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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.08.2022

Schicksalstage

Drei Tage im August
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>>Es ist eine Gabe, zuhören zu können, denken Sie nicht?" "Ich weiss nicht", sagte Elfie langsam. "Wäre es nicht besser, selbst etwas zu erzählen zu haben?">>

"Drei Tage im August" ist ein interessanter, ...

>>Es ist eine Gabe, zuhören zu können, denken Sie nicht?" "Ich weiss nicht", sagte Elfie langsam. "Wäre es nicht besser, selbst etwas zu erzählen zu haben?">>

"Drei Tage im August" ist ein interessanter, eindringlicher, vielleicht etwas überladener Roman, der zur Zeit der Olympiade 1936 in Berlin spielt.

Ich bin ein großer Fan der Hulda Gold Reihe und ich mag die ehrlichen, oftmals etwas sperrigen Charaktere der Autorin. Und auch Elfie ist so eine Protagonistin, der wir tief in die Seele blicken dürfen - in ihre Gedanken und oftmals trüben Stimmungen. Das hat mir sehr gefallen.

In gewohnt ruhigem, atmosphärischem Schreibstil begleitet man eine Vielzahl von Charakteren über 3 Tage. Und dabei fängt Anne Stern die Stimmung, das Leben und die Ängste der Menschen zu dieser Zeit hervorragend ein. Jedoch sind 3 Tage nicht lang und es gab für meinen Geschmack zu viele Nebenschauplätze, die von Elfie, dem Pralinenladen und Madame Contes Geschichte abgelenkt haben.

Auf der anderen Seite fand ich es klasse, das Gedenken an Max Liebermann, Käthe Kollwitz, die Situation des Museumswärters, des jüdischen Buchhändlers, des Pagen im Adlon usw. aber die Zeit war dafür einfach zu kurz. Ich hätte mir ein paar Figuren weniger oder so einige Seiten mehr gewünscht. Nicht nur eine kurze Momentaufnahme der Ängste des ägyptischen Nachtclubbesitzers, sondern mehr von seiner tagtäglichen Situation, seinem Leben.. Manchmal las es sich für mich fast wie eine Vorgeschichte, denn die Stränge bleiben (fast) alle offen.

Und dann waren da noch die Linden... Mein ganz besonderes HIghlight. Die Linden, die schon immer da waren, kommen zwischendurch in kurzen Abschnitten zu Wort. Großartig.

Wie alle Romane von Anne Stern überzeugt auch "Drei Tage im August" durch ihren einnehmenden, flüssigen Schreibstil und ihr absolutes Händchen für Charaktere und den damaligen Zeitgeist. Auch hier lässt sie das Berlin der 36iger Jahre und den typischen Berliner Charme wieder aufleben. Ein Buch zum versinken.

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Veröffentlicht am 09.08.2022

Smarte und unglaublich unterhaltsame Reise in die 20-iger

Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders
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"Hier Amt, was beliebt?" "Ich verbinde!"

oder auch "Die Abenteuer der AlmaTäuber."

Ich hatte noch nie etwas von dem Autorinnen-Duo Regine Bott und Dorothea Böhme gehört und wusste nicht so recht, was ...

"Hier Amt, was beliebt?" "Ich verbinde!"

oder auch "Die Abenteuer der AlmaTäuber."

Ich hatte noch nie etwas von dem Autorinnen-Duo Regine Bott und Dorothea Böhme gehört und wusste nicht so recht, was mich erwartet und ob sie es schaffen das Zeitgefühl zu transportieren. Aber das haben sie, dieser Roman ist Unterhaltung pur. Eine Zeitreise in die 20-iger Jahre, der Fräuleins, die zwar arbeiteten, alleine wohnten und ausgingen, aber z.B. keinen Männerbesuch haben durften. Eine unheimlich interessante und ein wenig vergessene Ära. Die Autorinnen schaffen es dieses ganz besondere Flair der 20-iger geschickt wieder aufleben und den Leser hautnah miterleben zu lassen. Und das so flott und lebendig ge- und beschrieben, dass man nur so durch die Seiten fliegt und auf s großartigste unterhalten wird.

Ganz nebenbei bekommt man immer wieder kleine Einblicke in den Arbeitsalltag des Fräuleins vom Amt, diesem längst ausgestorbenen Beruf, der den Frauen so einiges abverlangte. Das war für mich das I-Tüpfelchen.

Wer hier einen knallharten Krimi erwartet (was im Übrigen weder Cover noch Klappentext vermitteln), wird vielleicht weniger auf seine Kosten kommen, aber für mich hat der Fall und die Ermittlungen perfekt in das Setting hineingepasst. Und obwohl die Aufklärung im Mittelpunkt steht, ist sie nicht der einzige Dreh- und Angelpunkt, denn das sind definitiv Alma und ihre Freunde und das damalige Zeitgefühl.

Die Charaktere sind bunt gemischt, authentisch und lebendig. Es macht Spaß ihnen zu folgen. Alma und ihre Mitbewohnerin Emmi sind herrlich erfrischend, nicht auf den Mund gefallen und durch und durch sympathisch. Genauso wie der junge Kriminalanwärter Ludwig Schiller, der von der toughen Alma so manches Mal in den Schatten gestellt wird. Sie kombiniert rasch und prescht mutig voran. Aber auch an Nebencharakteren die die Zeit widerspiegeln, mangelt es nicht, allen voran "Otto". Großes Kino!

Durch den bildhaften Schreibstil hat man nicht nur die Personen, sondern auch die Schauplätze und das mondäne Baden-Baden mit seinen illegalen Kasinos, den noblen Hotels und der Trabrennbahn ganz deutlich vor Augen.

Mir hat der erste Fall von Alma und ihrem Ludwig absolut gefallen. Ich mochte die Idee, die Wendungen und logische Auflösung. Aber vor allem mochte ich Alma und das Setting. Ein Reihenauftakt ganz nach meinem Geschmack. Ich kann den zweiten Teil kaum erwarten.

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Ein Leben für den Erfolg - Rückblicke einer Diva

Die sieben Männer der Evelyn Hugo
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>> Aber ich mag dich, wie du bist. Ich mag dich unmoralisch, rauflustig und schwierig. Ich mag die Evelyn Hugo, die die Welt so sieht, wie sie ist, und dann hinausgeht und ihr abringt, was sie will. Also, ...

>> Aber ich mag dich, wie du bist. Ich mag dich unmoralisch, rauflustig und schwierig. Ich mag die Evelyn Hugo, die die Welt so sieht, wie sie ist, und dann hinausgeht und ihr abringt, was sie will. Also, nenn es, wie du willst, nur ändere dich nicht. Das wäre eine wahre Tragödie. >>

Mittlerweile gehe ich eher vorsichtig an allzu gehypte Bücher heran, aber an Evelyn Hugo kam auch ich nicht vorbei. Dieses Buch hat mich irgendwann so gereizt, dass ich es kaum abwarten konnte, bis es endlich auf deutsch erschien. Und das Warten hat sich gelohnt.

Taylor Jenkins Reid hat mit Evelyn eine berechnende, manchmal über Leichen gehende, aber auch nur allzu menschliche Diva geschaffen, hinter deren Fassade jahrzehntelang kaum jemand je zu blicken vermochte. Umso erstaunlicher, dass sie ausgerechnet der jungen Lokaljournalistin Monique exclusiv ihre Lebensgeschichte oder eher Beichte anvertrauen möchte.

Und so beginnt Evelyn zu erzählen und entführt den Leser in das Hollywood der 50-iger Jahre. Taylor Jenkins Reid lässt das Zeitgefühl, die Ära der Filmdiven und das Gemauschel der Hollywoodstudios gekonnt wieder auferstehen. Man ist mittendrin, kann Evelyns Gedankengänge nachvollziehen, auch wenn man selber wahrscheinlich anders gehandelt hätte.

Und genau das macht diesen Roman aus, ein Charakter, der einem auf den ersten Blick vielleicht unsympathisch erscheint, der aber so lebendig, vielschichtig, ehrlich und reflektiert ist, dass man gar nicht umhin kommt, sie irgendwie zu mögen. Und sie trägt das Buch und ihre Geschichte - eine Geschichte über Zweckbeziehungen, Freundschaft und der einen großen Liebe, aber auch über Schuld, Verrat, Vergebung und Selbstbestimmung.

Dieses Buch lebt von seinen leisen Emotionen. Ich fühlte mich in eine Zeit von Doris Day und Rock Hudson zurückversetzt, aus der ich gar nicht mehr auftauchen mochte.

Und dann ist da ja auch noch die Frage, warum ausgerechnet Monique? Die ist für mich allerdings immer wieder in den Hintergrund gerückt, weil ich von Evelyns Geschichte so gefesselt war. Zudem bleibt Monique etwas blass, was gefühlt aber auch kaum anders funktioniert hätte.

Fazit: Die sieben Männer der Evelyn Hugo ist ein ruhiges Buch, reflektiert von einer Diva erzählt und doch mit so einer leisen, intensiven Wucht. Großes Kino!

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Veröffentlicht am 30.03.2022

Netter Reihen-Auftakt

Gezeitenmord
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Netter Reihen-Auftakt mit einem sympathischen Ermittlerteam, aber auch irgendwie noch viel Luft nach oben.

Die Grundzutaten für einen spannenden, soliden Krimi sind alle vorhanden:

- nachvollziehbare ...

Netter Reihen-Auftakt mit einem sympathischen Ermittlerteam, aber auch irgendwie noch viel Luft nach oben.

Die Grundzutaten für einen spannenden, soliden Krimi sind alle vorhanden:

- nachvollziehbare Handlungen - interessanter Fall - authentische Auflösung

doch an manchen Stellen wollte er einfach zu viel und an anderen wiederum hat mir etwas gefehlt.

Aber von vorn

Lykke und Rudi sind ein tolles Team und sehr schnell freundschaftlich zusammengewachsen. Beide schleppen einen enormen Rucksack aus der Vergangenheit mit sich herum. Lykkes wird recht schnell offensichtlich und nachvollziehbar, Rudis hätte ich im Gegenzug gern erst im nächsten Band erfahren.

Die Zwei sind einem auf Anhieb unheimlich sympathisch, weil sie sehr menschlich agieren und man ihre Schwachpunkte kennt. Auch wenn mir Rudis Dänen/Deutsche Kriegssprüche nicht gefallen haben und sie mir im Zusammenhang mit Nennung des allseits bekannten Österreichers auch immer wieder arg aufgestoßen sind - aber das ist scheinbar Geschmackssache.

Die Nebencharaktere sind fast allesamt Klischee pur, aber haben mir trotzdem gut gefallen. Sie waren greifbar und klasse ausgearbeitet. Nur der tatsächliche Täter bleibt am Ende ziemlich blass.

Und das ist auch mein Hauptkritikpunkt. Trotz eines hochdramatischen Falls, blieb die Spannung auf der Strecke und der Plott hatte immer wieder Längen. Die beiden verdächtigen in alle Richtungen und tauschen sich und ihre Ideen rege aus, aber das lässt einem letzten Endes kaum Raum zum selber "ermitteln". Ich mag es lieber, wenn der "Elefant" unerkannt im Raum steht und ich auch eigene Gegenthesen aufstellen kann.

Was mir hingegen richtig gut gefallen hat, war die Kleinstadt-/Dorfatmosphäre, wo jeder jeden kennt und auch jeder seinen Stempel weg hat. Das war toll beschrieben und irgendwie lag über dem gesamten Dorf eine düstere, beklemmende Atmosphäre.

Fazit: Ein netter Krimi, dem es ein wenig an Spannung und Tiefe mangelt, was auch ein sympathisches Ermittlerteam nicht komplett wettmachen konnte. Der zweite Teil wird zeigen, ob ich die Reihe weiterverfolgen werde oder nicht.

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Veröffentlicht am 16.03.2022

unterhaltsame Coming of Age Story oder ein Tag im Leben von "Krüger"

Man vergisst nicht, wie man schwimmt
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>>"Normal ist langweilig", sagte Jacky, die die Ärmel ihres Longsleeves bis weit über ihre Handgelenke geschoben hatte, schnell. "Narben erzählen unsere Geschichten. Warum sollte man das glätten und beschönigen ...

>>"Normal ist langweilig", sagte Jacky, die die Ärmel ihres Longsleeves bis weit über ihre Handgelenke geschoben hatte, schnell. "Narben erzählen unsere Geschichten. Warum sollte man das glätten und beschönigen wollen?">>

"Man vergisst nicht, wie man schwimmt" ist ein unterhaltsamer Roman, mit einer Story, die manchmal vielleicht etwas over the top ist, aber auch mit vielen ernsten Untertönen. Das hat mir sehr gut gefallen. Christan Huber schafft es, einen in die eigene Jugend und die Sommer der 90iger zurück zu katapultieren.

Im Prinzip finden (fast) die kompletten 400 Seiten in 24 Std. statt. Und das sind 24 Std., die es in sich haben. Man merkt recht schnell, das "Krüger" nicht nur mit seinem Spitznamen sondern auch mit seinem Körper und Sozialleben bzw. Status hadert. Seit er nicht mehr schwimmen mag, sind die Sommer auch nicht mehr das, was sie mal waren und verlieben, nein, verlieben darf er sich schonmal gar nicht. Doch als er und sein bester Freund Viktor, Jacky vom Zirkus kennenlernen, bekommt das so sorgsam aufgebaute Gefüge, unaufhaltsam Risse.

Christian Huber hat einen Coming of Age Roman geschrieben, der sowohl junge Erwachsene als auch ältere Semester begeistert; sprachlich flüssig, zur Thematik passend und mit einem sehr sympathischen Hauptprotagonisten, dessen Handlungen und Gedanken absolut nachvollziehbar und altersgerecht sind. Da waren schon tolle Szenen und Gedankengänge bei und ich glaube, jeder wird sich selbst oder seine Freunde aus der Zeit in der ein oder anderen Handlung wiederfinden. Auf der einen Seite also herrlich authentisch, auf der anderen Seite gibt es ein paar Dinge, die mir ein klein wenig zu überspitzt waren, aber das hat dem Lesespaß keinen Abbruch getan.

Was der Schreibstil für mich nicht immer ganz geschafft hat, war tiefe Emotionen zu transportieren, dafür war er dann vielleicht zu klar und schnörkellos. Es gab sie durchaus, diese ganz ruhigen Momente, die unter die Haut gingen, vor allem, als Pascal seine Geschichte erzählt und ich habe durchgehend mit ihm mitgefiebert, mitgelacht und mitgelitten, aber größtenteils doch eher aus der Distanz und das macht diese eigentlich sehr ernste Geschichte zu einem locker-leichten, süffigen Lesespaß.