Ein vielschichtiges Buch über weiblichen Selbstwert und weibliches Begehren
RosenfeldNoa ist achtunddreißig und Regisseurin. Im ersten Unijahr drehte sie ein selbst geschriebenes Drama, das so furchtbar war, dass sie danach nur noch bei Produktionen anderer mitgearbeitet hat. Zwei Jahre ...
Noa ist achtunddreißig und Regisseurin. Im ersten Unijahr drehte sie ein selbst geschriebenes Drama, das so furchtbar war, dass sie danach nur noch bei Produktionen anderer mitgearbeitet hat. Zwei Jahre später wagte sie eine Komödie, die mit Bravour gelang. Es folgten Auszeichnungen, Türen öffneten sich, dann der freie Fall und ihre Angst vor chronischem Versagen.
Auf der Hochzeit ihrer besten Freunde trifft sie den Geschäftsmann Teddy Rosenfeld. Eine seltsame Faszination geht von diesem großen, schweren Mann aus. Seinem Partner Amos hat ihr Kurzfilm über das Brautpaar so gut gefallen, dass er sie zu einem Bewerbungsgespräch einlädt. Er kann sich vorstellen, dass sie die Medienabteilung leitet und sich um die Außenwirkung der Biotechfirma kümmert.
Seit diesem Abend kann sie an nichts anderes mehr denken als an Teddy. Nach dem Treffen mit Amos nimmt sie die neue Herausforderung an. Zwischen Noa und Teddy entflammt eine obsessive Affäre aus Lust und Zurückweisung. Während ihrer Zeit bei der Armee erlebte Noa ihre promiskuitive Phase. Mit Teddy jedoch findet sie ihre intensive Leidenschaft völlig neu und rutscht in eine fatale Abhängigkeit.
Die unberechenbare Nähe zu Teddy und die Annehmlichkeiten eines exorbitanten Gehalts und seiner schicken Wohnung stehen diametral zu Noas Charakter. Als Teddy sich immer wieder bevormundend in ihr Leben einmischt, muss sie ihre Komfortzone verlassen.
Fazit: Wow! Was war das denn? Maya Kessler hat in ihrem Debüt eine Geschichte geschaffen wie einen Film. Die Protagonistin hat sich früh von ihrer Mutter abgelehnt gefühlt und ist zu einer extrem unsicheren Frau voller Selbstablehnung und Selbsthass geworden. Sie kompensiert ihre Angst vor echter Intimität durch leidenschaftliche Körperlichkeit. Hier spürt sie eine Macht, die ihr im Alltag verwehrt ist. Sie trifft ausgerechnet auf einen mächtigen, emotional distanzierten älteren Mann. Beide Kontrahenten sind narzisstisch. Er hat sich mit seinen verletzten Eitelkeiten arrangiert, sie nicht. Während der Beziehung zu ihm läuft sie zu emotionalen Hochtouren auf, getrieben zwischen Liebe und Hass. Nach einer quälenden Achterbahnfahrt versteht sie, dass seine augenscheinliche Lieblosigkeit stellvertretend für die gefühlte Lieblosigkeit ihrer Mutter ist. Die psychischen Abwehrmechanismen sind beeindruckend gut gezeichnet. Zum Schluss hat sie eine Entwicklung durchgemacht, die sie ihre Prinzessinnen-Issues ablegen und Verantwortung für sich selbst übernehmen lässt. Und unter uns, ich fand den körperlichen Austausch heiß. Ein vielschichtiges Buch über weiblichen Selbstwert und weibliches Begehren, das mich auch über das Lesen hinaus beschäftigt hat.