Familienroman sehr watteweich und kuschelig ist und wir bereits beim Happy End angekommen sind, wird eines Besseren belehrt.
Ann Napolitano hat hier einen gefühlvollen und tiefgehenden Roman über Geschwisterliebe, Familie und Beziehungen geschrieben. Sie zeigt ehrlich auf, dass selbst das stärkste Band zerreißen kann, wenn eine von beiden Parteien sich abwendet.
Die vier Schwestern sind dabei sehr unterschiedlich in ihren Verhaltensweisen und Charakteren, was die Autorin durch die wechselnde Erzählperspektiven noch anschaulicher verdeutlicht. Ihre Eltern sind im Roman schnell nur noch Randfiguren innerhalb der Handlung. Ihr Einfluss auf die Frauen allerdings ist tiefgreifend und durchgehend spürbar. Dass gerade der Vater so einen positiven und prägenden Einfluss auf seine Töchter hat, gefiel mir sehr gut. Denn häufig wird mehr die Mutter-Tochter-Beziehung analysiert.
 
Auch das Thema Depression beleuchtet Ann Napolitano sehr sensibel und nachvollziehbar, was ich als große Stärke dieses Romans empfunden habe. Sie stellt sowohl die Sicht der betroffenen Person dar, als auch die Auswirkungen für die Menschen im engen Umfeld.

Sprachlich hat mich diese Geschichte sehr für sich eingenommen. Die Autorin schreibt sehr feinfühlig und menschlich über ihre Protagonist*innen. So ist es für mich nicht überraschend, dass mir nicht alle Personen sympathisch waren, ich mit anderen aber sehr mitgefühlt habe. Immer wieder offenbarten sich mir fast poetische oder philosophische Satzperlen, die ich mehrmals gelesen habe.
 
„Es ist interessant, dich neu kennenzulernen, nachdem ich schon so lange Teil deines Lebens bin.“ S. 274
 
Wenn Ihr Lust auf einen unsentimentalen, aber berührenden Familienroman habt, der ehrlich Zerwürfnisse zwischen Menschen beschreibt, aber doch hoffnungsvoll bleibt, dann kann ich ihn Euch wirklich nur empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere