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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein wahre Geschichte, fantasievoll ausgeschmückt

Die Seidendiebe
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So abenteuerlich die Geschichte des Buches auch klingt, beruht sie doch auf einer wahren Begebenheit:

Zwei als Mönche verkleidete Männer sollen tief im Herzen Chinas einige der unbezahlbaren Seidenraupen ...

So abenteuerlich die Geschichte des Buches auch klingt, beruht sie doch auf einer wahren Begebenheit:

Zwei als Mönche verkleidete Männer sollen tief im Herzen Chinas einige der unbezahlbaren Seidenraupen und damit das streng gehütete Geheimnis der Seidenproduktion gestohlen und dann an den byzantinischen Hof gebracht haben - so berichtet es der spätantike Historiker Prokopios von Caesarea, der etwa zwischen 500 und 562 n.Chr. lebte. Was für uns heute vielleicht zunächst nicht nach einer sonderlich bemerkenswerten Heldentat klingt, bedeutete damals doch eine unglaubliche wirtschaftliche Macht.

Dirk Husemann greift diese Geschichte auf und verwebt in seinem Buch historische Fakten mit opulenter Atmosphäre, lebendigen Charakteren, fabulösem Abenteuer und einem reichen Schreibstil, der sich mal liest wie ein orientalisches Märchen, dann wieder wie ein Schelmenepos, manchmal sogar wie ein Eastern. Vieles hat der Autor sicher dazu erdichtet, aber in meinen Augen verschwimmen die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion, so dass sich das Ergebnis nathlos, glaubhaft und schlüssig liest - und dabei sehr spannend und unterhaltsam. Ich hatte wirklich den Eindruck, einen Einblick in eine lang vergangene Zeit und mir vollkommen fremde Orte zu erhaschen, dabei aber kein trockenes Geschichtsbuch zu lesen.

Ganz ehrlich? Ich muss zugeben, dass ich immer ein bisschen mit Berührungsängsten zu kämpfen habe, wenn ich einen historischen Roman lese. Meine Befürchtung ist stets, dass mein historisches Grundwissen möglicherweise nicht ausreicht, um den Roman wirklich gebührend würdigen zu können oder auch nur alles zu verstehen. Deswegen kann ich guten Gewissens sagen: "Die Seidendiebe" nimmt einem solche Berührungsängste schnell, denn die spannende Geschichte trägt den Leser mühelos über die Jahrhunderte hinweg. Und zumindest bei mir hat sie den Wunsch geweckt, mal wieder zu einem Geschichtsbuch zu greifen und mehr über die Zeit zu erfahren, in der das Buch spielt!

Ein Wort zu den Charakteren: mein erster Eindruck von Taurus und Olympiodorus war kein allzu positiver. Sie kamen mir arrogant und selbstherrlich vor, sich ihrer Bedeutung als Bruder und Neffe des byzantinischen Kaisers mehr als bewusst. Außerdem sind sie ja eigentlich nicht unbedingt die Guten in dieser Geschichte, schließlich ist ihre Mission Spionage und Diebstahl! Aber im Buch vergeht eine größere Zeitspanne, in denen die beiden Männer mehr erleben als andere Menschen in einem ganzen Leben, und das geht nicht spurlos an ihnen vorbei... Sie wachsen an ihren Abenteuern, und letztendlich sind sie mir doch sehr ans Herz gewachsen, genauso wie viele der Nebencharaktere.

Dirk Husemann stellt Taurus und Olympiodorus die buddhistische Nonne Helian Cui zur Seite, die zwar nur durch eine Kette von Zufällen in diesen abenteuerlichen Diebeszug hineingerät, aber durchaus ihre eigenen Geheimnisse hat, die sie verfolgen. Durch sie bekommt der Leser einen kleinen Eindruck von der Bedeutung des Buddhismus in der damaligen Zeit, und außerdem würzt sie die Geschichte mit einer Prise Romantik. Meines Erachtens wird es aber nie zu kitschig oder gar schwülstig.

Mit der rachsüchtigen Nong E, der Besitzerin der Seidenplantage, die die beiden Byzantiner ausrauben, hat der Autor eine sehr extreme, zutiefst unsympathische Figur erschaffen. Obwohl sie ja zunächst eigentlich das Opfer ist, konnte ich schon bald kein Mitleid mehr mit ihr empfinden. Gelegentlich fand ich sie dadurch ein wenig zu eindimensional, aber die anderen Charaktere haben das meiner Meinung nach mehr als wettgemacht.

Die Geschehnisse sind nicht immer vollkommen realistisch. Manches liest sich wirklich wie die Art von Abenteuer, die ein Geschichtenerzähler auf einem orientalischen Markt zum Besten geben könnte! Da kann ein schwächlicher Gelehrter zum Beispiel einen hünenhaften Krieger besiegen, und die Helden überstehen die aberwitzigsten, widrigsten Umstände. Aber für mich passte das zu Grundton und Atmosphäre des Buches, insofern hat es mich nicht gestört und der Glaubwürdigkeit für mich paradoxerweise keinen Abbruch getan. (Übrigens sollte man sich davon nicht in Sicherheit wiegen lassen - auch wenn es manchmal so scheint, die Protagonisten sind nicht unverwundbar...)

Den Schreibstil fand ich einfach wunderbar, er ist so üppig und lebendig und bunt und detailverliebt... Man kann die Landschaften, Personen und Dinge richtig vor sich sehen und den heißen Wüstenwind spüren. Auch der feine Humor, der immer mal wieder aufblitzt, hat mich sehr angesprochen.

Fazit:
552 n.Chr.: Zwei selbstherrliche byzantinische Adlige ziehen los, um in China das Geheimnis der Seidenproduktion zu stehlen - ein buntes Abenteuer irgendwo zwischen Heldenreise, Schelmenepos und Eastern, das auf wahren Begebenheiten beruht.

Außerdem ist "Die Seidendiebe" ein historischer Roman, der sich meines Erachtens gut für Einsteiger in das Genre eignet, denn die Geschichte ist unterhaltsam, leicht verständlich und spannend, bietet aber dennoch eine Vielzahl von historischen Fakten. Mit den Charakteren musste ich erst warm werden, aber schon nach wenigen Kapiteln habe ich dann doch mit ihnen mitgefiebert und konnte das Buch gar nicht mehr weglegen. Den Schreibstil habe ich mir manchmal richtig auf der Zunge zergehen lassen, so wunderbar üppig und verschwenderisch mit großartigen Bildern und Metaphern fand ich ihn.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Namaste, Leben - lecktsmialleamarsch!

Tante Poldi und die Früchte des Herrn
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Ganz ehrlich - ich hatte sowas von keine Lust auf Tante Poldi. Null. Niente. Nüsche. Eine 60-jährige Bayerin, die nach Sizilien zieht, um sich da gepflegt zu Tode zu saufen, und dabei unversehens in verschiedene ...

Ganz ehrlich - ich hatte sowas von keine Lust auf Tante Poldi. Null. Niente. Nüsche. Eine 60-jährige Bayerin, die nach Sizilien zieht, um sich da gepflegt zu Tode zu saufen, und dabei unversehens in verschiedene Kriminalfälle stolpert? Womöglich noch mit krachledernem Brachialhumor? Sprach mich überhaupt nicht an.

Anfang Mai trudelte mir das Buch ganz überraschend als Rezensionsexemplar ins Haus, begleitet von einer großen Packung Kekse. Die Kekse waren sehr lecker und stimmten mich Poldi gegenüber schon etwas milder, aber Lesefieber stellte sich dennoch nicht ein. Trotzdem: ich war ihr irgendwie was schuldig (Keksschulden sind Ehrenschulden), und so griff ich fast drei Monate später dann halt doch zähneknirschend nach dem Buch.

Tja. Drei Tage später sitze ich jetzt hier mit Bauchschmerzen in den Lachmuskeln und kann nur sagen: Namaste, Lübbe! Das Buch war echt der Brüller, und jetzt muss ich schnell noch den ersten Band nachholen und dann auf zeitiges Erscheinen des dritten Bandes hoffen. (Übrigens kann man den zweiten Band problemlos lesen, ohne den ersten zu kennen.)

Poldi ist einfach eine Nummer für sich - eine schrille, laute, quietschbunte Nummer. Sie pflügt oft mit ausgefahrenen Ellbogen durchs Leben und lässt sich nix vorschreiben, gell? Da kann sie saugrantig werden. Wenn man ihr glauben kann, hat sie schon so einige Abenteuer erlebt, wobei das halt die Frage ist... Soll man ihr zum Beispiel wirklich glauben, dass Cher mal eine Woche bei ihr gewohnt hat? Andererseits ist des aber auch fei egal. Sie schwankt zwischen Lebenslust und Schwermut, hat koane Geduld für Schmarrn aber viel Sinn fürs Spirituelle (in jedweder Hinsicht), und obwohl sie sicher keine einfache Person ist, fand ich sie auf ihre Art doch sehr liebenswert.

Überhaupt sind die Charaktere durch die Bank bunt und lebendig, mit urkomischen Schrullen und Marotten, und trotzdem schafft es der Autor, ihnen bei allem Humor auch Tiefe zu geben. Ob das jetzt der Pfarrer ist, der komischerweise genau weiß, wie man ein Schloss knackt, oder die traurige Signora, die sich mit ungeahntem Feuereifer als Poldis Sidekick in die Ermittlungen stürzt... Hier werden zwar auch kräftig Klischees auf die Schippe genommen, aber in meinen Augen geht dennoch jeder Charakter über das Klischee hinaus.

Ich fand diese Mischung aus Cozy-Krimi, sizilianischem Sommerflair und bayerischem Humor unerwartet originell (und wie!), spannend, lustig, berührend...

Jo, es ist freilich keine nervenzerfetzende Thrillerspannung. Die Poldi ist keine Smoky Barrett oder Roberta Hunter, eher eine bayrisch-sizilianische Miss Marple mit Vespa, Perücke und Alkoholproblem. Sie stolpert oft mehr zufällig über Hinweise und verrennt sich auch schon mal in Sackgassen. Für richtige Hardcore-Krimileser kommt der Mordfall vielleicht ein bisschen zu kurz, obwohl ich die Auflösung dann doch ziemlich pfiffig fand!

Rührend fand ich, dass die Poldi zeigt, dass man mit 60 noch lang nicht zu alt ist für Amore. Auch ein altes Herz kann hüpfen... Und manchmal auch brechen! Die Liebesgeschichte folgt ma grad so gar keinem Schema, weder F noch X, Y, Z. Aber süß ist sie trotzdem, irgendwie.

Zitat:
"Eine deutsche Hupe, des ist immer eine Kriegserklärung, die Invasionstruppen quasi bereits an der Grenze. Eine italienische Hupe dagegen klingt wie ein freundliches Räuspern, wie ein geflötetes: »Permesso?«, oder wie ein sanftes: »Ach, Signora, würden sie wohl bitte anhalten, denn ich bin eh schon dabei, Ihnen die Vorfahrt zu nehmen, grazie, molto gentile.« (...) Wenn Romeo eine Vespa g'habt hätte, nachert hätte er seiner Giulietta unterm Balkon garantiert was vorg'hupt, und des wär fei keinen Strich weniger romantisch g'wesen."

Der Humor war für mich eine sehr positive Überraschung, denn der ist zwar manchmal schrill und laut und oft ein bisserl albern, aber mich hat er total angesprochen - und in meinen Augen gehört er auch nicht in die Schublade "platte Schenkelklopfer". Allweil schwingt mit: Mei, schauts halt her, es is doch schee, das Leben. Das macht es zu einem wunderbaren Sommerbuch!

Der Humor ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache - aber das kann man ganz einfach ausprobieren, indem man sich schnell mal die Leseprobe durchliest, denn ich denke, das merkt man sofort.

Zitat:
"Trecastagni ist ein verträumter Ort, auf halber Höhe zwischen Himmel und Erde, von einem freundlichen Gott mit leichter Hand an die Ostseite des Ätna zwischen alte Nebenkrater getupft. Eines der an die zwanzig Ätnadörfer, die den Berg wie eine nachlässig geknüpfte Kette umgürten, weitgehend unverschandelt, wo die Sommer mild und die Winter klamm sind. Wo man aufs Meer in der Ferne blickt wie auf einen Gutschein für eine bessere Zukunft, den man nie einlösen wird."

Den Schreibstil fand ich fantastisch. Der Autor findet immer wieder witzige, frische Vergleiche und Formulierungen, zeigt aber auch einige Male, dass er nachdenklichere Tonarten ebenso beherrscht. Er beschwört Sizilien so lebendig herauf, so prallvoll mit Bildern, die alle Sinne ansprechen, dass man fast schon die Hitze spürt, den Wein schmeckt und Lust auf richtig waschecht sizilianische Küche bekommt.

Fazit:
Wenn man ein Buch geschenkt bekommt, von dem man sich quasi schon zu 99% sicher ist, dass es überhaupt nicht dem eigenen Beuteschema entspricht, dann ist das irgendwie doof. Und wenn man es irgendwann widerstrebend doch liest, dann fühlt sich das erstmal an wie früher bei den Hausaufgaben. Wenn man letztendlich aber feststellt, dass man gerade ein neues Lieblingsbuch entdeckt hat - dann kann man sich eigentlich nur freuen, still Abbitte leisten und sich vor dem Können des Autors verneigen.

Ich verneige mich also vor Mario Giordano und seiner sturen, eigenwilligen, schrillen, lebenslustigen, unerwartet liebenswerten Tante Poldi. Ein bisschen Krimi, enorm viel Humor und eine gute Portion Urlaubsatmosphäre ergaben für mich eine Mischung, die mir sehr viel Spaß gemacht hat! Einerseits sollte man das Buch nicht zu ernstnehmen, andererseits versteckt sich aber auch die ein oder andere Lebensweisheit in seinen Seiten.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Bonusmeilen und Wasserleichen

Skin
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Dieses Buch gehört nicht zur "Clara Vidalis"-Reihe des Autors! "Skin" dreht sich hauptsächlich um Hauptkommissar Frank Deckhard und sein Team, sowie den jungen Unternehmensberater Christian König.

Die ...

Dieses Buch gehört nicht zur "Clara Vidalis"-Reihe des Autors! "Skin" dreht sich hauptsächlich um Hauptkommissar Frank Deckhard und sein Team, sowie den jungen Unternehmensberater Christian König.

Die beiden konnten mich leider nicht ganz überzeugen.

Frank Deckhard wirkte auf mich so, als könne er eigentlich nicht mehr - als hätten sein Beruf und die Grausamkeiten, mit denen er dadurch konfrontiert wird, ihn schon ausgebrannt. Er wirkt oft erschöpft und depressiv, entspricht aber erfreulicherweise dennoch nicht dem Klischee des alkoholabhängigen Cops mit Beziehungsproblemen. Eigentlich fand ich ihn interessant, hatte jedoch bis zur letzten Seite das Gefühl, ihn noch nicht so richtig zu kennen, obwohl der Autor auch Informationen über Deckhards Familie einfließen lässt.

Christian dagegen kam mir oft unglaublich naiv vor. Als er zum Beispiel einmal völlig übermüdet an einem Projekt sitzt, bietet ihm ein Kollege ein weißes Pülverchen an, dass angeblich total wach und geistig fit macht... Weißes Pülverchen? Christians erster Gedanke ist: Kaffeeweißer. Dann nimmt er das Pulver ein, ohne dies groß zu hinterfragen, und das bleibt nicht das einzige Mal im Buch, dass er so offensichtlich wie ahnungslos Drogen einschmeißt. Er hakt zwar einmal nach, aber nur halbherzig. Sind das Drogen? Nö? Na dann...

Überhaupt stolpert er manchmal durch die Welt der Unternehmensberatung wie Alice durchs Wunderland - die hat ja auch einfach alles eingenommen, wo "Trink mich" oder "Iss mich" draufstand...

Einerseits mochte ich Christian gerade deswegen, weil er ganz und gar nicht in diese knallharte Karrierewelt passt, andererseits fand ich seine Naivität irgendwann nicht mehr glaubhaft. Ihm passieren Dinge, wo der erste Impuls sein sollte, zum Telefon zu greifen und die 110 zu wählen - aber stattdessen schweigt er und reitet sich dabei immer tiefer rein in die Sache... Sein irrsinniges Beharren darauf, alles abzustreiten, niemanden einzuweihen und einfach darauf zu hoffen, dass er nicht auffliegt, macht ihn immer verdächtiger und behindert damit auch die Polizeiarbeit.

Der eigentliche Fall ist an sich interessant - eine Leiche nach der anderen, die irgendwas mit Christian zu tun haben scheinen, wobei der völlig im Dunkeln tappt, warum das alles passiert... Aber bei mir wollte einfach keine Spannung aufkommen. Ich hatte oft das Gefühl, die Ermittler haben gar keinen richtigen Plan, sondern reagieren einfach nur - und das meist einen Tacken zu spät. Ihre Schlussfolgerungen machten in meinen Augen manchmal nur wenig Sinn, und ich hatte den Eindruck, dass sie offensichtliche Indizien übersehen.

Die karrieregeile Welt der Unternehmensberatung wird ausführlich und detailliert beschrieben, und das fand ich zunehmend ermüdend und hatte dadurch immer weniger Motivation, am Ball zu bleiben.

Vom Schreibstil war ich durchaus angetan, denn der liest sich vielfältig und leitet den Leser angenehm flüssig durch die Geschichte. Die Beschreibungen der diversen Leichen sind dabei zwar plastisch und detailliert, in meinen Augen aber nicht zu bemüht schockierend.

Allerdings verwendet der Autor oft etwas, was ich als mein persönliches Hass-Stilmittel bezeichnen würde: wenn zwei Charaktere sich gegenseitig Sachen erzählen, die sie beide schon wissen - damit es auch der Leser mitbekommt. Das kommt mir immer gestellt und unnatürlich vor, und hier wird es doch ziemlich oft eingesetzt. Das sind dann Sätze, die zum Beispiel anfangen mit:

"Wie war das nochmal..."
"Du weißt ja..."
"Wie hieß noch..."

Die Auflösung des Ganzen hat mich überrascht, und an sich gefiel sie mir ganz gut. Für mich blieben jedoch noch einige Fragen offen, und ich fand manches auch nicht ganz glaubhaft - aber darauf kann ich hier nicht näher eingehen, sonst verrate ich schon zuviel...

Auch vorher gab es im Verlauf der Handlung schon ein paar Dinge, die mir unrealistisch vorkamen. Würde ein Ermittler zum Beispiel wirklich einen Tatverdächtigen an einen möglichen Tatort mitnehmen, wenn der noch nicht mal gesichert ist?

Fazit:
Was haben Bonusmeilen mit Wasserleichen zu tun? Normal wohl nichts, aber Veit Etzold lässt seinen Thriller in der knallharten Branche der Unternehmensberatung spielen. Dabei kann der grausige Fund abgezogener menschlicher Haut schon mal zurückstehen hinter Deadlines und Überstunden. An sich eine originelle Mischung, aber leider konnte mich "Skin" nicht ganz überzeugen.

Das Verhalten der Charaktere konnte ich oft nicht nachvollziehen, vieles erschien mir einfach nicht glaubhaft... In meinen Augen stand der Kriminalfall auch zu oft hinter Einblicken in die Welt der Unternehmensberatung zurück.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Recherche
  • Schreibstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 15.09.2016

Kiss & Crime, die Erste

Kiss & Crime 1 - Zeugenkussprogramm
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Es gibt Bücher, die machen einfach unheimlich viel Spaß, und man fühlt sich pudelwohl auf dem Lesesofa, während man die Seiten verschlingt, als wären sie Kartoffelchips. Sie lesen sich locker-leicht runter, ...

Es gibt Bücher, die machen einfach unheimlich viel Spaß, und man fühlt sich pudelwohl auf dem Lesesofa, während man die Seiten verschlingt, als wären sie Kartoffelchips. Sie lesen sich locker-leicht runter, die Charaktere findet man direkt super sympathisch, und man ertappt sich beim Lesen oft bei einem Lächeln.

"Zeugenkussprogamm" ist für mich so ein Buch!

Die Grundidee fand ich richtig witzig und süß. Emmy, ein Mädchen aus der Großstadt Berlin gerät mitten hinein in einen verwickelten Kriminalfall, und im Rahmen des Zeugenschutzprogrammes werden sie und ihre Familie dann auch noch in ein winziges Kaff irgendwo in der Wallapampa verpflanzt. Kontakt zu den alten Freunden ist streng verboten, Facebook und andere soziale Medien sind tabu, für den Gebrauch des Handys gibt es auf einmal tausend Verhaltensregeln - zum Beispiel sind Selfies jetzt ein absolutes No-Go. Das einzige Highlight ist der Personenschützer Pascal, der Emmys Herz schnell zum Flattern bringt, aber auch das ist verboten.

Emmy mochte ich von der ersten Seite an sehr gerne. Sie ist witzig, clever und einfach nett. Ok, zwischendurch benimmt sie sich mal wie eine kleine Zicke, aber da sie da gerade schwer unter Druck steht und auch noch an ihren Gefühlen für Pascal rumknabbert, fand ich das verständlich und verzeihlich! Sie hat mich oft zum Lachen gebracht.

Auch Pascal hat mir gut gefallen. Auf mich wirkte er erfreulicherweise gar nicht so machohaft, wie das im Klappentext angedeutet wird! Absolut kein Bad Boy, in meinen Augen. Er hat einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, was er als Personenschützer wohl auch muss, und ist noch sehr jung, weil er in der Schule dank seines fotographischen Gedächtnisses ein paar Klassen übersprungen hat.

Die Liebesgeschichte zwischen den beiden fand ich richtig niedlich!

Auch die anderen Charaktere fand ich schön geschrieben und interessant. Mein absoluter Lieblings ist Emmys Oma, die als Bestsellerautorin den lieben langen Tag heiße Liebesromane in ihr Diktiergerät spricht - und das oft in den unpassendsten Situationen. Einfach kostbar! Eins steht fest, Emmy muss niemand mehr aufklären...

Das Buch ist ein Krimi - aber ein harmloser, den man in meinen Augen auch jüngere Teens lesen lassen kann. Oft geht es mehr um Emmys Gefühlschaos als um den Kriminalfall, aber ich fand die Mischung aus Liebesgeschichte, Jugendbuch und Krimi sehr gelungen und auch spannend zu lesen. Mit dem Ende konnte mich die Autorin dann auch nochmal überraschen!

Den Schreibstil fand ich sehr ansprechend und gut zu lesen. Die Geschichte wird uns von Emmy erzählt, locker und in saloppen Worten, und ich fand das sehr gelungen und sie klang für mich auch überzeugend wie ein echter Teenager.

Der Humor ist einfach großartig. Ich könnte hier unzählige Stellen zitieren!

ZITAT:
Mit einem verunglückten Lachen wandte sie sich an mich. 'War das erste Mal, das jemand auf mich geschossen hat. Ich glaube, ich habe mir gerade vor Angst in die Hose gepinkelt.'
'Ich auch', sagte ich.
'Ist doch super', meinte Sarah. 'Damit haben wir jetzt für den Rest unseres Lebens was gemeinsam.'

Fazit:
Ein witziger Jugendkrimi mit ordentlich Humor, ein bisschen Liebe und vielen bunten, liebenswerten Charakteren - für mich das ideale Sommerbuch für die Hängematte, auch für ältere Leser!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Slaktmånad - Schlachtmonat

Mord am Polarkreis
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Der erste Lappland-Krimi aus der Feder des schwedischen Autors Lars Pettersson, "Einsam und kalt ist der Tod", hatte mich vor ein paar Monaten begeistert und beeindruckt, sowohl durch seine Originalität ...

Der erste Lappland-Krimi aus der Feder des schwedischen Autors Lars Pettersson, "Einsam und kalt ist der Tod", hatte mich vor ein paar Monaten begeistert und beeindruckt, sowohl durch seine Originalität als auch durch die interessanten Einblicke in die Kultur der Samen, der indigenen Bevölkerung Lapplands.

Auch dieser zweite Band spielt wieder hauptsächlich in Kautokeino, einer Gegend, in der noch viele Samen die traditionelle Rentierzucht betreiben. Diese ist eigentlich nicht mehr rentabel; ohne staatliche Subventionen könnte eine Herde kaum eine Familie ernähen. Daher wird Kautokeino zum Pulverfass eines Konflikts zwischen Tradition und Moderne: Festtagskolt und Facebook, kulturelle Identität und wirtschaftliche Interessen.

Der Autor kennt Land und Leute gut, da er selber die Winter in Kautokeino verbringt - da kommt keine falsche Postkartenidylle auf. Er beschreibt Vorurteile und Borniertheit auf beiden Seiten des Konflikts, und es ist oft unmöglich zu sagen, wer im Recht ist.

Obwohl ich Schauplatz und kulturelle Hintergründe nach wie vor interessant finde, konnte mich "Mord am Polarkreis" jedoch leider nicht so überzeugen und fesseln wie sein Vorgänger.

Ich habe mich sehr, sehr schwer damit getan, mich in dieses Buch einzulesen. Ich hatte oft das Gefühl, dass sich die Geschichte im Kreis dreht. Viele Themen, die im ersten Band schon eine große Rolle spielten, werden hier fast unverändert erneut aufgegriffen, obwohl zwischen "Einsam und kalt ist der Tod" und "Mord am Polarkreis" fast zehn Jahre vergehen.

Der im Klappentext erwähnte Mord wird erst auf Seite 192 entdeckt, und danach ziehen sich die Ermittlungen träge in die Länge - und mutieren zu einer verbissenen Schlammschlacht zwischen den verschiedenen beteiligten Behörden, die sich gegenseitig der Unfähigkeit bezichtigen. Es fiel mir schwer, die Puzzleteilchen zusammen zu setzen, und ich muss zugeben, im Endeffekt hat mich kaum noch interessiert, wer den Staatssekretär denn nun erschossen hat...

Das Buch ist in meinen Augen gefangen zwischen zwei Ansätzen: Als Abhandlung über die Kultur der Samen ist es interessant, bringt aber im Vergleich zum ersten Band nur wenig Neues. Als Krimi verliert es sich zu oft in langatmigen Nebenhandlungen und legt ein schleppendes Tempo vor.

Es hat großartige Momente, die enormes Potential erahnen lassen, aber dieses Potential wollte sich für mich einfach nicht vollständig entfalten.

Die Protagonistin, Anna Magnusson, hat von allen Charakteren wahrscheinlich die größte Entwicklung durchlebt. War sie im letzten Band noch Staatsanwältin in Schweden und ihrer samischen Familie sehr entfremdet, vereint sie nun Tradition und Moderne in einer Person: sie pendelt zwischen Schweden, wo sie Teilzeit als Staatsanwältin arbeitet, und Kautokeino, wo sie auf dem Fjell Rentiere zusammentreibt und schlachtet.

Sie ist härter geworden - energischer, aber auch verschlossener, unzufriedener. Obwohl sie jetzt lebt wie eine "echte" Samin, muss sie sich immer noch gegen Misstrauen und Sticheleien behaupten.

Ich fand es schwierig, in diesem Band mit ihr mitzufühlen, und auch zu den anderen Charakteren fand ich einfach keinen rechten Zugang - sie erschienen mir meist sehr nüchtern und emotionslos beschrieben, ich konnte ihre Gefühle und ihre Motivation nur selten nachempfinden.

Der Schreibstil schwingt sich immer mal wieder zu einer kargen Poesie auf, der ein ganz eigener Zauber innewohnt - aber oft fand ich ihn dann doch zu spröde, fast schon nüchtern und steril.

Fazit:
Wie schon im ersten Lappland-Krimi von Lars Pettersson fand ich die Einblicke in die samische Kultur wieder faszinierend und interessant, aber dennoch wollte der Funke einfach nicht so recht überspringen. Der Krimi-Teil der Handlung konnte mich nicht überzeugen, sondern erschien mir eher langatmig und verzettelte sich für meinen Geschmack zu sehr in Nebenhandlungen.

Vielleicht waren meine Erwartungen nach dem großartigen Vorgänger einfach zu hoch, und "Mord am Polarkreis" ist sicher auch kein schlechtes Buch... Aber es fiel mir sehr schwer, einen Zugang zu ihm zu finden.