Platzhalter für Profilbild

Marakkaram

Lesejury Star
offline

Marakkaram ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Marakkaram über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.01.2022

Authentische, spannende Zeitreise in die 70/80iger Jahre

Unser kostbares Leben
0

*Die Tage, an denen es nach conchierter Schokoladenmasse roch, waren die guten in Mainheim. Es waren die nahezu windstillen oder die des Westwinds. Die anderen waren die Tage des trockenen Ostwinds, und ...

*Die Tage, an denen es nach conchierter Schokoladenmasse roch, waren die guten in Mainheim. Es waren die nahezu windstillen oder die des Westwinds. Die anderen waren die Tage des trockenen Ostwinds, und der trug den scharfen weißen oder gelben Qualm aus den hohen Schloten der Ruberus AG direkt in den Himmel über der Stadt. Farbstoffe, Lacke und Arzneimittel wurden in der Fabrik des Nachbarorts Neumainheim hergestellt.*

Katharina Fuchs erzählt die Geschichte der Kinder der 70-iger anhand authentischer Mädchen/Frauen, die ihren Weg gehen. Sie haben Ecken und Kanten und manchmal andere Meinungen, sind einem aber trotzdem immer sympathisch. Die selbstbewusste Minka, Tochter des Bürgermeisters und ihre zurückhaltende Freundin Caro, deren Pa der Generaldirektor der Schokoladenwerke ist, sind nicht nur sehr unterschiedliche Charaktere, wie es in Freundschaften häufig der Fall ist, auch ihre Familien könnten kaum verschiedener sein und das nicht nur wegen der politischen Gesinnung ihrer Väter. Und trotzdem schweißt die Männer etwas zusammen.

Die sorglose Kindheit der beiden endet mit dem Tag, an dem ihr Klassenkamerad Guy im Schwimmbad verunglückt und sie langsam lernen die Dinge zu hinterfragen, nicht mehr alles hinzunehmen und auch hier und da einen anderen Blickwinkel auf ihre Familien, ihr Umfeld und Mainheim bekommen.

Ein weiterer sehr interessanter Charakter ist Claire. Sie kommt mit 10 Jahren als Waise aus Vietnam in ein hessisches Kinderheim und trifft dort auf die schielende Marita. Obwohl sie ein Schicksal teilen, bekommt nur eine der beiden eine wirkliche Chance.

Katharina Fuchs versteht es mit ihren Romanen immer wieder den Leser abzuholen und mitzunehmen und so bin ich auch hier wieder tief in die 70/80iger Jahre eingetaucht. Der Zeit der unbeschwerten Kindheit, industrieller Umweltsünden, Korruption und Medikamentenskandale, grausamen Tierversuchen, der Wirtschaft und der Politik. Insbesondere die politischen Hintergründe fliessen bei ihr immer ganz nebensächlich, aber sehr fundiert mit ein. Und obwohl ich nicht in Hessen aufgewachsen bin, hatte ich alles sehr anschaulich vor Augen. Unheimlich interessant fand ich auch das (Sarotti) Cassada-Werk in Hattenheim, anhand dessen der Konkurrenz- und wirtschaftliche Druck aufgezeigt wird.

Auch ich bin ein Kind der 70iger und klar hat man einiges mitbekommen, aber vieles ist in seiner ganzen Tragweite auch an einem vorbeigegangen. Katharina Fuchs hat einen so intensiven, detail- und facettenreichen Schreibstil, der auf der anderen Seite ganz ruhig, unaufgeregt und manchmal schon sachlich daherkommt, dass man die Zeit ganz unwillkürlich noch einmal komplett durchlebt, mit allem, was sie so mit sich brachte. Das war schon großes Kino und die 600 Seiten flogen nur so dahin. Auch aufgrund der oftmals kurzen Kapiteln und wechselnden Perspektiven, fiel es schwer das Buch aus der Hand zu legen.

Fazit: Eine ganz klare Leseempfehlung, für alle, die gerne eine authentische Reise durch die Zeit mögen, ohne aufgebauschte Dramen und erhobenem Zeigefinger. Dinge, die angesprochen werden, stehen für sich und hallen auch so noch lange nach.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.11.2021

Wohlfühlroman mit Weihnachtsfeeling

Das wunderbare Weihnachtshotel
0

Der Roman war ein Spontankauf, da er ein richtig schönes, kuscheliges Weihnachtsfeeling versprach und genau das hält er auch. Er hat mich so begeistert, dass ich inzwischen sogar auch das Hörbuch (im Original) ...

Der Roman war ein Spontankauf, da er ein richtig schönes, kuscheliges Weihnachtsfeeling versprach und genau das hält er auch. Er hat mich so begeistert, dass ich inzwischen sogar auch das Hörbuch (im Original) gehört habe - nur die Verfilmung kenne ich noch nicht.

Die Idee und das Setting sind traumhaft. Den Geist der Weihnacht (wieder)entdecken in einem Christmascamp. Klirrende Kälte, verschneite Landschaft, heißer Kakao und selbstgebackene Plätzchen, Weihnachtsdeko und x-mas Pullies. Dazu tolle unterschiedliche Charaktere, die alle ihre Geschichten haben, warum sie beim Camp mit dabei sind. Allen voran Karrierefrau Haley, die Weihnachten absolut nichts abgewinnen kann und jedes Jahr mit ihren Eltern in die Karibik fliegt. Dieses Jahr aber gibt sie alles um den begehrten Auftrag von Tylor Toys an Land zu ziehen, auch wenn das heißt, dass sie dafür als Grinch ins Christmascamp ziehen muss...

Ich habe diesen Roman von der ersten Seite an geliebt. Karen Schaler hat mit Haley eine Karrierefrau geschaffen, die zwar ihren Beruf über alles stellt und von Work-Life Balance meilenweit entfernt ist, aber dem Leser trotzdem sofort unheimlich sympathisch ist. Das ist großartig gelungen. Genauso wie die anderen Charaktere, die aus dem Leben gegriffen sind und mit denen sich jeder identifizieren kann. Selbst die zarte Liebesgeschichte überzeugt - wunderschön, realistisch und kitschfrei.

*Das wunderbare Weihnachtshotel" ist ein absoluter Wohlfühlroman mit Charme, Humor und ganz viel Weihnachts-Winterfeeling!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.03.2021

lebendige Zeitgeschichte

Lebenssekunden
0

* "Mit Willensstärke geht sowas!" Und als Roland die Augenbrauen hochzog, fügte sie hinzu: "Und mit Tabletten." Jetzt wurden Rolands Augen auf einmal weit, voller Mitgefühl mit seiner Schwester die dort ...

* "Mit Willensstärke geht sowas!" Und als Roland die Augenbrauen hochzog, fügte sie hinzu: "Und mit Tabletten." Jetzt wurden Rolands Augen auf einmal weit, voller Mitgefühl mit seiner Schwester die dort regungslos saß, mit ihrem geschundenen fünfzehnjährigen Körper.

1956: Unterschiedlicher könnten ihre Leben nicht sein... Die 15-jährige Angelika aus Kassel, sehr selbstbewusst und selbstbestimmend, bricht die Schule ab und möchte Fotografin werden, während die gleichaltrige Leistungssportlerin Christine schon von klein auf in einem DDR-Trainingskader gedrillt wird und über sie und ihren Körper nur noch andere entscheiden.

Katharina Fuchs erzählt die Geschichte der beiden jungen Frauen abwechselnd und so packend, dass man sich dem nicht entziehen kann.

Obwohl so unterschiedlich, sind mir beide Charaktere sehr nahe gekommen. Sie sind Teenager, unheimlich authentisch mit Ecken und Kanten. Man kann ihre Gedanken und Handlungen nachvollziehen, auch wenn man selber vielleicht anders gehandelt hätte, sieht und fühlt man es aus ihrer Sicht. Dazu trägt auch bei, dass Katharina Fuchs ein Händchen dafür hat, die damalige Zeit mit all ihren Facetten wieder aufleben zu lassen. Man wird beim Lesen einfach hineingesogen in die 50-iger und hat das Gefühl alles hautnah mitzuerleben. So ging es mir jedenfalls. Ich stand mit Angelika in der Dunkelkammer und habe mit Christine im Kader gelitten. Man hat ja schon einiges vom ostdeutschen Leistungssport bzw. Drill gehört, aber das hier ging tatsächlich nochmal eine Lade tiefer. Das war schon ganz großes Kino. Auch, weil die Autorin das aktuelle Zeitgeschehen ganz geschickt mit einbaut, von Willy Brand bis zum Bau der Mauer, den man hier mal aus einem ganz anderen Blickwinkel miterlebt.

Ihr Schreibstil ist flüssig und trotzdem sehr eindringlich, emotional und völlig unverkitscht. Lebensgeschichten, die noch lange nachhallen.

Lebenssekunden" war mein erster Roman von Katharina Fuchs und ich freue mich schon auf "Zwei Handvoll Leben" und "Neuleben" von ihr.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.02.2021

Gärtnern für Anfänger

Homefarming
0

Ein bisschen ist der Name Programm, denn hier geht es nicht nur um Gemüseanbau, sondern auch um Hühnerhaltung. Eine tolle, abwechslungsreiche Mischung, also. Und genau aus dem Hühner-Grund habe ich mir ...

Ein bisschen ist der Name Programm, denn hier geht es nicht nur um Gemüseanbau, sondern auch um Hühnerhaltung. Eine tolle, abwechslungsreiche Mischung, also. Und genau aus dem Hühner-Grund habe ich mir dieses Buch auch gekauft, denn da gehen andere Gartenratgeber ja eher selten drauf ein.

Judith Rakers beschreibt unheimlich sympathisch wie sie überhaupt an Garten und Hühner gekommen ist und das macht großen Spaß zu lesen.

Wenn es dann allerdings um den Obst- und Gemüseanbau geht, merkt man schnell, dieses Buch richtet sich tatsächlich an absolute Neulinge und Einsteiger. Judith Rakers motiviert eher dazu einfach anzufangen -auch ohne grünen Daumen - als wirklich die Themen richtig zu vertiefen. Das war mir zu allgemein gehalten. Es wird nicht auf Fruchtfolge etc. eingegangen, dafür empfiehlt sie "Erdmiete", was ich tatsächlich keinem Einsteiger raten würde.

Im zweiten Teil geht es rein um die Hühnerhaltung und ist mit rund 100 Seiten sehr umfangreich und unheimlich interessant. Ich habe zwar keine Erfahrung, denke aber, dass hier mehr in die Tiefe gegangen wird. U.a. werden die verschiedenen Rassen vorgestellt, Ställe, Hahn oder nicht etc.

Abgerundet wird das Ganze mit Rezepten, die allesamt eher klassisch gehalten sind, wie Tomatensuppe und Holunderblütensirup und somit auch eher nur für Neulinge interessant.

Judith Rakers ist einfach unheimlich sympathisch und davon lebt ihr Buch. Es macht Spaß sich von ihr durch den Garten führen zu lassen und jeder, der vorher noch unschlüssig war, ob Gemüseanbau wirklich etwas für ihn ist, wird nach der Lektüre sofort loslegen wollen. Und das ist ja auch Sinn der Sache. Bei einem Untertitel wie "Selbstversorgung", erwarte ich jedoch mehr und vor allem mehr in die Tiefe gehend.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 13.02.2021

Arroganz und Offenheit in vulgärer Form

Career Suicide
0

* Die Musikwelt öffnete sich wie eine warme feucht Mse. **

Ein wenig musste ich dann doch schmunzeln, als ich im Epilog las, dass seine Lektorin ihn darauf hingewiesen hat, er würde oftmals unsympathisch ...

* Die Musikwelt öffnete sich wie eine warme feucht Mse. **

Ein wenig musste ich dann doch schmunzeln, als ich im Epilog las, dass seine Lektorin ihn darauf hingewiesen hat, er würde oftmals unsympathisch und arrogant rüberkommen. Während des Lesens habe ich mich nämlich immer wieder gefragt, ist das gewollt oder eine Masche, wenn er sehr abwertend und alle über einen Kamm scherend z.B. über Mitarbeiter spricht =grade er, der doch so sehr für Individualität steht= oder wenn er die damaligen Hardcore-Fans heute noch als "Monster" bezeichnet. Ich war nie Fan der Band, da war ich schon zu alt und ich wäre auch nie auf die Idee gekommen vor Häusern und Hotels zu kampieren und trotzdem fand ich die Aussage schon sehr krass und unter der Gürtellinie, denn diese "Monster" haben ihm sein Leben und Lebensstil finanziert. Klar, ist es mit Sicherheit kein leicht verdientes Geld, das mit Ruhm einhergeht. Und mittlerweile sind Knebelverträge und Abzocke in der Musikindustrie bekannter, aber auch für die Jungs wird ein nicht unerheblicher Teil dabei rausgesprungen sein, wie der geschilderte Lebensstil deutlich macht.

Ich finde es immer schwer Biografien zu beurteilen. Auch wenn ich kein Fan war, hat mich der Mensch Bill Kaulitz sehr interessiert und er war mir bislang sympathisch. An Sympathiepunkten hat er allerdings ganz stark verloren.

Aber kommen wir zum Buch.

Nach einem typisch gequirlten Vorwort von Benjamin von Stuckrad-Barre, das ich ab einem Punkt entnervt übersprungen habe, widmet sich die erste Hälfte Ihrer Kindheit und Jugend. Sehr interessant, wenn ich mich auch so manches Mal gefragt habe, wie glaubwürdig und unverfälscht diese Erinnerungen eines Kleinkindes sind, aber das war schon ok. Natürlich wurde viel Verletzendes nur angerissen und ein wenig überspielt. Aber es gibt zumindest einen guten Einblick in das Aufwachsen der Zwillinge und ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten.

Als es dann im zweiten Teil um die Band ging, gab es scheinbar fast nur negative Erinnerungen - so kam es mir gefühlt jedenfalls vor. Vielleicht verständlich, aber doch auch schade. Mir fehlte ein wenig der Zusammenhalt der Band, der Spaß, die Euphorie, die es mit Sicherheit am Anfang auch gab. Das alles wirkt irgendwie überschattet.

Und ab hier übernimmt auch ganz stark die Arroganz. Ob als Selbstschutz oder Masche kann ich nicht beurteilen. Aber das Ganze wirkt wenig reflektiert und es scheint, als hätte er mit seiner Vergangenheit noch keinen Frieden gemacht, geschweige denn das Kapitel abgeschlossen. Das tat mir schon leid.

Eindeutig gestört hat mich allerdings immer wieder die gewollt vulgäre und obszöne Sprache, gepaart mit der Selbsteinschätzung jeden manipulieren und durchschauen zu können. Auch seine Art über Menschen zu sprechen ist mir ganz oft quergegangen.

Auf der anderen Seite hat mir die Offenheit in manchen Teilen schon sehr gefallen, das Anders sein, Akzeptanz zu suchen und die Suche nach der ganz großen Liebe. Ja, man merkt, das Buch lässt mich zwiegespalten zurück.

Fakt ist, es hat mich unterhalten, es verschweigt aber auch mit Sicherheit vieles. Wer auf ein wenig Einblicke in den Alltag hofft, wird hier nicht fündig. Eher entstand bei mir der Eindruck, dass jegliche Art von Drogen zum Alltag gehören, genauso wie Parties und Abstürze. Die Selbsteinschätzung a la ich bin, war und werde nie abhängig, habe immer die Kontrolle und kann jederzeit damit aufhören.... lasse ich mal unkommentiert in seiner vollen Naivität stehen.

Manchmal hatte ich den Eindruck einen wirklich gebrochenen Menschen vor mir zu haben, der nicht erwachsen werden will und der immer noch seinen Platz im Leben und der Welt sucht. Jemanden, der das Gefühl hat, ohne Erfolg nichts zu sein....

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere