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Veröffentlicht am 05.03.2024

Bedrückendes Zeugnis einer unrühmlichen Zeit

Das Hochzeitszimmer
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Die Londoner Journalistin Sally Wheeler liest von dem geplanten Museumsbau in der stillgelegten Diamantenmine der van der Meer Diamond Mining Corp. in Namibia. Ihr Interesse ist geweckt, schon allein deshalb, ...

Die Londoner Journalistin Sally Wheeler liest von dem geplanten Museumsbau in der stillgelegten Diamantenmine der van der Meer Diamond Mining Corp. in Namibia. Ihr Interesse ist geweckt, schon allein deshalb, weil sie dort geboren wurde und ihre Mutter ihr nie viel von ihren Wurzeln erzählt hat. Sie beginnt zu recherchieren, ihr erster Kontakt diesbezüglich ist Eric von Odenfeldt. Sie gräbt tiefer, erkennt die Verbindungen der Familien van der Meer und von Odenfeldt, die neben den Diamantminen in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, auch eine internationale Hotelkette betreiben.

Die Ausbeutung der Ureinwohner haben die beiden Autoren sehr anschaulich geschildert. Die Diamanten wurden unter schwersten Verletzungen der Menschenrechte abgebaut, die Kolonialherrschaft im damaligen Deutsch-Südwestafrika ist aus heutiger Sicht menschenverachtend. Die weißen Herrschaften haben sich nicht nur die Taschen voll gemacht, sie haben sich die hier lebenden Menschen in jeglicher Hinsicht zu Eigen gemacht. Unter menschenunwürdigen Bedingungen waren sie ihre Arbeitssklaven, die Brutalität ihnen gegenüber hat mich fassungslos zurückgelassen.

Beginnend im Jahre 2010 in London wechseln sowohl die Zeiten als auch die Schauplätze. In die nicht chronologische Erzählweise habe ich schnell hineingefunden, neben den fiktiven Familien van der Meer und von Odenfeldt nimmt auch die südwestafrikanische Familie Okoye und deren hartes Schicksal viel Raum ein. Sie sind der bedrückende Gegenpart zu den reichen und sehr überheblich daherkommenden Europäern.

„Das Hochzeitszimmer“ ist ein bedrückendes, ein unrühmliches und gut geschriebenes Zeugnis einer Zeit der Ausbeutung und Unterdrückung, einhergehend mit viel Gewalt. Es vermengt die Kolonialzeit bestens mit den fiktiven, vielschichtig und glaubhaft angelegten Charakteren. Es ist das erste Buch der „Sally-Wheeler-Trilogie“, der zweite Teil „Die Aisbergh-Akte“ ist schon erschienen, „Der Tommelwächter“ folgt im April 2024.

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Veröffentlicht am 04.03.2024

Man sollte viel öfter innehalten

Zehn Schritte zu dir, zu mir und zu uns
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Als Lilian ihrer Mutter freudestrahlend von der Verlobung mit Theo berichtet, drückt diese ihr einen Brief von ihrer schon verstorbenen Großmutter Edda in die Hand. Darin findet sie eine 10-Punkte-Liste: ...

Als Lilian ihrer Mutter freudestrahlend von der Verlobung mit Theo berichtet, drückt diese ihr einen Brief von ihrer schon verstorbenen Großmutter Edda in die Hand. Darin findet sie eine 10-Punkte-Liste: „Nimm dir fünf Wochen unbezahlten Urlaub“ liest sie als ersten Punkt und gleich danach sollte sie diese Zeit in Omas geliebtem Häuschen am Meer verbringen. Was tun? Ihr Chef ist nicht begeistert, könnte ihr aber, wenn sie sofort Urlaub nimmt, diese fünf Wochen gewähren. Also fährt sie an die Ostsee, nach Gasselsheide. Kaum angekommen macht sie Bekanntschaft mit einem großen Hund und einem jungen Mann, der diesen wilden Kerl für einen ziemlich griesgrämigen Nachbarn des Öfteren ausführt.

Matts heißt dieser junge Mann, dem sie immer mal wieder über den Weg läuft. Sie erzählt ihm von dieser Liste, sie bauen Steinmännchen am Strand, er nimmt sie mit in den Hochseilgarten.

Eddas Liste verlangt auch, sich ihrer Angst zu stellen – kann sie ihre Ängste überwinden? Und sie verlangt noch so einiges mehr, das zu bewältigen ihr schier unmöglich scheint. Viele Jahre hat sie Eddas Häuschen gemieden, sie haben sich zwar nicht oft, aber wenn doch, auf neutralem Boden getroffen. Und nun denkt Lilian zurück, an ihre Freundin in Kindertagen, sie lässt diese Gedanken endlich zu. In diesen fünf Wochen ist so einiges passiert mit ihr, sie musste ihre Ängste überwinden und sich von Schuldgefühlen lösen.

Edda war eine kluge Frau, sie hat mit dieser Liste Lilian innehalten lassen. Im Nachhinein ist ihre Enkelin ihr sehr dankbar, denn sie hat sich ihrer Vergangenheit gestellt und ist so bei sich selbst angekommen. Und ganz nebenbei hat sie wundervolle Menschen kennengelernt. Ihr Blick auf ihr Leben ist ein ganz anderer geworden.

Ja, es ist auch eine Liebesgeschichte, die so viel mehr zu bieten hat. Josefine Weiss ist eine fulminante Geschichtenerzählerin, ich kenne und schätze sie und ihre Bücher, zu denen ich immer wieder gerne greife. „Zehn Schritte zu dir, zu mir und zu uns“ hat mich nachdenklich zurückgelassen. Man sollte viel öfter innehalten, Ängste überwinden, Neues ausprobieren - das Leben ist bunt.

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Veröffentlicht am 03.03.2024

Eine Symphonie der Sinne

Zur Schokoladen-Symphonie
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„Zur Schokoladen-Symphonie“ erzählt von zwei Frauen – die eine will sich ihren Traum von einem eigenen Café verwirklichen, während die andere im Buchladen ihrer Eltern arbeitet.

Hannahs Café steht vor ...

„Zur Schokoladen-Symphonie“ erzählt von zwei Frauen – die eine will sich ihren Traum von einem eigenen Café verwirklichen, während die andere im Buchladen ihrer Eltern arbeitet.

Hannahs Café steht vor der Eröffnung, die letzten Arbeiten sind beinahe erledigt. „Zur Schokoladen-Symphonie“ soll es heißen, das Café ist wunderschön geworden, genau nach Hannahs Vorstellungen. In der Nähe des Bayreuther Festspielhauses hat sie das Haus von Christian, ihrem Ehemann, angemietet. Nicht nur das Interieur und die kulinarischen Köstlichkeiten sind stimmig, auch will sie unbekannten Künstlern eine Bühne bieten. Ihr Café ist ein voller Erfolg, ihre Gäste schätzen dieses ganz besondere Kleinod.

Ein Holzkästchen, das Hannah auf dem Dachboden findet, erweckt ihre Neugier. Darin liegen ein Tagebuch, Briefe und eine Mappe mit Noten fürs Klavier. Das Kästchen nimmt sie mit ins Café. Sie beginnt im Tagebuch zu lesen und so erfährt sie, dass in diesem Haus einst eine Buchhandlung war. Rosa, die Tochter der damaligen Besitzer, hat diese Zeilen geschrieben. Sie erzählt von ihrer Liebe zu David, die im Geheimen bleiben musste, denn 1923 waren es die Nationalsozialisten, die den Ton angaben, die den Hass gegen die Juden schürten, die die Gesellschaft mit ihren Parolen stetig unterwanderten. Dieses Tagebuch ist ein erschreckendes Zeugnis dieser Zeit. David ist Jude, schon allein deshalb war es ihm und Rosa nicht vergönnt, ihre Liebe öffentlich zu leben.

In den beiden Erzählsträngen um Hannah und Rosa erfahre ich viel über die Frauen, über ihre Gefühle, ihre Umgebung und auch über ihre Träume. Hannah in der Jetztzeit hat es als Frau natürlich sehr viel einfacher und doch sind sie sich ähnlich, auch wenn Rosas Leben vor hundert Jahren eher aus Zwängen und Fremdbestimmung bestand. Ihre Eltern wollten sie regelrecht an einen strammen Nazi und Egomanen verschachern, einen Juden hätten sie nie geduldet - der ausgeprägte Antisemitismus ist nur zu deutlich spürbar.

Das Buch war trotz der 475 Seiten schnell ausgelesen, denn ich konnte und wollte sowohl Hannahs als auch Rosas Geschichte unbedingt folgen. Um dieses Holzkästchen ranken sich die beiden Lebens- und Liebesgeschichten, die mir - jede für sich - sehr gut gefallen haben. Meist mag ich ja bei Büchern, die in zwei Zeitebenen geschrieben sind, die ältere Zeit lieber. Hier aber könnte ich nicht sagen, welche Person, welches Schicksal, mir mehr gegeben hat. Beide Frauenfiguren sind gut charakterisiert und der jeweilige Zeitgeist gut eingebunden. Cecilia Lilienthal hat mir mit ihrem so einnehmenden, fesselnden Schreibstil angenehme Lesestunden beschert. Es war mir ein Vergnügen, in Hannahs Café „Zur Schokoladen-Symphonie“ ein wenig zu verweilen.

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Veröffentlicht am 02.03.2024

Ein liebenswerter Schelm

König von Albanien
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Die gar unglaubliche Geschichte des Otto Witte, der für fünf Tage den albanischen Thron erobert, gibt Andreas Izquierdo aufs Vergnüglichste wieder. Ja, es hat ihn wirklich gegeben. Schon in jungen Jahren ...

Die gar unglaubliche Geschichte des Otto Witte, der für fünf Tage den albanischen Thron erobert, gibt Andreas Izquierdo aufs Vergnüglichste wieder. Ja, es hat ihn wirklich gegeben. Schon in jungen Jahren hat er sich Schaustellern angeschlossen. Er war so umtriebig wie schlitzohrig, war des Öfteren knapp bei Kasse, was ihn aber nicht sonderlich beunruhigte, war er doch ein fantasiebegabter (Über)Lebenskünstler.

Ich lese einen Schelmenroman erster Güte und mache Bekanntschaft mit Otto Witte, als er zu Salzburg Insasse im städtischen Irrenhaus war. Staunend lausche ich seinen Abenteuern und nicht nur mich zieht er in seinen Bann, auch seine Mit-Insassen scharen sich um ihn, ebenso der junge Doktorant Schilchegger, der zunächst vor der Tür, als Zaungast sozusagen, Ottos tollkühner Reise nach Albanien fasziniert folgt.

„Wahnvorstellungen. Der Patient glaubt, König von Albanien zu sein.“ So lautet der Befund von Professor Theodor Meyring, seines Zeichens Leiter dieser Heilanstalt für Gemütskranke. Wobei sein Hauptaugenmerk auf der Erforschung der Gehirne „seiner“ Patienten liegt. Es ist eher eine reine Verwahranstalt, die er mit harter Hand führt. Als er für einige Zeit nach Wien abberufen wird, übernimmt der junge Doktorant Schilchegger, der ganz anders als Meyring den individuellen Menschen sieht.

Die Frage, wie er denn als „König von Albanien“ nun hier gelandet ist, treibt mich um. Die Albaner wollen einen eigenen Staat, König soll ein Europäer sein, ein Moslem. So kommt Prinz Eddine, der Neffe des Sultans, als möglicher Kandidat für den Thron ins Spiel. Ein Bild von ihm in der Zeitung zeigt die frappierende Ähnlichkeit zu Otto und so reift der Plan, von dessen Ausführung ich so verblüfft wie hingerissen bin. Otto ist mit seinem besten Kumpel Max unterwegs, beide haben sie schon so manches krumme Ding gedreht. Der Weg hin zu Ottos Krönung führt sie zunächst nach Konstantinopel, hier lernen sie die wunderschöne, von allen bewunderte Comtesse Dumas kennen. Nun, Otto will sie umgarnen, dafür braucht er aber Geld, viel Geld und dies streckt ihm wiederum ein guter Freund zu, dessen Vater als sprudelnde Geldquelle fungiert.

Geradezu staunend verfolge ich Ottos wundersamen Weg, ein Schelmenstück sondersgleichen. „Otto wusste, dass Menschen selten das sahen, was sich tatsächlich vor ihren Augen abspielte, sondern meistens das, was sie sehen wollten.“ Diesen Umstand machen sich Otto und Max zunutze, ihr legendärer Coup profitiert von diesem Wissen.

Andreas Izquierdo ist ein brillanter Erzähler. Nicht nur Otto Witte ist ein fulminanter Geschichtenerzähler, nein. Auch er, der Autor, entführt seine Leser in die schier unglaubliche Welt des Otto Witte, dem kurzzeitigen König von Albanien. Neben dem Hauptakteur gibt es so manch schillernden Charakter, jeder einzelne davon ist behutsam ausgearbeitet und aufs Beste dargeboten – es war mir ein Vergnügen, eure Hoheit näher zu betrachten, sie ein entscheidendes Stück ihres Weges zu begleiten.

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Veröffentlicht am 27.02.2024

Wissenswertes über die Klosterinsel Reichenau

Reichenau - Insel der Geheimnisse
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Es gibt viel Interessantes zu erzählen über die Reichenau, der größten Insel im Bodensee. Vor nunmehr 1300 Jahren, im Jahre 724, gründet der Wandermönch Pirminius hier ein Kloster.

Anlässlich des Jubiläums ...

Es gibt viel Interessantes zu erzählen über die Reichenau, der größten Insel im Bodensee. Vor nunmehr 1300 Jahren, im Jahre 724, gründet der Wandermönch Pirminius hier ein Kloster.

Anlässlich des Jubiläums ist dieses Buch „Reichenau – Insel der Geheimnisse“ entstanden. Hierin schreiben die acht Autorinnen (in alphabetischer Reihenfolge) Caren Benedikt, Sabine Ebert, Heidrun Hurst, Tanja Kinkel, Iny Lorentz, Carmen Mayer, Heidi Rehn und Juliane Stadler Geschichten über die Insel und deren Bewohner. Dazu gehört auch die Gründungssage, als Pirminius die Insel Reichenau, die voller Schlangen, Kröten und Insekten war, für einen Kapellenbau wählte. Dort, wo er zuerst seinen Fuß auf die Insel setzte, bildete sich eine Quelle und sämtliches Ungeziefer verließ innerhalb von drei Tagen die Insel. So konnten er und seine Begleiter das Gebiet roden, die Insel bewohnbar machen und das Kloster gründen.

Aber nicht nur diese Sage wird in reizvolle Anekdoten verpackt, die Anthologie bietet viel Wissenswertes, unterhaltsam und informativ präsentiert. Allein das Cover ist eine Augenweide, genau so der Vor- und Nachsatz. Hier findet man einen Plan, eine kolorierte Federzeichnung von 1627 von der Reichenau.

Die einzelnen Erzählungen sind vorab in Stichpunkten chronologisch abgedruckt, beginnend im Jahre 724. Sie ziehen sich durch die Jahrhunderte, endend mit der letzten, „Exorzismus“ überschrieben Geschichte, anno 1428. Als dann das Kloster 1540 an den Bischof von Konstanz verkauft wird, endet die Unabhängigkeit der Reichsabtei.

Im Vorwort – Anno Domini 724 – stimmt Tanja Kinkel auf die nachfolgenden Geschichten ein. Es sind ganz unterschiedlich aufgemachte Erzählungen, jede einzelne davon hat ihren eigenen Reiz. Viel zu schnell sind sie gelesen, sie bieten ein buntes Kaleidoskop über die Jahrhunderte, über das Leben im Kloster und darüber hinaus. Sie handeln von König und Kaiser, von Mönchen und Äbten und von den einfachen Leuten.

Die Reichenau ist immer eine Reise wert, meine Reise zu den Anfängen dieser Insel und dem Leben und Wirken darin während der Jahrhunderte war ein kurzweiliges, aufschlussreiches und sehr informatives Lese-Vergnügen. Gerne bin ich den Autoinnen und ihren Geschichten gefolgt. Man kann sie einzeln oder auch alle nacheinander lesen, einmal oder mehrmals, längst vergangene Zeiten werden hier wieder lebendig.

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