Wundervolle Erzählstimme
Jahre mit MarthaZeljko alias Jimmy (der Einfachheit halber) wohnt mit seinen Eltern und beiden Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Sein Vater ist Hausmeister, seine Mutter Putzfrau. Seine Mutter feiert ...
Zeljko alias Jimmy (der Einfachheit halber) wohnt mit seinen Eltern und beiden Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Sein Vater ist Hausmeister, seine Mutter Putzfrau. Seine Mutter feiert ihren Geburtstag im Gemeindehaus im Hinterhof. Sie schickt Jimmy noch schnell zum Supermarkt, dort soll er eine tiefgekühlte Schwarzwälder Kirschtorte kaufen. Der Kuchen ist für die Frau Professor Gruber aus Heidelberg, für die seine Mutter putzt. Die ist feiner als seine Mutter, Tanten und Cousinen und seine Mutter möchte, dass die Frau Gruber denkt, sie wären gute Ausländer.
Die Frau Gruber kommt in Jeanshose und lockerem Wollpulli, wahrscheilich, weil sie zeigen will, dass sie eine nette Deutsche ist. Jimmy konnte das Gemeinde-WC nicht reparieren und deswegen kommen alle, die mal müssen, zu ihnen in die Wohnung. Während Frau Gruber reinkommt, sitzt Jimmy auf seinem Bett hinter dem Vorhang und liest einen Zeitungsartikel in der Zeitschrift, die er frisch aus dem Altpapiercontainer gefischt hatte. Die Frau Gruber kann nicht, wenn Jimmy quasi vor der Toilettentür sitzt, deshalb bittet sie ihn zu gehen. Als sie es doch noch geschafft hat, begegnen sie sich im Flur und sie stellt sich als Martha vor.
Jimmy hat auf der Straße eine Geldbörse gefunden. Zuerst wollte er die 438 Mark herausnehmen und den Rest in den Briefkasten der Anwaltskanzlei werfen, die auf den Visitenkarten adressiert war. Doch dann fiel ihm ein, dass er gelesen hatte, dass einem 5 % Finderlohn zustehen und die in einer Anwaltskanzlei sollten das wissen. Er gab den Geldbeutel an der Rezeption einer Frau und wartete. Sie ließ ihn in eine Schale mit Schokolinsen greifen. Er mochte gar keine Schokolinsen. Richtig sauer war er dann, weil er sich nicht behauptet hatte. Er wollte aber jemand sein, der für sich einstand.
Fazit: Martin Kordic hat mich mit wundervoller Erzählstimme in das Leben seines Protagonisten mitgenommen. Ich konnte ihm dabeizusehen, wie er sich als fünfzehnjähriger in die ältere Martha verliebt. Sie weckt seine Neugier auf die Welt der Bücher und Kultur. Während sie sich aus den Augen verlieren, ist er über die Maßen motiviert, das beste Abitur in ganz Ludwigshafen zu machen. Er glaubt, dass er sich als Ausländer besonders bemühen muss, um Anerkennung zu finden. Er studiert in München und trifft Martha wieder. Zwischen den beiden entflammt eine besondere Liaison. Dennoch fühlt Jimmy sich verloren und entwurzelt. Seine Überzeugung, wertlos zu sein, keiner Kultur richtig anzugehören, treibt ihn in die Depression. Sinnlosigkeit macht sich breit. Ich erfahre viel über den Bürgerkrieg im Balkan und die kroatische Mentalität. Die Stimmfarbe des Autors ist absolut authentisch. Während Jimmys Jugend plätschert sie mit humorvoller Leichtigkeit dahin. Später in der Beziehung zu Martha schreibt er getrieben und begehrend. In der Depression fließen die Worte hoffnungslos dahin. Es liest sich, wie die vier Jahreszeiten Vivaldis klingen. Jede Seite hat mich feinfühlig unterhalten. Ein wirklich schönes Buch mit ergreifender Thematik über Migration und Chancengleichheit.