Ein ehrlicher Blick auf das Mutter sein
Mütter, die gehen„Was für eine Mutter verlässt ihr Kind? Bestimmt nur eine der allerschlimmsten Sorte.“ S. 11
Ein Satz, der mich gleich auf der ersten Seite dieses Buchs anspringt und mich erst einmal innehalten lässt. ...
„Was für eine Mutter verlässt ihr Kind? Bestimmt nur eine der allerschlimmsten Sorte.“ S. 11
Ein Satz, der mich gleich auf der ersten Seite dieses Buchs anspringt und mich erst einmal innehalten lässt. Zu einfach ist es jetzt zu nicken und mit völliger Inbrunst zuzustimmen. Denn eine „gute Mutter“ würde niemals ihr Kind verlassen. Oder?
Diese Gedanken kann auch Begona Gomez Urzaiz nicht völlig von sich weisen und hat deshalb eine Akte angelegt über „Mütter, die gehen“. Dabei schreibt sie über reale und fiktionale Frauen, die ihre Kinder verlassen haben und versucht das Warum zu ergründen.
Es geht ihr dabei nicht um eine gesellschaftlich internalisierte Schuldzuweisung, die dieser Akt zwangsläufig, dank unserer Sozialisation, hervorruft. Sondern ganz im Gegenteil, sie hält sich selbst und uns Lesenden den Spiegel vor und veranschaulicht, wie schnell wir in exakt diese Falle tappen.
Ist es tatsächlich moralisch weniger verwerflich, wenn ein Vater keinen Kontakt zu seinen Kindern will, als wenn eine Mutter ihre Kinder bei ihrem (Ex-) Mann lässt?
Nicht alle, der beschriebenen Mütter, waren mir sympathisch. Doch bei einigen habe ich mit großem Interesse und Mitgefühl gelesen, was sie zu diesem Schritt bewegt hat.
In vielen geschilderten Situationen lässt die Autorin auch ihre eigene Sicht darauf einfließen und erzählt, wie sie ihren Alltag als Mutter diesbezüglich wahrnimmt. Diese Einblicke und ihr moderner, angenehmer Ton, machen das Buch zu einer leicht zu lesenden Lektüre, auch wenn das Thema es stellenweise nicht ist.
Denn auch ein Kind nicht zu verlassen, beziehungsweise in einer Familie zu leben, heißt nicht, dass Mütter sich nicht schuldig fühlen.
„Mutter sein bedeutet letztlich, eine Sammlung verschiedener Versionen von Schuld anzuhäufen, die sich ohne Rücksicht auf Widersprüche überlagern.“ S.18
Diesen ungeschönten und ehrlichen Blick auf das Mutter sein finde ich mehr als gelungen und notwendig in unserer heutigen Zeit.
Am Ende lässt Begona Gomez Urzaiz in kurzen Absätzen reale Mütter zu Wort kommen, die ihre Kinder aus Geldnot verlassen haben. Diese Geschichten gingen mir sehr nahe und veranschaulichen den Fakt, dass nur die wenigsten Mütter ihre Kinder freiwillig verlassen.
Es ist ein lesenswertes Buch, das einigen Stoff zum Nachdenken bietet und an klassischen Rollenerwartungen rüttelt.