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Veröffentlicht am 08.06.2017

Ein moderner Ebenezer Scrooge!

Der Weihnachtswunsch
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Im Grunde ist "Der Weihnachtswunsch" eine moderne Variante des bekannten Weihnachtsmärchens von Charles Dickens:

Der reiche Karrieremensch James muss an Weihnachten erkennen, was für ein selbstsüchtiges, ...

Im Grunde ist "Der Weihnachtswunsch" eine moderne Variante des bekannten Weihnachtsmärchens von Charles Dickens:

Der reiche Karrieremensch James muss an Weihnachten erkennen, was für ein selbstsüchtiges, leeres Leben er führt und wie vielen Menschen er damit geschadet hat, und das rüttelt ihn dermaßen auf, dass er Besserung gelobt. Deswegen bittet er seine Sekretärin, ihm eine Liste mit den Menschen zu erstellen, die am meisten unter ihm gelitten haben, und macht sich auf den Weg, sie nacheinander aufzusuchen und den Schaden, den er angerichtet hat, wieder gutzumachen.

Die Geschichte ist also nicht unbedingt etwas Neues, aber ich fand sie interessant, unterhaltsam und berührend umgesetzt. Ich war angenehm überrascht, dass der Autor es James nicht zu einfach macht - der reumütige Büßer muss schnell erkennen, dass man sich Vergebung nicht mal so eben erkaufen und Unrecht nicht immer ungeschehen machen kann. Nicht jeden Punkt auf der Liste kann James abhaken. Und mehr und mehr begreift er, dass seine Reue von Herzen kommen muss, aus dem ehrlichen Wunsch heraus, zu helfen - und nicht aus dem Wunsch heraus, das eigene Gewissen zu beruhigen.

Religion und Glaube spielen in diesem Buch eine Rolle, stehen aber nicht im Mittelpunkt; man kann auch als nicht religiöser Mensch etwas für sich mitnehmen. Für mich ist es ein Buch, das dazu anregt, auch mal über das eigene Verhalten nachzudenken und sich vorzunehmen, jetzt, in der Gegenwart, alles zu tun, damit man in der Zukunft nichts bereuen muss.

Anfangs hatte ich nicht erwartet, mich mit James anfreunden zu können, so egoistisch und skrupellos ist sein Verhalten. Aber natürlich erfährt man im Laufe des Buches noch, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ein Mann, der in jungen Jahren freundlich, hilfsbereit und warmherzig war, sich dermaßen in einen eiskalten Geschäftsmann verwandelt, und das hat mich halbwegs mit ihm versöhnt. Vergebung ist ein wichtiges Thema in diesem Buch, und James tut wirklich sein Möglichstes, um sie sich auch zu verdienen.

Natürlich geht seine Wandlung sehr schnell vonstatten und das ist sicher nicht ganz realistisch, aber das hat mich nur wenig gestört, schließlich verwandelt sich auch in Dickens' Weihnachtsmärchen Ebenezer Scrooge quasi über Nacht! Von einem Weihnachtsbuch erwahrte ich weniger Realitätsnähe als von einem regulären Roman.

Auch die anderen Charaktere haben mir an sich gut gefallen, denn auch diejenigen, die nur kurz auftauchen, haben alle ihre ganz persönliche Geschichte und wirkten auf mich glaubhaft und lebendig. Allerdings hätte ich mir bei vielen der Menschen auf James' Liste gewünscht, noch wesentlich mehr über sie zu erfahren! Sie wurden zum Teil eben doch sehr schnell abgehakt, und auf zum nächsten.

Der Schreibstil ist eher einfach, aber angenehm und flüssig zu lesen, und so hatte ich das Buch dann auch in nur einer Nacht durch.

Das Ende ist eine bittersüße Mischung, bei der nicht alles gut ausgeht, es aber doch in allem auch Hoffnung gibt, und das macht es für mich trotz kleiner Kritikpunkte zu einem schönen Weihnachtsbuch.

Fazit:
Der reiche Geschäftsmann James liest seinen eigenen Nachruf in der Zeitung - ein Versehen, das ihm die Augen öffnet, denn nun fühlt sich alle Welt frei, sich darüber auszulassen, was für ein skrupelloser Fiesling er doch war. Und jetzt, wo er so darüber nachdenkt, stellt er fest: sie haben recht. Also bittet er seine Sekretärin, ihm eine Liste mit den Menschen zu erstellen, denen er am meisten geschadet hat, und zieht los, das Unrecht wiedergutzumachen.

"Der Weihnachtswunsch" ist für mich kein Buch, das man unbedingt gelesen haben muss, aber es ist ein nettes Buch für zwischendurch, wenn man im Weihnachtstrubel mal ein wenig die Seele baumeln lassen will, das aber dennoch zum Nachdenken anregt. Natürlich ist nicht alles realistisch, aber der Autor lässt durchaus auch manches bittersüß enden.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Rettung via Wildschwein

Das Joshua-Profil
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Am 14. Oktober 2016 erschien "Die Blutschule" von Max Rhode, einem bis dato gänzlich unbekannten Autor. Zwölf Tage später erschien "Das Joshua-Profil" von Sebastian Fitzek, - in dem es um den erfolglosen ...

Am 14. Oktober 2016 erschien "Die Blutschule" von Max Rhode, einem bis dato gänzlich unbekannten Autor. Zwölf Tage später erschien "Das Joshua-Profil" von Sebastian Fitzek, - in dem es um den erfolglosen Autor Max Rhode geht, dessen einziger großer Erfolg sein Debütroman war: "Die Blutschule".

Ja, Max Rhode gibt es gar nicht, beziehungsweise: Max Rhode und Sebastian Fitzek sind ein und dieselbe Person.

Genial, dachte ich damals. Was für eine großartige Idee, eine fiktive Figur ein Buch schreiben zu lassen und das dann auch zu veröffentlichen! Fasziniert beschloss ich, beide Bücher zu lesen - doch leider erwartete mich eine große Ernüchterung, denn "Die Blutschule" fand ich, ehrlich gesagt, bemüht schockierend und banal. (Kurz fragte ich mich sogar, ob das so beabsichtigt sein könnte, um zu zeigen, warum Max Rhode so ein erfolgloser Autor ist!) Aber gut, dachte ich, vielleicht lohnt es sich dann, wenn ich "Das Joshua-Profil" lese.

Tja, was soll ich sagen.

Vor zwei Tagen war ich etwa zur Hälfte durch und erwog ernsthaft, das Buch einfach abzubrechen. Das habe ich dann zwar nicht getan, überzeugen konnte es mich aber keineswegs.

Um erstmal mit etwas Positivem anzufangen: Sebastian Fitzek spricht hier wichtige und interessante Themen an. Im Mittelpunkt steht etwas, das man aus zum Beispiel aus dem Film "Minority Report" kennt, was aber beileibe keine Science Fiction mehr ist: die Auswertung über eine Person gesammelter Daten, um vorauszuberechnen, welche Straftaten sie in der Zukunft begehen wird. Da ist es bis zur Vorverurteilung nur ein kleiner Schritt, und heute, wo die meisten Menschen ihre Daten freiwillig auf sozialen Medien preisgeben und es ein Klacks ist, ihre Einkäufe über Kundenkarten zurückzuverfolgen, ist das Sammeln einfacher denn je! Außerdem spricht der Autor Themen wie Kindesmissbrauch, Pädophilie und Rehabilitierung an.

Leider fand ich die Umsetzung dieser Themen nur wenig gelungen.

Die meisten Szenen sind sehr kurz, und allzu viele davon enden mit einem künstlichen "Cliffhanger": dem Leser wird suggeriert, es sei etwas Schreckliches geschehen - dann Schnitt, nächste Szene, und später erfährt man, übertragen gesprochen, dass die Blutlache doch nur Ketchup war. Wenn dieses Stilmittel gezielt und sparsam eingesetzt wird, kann es durchaus Spannung erzeugen! Wenn es allerdings in gefühlt jeder zweiten Szene vorkommt, bewirkt es bei mir das Gegenteil und es fällt mir schwer, das Buch noch ernstzunehmen.

Auch das Stilmittel des "deus ex machina" wird überstrapaziert: die Rettung durch ein vollkommen unmotiviert eintretendes Ereignis. Wenn sonst gar nichts mehr geht, prescht eben ein wütendes Wildschwein durch die Szene und rettet den Tag. (Ohne Scherz.)

Obwohl das Buch jede Menge Action bietet, kam bei mir daher schnell überhaupt keine Spannung mehr auf.

Die Charaktere könnten von ihren Anlagen her eigentlich interessant sein, aber sie kranken in meinen Augen daran, dass sie sich nicht natürlich anhand ihrer Erlebnisse weiterentwickeln, sondern anhand dessen, wie es gerade in die Geschichte passt, oft sehr sprunghaft und auf größtmöglichsten Überraschungseffekt angelegt. Manchmal kam es mir dann vor, als würde ich über zwei ganz verschiedene Personen lesen!

Max Tochter Jola ist zehn, wirkt aber oft wie eine taffe Erwachsene und kann auch dann noch erstaunlich klar denken, wenn jemand eine Pistole auf sie gerichtet hat und sie damit rechnen muss, jeden Moment erschossen zu werden. (Außerdem müsste sie gegen Ende eigentlich komplett traumatisiert sein, denn ihr stößt eine unsägliche Anzahl schlimmer Dinge zu.)

Die Gefühle der Protagonisten kamen bei mir oft nicht an. Mir wird zum Beispiel gesagt, dass Jola Panik empfindet, aber es wird mir nicht so gezeigt, dass ich es mitempfinden könnte.

Die Glaubwürdigkeit geriet für mich schnell ins Wanken. Vieles erschien mir viel zu überzogen, viel zu extrem, viel zu wenig plausibel. Die Menschen, die im Hintergrund die Strippen ziehen, wirken fast schon allmächtig.

Der Schreibstil wirkte auf mich... Durchwachsen. Oft einfach und eher flach, dann wieder mit übertrieben dramatischen, für mich nicht stimmigen Metaphern, und nur manchmal so packend und dicht-atmosphärisch, wie ich es aus seinen anderen Büchern in Erinnerung hatte.

Fazit:
Viele der angesprochenen Themen sind wichtig und interessant, vom gläsernen Menschen und "predictive policing" bis hin zu Pädophilie und Rehabilitation. Eine actionreiche Szene jagt die nächste, wobei jede zweite mit einem erzwungen dramatischen Höhepunkt endet: Tod! Verderben! Und dann zwei Szenen später meist die Entwarnung: oh, doch nicht... Auf Dauer raubte mir das jede Spannung, und auch die Glaubwürdigkeit nahm für mich im Laufe des Buches immer mehr ab. Auch die Charaktere erschienen mir nicht in sich stimmig.

Nach "Die Blutschule" ist nun leider auch "Das Joshua-Profil" für mich eine große Enttäuschung.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Ich sehe dich

Alleine bist du nie
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Der größte Pluspunkt des Buches war für mich die originelle, clever konstruierte Geschichte. Sie beginnt zwar mit einer ganz normalen Frau, die nach einem ganz normalen Arbeitstag auf dem Nachhauseweg ...

Der größte Pluspunkt des Buches war für mich die originelle, clever konstruierte Geschichte. Sie beginnt zwar mit einer ganz normalen Frau, die nach einem ganz normalen Arbeitstag auf dem Nachhauseweg in der U-Bahn ein Foto von sich selbst unter den Anzeigen für Sex-Hotlines entdeckt, aber dieser vermeintliche schlechte Scherz entwickelt sich schnell zu etwas viel Unglaublicherem, das die Leben vieler Frauen bedroht. Datenklau und der gläserne Mensch, Hacking, Stalking, eine Webseite, auf der eine perfide Dienstleistung angeboten wird... Natürlich gibt es schon Thriller, in denen ähnliche Themen aufgegriffen werden, aber diese werden hier auf eine Art und Weise kombiniert, die daraus in meinen Augen etwas erfrischend Unverbrauchtes machen.

Die Spannung entstand für mich hauptsächlich daraus, dass die Protagonistin Zoe im Laufe des Buches zunehmend paranoid wird und beginnt, jedem in ihrem Umfeld zu misstrauen. Sie blickt sich quasi ständig über die Schulter, fühlt sich verfolgt, hat Todesangst, und dieses Gefühl konstanter Bedrohung übertrug sich beim Lesen auf mich - obwohl es immer wieder lange Passagen gibt, in denen eigentlich gar nichts Konkretes, Greifbares passiert, aber das macht es für Zoe nur umso schlimmer, denn deswegen glaubt ihr keiner wirklich, dass sie nicht nur Gespenster sieht.

Wahrscheinlich ist es nicht der richtige Thriller für Lesende, die ihre Thriller hart und blutig mögen - meiner Meinung nach eher etwas für Fans von Paula Hawkins' "Girl on the Train" als für Fans von Richard Laymons "Der Käfig".

Die Auflösung fand ich stimmig und logisch schlüssig, allerdings gibt es ein paar Stellen, wo die Handlung nur durch einen Zufall oder auch eine uncharakteristische Nachlässigkeit des Täters vorangetrieben wird. Ich habe im Laufe des Buches mehrere Theorien aufgestellt, wer hinter all dem steckt, und am Ende lag ich dann halb richtig - aber auch halb total falsch. Insofern finde ich das Buch im Rückblick nicht vorhersehbar!

Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt:

Einmal natürlich aus Sicht von Zoe, die gar nicht begreifen kann, wie ihr Leben auf einmal so aus dem Ruder laufen konnte. Sie will doch nur irgendwie in ihrem unbefriedigenden Job ausharren, um die Lebenskosten für ihre Familie bestreiten zu können, ihre beiden Kinder bei ihren ersten Schritten in der Erwachsenenwelt unterstützen und sich nach ihrer Scheidung ein neues Leben mit ihrem neuen Partner Simon aufbauen. Sie ist eine völlig normale 40-Jährige mit völlig normalen Wünschen und Hoffnungen, und manchmal wirkt sie dadurch ein wenig farblos, aber sie wuchs mir dennoch schnell ans Herz. Außerdem zeigt sie im Laufe des Buches dann auch, dass sie entschlossen und mutig sein kann!

Viel der Geschichte sehen wir auch aus Blickwinkel der jungen Polizistin Kelly, die nach einem schlimmen (aber verständlichen) Fehler degradiert wurde und jetzt versucht, sich wieder eine Karriere als aktive Ermittlerin zu erarbeiten. Ich mochte sie direkt sehr gerne, denn sie trifft manchmal zwar sehr unkluge Entscheidungen, aber immer aus dem Bauch heraus und aus den besten Motiven. Über sie würde ich tatsächlich gerne mehr in weiteren Büchern lesen! S

Wer außerdem noch ab und an zu Worte kommt, ist der Täter selber, und durch diese Worte gewinnt man stückchenweise mehr Einblicke, aber sie verraten nie zu viel, so dass die Neugier dadurch eher noch angeheizt wird.

Den Schreibstil fand ich sehr angenehm, er liest sich flüssig, wenn auch in einem für einen Thriller eher langsamen Tempo. Die Autorin gewährt viele Einblicke in das alltägliche Leben der Charaktere, und ich könnte mir vorstellen, dass auch das Lesern härterer Thriller vielleicht nicht so gut gefällt, aber mir hat es sehr gut gefallen.

Fazit:
Eine Frau entdeckt ihr eigenes Foto im Anzeigenteil der Zeitung, ausgerechnet unter den Sex-Hotlines, und muss feststellen, dass jemand anscheinend alles über sie weiß und sie ständig beobachtet. Und sie ist nicht die einzige Frau, deren Foto ohne ihr Einverständnis in einer solchen Anzeige erscheint, aber die Polizei nimmt die Sache zunächst nicht ernst.

"Alleine bist du nie" ist ein eher ruhiger Thriller, der in meinen Augen von einem Gefühl stetig steigender Paranoia und Bedrohung lebt. Mir hat das gut gefallen, denn ich fand die Geschichte und die Auflösung sehr intelligent konstruiert und komplex, aber wer Hardcore und nervenzerfetzende, rasante Hochspannung erwartet, wird wahrscheinlich eher enttäuscht.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Für mich das Ende der Nacht

Ich bin die Nacht
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Die Grundidee des Buches klingt sehr interessant und verspricht einen originellen psychologischen Thriller.

Francis Ackerman Junior ist ein Serienkiller - aber er ist auch ein Opfer, denn er wurde als ...

Die Grundidee des Buches klingt sehr interessant und verspricht einen originellen psychologischen Thriller.

Francis Ackerman Junior ist ein Serienkiller - aber er ist auch ein Opfer, denn er wurde als kleiner Junge von seinem eigenen Vater mittels Folter und Gehirnwäsche gebrochen und gezielt zum Serienkiller abgerichtet. Das wirft natürlich viele ethische Fragen zu Schuld und Eigenverantwortung auf: Inwieweit ist Ackerman verantwortlich für seine grausamen Taten?

Tatsächlich könnte die Geschichte an sich grandios sein, aber für mich scheitert das Buch leider gnadenlos an der Umsetzung.

Fand ich das Buch auf den ersten 100 Seiten noch spannend und unterhaltsam, kam es mir danach zunehmend vor wie ein schlechter Actionfilm mit vollkommen unrealistischen Stunts und Kampfszenen. Ständig wird irgendjemand mühelos mit nur einem Schlag bewusstlos geschlagen; ein Mann tritt barfuß eine Tür ein (was normalerweise mindestens ein paar gebrochene Zehen nach sich ziehen müsste); jemand befreit sich auf eine Art und Weise von seinen Handschellen, die im echten Leben wohl ein Auskugeln von Gelenken erfordern würde... Und das sind noch die harmlosen Beispiele, denn mit den wirklich unglaublichen würde ich schon zuviel verraten.

Da es mir immer schwerer fiel, die Geschehnisse zu glauben, flaute die Spannung für mich auch immer mehr ab.

Der interessanteste Charakter war für mich der Killer, Francis Ackerman Junior. Denn so unmenschlich und sadistisch seine Taten auch sind, zeigt er doch immer wieder, dass er eigentlich ein ganz anderer Mensch hätte sein können, wenn er als kleiner Junge nicht durch die Hölle gegangen wäre.

Anders, als vom Klappentext her zu erwarten wäre, spielt Ackerman auch nur die zweite Geige, denn meist steht der von seiner Vergangenheit gequälte Ex-Cop Markus im Mittelpunkt. Er und die anderen Charaktere wirkten auf mich sehr klischeehaft, fast wie aus dem Baukasten für Thriller-Charaktere. Zugegeben, gegen Ende wirft das Buch nochmal alles über den Haufen, was man über sie zu wissen glaubte, aber in meinen Augen war das keine geniale unerwartete Wendung, sondern eine gänzlich unglaubwürdige Auflösung.

Während der Leser sich noch verwirrt fragt, wie das alles möglich sein soll, behauptet Markus auf einmal, er hättet sich dies oder jenes ja schon gedacht, weil ihm gewisse Dinge direkt aufgefallen seien... Nur: das wurde vorher mit keinem Sterbenswort erwähnt. Tatsächlich wurde Markus in den Szenen, auf die sich das bezieht, als ganz und gar ahnunglos dargestellt - wäre ihm da wirlich schon etwas aufgefallen, hätte der Leser das an seinen Gedanken oder Taten merken müssen! So wirkte es auf mich lediglich wie der halbherzige Versuch, die Wendung glaubhafter zu machen.

Es gibt auch eine kleine Liebesgeschichte, aber auch die kam mir vor wie rasch zusammengeschustert, damit Markus jemanden hat, den er auf heroische Art retten kann.

Der Schreibstil konnte mich unglücklicherweise auch nicht überzeugen. Mal fand ich ihn sehr flach, dann gab es wieder überzogen dramatische Formulierungen: da öffnen sich "brüllend die Tore zur Hölle", der Wind heult "wie der Schrei einer Todesfee"... In vielen Szenen werden Charaktere wiederholt auf die immer gleiche Art beschrieben: der Mann im dunklen Hemd beobachtete, der Mann im dunklen Hemd sah, der Mann im dunklen Hemd grinste...

Fazit:
Die Grundidee hatte mich noch fasziniert: Ein Serienkiller, der als Kind von seinem Vater gezielt zum Serienkiller abgerichtet wurde? Das klang sehr originell und ungewöhnlich. Tatsächlich war ich auf den ersten 100 Seiten durchaus noch sehr angetan, aber im Laufe des Buches nahmen Glaubwürdigkeit und Spannung immer mehr ab - und das wurde noch gekrönt von einer konstruierten, wenig plausiblen Auflösung, bei der vieles einfach aus dem Nichts herbeigezaubert schien. Die Charaktere wirkten auf mich flach und klischeehaft, und auch der Schreibstil konnte mich überhaupt nicht überzeugen.

Ich werde die Reihe nicht weiterlesen. Sehr schade, denn die Geschichte hätte sehr viel Potential gehabt!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Dort, wo sie nie hatte sterben wollen.

Dein finsteres Herz
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Das Buch startet im Prolog fulminant, mit einer düsteren, atmosphärisch dichten Szene: Ein junges Mädchen wird von einer Gruppe Jugendlicher auf grausamste Art vergewaltigt, versucht mit letzter Kraft ...

Das Buch startet im Prolog fulminant, mit einer düsteren, atmosphärisch dichten Szene: Ein junges Mädchen wird von einer Gruppe Jugendlicher auf grausamste Art vergewaltigt, versucht mit letzter Kraft zu fliehen, schafft es sogar noch, einen ihrer Peiniger schwer zu verletzen... Und das grausame Ende, es ereilt sie trotzdem. Ein Auftakt wie ein Paukenschlag!

Danach springt die Geschichte 20 Jahre in die Gegenwart.

Die Täter von damals werden grausam abgeschlachtet, einer nach dem anderen. (Ich muss zugeben, mein Mitleid hielt sich schwer in Grenzen.) An dieser Stelle hat man als Leser natürlich einen enormen Wissensvorsprung vor dem Ermittlerteam - man kennt zwar noch nicht das WER und WIE, aber zumindest schon das WARUM, während Max Wolfe und Co. erst einmal herausfinden müssen, was ein Politiker, ein Alkoholiker, ein Lehrer, ein Soldat, ein Künstler und ein Lebemann überhaupt gemeinsam haben.

Dieser Grundaufbau hat an sich durchaus seinen Reiz und enormes Spannungspotential! Denn die Spannung ergibt sich quasi aus der Hilflosigkeit, die man als Leser empfindet: man muss ohnmächtig mit ansehen, wie die Mordkommission im Dunkeln tappt, während der Mörder ihr immer einen Schritt voraus ist... Und jede falsche Entscheidung, jede Sackgasse und jede falsche Fährte zieht die Daumenschrauben enger.

Paradoxerweise hatte ich zwar nur Verachtung übrig für die Vergewaltiger, wollte aber dennoch, dass der Mörder geschnappt wird, bevor er ein weiteres Mal zuschlagen kann - ich konnte den Verlauf der Ermittlung jedoch oft nicht nachvollziehen, und manche in meinen Augen naheliegenden Ermittlungsansätze wurden komplett ignoriert oder zumindest nicht näher untersucht. Mir fehlte daher das Gefühl, als Leser sozusagen Teil der Ermittlung zu sein, und das dämpfte die Spannung für mich erheblich. Dazu kommt noch, dass es eine falsche Fährte gibt, die zwar viel Raum einnimmt, aber weder Max noch den halbwegs aufmerksamen Leser lange täuschen kann.

Mit dem nagenden Argwohn, das irgendetwas nicht ganz stimmte, schlug ich das Buch zu. Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis ich darauf kam: mich plagte die Frage, was der Protagonist der Geschichte, Max Wolfe, eigentlich zur Aufklärung des Falls beigetragen hatte - und zwar durch tatsächliche Ermittlungsarbeit, nicht durch Bauchgefühl, Zufall oder die Arbeit bzw das Wissen anderer Leute. Mir fielen nur zwei oder drei Dinge ein, die im Grunde allerdings gar nicht so wichtig für die Auflösung waren!

Der Schluss konnte mich auch nicht vollends überzeugen. Das WIE war zu diesem Zeitpunkt schon lange geklärt, das WARUM trug der Leser schon seit dem Prolog mit sich rum, und das WER hatte für mich einen schalen Beigeschmack, denn es erschien mir wie eine seltsame Mischung aus vorhersehbar und unglaubwürdig. Die Hintergrundgeschichte der jugendlichen Vergewaltiger, über die man am Ende noch mehr erfährt, bedient außerdem das ein oder andere Klischee.

Auch Max, die Hauptfigur der Geschichte, entspricht einem gewissen Archetyp: er ist der Querschläger, der gegen den Strom schwimmt und sich auch über direkte Anweisungen seiner Vorgesetzten hinwegsetzt, wenn es sein muss - denn er sieht mehr als andere, verkauft seine Ideale für nichts und niemanden, kann auch mal hart zuschlagen und hat einfach im Gespür, wenn jemand schuldig ist (oder auch nicht). Außerdem ist eine Ehe (natürlich) gescheitert.

Schön fand ich, dass Tony Parsons aus diesem Schema ausbricht, indem er Max zum liebevollen Vater einer kleinen Tochter und ebenso liebevollem Herrchen eines kleinen Hundes macht. Die Szenen mit den beiden gehören für mich zu den authentischsten, lebendigst geschriebenen des Buches.

Die Liebesgeschichte erschien mir dagegen sehr aufgesetzt. Sie kam für mich aus heiterem Himmel, da habe ich mich allen Ernstes gefragt, ob ich zwischendrin ein Kapitel überblättert habe! Ich fand sie vollkommen unnötig, denn sie hat keinen wirklichen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte.

Der Schreibstil gefiel mir ausgesprochen gut. In ein paar Rezensionen habe ich Meinungen gelesen, er sei hölzern, gestelzt, übertrieben literarisch oder auch langweilig, aber das habe ich überhaupt nicht so empfunden. Gerade in einem Krimi oder Thriller finde ich den Widerspruch sehr reizvoll - den Kontrast zwischen dem grausamen Inhalt und einem Schreibstil, der verschiedene Nuancen von rasant-brachial bis leise-poetisch beherrscht.

Fazit:
"Dein finsteres Herz" ist in meinen Augen ein Debütroman mit viel Potential, der dieses Potential aber noch nicht vollständig ausschöpft. Die Grundidee ist interessant und verspricht atemlose Spannung, diese Spannung wird aber immer wieder ausgebremst von einem Ermittler, der genau genommen wenig ermittelt. Max Wolfe war mir zwar sehr sympathisch, er konnte mir in diesem ersten Band aber noch nicht wirklich zeigen, was in ihm steckt - allzu oft kommt er nicht weiter durch brillante Ermittlung, sondern durch Zufall, Intuition und die harte Arbeit anderer Leute.

Der größte Pluspunkt war für mich der interessante Schreibstil, das größte Manko eine halbherzige, unnötige Liebesgeschichte. Im Ganzen aber fand ich das Buch trotz einiger Kritikpunkte durchaus unterhaltsam.