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Veröffentlicht am 09.12.2019

Ungewöhnlicher Thriller mit starken Frauen

Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod
2

Ein Privatflugzeug stürzt über den Rocky Mountains ab, die Insassen gelten als tot, obwohl die Leiche der jungen Allison Carpenter nicht gefunden wird. Deren Mutter Maggie im fernen Maine will nicht glauben, ...

Ein Privatflugzeug stürzt über den Rocky Mountains ab, die Insassen gelten als tot, obwohl die Leiche der jungen Allison Carpenter nicht gefunden wird. Deren Mutter Maggie im fernen Maine will nicht glauben, dass ihre Tochter tot ist. Auch wenn sie seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr hatte, fühlt sie sich stark mit ihr verbunden. Sie beginnt zu recherchieren, um mehr über das Leben ihrer Tochter herauszufinden und hat bald das Gefühl, diese gar nicht mehr zu kennen. Obwohl die Menschen aus Allisons Umfeld nicht mit ihr reden wollen, findet Maggie immer mehr über Allisons Leben heraus, und nicht alles gefällt ihr. Doch sie erkennt, dass sich Allison in großer Gefahr befindet….

Ein wirklich ungewöhnlicher und extrem spannender Thriller mit starken Protagonistinnen, der ab vom Mainstream eher mit leiseren Tönen und anfänglich auch unblutig daherkommt. Die Autorin versteht es meisterhaft, langsam aber stetig Spannung aufzubauen, ehe man sich´s versieht, steckt man mittendrin und kann gar nicht mehr aufhören zu lesen. Im Wechsel der Perspektiven erzählt die Autorin einerseits aus der Sicht Allisons deren Überlebenskampf aus den Trümmern der abgestürzten Maschine und ihr eiserner Wille, vor ihrem Verfolger ihr Zuhause und damit ihre Mutter in Maine zu erreichen, und andererseits aus der Sicht Maggies deren rührende Überzeugung, dass ihre Tochter noch lebt sowie ihr Bestreben mehr über ihr Leben zu erfahren und ihr zu helfen. In dem Maße wie sich die beiden geografisch nähern, nähern sie sich auch wieder persönlich aneinander. Sie reflektieren über ihr Zerwürfnis und vergeben einander, und nur ihr Wunsch einander lebend wiederzusehen hilft ihnen durch die schwere Zeit.

Die mitunter sehr kurzen Kapitel sind jeweils mit dem Namen der Perspektivgeberin überschrieben, doch sind beide auch vom Erzählstil gut unterscheidbar, wenn auch beiden die extrem eingängige Erzählweise der Autorin eigen ist. Allisons in der Ich-Form verfasste Kapitel bieten nicht nur tiefe Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt, sondern auch Rückblicke in ihr Leben, und zusammen mit den Erkenntnissen, die Maggie gewinnt, erschließen sich dem Leser nach und nach die Ereignisse. Durch die Präsensform hat man das Gefühl, tatsächlich mittendrin zu sein und alles live mitzuerleben. Doch auch Maggies Emotionen gehen unter die Haut, besonders ihre Hin- und Her-Gerissenheit zwischen zur Frage des Überlebens ihrer Tochter zog mich in ihren Bann und ließ mich extrem mit ihr fühlen. Die Spannungskurve ist nicht von Anfang an besonders hoch, steigert sich aber beständig, um im fulminanten Finale zu kulminieren. Mehr als einmal zweifelt man doch am Erfolg und an der Integrität der Protagonisten (besonders Allisons), was aber dazu führt, dass man die Seiten immer schneller umdrehen will. Vielleicht kein Thriller der klassischen Sorte, aber doch mit überraschenden Wendungen und extrem spannendem Finale.

Fazit: Ein sehr gelungenes Thriller-Debüt der Autorin, die sich bereits als Melissa Pimentel mit romantischen Liebesgeschichten einen Namen gemacht hat. Dass sie schreiben kann, hat sie also hinlänglich bewiesen, und der Genre-Wechsel ist in meinen Augen hervorragend geglückt. Wer einmal einen Thriller der anderen Art lesen möchte, sollte sich von diesen starken Frauenfiguren fesseln lassen. Dem geneigten Leser sei Hochspannung pur und ein explosives Finale versprochen!

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Veröffentlicht am 19.02.2018

Fulminanter Einstieg in die neue Krimireihe

Totenweg
2

Als ein Überfall auf ihren Vater diesen ins Koma befördert, nimmt die junge Polizistin und angehende Kommissarin Frida Paulsen Urlaub und begibt sich in das Dorf ihrer Kindheit in den Elbmarschen, um den ...

Als ein Überfall auf ihren Vater diesen ins Koma befördert, nimmt die junge Polizistin und angehende Kommissarin Frida Paulsen Urlaub und begibt sich in das Dorf ihrer Kindheit in den Elbmarschen, um den Apfelhof ihrer Eltern am Laufen zu halten. Dort in der alten Heimat sieht sie sich nicht nur mit ihren alten Weggefährten, sondern auch mit dem Schrecken ihrer Vergangenheit, der Ermordung ihrer Freundin Marit, konfrontiert. Mit der Ermittlung im Fall ihres Vaters ist zudem ein alter Bekannter beauftragt: Kommissar Bjarne Haverkorn, der damals auch im Fall Marits Ermittler war und den dieser alte Fall nie losgelassen hat. Auch für ihn ist die Fahrt ins Elbdorf Deichgraben eine Reise in die Vergangenheit und es dauert nicht lange, da hängen die beiden tief in beiden Fällen drin. Als sich immer weitere Abgründe auftun, beschließen sie zusammenzuarbeiten, was sich allerdings nicht immer als einfach erweist….


Sehr gut recherchierter, detailgenau erzählter und sehr spannender Krimi mit sehr viel Lokalkolorit. Die Autorin versteht es den Spannungsbogen langsam aber stetig aufzubauen und diesen dann konstant hochzuhalten bis zum recht fulminanten Finale. Ihr Erzählstil ist rasant, einprägsam und sehr flüssig, der Leser ist sofort in der Geschichte drin und lebt mit den Figuren mit. Es gibt kaum eine Verschnaufpause und schon mit dem Prolog wird man an die Geschichte gefesselt. Da dies Band eins einer neuen Serie um die Ermittler Paulsen und Haverkorn darstellt, wird auch einiges an Zeit auf die Vorstellung der Charaktere verwendet.
Zunächst einmal kommt das Buch selbst sehr edel und gut gebunden und mit Lesezeichen daher. Als Zusatz am Ende befinden sich neben der Danksagung außerdem eine Leseprobe von Band zwei sowie die Vorstellung einiger Bücher des Genres. Formal ist das Buch nach einem kurzen Prolog in mehrere recht lange Kapitel unterteilt, die die Geschichte chronologisch erzählen. Innerhalb der Kapitel wiederum gibt es Einschübe, in denen sich Frida an ihre Vergangenheit erinnert. Dies erhöht den Spannungsbogen ganz enorm, denn dadurch erhält der Leser nach und nach tiefe Einblicke in die Geschehnisse aus dem Jahr 1998 und gewinnt außerdem einen guten Eindruck von Fridas Gefühlswelt.

Die Charaktere sind alle sehr gut herausgearbeitet und vielschichtig, einige Nebenfiguren haben allerdings mehr Potential als andere. Die verschworene Dorfgemeinschaft, die Haverkorn und Frida das Ermitteln mitunter schwer macht, ist es meines Erachtens wert eine größere Rolle in den Fällen zu spielen und hier noch mehr Einzelpersonen herauszupicken. Sehr überzeugend, wie sie in diesen schwierigen Zeiten, in denen Höfe ums Überleben kämpfen, zusammenhalten und sich auch gegen Eindringlinge verschwören. Hier kommt kein Zugezogener so schnell hinein, und nur weil Frida einer der ihren ist und Haverkorn ebenfalls anerkannt wird, gelingt es den beiden überhaupt die Mauern des Schweigens zu durchbrechen.

Meiner Ansicht nach ist Frida die dominanteste Figur im Roman. Mit ihr beginnt und endet die Geschichte, auf ihr ist auch der
Fall und damit die Spannung aufgebaut. Ihre persönliche Betroffenheit und die Kombination aus Opfer und Ermittler bilden zusätzliches Konfliktpotential und bringen auch eine gewisse Brisanz mit hinein, denn schließlich ist sie hochgradig voreingenommen. Das erklärt wahrscheinlich auch ihre manchmal geradezu waghalsigen, um nicht zu sagen fahrlässigen Einzelaktionen, mit denen sie sich und andere in große Gefahr bringt. Dennoch ist sie der Charakter, mit dem man am meisten mitfiebert. Sie ist recht zwiespältig, traumatisiert durch das Erlebnis, eine Zweiflerin, aber auch mutig und empathisch. Ein Arbeitstier und eine Kämpferin, eine die nicht so schnell aufgibt, sondern sich – nicht nur aus persönlicher Betroffenheit, sondern auch um der Gerechtigkeit willen - in den Fall verbeißt. Im Buch macht sie zudem eine Entwicklung durch, die ehrgeizige Streberin wird zum Familienmensch und söhnt sich mit so mancher Entscheidung und so manchem Mensch aus ihrem Umfeld aus. Sie durchbricht die Funkstille mit ihren Eltern und die starren Strukturen der Dorfbewohnter und stellt sich endlich ihrer Vergangenheit, schon allein dadurch dass sie endlich Haverkorn vertraut und ihm Zugang zu ihrem Innersten gibt.

Auch Haverkorn hat sein Päckchen zu tragen, nicht nur durch den alten Marit-Fall, sondern auch mit seiner Ehe. Dennoch muss ich sagen, dass mir seine Auseinandersetzungen mit seiner Frau nicht so nahe gingen und ich froh war, als das „Problem“ erst einmal gelöst war. Sehr gut fand ich, dass die Autorin eine Figur nie einseitig schwarz oder weiß zeichnet. Wie jeder reale Mensch haben sie gute und schlechte Seiten, und für ihre Handlungen gibt es Erklärungen und Gründe. Das macht sie authentisch und ihre Aktionen nachvollziehbar, und selbst für den Täter brachte ich ein gewisses Verständnis auf.

Fazit: Sehr gelungener Einstieg in die neue Serie. Dass Romy Fölck schreiben kann, hat sie ja schon hinlänglich bewiesen, doch diese neue Reihe wird ihr eine neue Fangemeinde einbringen. Nichts für die ganz zarten Gemüter, aber für alle, die einen guten Krimi mit lebendigen Figuren, psychologischen Abgründen und viel Lokalkolorit zu schätzen wissen. Nicht unbedingt ein klassischer Whodunnit-Krimi – die Lösung der Täterfrage kam für mich jetzt nicht völlig überraschend – aber sehr komplexe Zusammenhänge und überraschende Wendungen. Die sehr ausgewogene Mischung aus Kriminalfall, persönliche Probleme der Ermittler, vielschichtige Charaktere und nicht zuletzt einem sehr fesselnden Schreibstil machen dieses Buch zu einem echten Pageturner!

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Veröffentlicht am 11.05.2021

Eine großartige Frau und ihr bewegtes Leben

Sturmvögel
1

Geboren 1907 und aufgewachsen auf einer kleinen Nordseeinsel mit Ebbe und Flut, mit vierzehn Jahren Dienstmädchen in Berlin, zwei Weltkriege, drei Kinder – die 86jährige Emmy Seidlitz kann auf ein ereignisreiches ...

Geboren 1907 und aufgewachsen auf einer kleinen Nordseeinsel mit Ebbe und Flut, mit vierzehn Jahren Dienstmädchen in Berlin, zwei Weltkriege, drei Kinder – die 86jährige Emmy Seidlitz kann auf ein ereignisreiches Leben zurückblicken. Sie ist zufrieden in ihrer kleinen Wohnung in Berlin-Tegel und liebt ihre drei Kinder Hilde, Otto und Tessa, doch sie liebt auch und ganz besonders ihren Schützling Anni, die gerade flügge wird. Mit ihr zusammen fährt sie nach München zu ihrer alten Freundin Marianne, um sie ein letztes Mal zu sehen, bevor es nicht mehr geht. Sie spürt ihre Zipperlein und bräuchte einen Herzschrittmacher, doch sie weiß auch, dass es bald Zeit ist zu gehen. Eine Sache jedoch muss sie vor ihrem Ableben dringend noch regeln…

Diese Geschichte ist rührend, ergreifend, lustig, aufregend und Emmy ist einfach wundervoll! Schon zu Beginn wird deutlich, wie sie tickt und was sie für einen Humor hat, und im Laufe des Buches zeigt sich, dass das eine ihrer hervorstechendsten Charaktereigenschaften ist: dieser manchmal derbe, manchmal ironische, aber immer grundehrliche und unglaubliche komische Humor zieht sich durch die ganze Geschichte hindurch. Diesen bewahrt sie sich ihr Leben lang, sie nimmt meist – wenn dann nur sehr selten – kein Blatt vor den Mund, er hilft ihr und anderen durch alle Lebenslagen. Und schwierige Lebenslagen und Schicksalsschläge gab es einige in Emmy Leben. Bei diesen und allen anderen hilft ihr ihre zweite herausragende Eigenschaft: ihre Charakterstärke. Sie ist eine unglaublich starke Frau und bleibt sich und ihren Überzeugungen immer treu. Wer ihr Vertrauen und ihre Freundschaft einmal hat, verliert sie nicht, und ihre natürliche Herzensgüte und Schlauheit, ihr Pragmatismus und Erfindungsreichtum, ihr gesunder Menschenverstand und ihre Menschenkenntnis lassen ihre mangelnde Schulbildung in Vergessenheit geraten.

Emmys Leben wird in mehreren Zeitabschnitten erzählt und reicht einmal sogar in die Zeit vor ihrer Geburt bis ins Jahr 1870 zurück. Die Autorin wechselt also mitunter zwischen großen Zeitspannen hin und her, kehrt aber immer wieder zur Hauptgeschichte in die Gegenwart 1994 zurück. Dies geschieht sehr flüssig, ohne dass es jemals langweilig oder anstrengend wird. Dabei werden auch die Gegensätze in Emmy Leben deutlich, zum Beispiel ihr einfaches Leben auf der Insel und ihr Erwachsenwerden in der großen Stadt, dem Sündenbabel Berlin, und die technischen Entwicklungen und Innovationen (vor allem der Siegeszug des Automobils - entgegen aller Prognosen!) deutlich. Sehr schön in dem Zusammenhang war in meinen Augen, dass Emmy in ihrem Keller einiges aus der Vergangenheit aufbewahrt hat, was bei mir dann einen großen Wiedererkennungswert hervorgerufen hat, als hätte ich selbst ein liebes Erinnerungsstück wiedergefunden. Faszinierend fand ich zudem, dass sich das titelgebende Motiv des Sturmvogels durch den ganzen Roman zieht. Neben den Sturmvögeln auf der Nordseeinsel kehren im Herbst auch die Seemänner von ihren Walfangtouren zurück. Auch Emmy ist ein Sturmvogel, die Stürme des Lebens haben sie hierhin und dorthin geweht und sie schließlich in einem sicheren Hafen landen lassen. Auch wenn der Roman stark auf Emmy fokussiert ist, kommen auch die anderen Charaktere nicht zu kurz und mitunter wird auch aus ihrer Perspektive erzählt. Zum Glück hat die Autorin all ihren Figuren vielschichtige Persönlichkeiten mit eigenen Facetten zugestanden, so dass sie sich nicht hinter der starken Hauptfigur verstecken müssen.

Fazit: Der Autorin ist eine wunderbare Geschichte und ein authentisches Portrait gelungen. Sie schafft es, Emmy durch die historischen Epochen zu begleiten und damit dem Leser einen Lebensalltag näher zu bringen, wie ihn die meisten nicht kennen dürften. Ihre bildhafte Sprache lässt sowohl die kleine Nordseeinsel als auch das turbulente Berlin der goldenen 20er lebendig werden, es ist einfach großartig, wie man sich mittendrin fühlt, wie man vor allem mit Emmy mit lebt und sie am liebsten an den Händen fassen und mit ihr lachen und weinen möchte. Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 08.03.2018

Grandioser Krimi um die realen Axtmann-Morde

Höllenjazz in New Orleans
1

In der Stadt New Orleans geht zwischen 1918 und dem Frühjahr 1919 ein Serienmörder um, den die Presse medienwirksam „Der Axtmörder“ getauft hat. Er geht äußerst brutal vor und hinterlässt blutige Tatorte, ...

In der Stadt New Orleans geht zwischen 1918 und dem Frühjahr 1919 ein Serienmörder um, den die Presse medienwirksam „Der Axtmörder“ getauft hat. Er geht äußerst brutal vor und hinterlässt blutige Tatorte, aber keine Spuren. Die Polizei tappt im Dunkeln und der ermittelnde Inspektor Michael Talbot steht mächtig unter Druck. Alle Hinweise deuten auf einen Täter aus Mafia-Kreisen hin, doch Die Familie ist unangreifbar. Dennoch will der Pate, der Sizilianer Carlo Matranga, den Mörder finden, und er beauftragt denn frisch aus der Haft entlassenen Ex-Polizisten Luca D'Andrea damit Nachforschungen anzustellen. Parallel zu Talbot und D'Andrea wird die junge Ida Davis von der Detektei Pinkerton auf den Fall aufmerksam, sie stöbert in alten Akten der Detektei und mit der Hilfe ihres sehr guten Freundes, des Jazzmusikers Lewis Armstrong, geht sie ihren eigenen Hinweisen nach. Unabhängig voneinander tauchen die Drei in die schrecklichen Abgründe der an Verderbtheit und Verbrechen nicht eben armen Stadt ein, decken so manchen Skandal auf und kommen nach und nach dem Mörder immer näher. Doch dieser ist ihnen immer einen Schritt voraus....

Was soll ich sagen, bis auf: UN-BE-DINGT LE-SEN!!!! Ich habe selten so ein geniales, spannendes, faszinierendes, atmosphärisch dichtes, sprachlich gewandtes, fesselndes Buch gelesen, bei dem zudem die Charaktere derartig vielschichtig herausgearbeitet wurden, dass eine Authentizität entsteht, die fast schon unheimlich ist. Zugegeben, es gibt viele Tote – aber wir reden hier von einem Serienmörder, die Mafia spielt eine große Rolle, damit muss man umgehen können, und auch mit den ausführlichen Beschreibungen des Autors von Tatorten, Opfern und Folterungen. Die Geschichte fesselt von der ersten Zeile an und nimmt rasend schnell Fahrt auf. Der Spannungsbogen wird stetig vorangetrieben und schnellt schließlich im Finale nochmals und gleich dreifach nach oben! Formal unterteilt in sechs Teile, eingerahmt in Pro- und Epilog, übergibt der Autor in den einzelnen Kapiteln gleich mehreren Protagonisten das Wort. Die verschiedenen Erzählperspektiven geben dem Leser die Möglichkeit, nicht nur der Handlung aus verschiedenen Perspektiven zu folgen, sie machen ihn zudem allwissend und geben ihm eine sehr umfassende Kenntnis des gesamten Geschehens. Der Fall selbst und die Lösung sind sehr komplex und somit machen diese drei unterschiedlichen Ermittlungsansätze sehr viel Sinn und geben ein stimmiges Gesamtbild.

Die drei Hauptfiguren, die Ermittler Michael Talbot, Luca D'Andrea und Ida Davis nehmen mit ihren Erzählsträngen den größten Raum ein, aber auch die Nebenfiguren wie der Journalist Riley und auch andere Informanten tragen sehr wesentlich zur Lösung des Falles bei. Alle drei ermitteln mit ihren eigenen Methoden und bringen sich natürlich mehr als einmal in größte Gefahr. Jede Figur verkörpert eine bestimmte ethnische Gruppe, Michael den Weißen irischer Herkunft, D'Andrea den Sizilianer, der in Der Familie aufgefangen wird, aber auch gefangen ist, und schließlich Ida, die sich sowohl als Frau als auch als Mischling gegen einige Übergriffe und Diskriminierungen wehren muss. Ihr Mut und ihre Intelligenz haben mich am meisten beeindruckt, aber auch von Michael und Luca war ich sehr angetan, beide sind zwiegespalten, verbeißen sich aber in den Fall, obwohl sie ihre jeweiligen Systeme - Luca die Mafia, Michael den Polizeiapparat und die Verwaltung, - anzweifeln. Alle haben eine vielschichtige Persönlichkeit, sie haben Ängste und Zweifel und sie scheuen sich auch nicht Menschen zu töten. Aber sie sind auch empathisch und streben nach Gerechtigkeit. Jeder einzelne dieser drei Erzählstränge führt den Fall dem finalen Höhepunkt zu.

Es treten generell sehr viele Figuren auf, doch im Lesefluss fällt diese Menge gar nicht auf, als Leser taucht man einfach in jedem neuen Kapitel aufs Neue in die jeweilige Perspektive ein und hat das Gefühl, nichts verpasst zu haben. Zur Übersicht gibt es aber auch ein Personenregister sowie zudem einen Plan der Stadt. Der Autor schafft es meines Erachtens auf geniale Weise, reale Geschehnisse wie den Brief des Axtmörders und das Leben des berühmten Jazzmusikers Armstrong zu einer spannenden Geschichte zu verknüpfen, bei dem sowohl die Charaktere als auch deren Umgebung bildhaft dargestellt werden und damit sehr real werden. Die Stadt New Orleans als Schmelztiegel sehr unterschiedlicher Sprachen und Kulturen, die Rassentrennung, die Armut, die Wetterkatastrophen, aber auch die Lebenslust der Menschen, ihre Musikalität und ihre Energie, nach schrecklichen Ereignissen wieder aufzustehen, aufzuräumen und weiterhin das Leben zu genießen, all dies wirkt sehr überzeugend. Die tolle detailliert-blumige Sprache des Autors lässt den Leser eintauchen, er lebt nicht nur mit, er ist dabei, er folgt Michael durch die schwülen dunklen Straßen, er sitzt mit Ida in der Straßenbahn, er hört den Jazz auf den Straßen. Die Geschichte ist eine wohlgesetzte Komposition, die einen verschlingt und in sich einsaugt und nicht mehr loslässt, bis man sie bis zur letzten Zeile gelesen hat. Dann erst kann man wieder ausatmen.

Fazit: Schlichtweg großartig und ein herrlicher Lesegenuss. Nichts für zart Besaitete, für alle anderen wärmstens empfohlen. Die Figuren wachsen einem ans Herz, jede ermittelt auf ihre Art und trägt ein Häppchen zur Lösung bei – eine sehr befriedigende Lösung angesichts der Tatsache, dass der reale Mörder nie gefunden wurde. Reale Tatsachen mischen sich aufs Vortrefflichste mit Fiktion, der Autor offenbart immenses Hintergrundwissen und historische Genauigkeit, aber auch ein großartiges erzählerisches Können. Kleine humorvolle Details geben der Geschichte die Würze, ansonsten ist es einfach ein großartiger Krimi vor dem faszinierenden Hintergrund der pulsierenden Südstaatenmetropole und der Hauptstadt des Jazz. In mir hat der Autor jedenfalls einen Riesenfan gefunden und nun hoffe ich inständig, dass Band zwei, auf englisch bereits unter dem Titel Dead Man´s Blues erschienen, schnellstmöglich auch auf deutsch erscheint!

Veröffentlicht am 18.03.2024

Nicht schon wieder! Verliebt in den eigenen Chef

Because of You I Want to Stay
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In Josies Leben läuft es gerade gar nicht rund: Ihr Freund Nathan hat sie verlassen und, da er auch ihr Chef ist, ihr die Kündigung in seinem Labor nahegelegt. Frustriert und zutiefst verletzt begleitet ...

In Josies Leben läuft es gerade gar nicht rund: Ihr Freund Nathan hat sie verlassen und, da er auch ihr Chef ist, ihr die Kündigung in seinem Labor nahegelegt. Frustriert und zutiefst verletzt begleitet sie ihre Freundin Liv nach Martha’s Vineyard, um dort in den Ferien zu jobben und sich über ihren weiteren Lebensweg Gedanken zu machen. Eine neue Liebe kommt in ihren Plänen eigentlich nicht vor, wäre da nicht der charismatische Blake Sullivan, alteingesessener Einheimischer. Und ihr Chef.

Hach und seufz! Sehr schön geschriebene Liebesgeschichte mit super sympathischen Figuren vor der wild-romantischen Kulisse der US-amerikanischen Ostküste. Die Autorin trifft genau den richtigen gefühlvollen Ton, ohne ins Kitschige abzudriften, und spickt das Ganze mit einer glaubwürdigen Prise an Irrungen und Missverständnissen, die gut zur Geschichte passen. Gut herausgearbeitete, vielschichtige Charaktere, die ein Päckchen mit sich herumtragen und denen man daher die Zweifel und manch eine eher krasse Aktion abnimmt. Sie wirken authentisch und vor allem mit Josie habe ich schön mitgelitten. Sie ist hin und hergerissen zwischen ihrem Trennungsschmerz und ihrer Anziehungskraft zu Blake und steht an einem Scheideweg in ihrem Leben. Erschwerend kommt noch die Trennung von ihren Eltern und ihrem Wunsch, es allen recht zu machen. Wunderbar in diesem Zusammenhang ist ihre beste Freundin Liv, die ihr mehr als einmal den Kopf zurechtrückt und sie zum Nachdenken und damit auf den für sie richtigen Weg bringt. Insofern macht Josie durchaus eine Entwicklung durch, sie emanzipiert sich von den Vorstellungen anderer und erkennt, dass es besser ist, das in ihren eigenen Augen Richtige zu tun.

Blake war mir mitunter zu schön, um wahr zu sein, doch auch er ist ein sympathischer Charakter mit Ecken und Kanten und mit Vorbelastung. An sich hätte Josie aufgrund seiner Vorgeschichte eher erkennen müssen, wie manche seiner Handlungen und Worte motiviert sind, aber das Nichterkennen ist wohl ihrer Verletzlichkeit und ihrer Selbstzweifel geschuldet. Da es aus Josies Perspektive in der Ich-Form geschrieben ist, erhält man besonders zu Josies Innenleben intime Einblicke. Sie ist wohltuend unaufgeregt und uneitel und reflektiert sehr viel. Es ist jedenfalls wunderbar zu lesen, wie die beiden sich wie zwei Satelliten umkreisen und sich einmal anziehen, ein anderes Mal wieder abstoßen. Auch die anderen Figuren sind schön beschrieben und interessant, und ich fand zudem die bildhaften Beschreibungen der Umgebung faszinierend und bekam direkt Lust hinzureisen. Der sehr flüssige und eingängige Stil der Autorin macht das Ganze zu einer vergnüglichen und kurzweiligen Lektüre und ist zum Abtauschen gut geeignet. Nebenbei erfährt man auch einiges über die anderen Sullivan-Brüder Flynn und Jacob sowie die Freundinnen Liv und Hannah und ahnt, dass sich auch da jeweils Liebesgeschichten anbahnen.

Fazit: Wunderbare und kurzweilige Forbidden-Love-Geschichte zum Abtauchen und Wohlfühlen mit TOP-Aussichten auf eine Enemy-to-Lovers und eine Friends-to-Lovers Geschichte, die sich gut lesen und bei der sich gut mitleben lässt. Für alle, die ein romantisches Lesevergnügen suchen. Ich freue mich jedenfalls schon auf ein Wiedersehen im wundervollen Martha‘s Vineyard mit lieb gewonnen Figuren.

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