Profilbild von MarieOn

MarieOn

Lesejury Star
offline

MarieOn ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit MarieOn über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.01.2025

Was für ein Erzähltalent

Tschick
0

Maik Klingenberg hat sich auf der Station der Autobahnpolizei in die Hose gepisst. Tschick ist verschwunden, er hat ihn gerade noch ins Gebüsch hüpfen sehen, auf einem Bein. Maik denkt an das schönste ...

Maik Klingenberg hat sich auf der Station der Autobahnpolizei in die Hose gepisst. Tschick ist verschwunden, er hat ihn gerade noch ins Gebüsch hüpfen sehen, auf einem Bein. Maik denkt an das schönste Mädchen der Welt, Tatjana Cosic, ohne sie wäre er gar nicht hier.

Maik geht in die 8c des Gymnasiums und hält sich für den langweiligsten Jungen der Welt, deswegen wundert er sich nicht wirklich, dass Tatjana jeden Depp zu ihrem Geburtstag eingeladen hat außer ihn, na ja und Tschick. Tschick, eigentlich Andrej Tschichatschow, aber das kann keiner aussprechen, kam gerade neu in die Klasse. Am ersten Tag stand er in schmuddeliger Hose, Stoffjacke und Plastiktüte mit Büchern vor der Klasse und ließ sich von Wagenbach vorstellen. Tschick war Russe, erfuhren sie und blickte komatös aus seinen Mongolenaugen auf die Stelle vor seinen Schuhen. Wagenbach wies ihm seinen Platz ganz hinten zu und der Junge, Maik konnte ihn nicht leiden, schlurfte zu seinem Pult.

Er roch wie meine Mutter, wenn die einen schlechten Tag hatte.“ S. 24

Maiks Mutter fährt seit drei Jahren in den Sommerferien auf die Beaty-Farm, also gut, so nennen sie spaßeshalber die Entzugsklinik. Sein Vater fährt von Gläubiger zu Gläubiger, um das Schlimmste abzuwenden. Maik sitzt während der Ferien im Keller und baut Bumerangs, ist viel besser als mit den Eltern Urlaub zu machen. Sein bester Freund Paul zog weg, als Maik aufs Gymnasium gegangen ist, seine endbescheuerte Mutter wollte im Grünen wohnen.

Am ersten Ferientag steigt Tatjanas Party und Maik hatte sich drei Monate lang den Hintern aufgerissen, um ihr was Besonderes zu schenken. Sie steht auf Beyoncé. Also hat Maik Beyoncés Gesicht eins zu eins aus der Zeitschrift auf Papier übertragen, mit der Rastertechnik. Und jetzt ist er nicht einmal eingeladen. Und dann steht der ultrabekloppte Russe vor ihm und will mit ihm ne Runde mit nem geklauten gammligen Lada drehen.

Fazit: Großartig und so lustig. Was für ein Erzähltalent Wolfgang Herrendorf war. Ich habe ihm die Geschichte des Vierzehnjährigen zu einhundert Prozent abgekauft. Die Sprache ist absolut authentisch, der Roadtrip kolossal gezeigt. Einem Film auf Großleinwand ähnlich, ließ er in meinem Kopf Bilder enstehen. Nie habe ich schwierige Themen wie Alkoholsucht, Migration, Vorurteile, Pubertät, Einsamkeit und Ausgrenzung, so flockig erzählt bekommen. Die Sicht bleibt bei allen Katastrophen positiv.

Alle Leute, denen wir begegneten, waren nett. Ich meine, man hört ja immer: „Pass auf!“, „Geh nicht mit Fremden.“, aber die Menschen, die wir trafen, die waren alle schwer in Ordnung. S. 209

Diese durch und durch lustige, positive, kreative Geschichte habe ich gelesen, als hätte Herrendorf sie nur für mich erzählt und ich würde ihm zu gerne drei weitere Bücher lang zuhören. So ein großes Talent.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.01.2025

Love Scammer ein wichtiges Thema

Hey guten Morgen, wie geht es dir?
0

Juno Isabella Flock schlägt sich durchs Leben. Ihr Tagesablauf ist diszipliniert. Morgens hilft sie ihrem Mann Jupiter aus dem Bett in den Rollstuhl, dann ein schnelles Frühstück und danach Ballett. Der ...

Juno Isabella Flock schlägt sich durchs Leben. Ihr Tagesablauf ist diszipliniert. Morgens hilft sie ihrem Mann Jupiter aus dem Bett in den Rollstuhl, dann ein schnelles Frühstück und danach Ballett. Der Tanz hält sie jung, streckt ihren ganzen Körper, der nach oben drängt und sie, in der Mitte ihres Lebens, mit voller Funktionsfähigkeit beschenkt. Sie kauft ein wenig Pizzazungen für Jupiter und bald auch wieder Spekulatius. Um die begehrten vorvorvorweihnachtlichen Gewürzplätzchen zu ergattern, wird sie sich Jupiter zuliebe, wie jedes Jahr, anschleichen und schnell zugreifen. Sie hat schlechte Erfahrungen mit bissigen Kundinnenkommentaren zu Hamsterkäufen älterer Frauen sammeln müssen, die ein kapitalistisches System gedankenlos unterstützen.

Juno denkt allerdings viel, mehr als viele andere. Am Abend lenkt sie sich ein wenig mit Instagram ab, weil sie keinen Schlaf findet. Noch bevor sie die App lädt, rät sie, wie viele Chirurgen, US-Generäle, grau melierte muskulöse Millionäre sie diesmal angeschrieben haben. Ihr ist klar, dass sich hinter den hübschen Fotos und netten Berufen Männer verstecken, die versuchen, gutgläubige Frauen, denen sie nur genug Liebe vorspielen, um einige Euro zu erleichtern. Sie hatte erst kürzlich eine Reportage über Love-Scammer gesehen. Wenn Juno eine Anfrage wie: „Hallo du schöne“ bekommt, geht sie mit dem Scammer in den Dialog und lügt ebenso wie ihr Gegenüber. Sie genießt das Gefühl der Überlegenheit. Manchmal schreibt sie auch einfach, dass sie wisse, was der andere vorhat und dass sie nichts bezahlen wird. Meistens wird sie dann blockiert. Benu jedoch hatte ihr gestanden, dass er damit sein Leben finanziere.

Während Jupiter einen Literaturpreis gewinnt und Juno mit ihren Kollegen ein Theaterstück einübt, erfährt sie immer mehr über Benu.

Fazit: Martina Hefter hat mit flockiger Leichtigkeit eine Geschichte erzählt, die es in sich hat. Die Protagonistin pflegt ihren schwerkranken Mann. Trotz des Geldes der Pflegeversicherung und ihren eigenen Einkünften kommen sie kaum über die Runden. In der dritten Etage eines Altbaus ist Inklusion ein Fremdwort. Das Paar ist stets auf fremde Hilfe angewiesen, jeder Arztbesuch, jede Zugfahrt, eine Weltreise. Die mitleidigen Blicke und die Vorurteile ihrer ahnungslosen Mitmenschen machen sie mürbe. Juno vertreibt sich die Einsamkeit im Internet. Dabei trifft sie einen Menschen, der für sie an Bedeutung gewinnt. Im Hinterkopf bleibt sie misstrauisch, kann sich aber seiner Präsenz kaum entziehen. Zwischen den beiden entspinnt ein Spiel, in dem sie gegen ihre Gewohnheiten immer mehr von sich preisgibt. Sie interessiert sich für diesen Unbekannten, sein Land Nigeria und liest alles, was sie darüber findet. Die Autorin lässt Juno ihre eigene Privilegiertheit hinterfragen, in einem sicheren Land zu leben, frei zu sein und von einem Sozialsystem aufgefangen zu werden und moralisiert nicht. Das mochte ich ebenso wie den Schreibstil.

Ich muss gestehen, bis ich dieses Buch gelesen hatte, wusste ich nichts über die Loverboys. Ich ignoriere und lösche solche Anfragen schon aus Zeitmangel. Nach dieser Lektüre sind mir durch die Medien Frauen begegnet, die leichtgläubig, in das Geschäfte mit der Liebe investiert haben, deswegen finde ich es so wichtig, dass die Autorin das thematisiert hat. Meine absolute Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.01.2025

Wundervolle Erzählstimme

Jahre mit Martha
0

Zeljko alias Jimmy (der Einfachheit halber) wohnt mit seinen Eltern und beiden Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Sein Vater ist Hausmeister, seine Mutter Putzfrau. Seine Mutter feiert ...

Zeljko alias Jimmy (der Einfachheit halber) wohnt mit seinen Eltern und beiden Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Sein Vater ist Hausmeister, seine Mutter Putzfrau. Seine Mutter feiert ihren Geburtstag im Gemeindehaus im Hinterhof. Sie schickt Jimmy noch schnell zum Supermarkt, dort soll er eine tiefgekühlte Schwarzwälder Kirschtorte kaufen. Der Kuchen ist für die Frau Professor Gruber aus Heidelberg, für die seine Mutter putzt. Die ist feiner als seine Mutter, Tanten und Cousinen und seine Mutter möchte, dass die Frau Gruber denkt, sie wären gute Ausländer.

Die Frau Gruber kommt in Jeanshose und lockerem Wollpulli, wahrscheilich, weil sie zeigen will, dass sie eine nette Deutsche ist. Jimmy konnte das Gemeinde-WC nicht reparieren und deswegen kommen alle, die mal müssen, zu ihnen in die Wohnung. Während Frau Gruber reinkommt, sitzt Jimmy auf seinem Bett hinter dem Vorhang und liest einen Zeitungsartikel in der Zeitschrift, die er frisch aus dem Altpapiercontainer gefischt hatte. Die Frau Gruber kann nicht, wenn Jimmy quasi vor der Toilettentür sitzt, deshalb bittet sie ihn zu gehen. Als sie es doch noch geschafft hat, begegnen sie sich im Flur und sie stellt sich als Martha vor.

Jimmy hat auf der Straße eine Geldbörse gefunden. Zuerst wollte er die 438 Mark herausnehmen und den Rest in den Briefkasten der Anwaltskanzlei werfen, die auf den Visitenkarten adressiert war. Doch dann fiel ihm ein, dass er gelesen hatte, dass einem 5 % Finderlohn zustehen und die in einer Anwaltskanzlei sollten das wissen. Er gab den Geldbeutel an der Rezeption einer Frau und wartete. Sie ließ ihn in eine Schale mit Schokolinsen greifen. Er mochte gar keine Schokolinsen. Richtig sauer war er dann, weil er sich nicht behauptet hatte. Er wollte aber jemand sein, der für sich einstand.

Fazit: Martin Kordic hat mich mit wundervoller Erzählstimme in das Leben seines Protagonisten mitgenommen. Ich konnte ihm dabeizusehen, wie er sich als fünfzehnjähriger in die ältere Martha verliebt. Sie weckt seine Neugier auf die Welt der Bücher und Kultur. Während sie sich aus den Augen verlieren, ist er über die Maßen motiviert, das beste Abitur in ganz Ludwigshafen zu machen. Er glaubt, dass er sich als Ausländer besonders bemühen muss, um Anerkennung zu finden. Er studiert in München und trifft Martha wieder. Zwischen den beiden entflammt eine besondere Liaison. Dennoch fühlt Jimmy sich verloren und entwurzelt. Seine Überzeugung, wertlos zu sein, keiner Kultur richtig anzugehören, treibt ihn in die Depression. Sinnlosigkeit macht sich breit. Ich erfahre viel über den Bürgerkrieg im Balkan und die kroatische Mentalität. Die Stimmfarbe des Autors ist absolut authentisch. Während Jimmys Jugend plätschert sie mit humorvoller Leichtigkeit dahin. Später in der Beziehung zu Martha schreibt er getrieben und begehrend. In der Depression fließen die Worte hoffnungslos dahin. Es liest sich, wie die vier Jahreszeiten Vivaldis klingen. Jede Seite hat mich feinfühlig unterhalten. Ein wirklich schönes Buch mit ergreifender Thematik über Migration und Chancengleichheit.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.01.2025

Eine überzeugende Geschichte voller guter Ambitionen

Die Nacht der Bärin
0

Jule ist sechsundzwanzig, als sie sich auf dem Wohnzimmerboden wiederfindet. Der Streit mit Jasper begann mit ihren Überstunden in der Agentur. Er warf ihr vor, eine Affäre zu haben. Sie schrie ihn an, ...

Jule ist sechsundzwanzig, als sie sich auf dem Wohnzimmerboden wiederfindet. Der Streit mit Jasper begann mit ihren Überstunden in der Agentur. Er warf ihr vor, eine Affäre zu haben. Sie schrie ihn an, er stieß sie zu Boden und trat nach ihr. Jule weiß, dass sie gehen muss. Sie muss nachdenken. Ihre Freundin Therese kommt nicht infrage. Sie haben sich schon seit Monaten nicht gesehen. Jasper kann sie nicht leiden. Sie packt das Nötigste und fährt zu ihren Eltern.

Jules Vater empfängt sie liebevoll wie immer. Ihre Mutter Anna räumt die Küche auf, sie hatten gerade zu Abend gegessen. Das Telefon klingelt sie aus ihrer Begrüßung. Der Vater ruft Anna an den Apparat, die sich meldet und sich dann nach vorne beugt, als würde sie das Gleichgewicht verlieren. Annas Mutter ist gestorben, erklärt Anna wie unter Schock. Jule versteht Annas Reaktion nicht, sie hatte keinen Kontakt mehr und sprach nie über ihre Eltern. Jule überredet ihre Mutter mit ihr in deren Elternhaus zu fahren. Zuerst lehnt Anna kategorisch ab, eine Kanzlei würde sich um alles kümmern. Etwas später jedoch sitzt Anna in Jules Auto.

Nach einer kurzen Nacht in einem Hotel fahren sie zu dem Haus ihrer Großmutter. Jule gefällt der rote Backsteinbau. Sie gehen durch den Keller hinein, die Tür ist unverschlossen. Im Haus bewegt Anna sich vorsichtig, spricht kaum. Sie suchen Papiere für die Kanzlei, damit sie alles abwickeln können. Auf Jules neugieriges Bohren erzählt Anna nur, dass in diesem Haus schreckliche Dinge geschehen sind und bleibt unverbindlich.

Fazit: Kira Mohn hat eine düstere Geschichte geschaffen, die mich als Leserin an meine Schmerzgrenze des Erträglichen gebracht hat. Während ihre Protagonistin mit ihrer Mutter in deren Vergangenheit fährt, gewährt die Autorin mir einen Blick hinter die Kulissen der wortkargen Anna. Mit jedem weiteren Kapitel steige ich weiter in das Drama einer dysfunktionalen Familiengeschichte hinab. Vater sadistischer Psychopath tobt vollkommen unkontrollierbar durch das Familienkonstrukt. Anna und ihre Schwester dissoziieren sich in eine Traumwelt aus Feen und Bärenmüttern. Annas erstes Verliebtsein endet in einer Tragödie, die die drei weiblichen Akteurinnen kompromisslos spalten. Die Autorin zeigt sehr klar, was Misogynie für Frauen bedeutet. Wie schwer der Weg einer abhängigen Frau ist, deren Selbstwert niedergeknüppelt wird, die ihr Spiegelbild meidet, weil sie keinerlei Macht besitzt, ihre Kinder aus der Schusslinie zu nehmen. Grauenhaft! Und auch so wichtig hinzusehen, mitzufühlen und resonant zu werden, denn diese Geschichte, wenn auch fiktiv, findet so oder ähnlich hinter vielen deutschen Haustüren statt. Das Nachwort von Kira Mohn macht deutlich, wie wichtig ihr diese Geschichte ist, indem sie noch einmal in Kürze erzählt, wie der Strudel des männlichen Narzissmus Frauen hinabzieht. Eine hervorragend geschriebene, überzeugende Geschichte voller guter Ambitionen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.01.2025

Die Liebesgeschichte des Jahrhunderts

Für Polina
0

Fritzi Prager fährt in die Toscana nach Lucca. Es sind die Sommerferien vor ihrem Abitur. Sie trifft einen älteren Geschäftsmann, der zu viel redet, aber etwas an ihm weckt ihr Mitgefühl und so wird sie ...

Fritzi Prager fährt in die Toscana nach Lucca. Es sind die Sommerferien vor ihrem Abitur. Sie trifft einen älteren Geschäftsmann, der zu viel redet, aber etwas an ihm weckt ihr Mitgefühl und so wird sie ungewollt schwanger.

Trotz prügelndem Vater und noch mehr prügelnder Mutter ist Fritzi Jahrgangsbeste. Eigentlich wollte sie in München Jura studieren, die Zusage hatte sie schon. Sie bekommt Hannes Prager nach eineinhalb Tagen Wehen und liebt den speckigen Jungen mit den blonden Haaren, der aussieht wie ein Gnom. In dem Bett neben ihr liegt Günes mit ihrem kleinen Mädchen. Sie hat ihr den Namen Polina gegeben, in Anlehnung an Dostojewskis Geliebte. Die Frauen werden beste Freundinnen. Günes besorgt Polina einen Putzjob bei Rewe, wo sie selbst arbeitet. Polina sucht eine kleine Wohnung und wird auf eine merkwürdige Annonce aufmerksam. Das Fahrrad bringt sie an den Ort ihrer Träume. Vor der alten Villa im Moor steht ein älterer Mann, der grimmig dreinschaut. Er habe das Zimmer gerade vergeben. Doch Fritzi lässt sich nicht abwimmeln, will das Zimmer sehen, den Garten und als Hannes seinen Kopf aus ihrem Rucksack streckt und den wortkargen Heinrich Hildebrand ansieht, trifft sein Blick ihn mitten ins alte Herz.

Fritzi renoviert den großen Raum und lebt sich mit Hannes ein. Günes kommt mit Polina zu Besuch, wann immer es ihr möglich ist und die Kinder schlafen zusammen wie siamesische Zwillinge. Heinrich spielt ihnen Chopin vor und liest aus den alten Russen. Hannes hört Günes Auto schon Kilometer bevor sie da ist.

Einmal ist Hannes allein zuhause, weil Heinrich und Fritzi Camper vor dem Gewitter schützen wollen. Draußen rummst und schüttet es so, dass Hannes sich im Resonanzraum des Klaviers versteckt. Er zupft die Saiten und lauscht, vergisst den Lärm. Als Fritzi und Heinrich zurückkommen, hören sie die Töne. Hannes sitzt am Klavier und drückt langsam die Tasten. Heinrich erkennt, dass der wunderliche Knabe Tschaikowski spielt. An dem Tag wird Heinrich klar, dass der Junge das absolute Gehör hat und bringt ihm alles bei, was er selbst über Musik weiß. Und dann muss Polina mit ihrer Mutter zurück in die Türkei.

Fazit: Takis Würger hat mir mehrfach das Herz zerrissen und wieder zusammengesetzt. Er hat die Liebesgeschichte des Jahrhunderts geschaffen. Und obwohl ich Liebesgeschichten nicht so sehr mag, hat er mich voll mitgerissen. Nie vorher hat ein Autor meine Gefühle so tief schwingen lassen. Sein Protagonist ist ein hochbegabter (Autist?). Er verliebt sich als Teenager in seine einzige Freundin Polina und sie sich in ihn. Missverständnisse verhindern, dass sie zusammenkommen und jeder geht seinen Weg. Sie verlieren sich aus den Augen und sind voller Sehnsucht nacheinander. Jeder kompensiert den Verlust des anderen auf seine Weise. Ein weiteres Drama, das Hannes erfährt, verhindert seine Intension seine Gabe, die Musik weiter zu studieren. Nach vielen Irrungen beginnt Hannes Polina zu suchen. Der Autor versteht sein Handwerk wie kein anderer. Er weiß genau, was er erzählen will und geht diesen Weg zielsicher. Frei von überflüssigem Pathos berührt er mich, indem er Bilder in mir entstehen lässt und mir Freudentränen zugesteht. Ein Buchpreisverdächtiger Roman für 2025. Ich liebe dieses besondere Buch!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere