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Veröffentlicht am 10.04.2021

Der Wunsch nach Freiheit

Das Haus des Leuchtturmwärters
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Nach der Wende erinnert sich die Autorin Franzi an ihre schönsten Jahre in der Kindheit, die sie als Tochter des Leuchtturmwärters im ostdeutschen Lüstrow verbracht hat. Um ihre Schreibblockade zu überwinden, ...

Nach der Wende erinnert sich die Autorin Franzi an ihre schönsten Jahre in der Kindheit, die sie als Tochter des Leuchtturmwärters im ostdeutschen Lüstrow verbracht hat. Um ihre Schreibblockade zu überwinden, möchte sie an diesen Ort zurückkehren und sich neue Inspiration holen. Sie findet das Tagebuch von Else, das 30 Jahre unter Dielenbrettern geschlummert hat und statt an ihren Thriller zu schreiben, taucht sie immer tiefer in das Leben der jungen Frau ein, die unter dem menschenunwürdigen System der DDR so gelitten hat, dass sie ihre Flucht plante.

Der Roman spielt in 2 Zeitebenen. Zum einen geht es ins Jahr 1992, als Franzi sich für längere Zeit in das Gehöft inklusive Leuchtturm, der inzwischen automatisch betrieben wird, einmietet, zum anderen führt die Geschichte zurück ins Jahr 1962 zu Else und ihrem Vater, sowie ihrer Freundin Lulu und deren Freund Otto.

Die Stimmung im fiktiven Lüstrow zu DDR Zeiten ist düster. Den eigentlich idyllischen Leuchtturm und den nahegelegenen Strand verschandelt ein Wachturm. Die Zukunftspläne sind sehr eingeschränkt und man muss Angst haben, jederzeit bespitzelt zu werden. Die Frage, wem kann ich trauen und wem nicht, steht ständig im Raum. Dieses Gefühl der Trostlosigkeit und des Ausgeliefertseins vermittelt Kathleen Freitag dem Leser sehr authentisch,und ich konnte den Wunsch nach Flucht nur allzu gut nachvollziehen.

Else ist eher ruhig und besonnen im Gegensatz zu ihrer quirligen Freundin Lulu, der schon mal vorschnell eine unbedachte Äußerung herausrutscht, die sie im „Arbeiter und Bauernstaat“ in Teufel‘s Küche bringen könnte. Ihr schmächtiger Freund Otto, Musiker aus Leidenschaft, ist total liebenswert und verliebt in Lulu, die er, was ich niedlich fand, seine Sonne nennt. Gerade in einem Staat wie der DDR ist Ehrlichkeit das Fundament ihrer Freundschaft und das Vertrauen kann nur allzu schnell enttäuscht werden, was die Protagonisten auch im Laufe des Romans erfahren werden. Als Leserin habe ich mit Else, Lulu und Otto gebangt und gehofft, ihre Fluchtvorbereitungen staunend verfolgt und sie für ihren Mut und ihre Entschlossenheit bewundert.

Im Gegensatz zu der spannenden Fluchtgeschichte bleibt Franzi, die Autorin ein bisschen blass und im Hintergrund und ist wohl eher der Aufhänger, um Else‘s Geschichte voranzutreiben.

Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen. Der Roman konnte mir als Wessi den beklemmenden Alltag und den daraus resultierenden, lebensgefährlichen Wunsch aus diesem Land zu fliehen glaubhaft darstellen. Es war ein leichter, liebenswerter historischer Roman, spannend und unterhaltsam geschrieben, der mir viele schöne Lesestunden geschenkt hat und den ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 06.04.2021

Nicht mein Buch

Alles richtig gemacht
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Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zuletzt ein Buch abgebrochen habe, aber bei diesem Roman war nach 150 Seiten Schluss, und damit habe ich bestimmt alles richtig gemacht.

Die Geschichte spielt ...

Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zuletzt ein Buch abgebrochen habe, aber bei diesem Roman war nach 150 Seiten Schluss, und damit habe ich bestimmt alles richtig gemacht.

Die Geschichte spielt vor und nach der Wende. Thomas und Daniel haben sich in Rostock in der Schule kennengelernt und sind seither befreundet, so unterschiedlich sie auch sind. Eine Zeit lang verlieren sie sich aus den Augen, doch just zu dem Zeitpunkt als Thomas, inzwischen in Berlin lebend, von seiner Frau und seinen Töchtern verlassen wird, taucht Daniel wieder auf. Thomas ist der Icherzähler, dessen Leben mit der Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten portraitiert wird, wobei der Autor in der Zeit hin und springt. In seiner Jugend ist das Leben der Freunde auf Partys , Rauchen, Trinken und Sex fokussiert. Nach mehreren berufliche Fehlentscheidungen steigt Thomas später auf Jura um, aber man hat nicht den Eindruck, dass ihn diese Berufswahl erfüllt.Geschichtliche Ereignisse dienen lediglich als Kulisse und werden nicht näher ausgeführt. Weder fand ich die Charaktere sonderlich interessant noch deren Lebenswege.Nach mehr als der Hälfte des Buches war mir immer noch nicht klar, was der Autor eigentlich erzählen möchte. Das Buch hat mich ehrlich gesagt gelangweilt und wenig Spaß gemacht. Die Sprache war ganz OK , der Ostjargon amüsant aber insgesamt konnte mich das Buch leider überhaupt nicht abholen und war für mich eine Enttäuschung.

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Veröffentlicht am 05.04.2021

Dem Ursprung des Nahost-Konflikts auf der Spur

Jaffa Road
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"Jaffa Road" ist die Fortsetzung des Mehr-Generationen-Romans "Piccola Sicilia" von Daniel Speck, den ich schon sehr gerne gelesen habe, und ich habe mich riesig auf die jetzt erschienene Fortsetzung gefreut. ...

"Jaffa Road" ist die Fortsetzung des Mehr-Generationen-Romans "Piccola Sicilia" von Daniel Speck, den ich schon sehr gerne gelesen habe, und ich habe mich riesig auf die jetzt erschienene Fortsetzung gefreut. Man braucht allerdings keine Sorge zu haben ohne Band 1 gelesen zu haben im 2. Band den Anschluss zu verlieren. Der Autor vermittelt auch dem neueinsteigenden Leser durch Rückblicke das notwendige Wissen in die Geschichte vollständig eintauchen zu können.

Der Roman beginnt mit einer Erbschaftsangelegenheit bei der Nina aus Deutschland und Enkelin des verstorbenen Moritz, sowie ihre Tante Joëlle, israelische Jüdin ,und Elias, der den beiden unbekannte Sohn des Erblassers nach Palermo zur Testamentseröffnung gebeten werden.

Die Erben begegnen sich mit Mißtrauen, versuchen aber nach und nach Moritz bewegtes Leben, von dem jeder nur Bruchstücke kennt zu rekonstruieren.Noch im Krieg desertiert Moritz in Tunesien und wird von einer jüdischen Familie versteckt, deren Tochter Yasmina er später heiratet, wohlwissend ,dass er in Deutschland eine Verlobte zurücklässt. Wie es zu einer 3. Frau in seinem Leben kommt, erfahren wir im Laufe der Geschichte.

Der Leser wird zurück in die Nachkriegszeit versetzt, in das Jahr 1948, wo die Weltgemeinschaft nach dem Holocaust beschloss, der Forderung der Juden nach einem eigenen Staat nachzugeben und Israel gegründet wurde. Die Freude über eine Heimat auf Seiten der Juden war aber nur eine Seite der Medaille, denn die Staatsgründung hatte zur Folge, dass die Palästinenser, die zuvor friedlich mit ihren jüdischen Nachbarn zusammengelebt hatten nun von ihrem Grund und Boden vertrieben wurden und dann als "Abwesende" enteignet wurden. Es hat mich schon erschüttert, wie den neuankommenden Juden Wohnungen zugewiesen wurden, in denen die Kaffetassen der palästinensischen Vorbewohner noch auf dem Tisch standen.

Daniel Speck schlüpft ohne zu werten in unterschiedliche Perspektiven, so dass man Verständnis und Empathie für jeden seiner Protagonisten und somit für alle Seiten des Konflikts entwickeln kann. Viele geschichtlichen Ereignisse waren mir gar nicht so bekannt und ich habe sie an anderer Stelle nochmal nachgeschlagen. Ich kann den Autor für seine hervorragende Recherchearbeit nur loben.Ihm ist ein Familienepos gelungen, dass mir den Nahostkonflikt und dessen Ursprung deutlich näher gebracht hat. Ich fand den Roman spannend und unterhaltsam, und auch wenn es ein dicker Schmöker ist, gab es für mich kaum Längen. Die Charaktere hat der Autor authentisch und sympathisch angelegt. Nicht immer konnte ich die Lebensentscheidungen von Moritz so ganz nachvollziehen. Trotzdem war er mir nicht unsympathisch. Wenn Figuren Ecken und Kanten haben, finde ich das auf jeden Fall realistischer, als wenn sie nur gut oder nur schlecht angelegt sind. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, und es war ein perfekter Reihenabschluss. Wer groß angelegte Familienromane mit geschichtlichem Hintergrund und tiefgründigen Figuren mag, dem wir "Jaffa Road" sicher genauso begeistern wie mich. Da Daniel Speck auch Drehbuchautor ist, habe ich die Hoffnung, dass diese interessante Geschichte auch irgendwann mal verfilmt wird.

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Veröffentlicht am 26.03.2021

Ode an die Jugend

Der große Sommer
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Frieder hat es verbockt. Den geplanten Sommerurlaub mit seiner Familie kann er vergessen. Er wird in den Ferien für die Nachprüfungen in Mathe und Latein büffeln müssen, und dafür soll er zu seinen Großeltern. ...

Frieder hat es verbockt. Den geplanten Sommerurlaub mit seiner Familie kann er vergessen. Er wird in den Ferien für die Nachprüfungen in Mathe und Latein büffeln müssen, und dafür soll er zu seinen Großeltern. Ausgerechnet sein strenger Großvater soll dafür sorgen, dass er auch wirklich lernt. Zu seiner großen Überraschung wird es trotzdem der Sommer seines Lebens werden, ein Sommer in dem er sich zum ersten Mal verliebt, in dem er viel über das Leben lernt, über Freundschaft, Angst und Tod über Respekt und Vertrauen. Es wird der Sommer an den er in späteren Jahren immer wieder zurückdenken wird, denn es war der Sommer an der Schwelle des Erwachsenwerdens.

Der Roman spielt irgendwann in den 80erJahren in einer unbenannten Stadt. Frieder's Familie ist insofern schon etwas besonderes, weil es eine kinderreiche Familie ist, bei der immer ein Grundchaos herrscht. Die Familienmitglieder gehen freundlich und liebevoll miteinander um, und zu seiner Schwester Alma, die nur wenig jünger ist als er und die aufgrund eines Praktikums ebenfalls nicht mit in die Ferien fährt, hat Frieder ein besonders inniges Verhältnis. Auch sein bester Freund Johann wird den größten Teil der Ferien in der Stadt sein. Und dann ist da noch Beate, die er zufällig im Schwimmbad kennengelernt hat und in die er sich sofort heftigst verliebt hat. Für dieses Vierergespann bleibt in der lernfreien Zeit Raum für Unternehmungen und wagemutige Aktionen und für Beate und Frieder auch die Chance sich näher zu kommen.

Ewald Arenz schafft es in seinem Roman das Gefühl der Jugend wieder heraufzubeschwören. Ich konnte diese Mischung aus Naivität,Unbeschwertheit , Wagemut und Unbesiegbarkeit sehr gut nachfühlen. Die Charaktere wirken absolut authentisch und vielschichtig. Der fast unnahbare Großvater, den Frieder noch vor kurzem hatte siezen müssen, hat auch eine sehr liebenswerte und fürsorgliche Seite, die auch der Icherzähler entdeckt. Die Liebe der Großeltern hat mich berührt. Die Gespräche zwischen Großmutter und Enkel waren bewegend . Die coole Fassade von Johann bröckelt , als dieser einen schweren Schicksalsschlag erleidet und die Freundschaft der Gruppe wird auf die Probe gestellt.

Der Sommer ist mit dem Beginn des neuen Schuljahres so unwiderruflich vorbei, wie die Unschuld der Kindheit. Deshalb klingt auch ein bisschen Wehmut mit, wenn Frieder Jahre später auf diese Zeit zurückblickt. Ewald Arenz ist ein wunderbar einfühlsamer Erzähler, der nicht nur den Sprung ins Erwachsenenleben gut eingefangen hat, sondern auch die 80er Jahre in seiner Erzählung hat aufleben lassen, und ich mochte seinen Roman wirklich sehr.

4,5 Sterne gibt es von mir für diesen sehr lesenswerten, warmherzigen Roman.

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Veröffentlicht am 26.03.2021

Alte Freunde

Ein Wochenende
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Vier Australierinnen sind seit Jahrzehnten miteinander befreundet, und inzwischen sind sie alle in ihren 70ern als eine von ihnen stirbt. Sylvie war ein bisschen die Ausgleichende zwischen den doch sehr ...

Vier Australierinnen sind seit Jahrzehnten miteinander befreundet, und inzwischen sind sie alle in ihren 70ern als eine von ihnen stirbt. Sylvie war ein bisschen die Ausgleichende zwischen den doch sehr unterschiedlichen Charakteren. Sie hatte sich gewünscht, dass sich die Frauen in ihrem Ferienhaus an der Küste treffen sollten, um sich aus ihren Sachen vielleicht noch etwas herauszusuchen, bevor es von Sylvie's Tochter verkauft werden würde. Jude, Adele und Wendy sollen auch gründlich auszumisten. Die an ein Kammerspiel erinnernde Erzählung spielt an Weihnachten und ist in Australien ein sehr heiße Zeit. Ich habe es eigentlich von Sylvie's Tochter ein bisschen als Zumutung empfunden, 3 alte Damen an Weihnachten das Haus entrümpeln zu lassen.

Schon die Anreise gestaltet sich schwierig. Die penible Jude ist als erstes da, während Wendy die mit ihrem alterschwachen Hund anreist noch eine Autopanne hat und Adele sich erwartungsgemäß mit dem Zug als letzte einfindet. Die Charaktere werden von Charlotte Wood sehr ausführlich beschrieben, indem sie ständig die Perspektive wechselt und damit immer wieder von der Eigenbetrachtung wechselt auf die Sicht der Freundinnen untereinander. So entsteht eine sehr komplexe Charakterstudie, durchaus mit Humor erzählt, die wirklich gnadenlos ins Eingemachte geht. Konflikte brechen auf ,aber genauso ist immer wieder Verständnis füreinander da. Die Frauen sind schließlich seit 40 Jahren miteinander befreundet. Da liebt man sich und kann vieles auch verzeihen. Die Sprache und Erzählweise der Autorin mochte ich sehr. Das Thema Alter und Freundschaft spielt in ihrem Roman eine zentrale Rolle. Gegen Ende häufen sich allerdings die Katastrophen, und auch wenn die letzten Seiten wieder versöhnlicher stimmen, hat das Ende für mich nicht so richtig gepasst.

Das schmale Buch mit gerade einmal 288 Seiten ist schnell gelesen, erzählt sehr einfühlsam und voller Tiefe von einem Lebensabschnitt, von dem man sonst eher weniger liest ud hat mich gut unterhalten.

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