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Veröffentlicht am 08.06.2024

Das war kein Lesegenuss

Lust
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Der Direktor entsagt ihnen allen und will nur noch die eine, die seine. So schreit er´s mit lauter Stimme herum und alle ducken sich weg, auf das Glück, seiner Laune zu entkommen. Er ist der Papierfürst, ...

Der Direktor entsagt ihnen allen und will nur noch die eine, die seine. So schreit er´s mit lauter Stimme herum und alle ducken sich weg, auf das Glück, seiner Laune zu entkommen. Er ist der Papierfürst, der Direktor der Papierfabrik, solvent, eloquent und mit einem Gehänge ausgestattet, das seinesgleichen erst erfinden müsste. Keiner kann es mit ihm aufnehmen. Seine Gerti, die mit dem schönen Gerät, die bestangezogenste Frau in der ganzen Region. Eine reine Augenweide, der er allzuliebenddringend ins Dekolleté fährt, wann immer sie gern gesehene Gäste am Theater oder bei Geschäftsessen sind. Der Appetit, den holt er sich gern draußen, doch essen, das tut er nur noch daheim, seit diese Krankheit grassiert.

Die Gerti ihrerseits erträgts, dafür kommt ihr Gatte dann auch schoneinmal mit einer hübschen Brosche heim, wenn er es ihr allzuschlimm getrieben und dann die Gerti aus dem Haus getrieben hat. Die sieht es schon dem Sohne an, dass der ganz ähnlich wie ihr Mann, immer um des Gertis Rock herumschleicht.

Fazit: Das war kein Lesegenuss, eher eine Fleißarbeit. Elfriede Jelinek 2004 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, hat eine Parodie auf das österreichische Bürgertum geschaffen. Das ganze Buch dreht sich um die Geilheit der Männer, die sich an der Ohnmacht der verheirateten, abhängigen, devoten Gerti besaufen. Die Sprache ist obszön, pornografisch und abartig. Ein nicht enden wollender Albtraumporno, während dem die Gerti in alle Körperöffnungen penetriert wird. Dieses Buch zu lesen, hat mich auf eine Weise getroffen, wie kein Buch zuvor. Die Einseitigkeit, denn Gerti hat keinen Spaß an dem Treiben ihres Mannes. Sie wird zur Alkoholikerin weil sie ihren Mann anders nicht aushält. Wie er sie frei jeder Empathie benutzt, sie vergewaltigt und schlägt, wenn sie sich unwillig zeigt. Ihre finanzielle Abhängigkeit. Und dann hängt sie sich im Suff an einen jüngeren, der sie genauso mies behandelt. Versuch und Irrtum. Das Buch ist ohne Frage außerordentlich textsicher geschrieben. Die ganze Litanei hat mir allerdings keinen Mehrwert gebracht. Die Quintessenz bleibt mir verborgen. Vielleicht ist das Kunst?

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Veröffentlicht am 22.05.2024

Das Psychogramm einer psychisch kranken Frau

Das Leben meiner Schwester
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Mathilde Pécheux ist Französischlehrerin und liebt Focault, den sie gerne im Unterricht durcharbeitet. Sie nimmt sich ganz besonders der Kinder an, die Lernschwierigkeiten zeigen und gibt auch Einzelunterricht. ...

Mathilde Pécheux ist Französischlehrerin und liebt Focault, den sie gerne im Unterricht durcharbeitet. Sie nimmt sich ganz besonders der Kinder an, die Lernschwierigkeiten zeigen und gibt auch Einzelunterricht.

Sie teilt ihr Bett seit fünf Jahren mit ihrem Freund Étienne, den sie in einer schwierigen Lebensphase kennenlernte, als die Liebe seines Lebens ihn verlassen hatte. Mathilde glaubt eine gute Partnerschaft zu haben, deswegen ist sie über Étiennes plötzliche Schweigsamkeit erstaunt. Doch weil sie keinen Druck ausüben möchte, lächelt sie seine Betrübnis einfach weg. Als Étienne ihr dann eröffnet, dass er auszieht, verliert Mathilde den Boden unter den Füßen.

Mathilde will Étiennes Entscheidung nicht verstehen, ruft ihn an, schreibt ihm, fühlt sich abserviert. Ein Freund von Étienne varrät ihr, dass Étienne wieder mit seiner Ex-Freundin zusammen ist, dass sie aus Australien zurückgekehrt ist. Mathilde kann den Verlust nicht hinnehmen, das Gefühl der Erniedrigung nagt an ihr.

Sie lässt sich von einer Therapeutin Krankschreiben, nimmt Beruhigungsmittel und quält sich mit ihren Gedanken an Étienne, glaubt, dass er erkennen wird, wie sehr er sie geliebt hat und dass er bald zu ihr zurückkommt.

Fazit: David Foenkinos hat das Psychogramm einer psychisch kranken Frau erstellt. Der Klappentext liest sich vielversprechend und verspricht Spannung, die der Autor nicht halten kann. Die Protagonistin ist extrem unsympathisch, ich habe in ihrem Charakter nichts gefunden, das auch nur ein Krümelchen Mitgefühl bei mir erzeugt hätte. Alle Frauen in der Geschichte werden einseitig dargestellt. Die Protagonistin ist neidisch, missgünstig, eifersüchtig, rachsüchtig, narzisstisch. Ihre Schwester naiv und oberflächlich. Eine Kollegin geschwätzig, selbstdarstellerisch und unsicher. Für mich hat der Autor jedes Klischee, dass es über Frauen gibt, ausgespielt. Das Ende der Geschichte ist absolut vorhersagbar. Wäre der Plot, ein wenig ausgefeilter, bezüglich der labilen Psyche, der Protagonistin gewesen, hätte mir das Lesen mehr Spaß gemacht. Der pathetische Ton hat mich eher abgeschreckt als in die Geschichte reingezogen. Das hat mir nicht besonders gefallen.

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Veröffentlicht am 14.05.2024

Ein Buch über weibliche Selbstermächtigung

Sorry not sorry
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Anika Landsteiner stellt sich der Frage warum wir Frauen besonders häufig dieses mulmige Gefühl der Scham verspüren und beginnt ihre Suche mit dem Beispiel ihrer Großmutter. Die Familie verbot dieser, ...

Anika Landsteiner stellt sich der Frage warum wir Frauen besonders häufig dieses mulmige Gefühl der Scham verspüren und beginnt ihre Suche mit dem Beispiel ihrer Großmutter. Die Familie verbot dieser, darüber zu sprechen, was mehrere Männer ihr angetan hatten, zu groß sei die Angst vor der Schande für die Familie gewesen.

Die Autorin rollt Einzelheiten aus der Geschichte auf, die sie in anschließenden Kapiteln genauer beleuchtet. Beginnend bei Adam und Eva, die erst in das Gefühl von Scham kamen, nachdem Eva den verbotenen Apfel gekostet hat und dann von Gott beschämt wurde, weil sie nicht auf ihn gehört hatte. Die schwache Eva hatte sich von der Schlange veführen lassen und war fortan schuldig. Anika Landsteiner stilisiert Eva zur Galionsfigur der weiblichen Scham.

Damit wäre die Schuldfrage geklärt. Was dazu führt, dass Frauen der Gesellschaft etwas schulden. „Sie müssen stets etwas leisten, um die Schuld und ihre Schwäche abzubauen“. S. 13

An zahlreichen archetypischen Beispielen erläutert die Autorin, wie die Rollenbilder in unseren Köpfen entstanden sind. Sie hält die Scham für ein Werkzeug patriarchaler Unterdrückung, die auf zwei Wegen spürbar gemacht wird:

1. Du bist nicht genug
2. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?

Sie spricht über die Sexualisierung gerade heranwachsender weiblicher Körper, eine ganze Beauty Industrie, die uns Frauen bombadiert und Bedürfnisse weckt. Über den Gender-Gap, Care-Arbeit und die Institution der Ehe. Die Menstruation, Endometriose, Abtreibung und das Altern, übergriffige und gewalttätige misogyne Männer und Anika Landsteiner spricht über sich und bringt zahlreiche Beispiele aus ihrem Leben ein.

Fazit: In diesem Buch stecken reichlich Informationen über die immer noch systemische Benachteiligung von Frauen, die gesellschaftliche Akzeptanz finden. Ich mag die Intention, ein Buch für weibliche Selbstermächtigung zu schreiben sehr, weil es helfen kann, Missstände bewusst zu machen. Ich finde auch, dass man gar nicht genug auf Stereotype hinweisen kann und dass wir Frauen weniger perfekt und im Tausch entspannter sein könnten. Manche Aussagen hätte ich mir allerdings besser untermauert gewünscht, mehr Fakten weniger Behauptungen. So glaubt sie zu wissen, dass viele Frauen sich während der Menstruation unter Schmerzen zur Arbeit schleppen, weil die Scham zu groß sei, wegen Unterleibschmerzen zu Hause zu bleiben. Ich denke, wer sich krank meldet, muss keine Gründe angeben, es geht niemanden etwas an, was eine*n kränkeln lässt.

Viele Frauen seien wenige Tage nach ihrer Hochzeit enttäuscht und zeigten depressive Verstimmungen. Da denke ich, das ist etwas einseitig dargestellt. Es geht den Männern nicht anders, denn auf der Life-Event-Skala erreichen Männer, was den Stresslevel, durch die vermutete Erwartungshaltung an sie, stets eine Familie versorgen zu können, angeht, 10 von 10 Punkten. Wir sind eben alle geprägt von bestimmten Rollenbildern, die uns mehr schaden als dass sie Sinn ergeben. Manche Kapitel fand ich ermüdend, was glaube ich daran liegt, dass sie nah an „Was wollt ihr denn noch alles?“ von Alexandra Zykunov schreibt. Am besten fand ich die beiden letzten Kapitel über Misogynie und die #metoo Debatte. Da schien sie sich eingeschrieben zu haben, weswegen Reichelt, Valentin Moritz, Trump und Lindemann ihr wohlverdientes Fett abgekriegt haben. Ab da hat mir das Buch so richtig Spaß gemacht. Gerne möchte ich an dieser Stelle abschließend auch ihren Roman „Nachts erzähle ich dir alles“ empfehlen, den ich großartig fand.

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Veröffentlicht am 21.03.2024

Die Sprache hat mich nicht abgeholt

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Darf ich mich vielleicht einfachmal schlecht fühlen? schreit Mama plötzlich los. Hälst du das echt nicht aus, wenn es einmal um mich geht und nicht um dich? S. 7

Christine Kerner, Mutter von Valerie ...

Darf ich mich vielleicht einfachmal schlecht fühlen? schreit Mama plötzlich los. Hälst du das echt nicht aus, wenn es einmal um mich geht und nicht um dich? S. 7

Christine Kerner, Mutter von Valerie Steinberg, nahm nach der Scheidung von Valeries Vater Roman, ihren Mädchennamen an. Valerie war mit Christine weitestgehend alleine aufgewachsen. Ihre Mama holte ihr Studium nach, das sie wegen ihrer Schwangerschaft aufgeben musste. An den Wochenenden fuhr Valerie allein mit Bahn und Zug zur Omi, seit sie zehn Jahre war. Sie Machte sich ihr Frühstück selbst, weil Christine ausschlafen musste, tröstete Mama, wenn die Liebeskummer hatte und sorgte allgemein für gute Laune.

Jetzt hat Christine Krebs, leidet unter der Diagnose und Valeries Kälte. Valerie, selbst alleinerziehend hat eigene Sorgen. Sie kümmert sich zwanghaft um ihren sechzehnjährigen Sohn Tobi, vergeht fast vor Sorge um ihn und ist die einzige, die ihn versteht. Das Tobi für ein Jahr als Austauschschüler nach England geht kommt überhaupt nicht in Frage.

Valerie besucht ihre Mutter in der Klinik, wo sie sich gekonnt dem Spiel “Schmerzgrenze” hingeben.

Ein Spiel für Mutter und Tochter mit einfachen Regeln. Wenn die Mutter weinen kann, weil die Tochter sie schlecht behandelt, ist das Ziel des Spiels erreicht. S. 71

Fazit: Die Autorin hat ihre Protagonistinnen Valerie und Christine gut abgebildet. Valerie ist die sorgenvolle überbehütende Mutter, als Konsequenz des laissez fairen Erziehungsstil ihrer eigenen Mutter, die sich eher für sich selbst interessierte, als Valerie ihre Unterstützung und Konstanz gebraucht hätte. Um die Geschichte zu verdichten nutzt die Autorin, die Technik des Rückblicks und nimmt mich immer wieder mit, in die Vergangenheit, so dass ich Christines und Romans Eltern kennenlerne. Damit wird die Geschichte generationsübergreifend. Eigentlich eine gute Idee, die im letzten Jahr viele andere Autorinnen auch hatten. Mich hat die Sprache der Autorin nicht abgeholt. In mir konnte sie keine empathischen Gefühle wecken. Was mich wundert, denn ich kenne diesen Mutter-Tochter-Konflikt bestens. Doch leider haben mich die Worte Felicitas Prokopetz nicht berührt, deshalb fand ich dieses Debüt weniger gelungen, als andere.

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Zu viel Leichtigkeit

Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen
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1926 kommt der Bildhauer Constantin Avis in New York an. Das Blitzlichtgewitter leuchtet nicht für ihn als er von Bord geht, sondern für die atemraubende Alsa Fantonie, die Filmschauspielerin, die Avis ...

1926 kommt der Bildhauer Constantin Avis in New York an. Das Blitzlichtgewitter leuchtet nicht für ihn als er von Bord geht, sondern für die atemraubende Alsa Fantonie, die Filmschauspielerin, die Avis schon lange verehrt. Der Kunstmäzen und Galerist Max Milner, hat Avis persönlich aus Paris einschiffen lassen, weil er den Bildhauer protegieren will.

Während Avis sich auf die Suche nach seinem Hotel macht, kommt die Schriftstellerin Dora und Erfinderin Avis, in ihrem an. Sie lebt im Jahr 2020, hat ein Auslandsstipendium, im sommerlichen Ligurien bekommen und frönt ihrer Idee, sich schreibend auf die Frage, was Kunst ist, zuzubewegen. Ihr achtjähriger Sohn und sein Kindermädchen Macedonia begleiten sie.

Während Macedonia, Doras Sohn beschäftigt, bleibt der Schriftstellerin genügend Zeit ihre Umgebung zu beobachten. Die ockerfarbenen Vorhänge ihres Zimmers bewegen sich sanft im Wind und werden sogleich bildlich nach New York transportiert, wo sie in Avis Hotelzimmer ähnlich wehen. Was Avis veranlasst, die Galerie seines Gönners aufzusuchen. Dort angekommen, lernt er die kesse Lidy kennen, die sich erfahrungsreich um das Interieur kümmert. Gut gelaunt lädt er sie zu einem Drink ein, nicht ahnend, dass er nicht, wie vermutet, die Tochter des Galeristen vor sich hat. Am Ende des Abends erfährt Avis, dass sein Gönner kürzlich verstorben ist.

Fazit: Die Autorin hat ein buntes Potpourris an Szenen entstehen lassen. Die Sprache ist quecksilbrig und flatterhaft. Der Charakter Avis tänzelt mit einer Leichtigkeit durch die Sinnbilder, die erahnen lässt, dass er noch nie, vom Ernst des Lebens gebeutelt wurde. Mir fehlten bei Avis die Konturen. Unklar blieb auch, welche Stelle Regis in Doras Leben füllte. War er ihr Freund, Geliebter? Zuerst fand ich den Roman arg amüsant. Zum Ende hin nervte mich diese, nicht enden wollende Leichtigkeit. Dann hat die Autorin noch ein Fass aufgemacht, um auf die Frage, was Kunst ist, zurückzukommen, das eigentliche Ansinnen des Romans, indem sie einen Prozess beschrieb. Etwas weniger vom Leichten, eine Prise Ernst, hätte, für mich mehr sein können.

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